ZitatAlles anzeigen"Ein Mann ohne Verein ist kein Mann"
Von Tobias Schächter, Istanbul
Das Istanbuler Stadtduell am Sonntag zwischen Fenerbahce und Besiktas ist ein ganz besonderes Fußballspiel. Die beiden Clubs sind Vertreter zweier Erdteile, die Rivalen stammen aus Asien und Europa. Kein Wunder also, dass das Kräftemessen die Millionenmetropole am Bosporus elektrisiert.
Die Paste aus tscherkessischem Huhn und Paprika schmeckte ausgezeichnet. Selahaddin Bey lehnt sich zufrieden zurück. Der Mann, in seinen Sechzigern, verheiratet, zwei Söhne und zwei Töchter, hat es als Vertreter einer großen türkischen Versandhauskette zu einigem Wohlstand gebracht. Die ersten beiden Fragen, die einem Türken stellen - "Verheiratet? Wie viele Kinder?" -, sind längst beantwortet. Doch die alles entscheidende Frage kommt, als seine Frau und die Töchter die Vorspeisenteller in die Küche tragen. "Für wen sind Sie?"
Wer glaubt, es gehe jetzt um Politik, hat von Istanbul nichts verstanden. Wir sind in Kadiköy. Hier, auf der asiatischen Seite der Stadt mit ihren fast neun Millionen Einwohnern, gibt es Gegenden in denen die falsche Antwort auf die Frage nach seinem Lieblingsclub mit einer Tracht Prügel verbunden ist. Kadiköy ist Fenerbahce-Land. Zwei Dinge verteidigt der türkische Mann mit inbrünstiger Leidenschaft: seine Nation und seinen Fußballclub. Die Reihenfolge kann vorübergehend wechseln, wenn wie am kommenden Sonntag ein Derby ansteht zwischen Fenerbahce und Besiktas, zwei, der drei großen Vereine also, um die sich alles dreht im Fußball der Türkei. Der Dritte ist Galatasaray.
"Ein Mann ohne Verein ist kein Mann", glaubt Selahaddin, ein glühender Fenerbahce-Anhänger. Mit dieser Meinung ist er keineswegs in der Minderheit. Zwar war Selahaddins Vater auch ein "Fenerli", wie sich die Fans der "Gelb-Blauen" nennen, aber das muss nichts heißen. Es gibt keine durchgehend verlässlichen religiösen, ethnischen, politischen oder soziologischen Begründungen, warum jemand Fan eines bestimmten Clubs ist. Aber hat man sich entschieden, bleibt es dabei. Ein Leben lang.
Der Bosporus verbindet Europa und Asien, aber er trennt die Fußballfans. Der 1903 gegründete Besiktas Jimnastik Kulübü, aus dem gleichnamigen Arbeiterstadtteil am europäischen Ufer der Meerenge, ist der älteste Verein. Zwei Jahre später gründeten Edelmänner am noblen Galatasaray Lycee, mitten im europäischen Herzen der Stadt, den Galatasaray Spor Kulübü. Der neureiche Emporkömmling aus Asien, Fenerbahce, wurde erst 1907 aus der Taufe gehoben. Die "Kanarienvögel" aber sind inzwischen der erfolgreichste Club des Landes und versammeln angeblich fast 20 der insgesamt 70 Millionen Türken hinter sich. "Wir sind der Club Atatürks", sagt Selahaddin stolz.
"Leider" bemerken gemäßigte Anhänger der anderen Vereine seufzend. Fanatiker aber, wie Cengiz, die nicht wahrhaben wollen, dass der Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk (1881 bis 1938) ein "Fenerli" war, entgegnen provozierend: "Quatsch, er hat nur ihre Toilette benutzt." In Cengiz' Tante-Emma-Laden in Beyoglu beherrscht in diesen Tagen das Derby die Diskussionen, auch wenn es nur das "kleine" ist. Die Rivalität zwischen Galatasaray und Fenerbahce ist noch größer. Cengiz aber ist Anhänger von Besiktas. Und einer, der eine Karte besitzt für das Spiel am Sonntag.
Nur noch fünf Prozent der Tickets sind seit Anfang der neunziger Jahre für die Gästefans vorgesehen. "Früher", erzählt Selahaddin, während gebratene Hamsi - kleine, sardellenartige Fische - zum Hauptgang aufgetischt werden, "sind sie zu Abertausenden gekommen, ohne eine Karte zu haben, und die Stadien waren 50:50 besetzt." Doch Gewaltexzesse vor und in den Spielstätten, bei denen es vereinzelt auch Tote gab, machten eine Regulierung zwingend. 2500 Polizisten und Sicherheitskräfte werden am Sonntag dafür sorgen, dass die Besiktas-Fans sicher ins Stadion gelangen. Ihre Ankunft, sofern sie über das Meer zur Anlegestelle Kadiköy kommen, mutet bizarr an. Wie Piraten, die ein feindliches Schiff entern wollen, stehen sie auf den Fähren und rufen ihre Schlachtgesänge den wartenden "Fenerli" am Ufer entgegen, die ihrerseits von der Polizei nur mühsam abgehalten werden können, die Kontrahenten nicht geradewegs in den Bosporus zu werfen.
Es gibt keine größere Schmach, als ein Derby zu verlieren. Die türkischen Fußballfans neigen zu Extremen, und verliert die eigene Mannschaft, richtet sich der Zorn reflexartig gegen die eigenen Spieler und Trainer. "Früher war es üblich, dass diese dann verprügelt wurden", erzählt ein Redakteur der Sportzeitung "Fanatik" und man weiß nicht, ob sein Lächeln nicht ein Ausdruck des Bedauerns ist, dass den Versagern heute im besten Fall nur noch Wasserflaschen an den Kopf geworfen werden. Mit einer Auflage von 300.000 Ausgaben ist "Fanatik" die fünftgrößte Tageszeitung der Türkei. Zwei Kolumnisten, zwei Reporter und zwei Fotografen für jeden Club: Das ergibt 18 Journalisten, die nichts Anderes machen, als auf mindestens zwei Seiten über die drei großen Vereine aus Istanbul zu berichten. Konkurrent "Fotomac" informiert in ähnlichem Umfang, auch alle anderen Tageszeitungen widmen jedem Verein mindestens eine Seite. Täglich.
Fenerbahce vor der nächsten Meisterschaft
Nachdem am Wochenende Galatasaray gegen Trabzonspor mit 0:2 verloren hat, dem einzigen ernstgenommenen Rivalen außerhalb Istanbuls, beherrschten Gerüchte über die Ablösung von "Gala"-Trainer Gheorge Hagi die Schlagzeilen. Galatasaray liegt sieben Spieltage vor Saisonende sieben Punkte hinter Spitzenreiter Fenerbahce, Besiktas ist 16 Zähler zurück Vierter. Doch auch Fenerbahces deutscher Coach Christoph Daum, der auf dem Weg zur zweiten Meisterschaft nacheinander nun enteilt scheint, steht laut Presseberichten immer mal wieder vor dem Rauswurf. Daum, der in der Vorrunde beide Lokalderbys verlor, sagt: "In einem Jahr, in dem Galatasaray 100 Jahre alt wird, ist es doch klar, dass von bestimmter Seite immer wieder versucht wird, bei uns negative Stimmung reinzubringen." Verschwörungstheorien und Gerüchte sind ständige Begleiter des türkischen Fußballs.
Vor allem die Potentaten und Präsidiumsmitglieder der Istanbuler Abonnementsmeister heizen zusätzlich die Stimmung immer wieder an. Übelste Beleidigungen sind an der Tagesordnung, Schubsereien auf der VIP-Tribüne normal. Auch innerhalb der Clubs herrschen Zustände wie in einem Intrigantenstadl. "Von nun an wird jeder nur noch Erklärungen über seinen eigenen Verein abgeben", verkündete der genervte Verbandspräsident Levent Bicakci jüngst, als er die Chefs von Besiktas, Galatsaray, Trabzonspor und den Vizepräsidenten von Fenerbahce der Presse zu einem "Friedensschluss" präsentierte. Wieder einmal.
Anlass des letzten "Friedensschlusses" war ein Mord im November vergangenen Jahres während eines Meisterschaftsspiels im Inönü-Stadion von Besiktas. Offen zur Sprache kam damals, was sowieso jeder wusste. Die so genannten Amigos, die Einpeitscher in den Kurven, bekommen Freikarten von den Clubs und verteilen diese oft an mit Drogen vollgepumpte Jugendliche aus den Armenvierteln. So wird für die von den reichen Vereinsbossen gewünschte Stimmung gesorgt. Als aber im folgenden Derby Galatasaray Fenerbahce bezwang, trat der beleidigte "Fener"-Präsident Aziz Yildirim vor die Presse und bezichtigte den verhassten Gegner der nun offiziell verbotenen Vergabe von Freikarten und anderer Vergehen. Yildirim, ein zum cholerischen Auftritt neigender Bauunternehmer, fehlte beim Friedensgipfel. Er sei verhindert, hieß es lapidar.
Istanbuler Einheitsfront gegen Trabzon
Derzeit erschüttert ein Manipulationsskandal die türkische Süper Lig. Von gekauften Spielen und dem Einfluss der Mafia ist die Rede. Gegenseitige Schuldzuweisungen machen die Runde unter den verbissen um Ruhm kämpfenden Bossen der "Löwen" (Galatasaray), der "Schwarzen Adler" (Besiktas) und der "Kanarienvögel" (Fenerbahce). Es wäre also nicht unwahrscheinlich, wenn der Verlierer des kommenden Derbys den Friedensschluss noch einmal überdenken würde.
Selahaddin Bey trinkt türkischen Kaffee zum Dessert, als der Gast aus Deutschland einen Fauxpas begeht. Die Frage nach dem Club mit dem Hinweis auf seine neutrale Herkunft noch parierend, fragt der Besucher naiv, ob der köstliche Hamsi denn aus dem Schwarzen Meer gefischt wurde. Dass der beste Hamsi aus dem Marmarameer kommt und nicht, wie von den Menschen in Trabzon behauptet, aus dem Schwarzen Meer, ist für Istanbuler Gesetz. Selahaddin Bey wechselt schnell das Thema. In der Rivalität mit der Schwarzmeerstadt Trabzon halten ausnahmsweise alle Istanbuler ganz fest zusammen. Nicht nur, wenn es ums Essen geht.
Türkei
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Nach einer großen Spendenaktion konnte Galatasaray Istanbul seine Schulden beim Fußball-Weltverband Fifa begleichen. Insgesamt hatte der türkische Club Verbindlichkeiten von 1,25 Millionen Euro, die aus Bußgeldern, unter anderem für nicht gezahlte Gehälter, resultierten. Galatasaray ist mit rund 140 Millionen Euro verschuldet. Am vergangenen Sonntag gab es einen Spendenaufruf im türkischen Fernsehen. Bisher sind 5,8 Millionen Euro zusammengekommen. Sogar Anhänger des Stadtrivalen Fenerbahçe beteiligten sich an der Aktion, sparten auf ihren Überweisungen aber nicht mit Hohn und Spott. Eine weitere Aktion soll rund 50 Millionen Euro in die leeren Kassen spülen.
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Strafe steht fest. Unter anderem 6 Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf neutralem Boden:
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Was labert der Blatter vorher so rum, wenn er hinterher doch nicht konsequent durchgreift??? Diese Strafe ist ja wohl lächerlich....
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Wahrscheinlich werden die Spiel auf deutschem Boden ausgetragen, so dass für die Türken diese "Strafe" wegfällt.
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Da bin ich mal gespannt, ob sich Dortmund oder Gelsenkirchen wieder zur Verfügung stellen.
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Original von SnoopDogg96
Was labert der Blatter vorher so rum, wenn er hinterher doch nicht konsequent durchgreift??? Diese Strafe ist ja wohl lächerlich....Vor allem wenn man die Strafe für die Schweiz hinzuaddiert. Huggel für sechs Spiele zu sperren, und ihn damit von der WM auszuschließen, ist ja wohl die Dreistigkeit schlechthin im Verhältnis zu den Chaoten, die die Prügelei begonnen haben....
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the Turkish Football Federation is ordered to play its next six official home matches behind closed doors in a neutral venue in another country
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Ach, stimmt ja....
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Original von Red Storm
Vor allem wenn man die Strafe für die Schweiz hinzuaddiert. Huggel für sechs Spiele zu sperren, und ihn damit von der WM auszuschließen, ist ja wohl die Dreistigkeit schlechthin im Verhältnis zu den Chaoten, die die Prügelei begonnen haben....Und von der EM im eigenen Lande ist er quasi auch ausgeschlossen, wenn die Schweiz nicht gerade ins WM Finale kommt...
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Original von ForzaRoma
Strafe steht fest. Unter anderem 6 Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf neutralem Boden:Was bringt das bitte? Wenn ich das unter Ausschluss der Öffentlichkeit mache, brauche ich doch nicht noch das Land zu wechseln.
Verständnisfrage:
'official home matches' ist doch mit Pflichspiel gleichbedeutend? -
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Der türkische Fussballverband muss die nächsten 6 Heimpunktspiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf neutralem Boden, in einem der UEFA angeschlossenen Land und mindes-tens 500 km von der türkischen Grenze entfernt austragen. Der Verband muss zudem alle mit der Organisation dieser sechs Spiele verbundenen Kosten tragen.
Das sagt die deutsche Fifaübersetzung
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Ja. Sonst würden die ja mal eben schnell 6 Testspiele anberaumen.
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Original von Melmac
Was bringt das bitte? Wenn ich das unter Ausschluss der Öffentlichkeit mache, brauche ich doch nicht noch das Land zu wechseln.
Ich glaub das ist schon sinnvoll. Wenn man sich überlegt, wie die Sicherheitskräfte in der Türkei bei Länderspielen drauf sein können, ist es schon besser, dass dann auch in einem anderen Land zu machen. Sonst weiß hinterher plötzlich keiner mehr, warum doch innerhalb von 20 Sekunden 40.000 Leute einfach so die Polizeibarrieren durchbrechen und ins Stadion kommen konnten
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Also die sechs Spiele Platzsperre sind mMn schon angemessen. Damit darf die Türkei nämlich in der EM-Quali effektiv kein einziges Spiel zu Hause austragen. Und sie müssen die organisatorischen Kosten für ihre "Heimspiele" ja auch noch tragen, zusätzlich zu den verlorenen Zuschauereinnahmen. Da kommt schon einiges an Kohle zusammen. Abgesehen davon macht diese Strafe auch deutlich, was beim nächsten Mal passieren wird: Die nächsthöhere Stufe kann ja nur noch Ausschluss von einem Wettbewerb sein. Die 12 Monate für den Co-Trainer der Türkei kommen außerdem schon fast einer Entlassung gleich.
Huggels Aktion war Mist, ganz klar, aber ihn mit Emre und Alpay gleichzusetzen (sechs Pflichstspiele ist nicht weniger als die halbe EM-Quali, insofern schon ziemlich drastisch, für alle drei!), halte ich nach meinem derzeitigen Wissensstand auch für ziemlich hart -- wobei ja niemand genau weiß, was im Gang später noch abgegangen ist. Wenn Huggel da noch schön auf den Putz gehauen haben sollte, bräuchte er sich auch nicht zu wundern.
Naja, die Türkei will ja noch in Berufung gehen, insofern ist noch nichts in trockenen Tüchern. Warten wir's also ab.
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Zudem muss die Türkei noch 130.000€ Strafe zahlen meinten die Nachrichten.
Mal ne Verständnisfrage: Alpay Ozalan (Türkei, Spieler), dachte immer Alpay ist der Nachname, oder ist das in der Türkei so, dass der Vorname hinten steht?
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Ist doch beim Torwart auch so, der heißt doch Rüstü Recber, oder so ähnlich!
Was steht eigentlich bei Bastürk auf dem Trikot?
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Ist bei den Türken so, haben die wohl von den Bajoranern abgeschaut.
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Och, das machen viele Völker so... spontan würden mir die Ungarn, die Koreaner, und die Chinesen einfallen. Ich meine, dass es auch im arabischen Raum so läuft.
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Ist hier in Hannover eigentlich Fener vorherrschend? Heute garnix von irgend einem Autokorso mitbekommen.
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