Dazu dann die Reaktion der Supporters Crew Göttingen, nen Interview auf einer kompletten Seite im Göttinger Tageblatt:
Wir sind eben nicht immer Klosterschüler
Tageblatt-Interview mit Oliver Sauer vom RSV-05-Fanclub Supporters Crew
Die Fans von Fußball-Bezirksoberligist RSV 05 machten zuletzt beim Derby gegen die SVG auf sich aufmerksam, als sie gegen den Club-Vorstand protestierten – sie seien „mehr als Vereinslakaien“. Darüber und über die Antipathien gegen die SVG sprach Eduard Warda mit Oliver Sauer vom 05-Fanclub Supporters Crew.
Tageblatt: Warum die Protestaktion?
Sauer: Wir haben zum Beispiel die Tribüne am Sportplatz Benzstraße gebaut, kümmern uns um die Fanartikel. Dass als Dank nach dem SVG-Spiel in Goslar (die 05-Fans waren in den Harz gereist und hatten die SVG mit Gesängen verunglimpft, Anm. d. Red.) der Vorstand nicht zuerst zu uns gekommen ist, sondern sich gleich öffentlich entschuldigt hat, fanden wir nicht so gut, das hat uns enttäuscht. Das Fass zum Überlaufen hat gebracht, dass ein Mitglied des Vorstands im Hinblick auf die Buttons mit Platzverboten gedroht hat (vor dem Derby wurde öffentlich, dass bei den 05-Fans Buttons mit der Aufschrift „SVG – Schande von Göttingen“ kursieren, Anm. d. Red.). So etwas kann doch wohl uns überlassen bleiben, sofern keine persönlichen Beleidigungen oder irgendwelche rassistischen Sachen vorkommen. So etwas gehört zum Derby dazu. Die Buttons gibt es übrigens schon längere Zeit.
Ist nun das Tischtuch zwischen Vorstand und Fans zerschnitten?
Zunächst einmal kommt so etwas in jeder guten Ehe vor. Man sollte sich an einen Tisch setzen und reden. Es gab schon Kontaktaufnahme von uns in Richtung Vorstand, so habe ich unter anderem mit Helmut Latermann (Sportlicher Leiter des RSV 05, Anm. d. Red.) gesprochen, der diesen Punkt bei der nächsten Vorstandssitzung vorbringen wird. Gerade bei den alten 05-Fans taucht bei solchen Geschichten aber sofort ein Thema wieder auf. Und das wäre? Es gibt zum Beispiel einen Sponsor, der beide Vereine unterstützt. Also kursieren Gerüchte, maßgebliche Leute wollen eine Fusion mit der SVG, und es gäbe geheime Verhandlungen. Eine öffentliche Entschuldigung und angedrohte Platzverbote nähren diese Gerüchte, da zählt man eins und eins zusammen und sieht vielleicht auch Sachen, die gar nicht so sind. Wir sagen nicht zum ersten Mal: Eine Fusion könnt ihr nicht einfach so machen, ihr müsst uns einbinden. So etwas muss auch mit den Vereinsmitgliedern lange und gut vorbereitet sein, sofern man dafür ist. Nach dem bislang letzten Versuch, der gescheitert ist, weil die SVG nicht mehr wollte, hat uns der Vorstand versichert: Wir packen das jetzt allein. Das Wort gilt für uns.
Eine Fusion mit der SVG wird es also von eurer Seite niemals geben?
Das Argument ist, dass man auch so den Aufstieg bis in die Oberliga, eventuell in die Regionalliga packen könnte, wenn man vernünftig weiterarbeitet. Das andere sind die Verbindlichkeiten der SVG. Lass es uns allein versuchen. Wenn man in ein paar Jahren sieht, es geht doch nicht, kann man sich immer noch Gedanken machen. Nur: Zum einen müssten „Göttingen“ und „05“ im Namen des Clubs auftauchen, denn dies ist die Voraussetzung für ein immer noch bundesweit bekanntes Markenprodukt. Zum anderen lässt sich die Regionalliga oder der Traum der 3. Bundesliga, der in dieser Stadt eventuell auch immer ein Traum bleiben wird, nicht allein durch eine Fusion realisieren. Dazu müssten tatsächlich wirklich professionelle Strukturen geschaffen werden.
Das klingt jetzt gar nicht so nach abgrundtiefer Feindschaft…
Ich kann nur für mich reden, es gibt sicher auch 05-Fans, die anderer Meinung sind. Grundsätzlich ist bei uns die Stimmung so, dass es keine Fusion geben soll, und nochmal: Auch für mich ist derzeit das Thema durch. Wieso der Hass auf die SVG? Den Fair-Sport-Skandal (damalige SVG-Funktionäre wollten das Insolvenzverfahren gegen den 1. SC 05 beschleunigen, Anm. d. Red.) werde ich nie vergessen. Dafür haben wir übrigens nie eine Entschuldigung erhalten. Darüber hinaus leben wir einfach eine gesunde Rivalität aus. Fußball hat schon immer polarisiert, das gehört einfach zum Spiel dazu.
Die Öffentlichkeit in Göttingen hat sich trotzdem sehr an eurer Aktion in Goslar gestört.
Wir sind vor allem deswegen hingefahren, weil es im Falle des Nichtaufstiegs der SVG wieder zu einem Derby in Göttingen kommt. Die Idee war: Wir können heute die SVG einholen. Die 05-Fans sind sicherlich Fußballverrückte, hängen an ihrem Verein, sind aber in jedem Fall gewaltfrei. Wir haben nie vorgehabt, irgendwen tätlich anzugreifen. Vielmehr wollten nach dem Spiel die SVG-Anhänger uns an den Kragen und haben einige Goslarer Spieler bei ihren Feierlichkeiten angegriffen. Dann gab es am vergangenen Wochenende endlich das Derby an der Benzstraße. Wenn man den Göttinger Zeitungen geglaubt hätte, hätte eigentlich viel Polizei da sein müssen. Das war Panikmache, in Göttingen ist die Fanszene nun wirklich sehr harmlos.
Wahrgenommen wurde vor allem euer Protest gegen den Club-Vorstand…
Um es noch einmal klipp und klar zu sagen: Wir lassen niemanden wegen solcher Kleinigkeiten aus unserem Block verbannen! Wir lassen uns auch nicht vorschreiben, was wir oder was wir nicht zu singen hätten, dennoch haben wir vor dem Derby gesagt: Gesänge wie „Tod und Hass der SVG“ lassen wir. Aber wenn man im Stadion ist und vielleicht ein Bierchen getrunken hat, dann kann es sein, dass man mal „Scheiß SVG“ ruft. Wir sind eben nicht immer Klosterschüler, und bei Spielen deines Vereins bist du mit Sicherheit nicht ganz objektiv. In jedem Fall wollten wir niemals jemanden in die Pleite treiben…
… was seinerzeit die SVG-Verantwortlichen versucht haben.
Das ist ein anderer Grund, es allein zu versuchen. Manche Leute von damals machen nach wie vor Göttinger Fußballpolitik. Es gibt ja vernünftige Funktionäre, ich persönlich kann mich auch mit Reinhold Napp (2. Vorsitzender der SVG, Anm. d. Red.) unterhalten. Und es ist auch nicht so, dass wir vor ein paar Jahren die Fusion zwischen dem 1. SC 05 und der SVG verhindert haben, weil wir die SVG hassen. Es gab die SVG-Immobilie am Sandweg, die Kosten bereitet hätte, die Verbindlichkeiten der SVG kamen dazu, und niemand konnte uns beispielsweise ausreichend erklären, wer wie dafür aufkommt. Darüber hinaus war die ganze Sache schlecht vorbereitet, und dann scheitert so eine Fusion.
Und heute verhindern aus eurer Sicht diese belasteten Funktionäre eine Einigung des Göttinger Fußballs?
Eins muss klar sein: Unser Vorstand macht trotz der momentanen Differenzen keine schlechte Arbeit. Das sind unbelastete Leute, die zu einem Neuanfang passen. Mit anderen Funktionären ist ein Neuanfang schwerlich möglich. Jetzt plötzlich Lob für den eigenen Vorstand? Wir investieren viel Zeit und Energie in den Club, und da haben wir uns in der Position gesehen, den Vorstand zu kritisieren. Wir haben die Hand des Vorstands nicht mehr gesehen, zukünftig sollten wir Hand in Hand arbeiten. Und dann klappt es auch ohne eine Fusion mit dem Aufstieg in die Oberliga. Unser Ziel ist es nicht, die Mannschaft auf einem Dorfplatz anzufeuern. Die Spiele gegen Landolfshausen in der Bezirksliga waren zwar ganz witzig, die alte Regionalliga oder etwa die Relegation gegen Holstein Kiel waren aber schon etwas anderes. Dass Gellert da ist (Hartwig Gellert ist Sponsor und Vorsitzender des RSV 05, Anm. d. Red.), ist ein guter Startschuss, darauf kann man aufbauen. Wir werfen ein Auge auf die 05-Tradition, auch die sehen wir übrigens vom Vorstand punktuell nicht genug gewürdigt. Wir 05-Fans sehen uns auch als Bewahrer sowie als Mittler zwischen dieser Tradition und der Moderne. Wenn Spieler zum RSV 05 kommen, dann ist der eine Punkt das Geld, auf der anderen Seite hat 05 aber auch einen guten Ruf, und es sind Leute da, die ein bisschen laut sind und für Stimmung sorgen. Wir nehmen uns als Fans dieses Clubs einfach auch gewisse Rechte heraus.
Wie begegnet ihr dem Vorwurf, arrogant zu sein, die Wahrheit gepachtet zu haben?
Mit dem Vorwurf kann ich gut leben. Ich kann den Spieß aber auch umdrehen: Ich hätte nie gedacht, als Spieler unserer „Alten Herren“ von Zuschauern mal als „Scheiß Millionär“ beschimpft zu werden. Klar, bei Auswärtsspielen hat man eine große Klappe, skandiert „Wir wollen die drei Punkte“. In diesen Ligen kennt man Fankultur halt gar nicht, Unverständnis könnte eine Folge sein. 05 ist ein großer Verein, dem mein Herz gehört.
Oliver Sauer (41) ist einer der Sprecher des 05-Fanclubs Supporters Crew. Tätig ist er im Projekt Kontakt der Jugendhilfe Göttingen, betreut zudem Insassen der Jugendvollzugsanstalt auf dem Leineberg, wo er momentan ein Fußball-Projekt leitet.
FANS DES RSV 05
Die Anhänger des RSV 05 sind in verschiedenen Clubs organisiert. So gibt es die Cider Boiz, Killer Bees und – seit kurzem – die Ultras. Als Dachverband versteht sich die Supporters Crew, die unter anderem Treffen mit der Mannschaft organisiert. Zur Crew zählen Fans wie Oliver Sauer, die als Ansprechpartner des Vorstands fungieren. Rund 50 Anhänger bilden den Kern der 05-Fans, bei Heimspielen gehören sie zu den Helfern. Nur ein Teil dieser Fans sind Clubmitglieder.
GT 16.08.2008