Politischer Zoff-Thread oder so

  • Kann ich so nicht nachvollziehen, das kann aber auch an mir liegen. Ein weiteres Referendum könnte durchaus Klarheit bringen, mehr als das letzte, denn die Optionen sind jetzt klar auf dem Tisch. (Auch, wenn viele drüben das nicht wahrhaben wollen.) Allerdings wäre absolut wünschenswert, dass es einen eindeutigen Ausgang hat. (Und das ist eine weitere Sache, die ich an der Insel nicht verstehe: Wie kann man jahrelang rumpoltern, Brexit sei der Wählerwille, bei einem so knappen Ergebnis und so gravierenden Konsequenzen? Eigentlich müssten die Pro-Brexit-Befürworter ein weiteres Referendum fordern, stattdessen überreizen sie komplett ein Ergebnis, welches eigentlich ein Unentschieden war.)


    Was Labour "will", ist unklar. Corbyn scheint mir von Anfang an konsequent dem Umstand Rechnung getragen zu haben, dass die Labour-Wählerschaft selber gespalten ist. Ich habe mal kurz gegoogelt und hier seine Bedingungen für eine Brexit-Unterstützung gefunden, vom Februar. Das wäre, was ich oben als "zahnloser Brexit" beschrieben habe, dicht am norwegischen Modell, Zugang zum Binnenmarkt ohne Mitsprache.


    (Ich habe dunkel in Erinnerung, dass er auch mal offensivere Pläne erwog, die Brexit als Chance für eine Wiederbelebung des Sozialstaates nutzten. Das ist das, was ich weiter oben meinte. Werde jetzt aber nicht danach suchen. Es scheint so, als werde Labor durch die Dynamik der Ereignisse sowieso eher auf die No-Brexit-Seite gedrückt, vgl. hier.)

  • So wie ich es verfolgt habe, wäre ein zweites Referendum schon deshalb notwendig, weil sich eine neue Regierung bei einem Nichtumsetzen des Auftritts, unabhängig erstmal von der Frage ob mit oder ohne vertraglichen Vereinbarungen, immer des Vorwurfes ausgesetzt sähe, den Volkswillen nicht umzusetzen. So knapp der auch zustande gekommen ist. Dem wird sich niemand in der aufgeheizten Atmosphäre aussetzen, zumal allein die Möglichkeit, dass so etwas von einer Seite als Option verfolgt wird, den radikalen Austrittsfanatikern Stimmen zuführen wird. Gleich, unter welchem Parteilabel die sich sammeln.

    Die Debatte im Unterhaus geht ja auch nicht um einen Nichtaustritt, sondern um einen mit vertraglichen Vereinbarungen.

    Wenn es also um die Vorstellung geht, es gäbe noch eine Möglichkeit, UK in der EU zu halten (wofür ich bin), braucht es das zweite Referendum, wie auch immer das ausgeht.

  • Ich denke, da herrscht Einigkeit hier.

    Die Frage ist, ob es überhaupt eine Möglichkeit für ein neues Referendum gibt,oder der Austritt eh unabwendbar ist, weil einmal durch Volk entschieden.

  • Das weiß ich halt nicht, ob sich die Labour Nasen sich nurdem ersten Reverendum verpflichtet sehen, und diesen "Auftrag" jetzt versuchen umzusetzen. Gut, daß die lieber drinbleiben wollen hab ich auch nicht gehört.

    Grundsätzlich ist Labour (zumindest aktuell) insgesamt europafreundlicher als die Tories (als die EU noch eher eine Art Freihandelsprojekt war, war das möglicherweise mal andersrum - habe ich aktuell nicht auf dem Schirm, könnte ich mir aber gut vorstellen). Das Problem ist, dass viele Abgeordnete auch von Labour aus Wahlkreisen kommen, in denen mehrheitlich für den Brexit gestimmt wurde. Da will man es sich natürlich auch nicht mit seiner örtlichen Wählerschaft verscherzen. Zu den Verschränkungen zwischen Brexit, ökonomischen und soziokulturellen Ansichten ist vielleicht die Grafik unter Punkt 3 ganz interessant.


    Was Labour "will", ist unklar. Corbyn scheint mir von Anfang an konsequent dem Umstand Rechnung getragen zu haben, dass die Labour-Wählerschaft selber gespalten ist. Ich habe mal kurz gegoogelt und hier seine Bedingungen für eine Brexit-Unterstützung gefunden, vom Februar. Das wäre, was ich oben als "zahnloser Brexit" beschrieben habe, dicht am norwegischen Modell, Zugang zum Binnenmarkt ohne Mitsprache.


    (Ich habe dunkel in Erinnerung, dass er auch mal offensivere Pläne erwog, die Brexit als Chance für eine Wiederbelebung des Sozialstaates nutzten. Das ist das, was ich weiter oben meinte. Werde jetzt aber nicht danach suchen. Es scheint so, als werde Labor durch die Dynamik der Ereignisse sowieso eher auf die No-Brexit-Seite gedrückt, vgl. hier.)

    Die Financial Times hat gerade eine Serie laufen, in der sie Corbyns Pläne für eine eventuelle Labour-Regierung in ziemlich dramatischer Weise als Ausgeburt der sozialistischen Hölle darstellt :D Die FT ist aktuell auch so ein bisschen schizophren unterwegs. Als liberale Wirtschaftszeitung natürlich von der Klientel her ganz klar eher den Tories zugetan, an denen sie aber momentan auch komplett verzweifelt, denn aus dem gleichen Grund ist sie natürlich für Freihandel, Globalisierung und auch die EU-Mitgliedschaft. Hat sich auch immer klar gegen den Brexit (bzw. nach dem Referendum gegen No Deal) positioniert. Aber Labour? Geht natürlich auch nicht, das sind ja quasi Kommunisten. Schon interessant, wie sich die Linien zwischen den Lagern über die letzten Paar Jahre auf verschiedenen Ebenen ganz neu gezogen haben (passt vielleicht auch zu der Thematik, zu der ich oben die Grafik verlinkt habe).

  • Die FT ist aktuell auch so ein bisschen schizophren unterwegs. Als liberale Wirtschaftszeitung natürlich von der Klientel her ganz klar eher den Tories zugetan, an denen sie aber momentan auch komplett verzweifelt, denn aus dem gleichen Grund ist sie natürlich für Freihandel, Globalisierung und auch die EU-Mitgliedschaft. Hat sich auch immer klar gegen den Brexit (bzw. nach dem Referendum gegen No Deal) positioniert. Aber Labour? Geht natürlich auch nicht, das sind ja quasi Kommunisten.

    Das scheint mir nicht nur für die FT zu gelten. Das ist eine der Sachen, die an der ganzen Geschichte von dieser Seite des Kanals aus nicht so leicht zu verstehen ist, zumindest für mich. Diese Einstellung: Lieber (No Deal)-Brexit als Labour.


    Will jetzt gar nicht anfangen, das im Detail zu diskutieren, und ehrlich gesagt bin ich auch nicht dicht genug dran, um mich da halbwegs sattelfest zu fühlen, aber das finde ich nicht nur inkonsequent sondern tendenziell unheimlich. Weil es, egal wie die Brexit-Klamotte ausgeht, so offensichtlich ein Ausweichen der strukturellen Probleme und der Folgen der Tory-Politik ist. D.h. wenn man ständig über die falschen Themen redet, kann auch nichts besser werden, egal, wie bei den falschen Themen entschieden wird.

    (Man mag jetzt einwenden, dass das nicht GB-spezifisch ist, aber in GB scheint es mir besonders ausgeprägt.)

  • Wir hatten gestern noch einen kleinen Plausch mit Frau Schwan, sie kam nach der Veranstaltung an unseren Tisch. Meine Stimme hat sie nicht, war aber dennoch ganz nett.

  • Diese neue Konzeption der Vorsitzendenfindung finde ich spannend. Ich weiß noch nicht, was ich von dem Procedere halten soll, für die CDU ist es - Stand jetzt - im Ergebnis nicht so überzeugend.


    Mit der Idee der Doppelspitze mussten sich jetzt Pärchen finden, die beide überzeugend darstellen müssen, daß sie im Team funktionieren. Da fand ich schon die Auswahl zuvor interessant.

    Bei den meisten der Kandidatenpaare ist der männliche Part der bekanntere und medial wurde bei mir auch eher der Eindruck erweckt, daß sich männliche Kandidat dann eine passende Partnerin gesucht hat. Welche Kriterien da eine Rolle gespielt haben, hat sich für mich nicht ganz so erschlossen. Herkunft aus dem Osten, Besetzung eines Themas war für mich bei einigen ersichtlich. Wenn ich denn SPD-Mitglied wäre, und mich entscheiden müsste, wäre für mich ein wesentlicher Aspekt, wie sich die Kandidaten sowohl einzeln, wie auch als Team präsentieren.

    So lag denn auch mein Hauptaugenmerk auf der Präsentation der Paare. Alle waren selbstverständlich sehr bemüht, den von mir o.g. Eindruck nicht zu vermitteln.

    Am besten ist das für mich Stegner/Schwan gelungen. Auch weil bei den beiden, der Hauch einer Idee der Arbeitsteilung aufkam, wenn sie sich als Theoretikerin dargestellt hat. Zudem - wenn ich mich recht erinnere - haben die beiden jede/r für sich einen souveränen Eindruck hinterlassen. Vielleicht weil sie mit die ersten waren, die sich gefunden hatten und ihr Auftritt sah für mich nach Vorsprung in der Vorbereitung aus.

    Bei Lauterbach/Scheer war er das A-Hörnchen, Scholz/Gleiwitz ebenso, bei Borjans/Esken bin ich gespannt, wie sich das entwickelt. Pistorius/Köpping war für mich auch nicht überzeugend.


    Inhaltlich war das alles noch ein bisschen zu sehr dünne Suppe. Aber dazu ist das Procedere mit kurzen Redezeiten eigentlich auch nicht das richtige.

  • Das Duo, das in Hannover die Leute von den Stühlen gerissen hat, hast du interessanterweise nicht erwähnt. Ich habe Saarbrücken in Auszügen gesehen und fand da eigentlich niemanden so richtig überzeugend. Umso überraschter war ich von Kampmann/Roth in Hannover. Wenn sie es schaffen, das zu konservieren, sind sie mein Geheimtipp.