BamS: Neururer im Interview mit Pocher

    • Offizieller Beitrag

    BamS-Interview-Serie „Pocher geht ran“ – Heute: Peter Neururer


    Gibt es zu viele blinde Liga-Bosse?
    Aber hallo. Da sind schöne Vollfriseure!


    Das Gespräch zwischen Pocher und Neururer wurde aufgezeichnet von BamS-Reporter Kai Traemann



    Pocher: Es gibt nur ein’ Peddah Neururaah...


    Neururer: Guten Tag, Olli!


    Pocher: Tach, Trainer. Wie geht’s meiner Mannschaft?


    Neururer: Gut geht’s uns. Läuft ja bisher brauchbar...


    Pocher: Den Job hier hast du erstmal sicher, oder? Deine Trainer-Station Nummer 13 rückt in weite Ferne...


    Neururer: Ich hoffe. Aber in dieser Saison fliegen ohnehin viel zu viele Trainer.


    Pocher: Warum eigentlich?


    Neururer: Das Geschäft ist zu schnellebig. Und da sind teilweise Bosse am Werk, die haben schon vier, fünf Trainer gefeuert – aber gar keine Ahnung vom Fußball. Ein paar schöne Vollfriseure!


    Pocher: Wer konkret?


    Neururer: Was in Stuttgart passiert, kann nicht wahr sein. Da sitzt ein Staudt, schmeißt Trap direkt nach der Winterpause raus und sagt: Wir wollen mit Herrn Veh das Saisonende erleben. Da fall’ ich hinten um!


    Pocher: Zu viele blinde Bosse in der Bundesliga?


    Neururer: Aber Hallo! Da sind Muscheltaucher dabei, da kriegst du die Tür nicht zu. Das geht schon in den Vorstellungsgesprächen los. Da verpackst du deine Phrasen in 75 Relativsätze und die finden’s gut – weil sie halt keine Ahnung haben.


    Pocher: Wäre Präsident oder Manager was für dich?


    Neururer: Nee, laß mal.


    Pocher: DFB-Sportdirektor?


    Neururer: Boah, hör auf! Da weiß ja keiner, was der genau machen soll. Ich brauche tägliches Training.


    Pocher: Klinsi-Nachfolger?


    Neururer: Kein Thema.


    Pocher: Wie findest du denn seine Arbeit?


    Neururer: Kann ich nicht bewerten. Nur soviel: Ich würde den Job nicht von Kalifornien aus machen. Ich kann doch, aus pädagogischer Sicht, meinem Sohn nicht das Rauchen verbieten, wenn ich eine Fluppe im Mund habe. Heißt: Wenn wir Samstag Abend ein Länderspiel beim TuS Mazedonien haben und ich will, daß meine Elf den ganzen Sonntag das Spiel nachbereitet, kann ich nicht als einziger früh morgens in die USA fliegen.


    Pocher: Ist Klinsi der falsche Mann für die WM?


    Neururer: Nichts gegen Jürgen. Aber beim DFB hat man die wichtigste Position im deutschen Fußball, in der wichtigsten Phase, also vor der WM im eigenen Land, einem Lehrling gegeben.


    Pocher: Also ist der Trainer-Typ „Frischling“ eine Fehlbesetzung für die WM?


    Neururer: Die Fehler macht der, der die Leute einstellt. Normal kannst du vor der WM keinen holen, der noch keinen Trainer-Job hatte, der dir sagt: ,Ich will die Summe X.‘ Und der dann noch sagt: ,Aber ich bleibe in Kalifornien.‘ Wenn’s gut geht – Glück gehabt. Ansonsten: Harakiri!


    Pocher: Du denkst auch fast nur an Fußball, oder?


    Neururer: Mein Leben lang.


    Pocher: Was war früher dein Lieblingsklub?


    Neururer: Köln! Aber das spielt jetzt keine große Rolle mehr. Ich bin da aber auch nicht wie der Ex-Kanzler und habe jeden Tag einen Schal von einem anderen Klub um. Okay, der jetzigen paßt wahrscheinlich gar keiner...


    Pocher: Na, na! Bißchen sensibler, bitte. Bist doch sonst ein ganz Gefühlvoller.


    Neururer: Absolut!


    Pocher: Läßt die Bundesliga überhaupt Gefühle zu?


    Neururer: Klar. Gefühle zu zeigen, auch wenn es Tränen sind, das ist eine absolute Stärke. Da kann und will ich mich nicht steuern.


    Pocher: Und wenn’s ganz eng wird – die Zigarette...


    Neururer: Das dürfen meine Spieler aber auch. Sicher nicht förderlich, aber auch nicht schädlich. Ein Bier geht auch mal. Nur Cola will ich nicht sehen. Dann kannste gleich Würfelzucker fressen. Wenn ich da irgendsoeinen Synchronschwimmer erwische, kostet das 500 Euro.


    Pocher: Woher nimmst du bitte diese Schimpfwörter?


    Neururer: Ich kann es nicht ab, wenn Menschen richtig übel beleidigt werden. Deshalb lieber sanfte Sprüche. Die schlimmste Form ist Eisverkäufer. Heißt: Blinder!


    Pocher: Was nervt dich an der Bundesliga?


    Neururer: Daß alle Angst vor Bayern haben. Auch die kann man sportlich ärgern.


    Pocher: Wirst du jetzt zum Bayern-Jäger, oder was?


    Neururer: Warum nicht?!? Das muß mein Ziel sein. Wenn hier Kräfte gebündelt werden, dann ist 96 in der Lage, mal ganz oben an der Spitze zu schnuppern. Dazu gehört aber offensive Denkensweise.


    Pocher: Was war dein größter Fehler der Karriere?


    Neururer: Hertha BSC. Da stand beim Abschlußtraining mal ein Panzer auf dem Rasen. Da mußte ich mit der Mannschaft mit dem Linienbus zum Spiel fahren. Unglaublich.


    Pocher: Dein Leben reicht für eine Biographie, oder?


    Neururer: Ja, die heißt dann ,IRRE‘! Karriere, Leben – bei mir ist alles irre. Ich schreibe sie, wenn ich als Trainer aufhöre. Aber allein das Kennenlernen meiner Frau reicht ja für ein Buch.


    Pocher: Wieso?


    Neururer: Es beruht auf einen meiner größten Fehler...


    Pocher: Erzähl!


    Neururer: Als Student hatte ich viel als Tennislehrer verdient – und den Hang zum Zocken. Eines Abends verzockte ich da 120 000 Mark in der Spielbank Aachen. Ich hatte auch schön einen im Tee. Also direkt ab nach Köln in eine Spielunke. Und noch mehr Geld verzockt. Richtig viel.


    Pocher: Und deine Frau?


    Neururer: Wart’s doch ab! Ein Freund hat meine Schulden beglichen. Als Oberliga-Kicker habe ich zum Glück gut verdient – bis ich mir zwei Tage nach dem Zockerabend Mittelfuß und Wadenbein breche. Also: Fußball weg, Tennis weg, Geld längst. Alles, was ich noch hatte: Ein Beutel Reis! Da haben mir Kumpels geholfen, ein altes Auto besorgt – da gingen die Abgase nach innen. Als ich damit zu einer Kneipe fahre, lerne ich meine Frau kennen. Die hat dort gejobbt. Wir sind gleich zusammen gezogen. Sie hatte die Wohnung, ich eine letzte Plastiktüte mit Klamotten...“


    Pocher: Ach, hör doch auf!


    Neururer: Kommt noch besser! Sie hatte einen Hund – ich eine Allergie gegen ihn. Ich liege nachts im Bett, kriege keine Luft mehr, dafür Panik. Also ab ins Auto, Runde um den Block fahren. Die Abgase gehen nach innen, ich kurbel das Fenster runter, halte den Kürbis raus. Wer sieht’s? Die Polizei, die denkt, ich wäre voll. Bis ich denen verklickern kann, daß es ein allergischer Schock ist, vergehen Stunden. Aber so wußte meine Frau gleich, was ich für ein Vogel bin. Ohne ihre Hilfe würde ich hier wohl niemals sitzen.


    Pocher: Dann grüß mal deine Frau von mir...