NP: Slomka kommt nach Hause

  • Slomka kommt nach Hause


    Mit Schalke spielt er Sonnabend in Hannover. Mit Neururer hat er schon gearbeitet.


    VON JONAS FREIER
    HANNOVER. Es sind die Tage vor dem Spiel, das für ihn kein normales werden wird – und Mirko Slomka ist schon da. Seit 15 Jahren trinkt er seinen Cappuccino regelmäßig „Bei Jacqueline“ – so heißt sein Lieblingsitaliener in der Limmerstraße in Hannover-Linden. An diesem Tag kommt Slomka das erste Mal als Schalkes Trainer. Francesco Privitera (43) gratuliert seinem Stammgast zum neuen Job und zeigt ihm acht Eintrittskarten: Slomkas italienische Freunde sind am Sonnabend selbstverständlich auch in der AWD-Arena, wenn Schalke bei 96 spielt.
    Mirko Slomka lächelt. Das tut er fast immer, weshalb manche Medien ihn den netten Herrn Slomka nennen. Das ist der 38-Jährige auch, aber er sieht sich eher als den „freundlichen Herrn Slomka, weil ich auf die Menschen zugehe. Nett bin ich nicht immer.“ Denn: „Ich treffe Entscheidungen, die für manche Spieler nicht nett sind. Das würde ich mal als kritische Nähe bezeichnen. Ich beurteile sie kritisch, bin aber nah dran. Näher dran als viele andere Cheftrainer.“ Die Spieler dürfen und sollen den Ex-Kotrainer weiterhin duzen: „Wer Probleme hat, Mirko zu sagen, kann auch Trainer sagen.“
    Der Trainer Mirko hat an diesem Tag seinen freien Tag. Das sieht dann meistens so aus: um halb sieben aufstehen, Frühstück machen für Tochter Lilith ( 8 ), etwas später kommt dann Sohn Luc (15 Monate) dazu. Slomkas Frau Gunda „schläft meistens ein bisschen länger, damit sie mal ihre Ruhe hat“. Wenn Lilith zur Schule gegangen ist, frühstücken die Slomkas. Danach treffen sie meistens Freunde. Hier in Hannover haben sie immer noch „die meisten Freunde, unsere Eltern und Schwiegereltern“. Deshalb wird der Schalke-Trainer seine Heimatstadt auch nicht verlassen, das steht fest.


    Stammgast in Linden
    Und er wird weiter Stammgast in Lindener Kneipen sein. Okay, „Bei Jacqueline“ kennen sie ihn sehr gut, den neuen Trainer-Star aus der Bundesliga. Aber in Hannover kann er sich „noch frei bewegen. Gerade deswegen liebe ich auch die Limmerstraße und die Cafés. Es interessiert keinen, ob ich hier sitze oder nicht. In Gelsenkirchen-Buer ist das schon etwas anderes.“ Dort wohnt Slomka in einer 90-Quadratmeter-Dachgeschosswohnung. Und wenn der Richard Gere der Bundesliga, wie Manager Rudi Assauer seinen Trainer nannte, in Gelsenkirchen unterwegs ist, ist er eine Person des öffentliches Interesses. Weil Schalke 04 dort nun mal jeden interessiert.


    „Viel Qualität“
    In Hannover-Linden interessiert es an diesem Tag nur Francesco und seine Freunde so richtig, was am Sonnabend werden wird. Slomka macht 96 wenig Mut. Er glaubt, dass eine Niederlagen-Serie für seine Schalker, die unter ihm noch kein Spiel verloren haben, ungefähr so wahrscheinlich ist wie die baldige Champions-League-Teilnahme des 1. FC Köln. „Ich bin davon überzeugt, dass meine Mannschaft kein Tief durchmachen muss. Dazu hat sie zu viel Qualität und zu viel Substanz. Diese Mannschaft wird nicht drei Spiele in Folge verlieren, das kann ich mir nicht vorstellen.“ Eine einzige Schalker Niederlage würde den 96-Fans reichen. Und dem Kollegen Neururer fürs Erste auch. Mit dem hatte Slomka in der Saison 1994/95 „eine ganz interessante Zusammenarbeit, ich als Jugendtrainer, er als Cheftrainer“. Slomka schickte Neururer damals die drei talentierten B-Jugendlichen Volkan Arslan, Damian Brezina und Fabian Ernst zum Training der Profis – und Neururer schickte die drei gleich wieder nach Hause, „weil sie die Stadtbahn verpasst hatten und zu spät gekommen sind. Das war auch korrekt“, so Slomka.


    „Alles Ehrenmänner“
    Im WM-Jahr 2006 spielt Ernst bei Slomka auf Schalke. Und der meint, Schalke in die Champions League führen zu können. Wird Slomka Zweiter oder Dritter, verlängert sich sein Vertrag automatisch um ein Jahr – „bei Platz eins natürlich auch.“ Dazu gibt es „eine relativ hohe Erfolgsprämie“. Slomkas Cheftrainer-Grundgehalt soll zurzeit angeblich nicht viel höher sein als seine Kotrainer-Vergütung (etwa 20 000 Euro im Monat). Und was passiert, wenn er Vierter bleibt?
    Dann hat Schalke die Option zu verlängern – oder nicht. Slomka glaubt, dass auch verlängert wird, wenn am Saisonende der Tabellenplatz nicht ganz stimmt, aber der Trend. Unterschrieben hat er seinen Cheftrainer-Vertrag noch nicht. „Man kann sagen, das ist blauäugig“, sagt Slomka – „aber ich vertraue denen. Wir müssen nichts unterschreiben, das sind für mich alles Ehrenmänner.“ Außerdem könnte man ja auch umgekehrt fragen: „War es nicht ein bisschen blauäugig, den Slomka einzustellen?“
    War es offenbar nicht. Aus den ersten sechs Rückrundenspielen hat Schalke 14 von 18 möglichen Punkten geholt und steht in dieser Tabelle auf Platz eins. Insgesamt hat Slomkas Team 15 Punkte mehr als 96. Die Partie am Sonnabend ist selbstredend „kein normales Spiel für mich“, sagt Schalkes Trainer. Er habe „fast zehn Jahre in Hannover gearbeitet. Ich kenne von den Leuten, die rund um die Mannschaft arbeiten, wahrscheinlich 80 Prozent. Ich kenne die meisten Spieler, und ich kenne alle Journalisten in Hannover – deshalb freue ich mich zurückzukommen. Leider kann ich nicht dableiben, weil wir am Sonntagmorgen trainieren.“
    Mirko Slomka ist immer nur kurz in Hannover. Da wäre es am besten, wenn er irgendwann mal 96-Trainer würde. Slomka lacht wie immer freundlich: „Aber die Zeit ist dann ja auch begrenzt, sehr begrenzt.“


    Zur Person
    Mirko Slomka wurde am 12. September 1967 geboren. Er betreute von 1989 bis 1999 bei 96 Jugendmannschaften von der C- bis zur A-Jugend und kümmerte sich dabei auch um Gerald Asamoah, Fabian Ernst (heute seine Spieler bei Schalke) und Sebastian Kehl (jetzt Dortmund). Mit der 96-B-Jugend wurde Slomka zweimal deutscher Vize-Meister. Von 1999 bis 2001 war er bei TB Berlin, erst als Nachwuchstrainer, dann als Cheftrainer in der Regionalliga. Zwischen 2001 und 2003 assistierte Slomka Ralf Rangnick bei 96, bevor er am 1. Oktober 2004 in dieser Funktion zu Schalke ging. Am 5. Januar 2006 wurde er Nachfolger von Rangnick als Cheftrainer. Slomka ist mit der Fitnesstrainerin Gunda (37) verheiratet, die Kinder heißen Lilith ( 8 ) und Luc (15 Monate). Die Familie wohnt in Hannover-Buchholz. Slomka ist kein Schalke-Mitglied, dafür aber von TuS Lühnde (bei Hildesheim).



    Mirko Slomka über...
    … Ralf Rangnick: Ich sehe ihn als Freund und Förderer von mir. Wir sind uns privat und beruflich ganz nahe gekommen. Ich habe ihn als überragenden Fachmann kennen gelernt. Ich hoffe, dass er so schnell wie möglich wieder einen Job kriegt in der Bundesliga. Wir telefonieren nicht mehr ganz so häufig wie vorher, versuchen aber Kontakt zu halten.
    … Jürgen Klinsmann: Ich fand es sehr interessant, dass er mich auf unserem Trainingsgelände besucht hat. Was ich sehr schätze, ist seine innovative Art, seine Kreativität. Seinen Umgang mit anderen Sportarten schätze ich auch sehr, weil ich da ganz ähnlich bin. Ich hoffe, dass er Weltmeister wird. Im Fall Kuranyi hat mich Jürgen angerufen und informiert, dass er ihn für das Italien-Spiel nicht nominiert. Ich habe ihm gesagt, dass ich das etwas anders beurteile. Ich bin sicher, dass Kevin das nächste Mal wieder dabei ist.
    … Felix Magath: Eine erstaunliche Persönlichkeit. Wobei ich mir nicht anmaße, irgendwas über Felix Magath erzählen zu dürfen. Ich habe noch nie mit ihm gesprochen, nur Interviews im Fernsehen gesehen. Aber wie er die Mannschaft führt, wie er auch mit den Medien umgeht: Hut ab.
    … Peter Neururer: Zu Peter gibt es irgendwie ein besonderes Verhältnis durch die Zeit in Hannover, aber auch dadurch, dass er auch in Gelsenkirchen wohnt und wir uns ab und zu auch schon beim Abendessen getroffen haben. Ein ganz eigener, witziger Typ, der medial sehr offensiv rangeht, auch immer wieder markante Sprüche setzt. Ich finde, dass das bei ihm passt – Respekt. Ich kann das nicht, ich bin da anders.

    Einmal editiert, zuletzt von SnoopDogg96 ()