Politischer Zoff-Thread oder so

  • Der ganze Terz, der jetzt um einen abgebrannten Dachstuhl einer Kirche gemacht wird ist übrigens zum kotzen

    Echt? Ich finde, dass Notre Dame ein unglaublich beeindruckendes Bauwerk ist und es tragisch wäre, ginge es verloren.

  • Zweifellos. Es läuft aber andererseits irgendwas schräg, wenn gleichzeitig immer noch Leute im Mittelmeer ersaufen, und alle so: „meh“. Eine Milliardärssippe spendet 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau. Das ist nett, und ich weiß nix über sonstige philanthropische Aktivitäten dieser Familie, aber es klingt befremdlich überhöht, was da gerade passiert.

    Letztlich ist da eine Kirche abgebrannt. Im Süden der USA haben auch gerade 3 Kirchen gebrannt, angezündet von Rassisten. Soweit man weiß, gab es da keine Millionenspenden.

  • Architektonisch kann man das als Verlust bezeichnen, ja. Das war es aber auch. Ich kann mir bei diesen massiven Mauern übrigens nur schwer vorstellen, dass die ganze Kirche verschwindet. Die Teile aus Holz sind weg, klar. Kann man aber wieder aufbauen. Sollte nicht so schwer sein, wenn selbst die Leute im Mittelalter das hinbekommen haben.

    Aber deswegen so ein Bohei machen? Diese Sensationsgeilheit kotzt mich an. Mal auf die Seiten von SPON oder Stern geguckt? Die ersten 5 Artikel jeweils zum Notre Damm.


    Ich bin der Meinung, dass wir andere Probleme haben. Im Mittelmeer ersaufen immer noch Menschen, im Jemen wird immer noch gekämpft (wohl auch mit deutschem Kriegsmaterial), weite Teile von Mosambik liegen noch immer in Trümmern (da hab ich übrigens noch von keiner 100 Millionen Spende gelesen) und auch in Sachen Klimawandel bzw. Klimaschutz tut sich gar nichts. Da müssen Kinder auf die Straße gehen, die sich dann auch noch anhören müssen, wieso sie denn nicht in der Schule sitzen. Die Liste könnte man noch weiter führen.

    Da gehört die Aufmerksamkeit hin.

    Auch oder gerade die der Politiker.

    Die sind sich aber auch nicht zu schade wieder irgendwelche belanglose Kommentare a la „wir stehen bei euch“ oder „es tut weh“ zu posten.


    Hätte eher in den Medienthread gepasst, ja. Aber da mein Link auch das Thema Notre Damm hatte, hab ich den Kommentar hier gepostet.


    Edit: ich sehe, dass nicht nur ich so denke.

  • Ok, das kann ich verstehen. Beim Thema Gewichtung und Relationen bin ich absolut bei Euch.

    Den Müll auf den sozialen Netzwerken und im Boulevard habe ich tatsächlich so nicht mitbekommen, sodass mir das nicht so auf den Sack ging.

  • Notre Dame ist ein Bauwerk mit besonderer Symbolkraft in Frankreich und Paris. Weit mehr als Architektur. Und davon abgesehen befinden bzw. befanden sich Kunstschätze darin, die vor allem einen ideellen Wert haben. In Paris kommen an diese symbolische Bedeutung vielleicht noch der Eiffelturm, der Louvre und der Invalidendom heran. In ganz Frankreich zählt vielleicht noch ein Dutzend weitere Bauwerke hinzu, die quasi jedes Kind kennt.


    Das wäre ungefähr so, als wenn in Deutschland das Brandenburger Tor zusammenbrechen oder der Kölner Dom abbrennen würde. Der Schock wäre sehr groß, weil es sich genau wie bei Notre Dame um ein identitätsstiftendes Bauwerk handelt. Insofern ist es aus meiner Sicht nachvollziehbar und absolut nicht verwerflich, dass das Feuer und seine Folgen viel Aufmerksamkeit erhalten. Vor allem natürlich in Frankreich selbst, aber auch bei allen, die Frankreich als Freund betrachten.


    Ich würde das, was hier anklang, daher etwas anders sehen: Nämlich, dass ich mir für die Situation auf dem Mittelmeer und in Afrika und dem Nahen Osten die gleiche Aufmerksamkeit wünsche. Nicht mit fünf Artikeln pro Tag über eine Woche (wie es jetzt im Fall Notre Dame zu erwarten ist), sondern mit einer gleichmäßigen, sichtbaren Berichterstattung. Zu viel geht leider auch, und das bedeutet immer auch Abstumpfungseffekte -- und Vernachlässigung weiterer, ebenfalls wichtiger Neuigkeiten. Womit wir schnell wieder bei Notre Dame wären, dass jetzt ja ebenfalls wichtige Meldungen überstrahlt.

  • Danke für die Erläuterung. Diese kann ich grundlegend nachvollziehen.

    Ansonsten das, was Mr. Mo sagt. Es ist nicht das Problem, dass die (teilweise) Zerstörung eines solch bedeutenden Bauwerks medial solche Aufmerksamkeit bekommt, sondern dass andere Themen nicht die vergleichbare Aufmerksamkeit bekommen. Auch ich war gestern abend geschockt ob des Feuers und heute morgen froh, dass es unter Kontrolle gebracht werden konnte. Damit stelle ich das Thema aber nicht über andere Dinge, die auf der Erde gerade dringlich sind, sondern reagiere lediglich auf ein akutes Ereignis.

  • So sehr ich eure Bedürfnisse teile, wir leben nicht in einer Welt, in der das globale Gemeinwohl vorrangigstes Ziel ist. Gelder verteilen sich daher auch nach persönlichen Interessen.


    Ob irgendjemand auf diesem Planeten soviel besitzen sollte, das aus seiner Portokasse die Reparatur eines ausgebrannten kirchlichen Monuments bezahlt werden kann, ist dann schon eher eine ketzerische Frage.

  • Hölle auf Erden - und schlimmer

    Mehr als hunderttausend Kinder arbeiten in Ghana als Prostituierte. Melphia, 13, ist eine von ihnen. Sie lebt im Slum, nachts hat sie Sex mit Geschäftsleuten und Polizisten - und immer häufiger auch mit Touristen.

    https://www.spiegel.de/politik…von-kumasi-a-1256696.html

    Das finde ich viel viel schlimmer als die Sch.... Kirche. Da solltem mal die kolpotierten 100 Mio Euro der Pino Familie hingehen und helfen.

    (Ach stop...ist ja ein Bericht aus dem Spiegel....da muss ja noch mehr kommen lt. KlausSchäfer)

  • Was die Familie mit ihrem Geld macht, ist ja schon ihre Sache. Hesketh hat das in meinen Augen ganz richtig angesprochen.


    Was genau soll denn mit den 100.000.000 in Ghana passieren?

    Und welche Summe hast Du schon gespendet?

  • Jupp, ich spende regelmässig nach Afrika, natürlich bescheiden und in meinem finanziellen Rahmen.

    Keine Ahnung was mit den 100 Mio in Ghana passieren soll; bin ich Finanz-Manager oder Mananger in der Welthungerhilfe oder so.


    Die Pinault Familie hat ein Vermögen von 14 Mrd USD. Ich hab mal den erlernten Dreisatz benutzt...da schneide ich mit meiner bescheidene jährlichen Spende nach Afrika nicht soo schlecht ab; im Vergleich mit den 100 Mio. Ja, es geht "eigentlich" noch mehr !


    Ich glaube eine Struktur zu schaffen, um Kinder aus der Prostitution zu holen wäre schon mal ein Anfang.

    Ob man das mit 100 Mio hinbekommt, weiss ich nicht,,,fragt mal blue valantine.


    (Aber dies Kirchenproblem lenkt mal ganz angenehm von den aktuellen Problemen in Frankreich ab; gestern wollte Monsieur Marcon ja eine Rede zu der Gelbwesten Problematik halten...puh Glück gehabt sagt der sich)


    Also, ich gehe mal davon aus, dass die 200 Mio Spende für Notre Dame innerhalb von 8 Wochen geknackt werden.

    Setzen und weitermachen.


    Aber ok, jeder macht mit SEINEM Geld was er/sie/es will; MIR persönlich ist wirk sch....egal; aber die Aufregung um das -zugegeben- schöne Bauwerk ist mir "too much". Gibt bestimmt eine Brennpunkt heute abend oder das heute Journal mit Claus Kleber macht ein betroffenes Gesicht und beichtet 10 Minuten lang darüber. (hat er ja schon gestern, beinahe hätte ich geweint.)


    Einige spenden für Notre Dame, einige für Afrika, andere für die AfD...einige gar nichts. Das geht keinen was an.

    Aber das man das so gross an die "Glocke" hängen muss.


    Feuer frei !

  • Ich wehre mich dagegen, das eine gegen das andere ausspielen zu müssen.

    Den Brand der Notre Dame tragisch zu finden, heißt nicht im Umkehrschluss, das Leid von Kinderprostituierten zu ignorieren oder gar herabzuwürdigen.


    Mich hat auch das Gewüte der Taliban oder des IS in den jeweils von ihnen besetzten Gebieten irre gemacht vor Wut. Und damit meine ich sowohl die Vernichtung von vorislamischen archäologischen Schätzen wie das Leid, das den Menschen zugefügt wurde.


    Und dass jemand seine dicken Spenden an die große Glocke hängen muss, ist zwar irgendwie lächerlich, macht aber die Spende nicht weniger wertvoll. Was wäre denn, wenn die besagte Familie 100 Mio. für ein humanitäres Projekt in Afrika spendet und das ebenso publik macht? :)


    Alles in allem stört mich der alberne Trubel, der bei solch einem Brand heutzutage durch die sozialen Medien entfacht wird, aber mein Bedauen über einen potentiellen Verlust einer solchen Kathedrale wäre tief und echt.

  • Ich finde es irgendwie schräg, dass negativ bewertet wird, wenn Leute oder gar ein Volk über solch ein Unglück trauen/trauert. Ich kann das schon nachvollziehen und Argumente wurden hier ja auch geliefert. Nur sowas als überzogen darzustellen finde ich nicht gut. Medien machen natürlich das, was klicks bringt, man könnte sagen, was die Leute interessiert. Und wenn man in seiner Trauer oder Entsetzen immer bewerten sollte, was angemessen ist, würde es nicht funktionieren. Das sind Emotionen, das wird anders geregelt. Worüber ich mich schon aufgeregt hab. Drei Tage oder länger. Streit in der Familie wegen Kleinkram. Ich will jetzt nicht wieder den 96-Bezug rauskramen, aber was ist das ganze mit Kind, Doll, Heldt usw für eine Nichtigkeit im Vergleich zu...

  • Ups, da habe ich mit meiner Schätzung von 8 Wochen für 200 Mio Euro Spenden wohl daneben gelegen:


    Namentlich Bernard Arnault, Besitzer der LVMH-Gruppe spendet auch, bei 91,6 Milliarden Dollar Vermögen Er versprach für die bedürftig gewordene Notre-Dame 200 Millionen Euro zu spenden.

    Er müsste aber, wenn Pinault 100 Millionen Euro locker macht, mindestens 260 Millionen Euro spenden.


    Das Spenden-Battle !!


    Ich spende weiter für Afrika und nicht für Denkmäler.

    Notre Dames wieder aufzubauen dauert wohl auch länger, als Kindern in Afrika zu helfen und ist wahrscheinlich nicht so werbewirksam....Leute kauft Luois Vitton Taschen und trinkt Möet Champagner...0,01 Prozent des Umsatzes wird gespendet.

  • Da ich Kulturbanause außerhalb Deutschlands gerade mal drei Kirchen kenne, wovon Notre Dame eine ist, freue ich mich zumindest über die Unterstützung zu den Kosten der Reparatur oder des Wiederaufbaus.


    Über alle anderen Spenden und guten Taten freue ich mich auch.

  • Habe ich in der Form sonst noch nicht gesehen: Hier werden vier mögliche Ausgänge der US-Präsidentschaftswahlen 2020 skizziert, Szenarien durchgespielt, die jeweils dazu führen könnten, und die möglichen Konsequenzen betrachtet. 43 Seiten auf Englisch, naturgemäß mit dem Fokus auf den ökonomischen Umständen, aber ich fand es sehr spannend.

  • Notre Dame ist ein Bauwerk mit besonderer Symbolkraft in Frankreich und Paris. Weit mehr als Architektur. Und davon abgesehen befinden bzw. befanden sich Kunstschätze darin, die vor allem einen ideellen Wert haben. In Paris kommen an diese symbolische Bedeutung vielleicht noch der Eiffelturm, der Louvre und der Invalidendom heran. In ganz Frankreich zählt vielleicht noch ein Dutzend weitere Bauwerke hinzu, die quasi jedes Kind kennt.


    Symbole und ideelle Werte. Na gut, dagegen ist es natürlich schwer zu argumentieren. Kann ich eben persönlich nichts mit anfangen.


    Zitat von Mr. Mo

    Das wäre ungefähr so, als wenn in Deutschland das Brandenburger Tor zusammenbrechen oder der Kölner Dom abbrennen würde.


    Lass es zusammenbrechen, es kann wieder aufgebaut werden. Der Kölner Dom hat im zweiten Weltkrieg auch was abbekommen und wurde wieder hergerichtet. Auch die Frauenkirche steht wieder.

    Bauwerke wieder zu errichten ist kein Problem.

    Tote Menschen wiederbeleben funktioniert nicht.



    Zitat von Mr. Mo

    Ich würde das, was hier anklang, daher etwas anders sehen: Nämlich, dass ich mir für die Situation auf dem Mittelmeer und in Afrika und dem Nahen Osten die gleiche Aufmerksamkeit wünsche.


    Nein. Für den Brand eines Bauwerks und sei der Symbolcharakter und der ideelle Wert noch so hoch, darf es nicht die gleiche Aufmerksamkeit geben, wie für Ereignisse, bei denen Menschen zu Schaden kommen oder in Gefahr sind.

  • Wenn Du damit nichts anfangen kannst, ist das Deine Sache. Es fällt mir allerdings schwer zu glauben, dass bei Dir die Regeln der Psychologie außer Kraft gesetzt sind (und das habe ich in den Begriff der Identität implizit mit einbezogen). Aber gut, das würde vielleicht etwas zu weit führen.


    Vielleicht aber doch mal zwei Anmerkungen:


    Dein Haus brennt ab, in dem Deine Familie nicht nur häufig Freunde zu Gast hatte, sondern in dem sich auch fast alle Eure persönlichen Erinnerungsstücke befinden. Würdest Du dann locker mit einem schulterzuckenden "Schade, aber den Menschen in XY geht es viel schlechter als mir" zur Tagesordnung zurückkehren (in dem Wissen, dass Euch wichtige ideelle Werte unwiederbringlich verloren gegangen sind)? Ich schätze, in dem Moment bist Du erstmal mit Deiner direkten Umgebung beschäftigt. Deine Nachbarn, Freunde und Angehörigen sind es ebenfalls (und genau das hilft Dir -- man nennt es Trost). Wahrscheinlich würden sogar die Menschen in XY, denen es in der Tat viel schlechter geht, verstehen, wenn Du ihre Lage, ihr Sterben für den Moment nicht mehr wahrnimmst -- oft haben auch sie vieles von dem verloren, was ihnen Identität gegeben hat. Und damit Halt. Ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Von innerem Frieden. Von Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft mit einer Geschichte. Eben die Dinge, die Herdentiere wie Menschen brauchen, wenn sie nicht verkümmern sollen.


    Selbst wenn sich am Ende herausstellt, dass Teile Deines Hauses stehengeblieben sind und alles wieder aufgebaut werden kannn, und dass der Großteil Deiner persönlichen Gegenstände das Feuer doch überstanden hat: Mindestens für den Moment wird es Dich hart treffen und Deine Gedanken werden fast vollständig darum kreisen. Weil auch ein Teil Deiner Identität in einem ungewissen Zustand war oder sogar verklorengegangen ist.


    Natürlich kann man vieles wieder aufbauen, Notre Dame auch. Natürlich kann man Menschenleben nicht zurückbringen. Vollkommen richtig. Und dennoch bewegt der Verlust hoher ideeller (Sach-)Werte die Menschen zunächst. Gerade das von Dir angeführte Beispiel Zweiter Weltkrieg zeigt, wie sehr die Menschen neben dem Verlust von Angehörigen, Freunden, Nachbarn und Mitmenschen eben auch der Verlust identitätsstiftender Bauwerke und Kunstgegenstände getroffen hat. Sonst hätten sie es sicherlich nicht so zahlreich in ihren Tagebüchern festgehalten und nicht so viel darüber geredet und geschrieben. Obwohl man vieles wieder aufbauen konnte. Aber auch nicht alles -- der fast komplette Verlust der Hannoverschen Altstadt hat meine Großeltern jedenfalls immer bewegt, obwohl es gleichzeitig Kriege gab, obwohl in Afrika Hungersnöte herrschten, obwohl viele furchtbare Dinge auf der Welt geschahen. Ich sehe trotzdem nichts, was ich ihnen an der Stelle vorwerfen kann.


    Wenn Du Dich dennoch moralisch darüber erheben kannst und meinst bestimmen zu können, wer was in solch einem Moment des Schocks "darf" und was nicht, bitte sehr. Ich maße mir das nicht an, an der Stelle über Emotionen von Menschen zu richten.

  • Und dennoch bewegt der Verlust hoher ideeller (Sach-)Werte die Menschen zunächst. Gerade das von Dir angeführte Beispiel Zweiter Weltkrieg zeigt, wie sehr die Menschen neben dem Verlust von Angehörigen, Freunden, Nachbarn und Mitmenschen eben auch der Verlust identitätsstiftender Bauwerke und Kunstgegenstände getroffen hat. Sonst hätten sie es sicherlich nicht so zahlreich in ihren Tagebüchern festgehalten und nicht so viel darüber geredet und geschrieben.

    Leider eben sehr viel mehr als über die Zerstörung der Synagogen 1938; von denen übrigens die meisten nach Kriegsende nicht wieder originalgetreu oder an anderen Standorten (in Hannover z. B. nicht mehr in der Calenberger Neustadt, sondern weiter "randwärts") wiederaufgebaut wurden oder eine Wiederherstellung gar ganz unterblieb.