www.sueddeutsche.de: Ein trostloser Abend

  • München - Hannover 0:1


    Bayern kann beim 0:1 gegen Hannover seine Krise nicht mehr verbergen - und verliert den Kontakt zur Spitze.


    Von Andreas Burkert


    Was sich das Münchner Publikum von der vermeintlichen Schlagerpartie des FC Bayern gegen den Tabellenletzten Hannover 96 erwartet hatte, ist bereits in den Tagen vor diesem echten Knüller unstrittig gewesen: nicht sehr viel. Denn erstmals in der Geschichte des WM-Stadions waren im seriösen Handel noch Tickets für ein Heimmatch des Meisters erhältlich.


    Insofern wohnten die immer noch 68 000 einer historischen Premiere bei, da die Arena nach 22 Ligapartien in Serie diesmal nicht voll besetzt war. Doch nicht nur der Kassenwart fuhr hinterher bedient nach Hause, denn die Bayern leisteten sich gegen einen allenfalls diszipliniert spielenden Tabellenletzten ein blamables 0:1 (0:1) - die erste Heimpleite gegen die 96er seit 18 Jahren.


    Die Krise der Bayern dokumentiert sich damit jetzt auch deutlich in der Tabelle, wo sie nun als Fünfter sechs Punkte hinter den beschwingten Bremern liegen. ,,Der Gegner ist viel gelaufen und mit großem Willen aufgetreten. Wenn man nicht bereit ist, die gleichen Laufwege zu gehen, dann ist es schwer, eine solche Mannschaft zu schlagen‘‘, erklärte-Abwehrspieler Daniel van Buyten.


    Chefcoach Magath hatte seine Startelf erneut umstellen müssen: Sagnol erschien zur Partie nur in Freizeitkleidung, worauf Humoristen auf der Tribüne scherzten, der Franzose schmolle, weil Torhüter Kahn schon wieder die Kapitänsbinde nicht abgeben wollte (Sagnol hatte kürzlich verbreitet, 2007 werde er definitiv anstelle Kahns Spielführer in München sein). In Wahrheit hatte Sagnol wegen einer Blessur am Knie passen müssen, sie behindert ihn bereits seit dem Europacup-spiel Mitte Oktober in Lissabon.


    Für ihn rückte der ewige Salihamidzic rechts in die Viererkette vor Kahn; Magath verzichtete zudem ausgerechnet gegen das Schlusslicht auf seine umstrittene Variante mit drei Angreifern und entsandte nur Makaay und Pizarro - ein klares Misstrauensvotum gegen Santa Cruz, der zuletzt erschütternd wirkungslos geblieben war und lange auf der Bank zusah. Karimi nahm an seinem 28. Geburtstag die neu geschaffene Planstelle im Mittelfeld ein.


    Der Iraner bemühte sich zwar von Beginn an, seinen lange nicht mehr besichtigten Spielwitz einzubringen; doch gegen die defensiv eingestellten Gäste gelang keinem Münchner etwas Geistreiches, kaum Anspielstationen fanden sich im feinmaschigen Abwehrverbund aus zumeist zehn Beinpaaren für die Ballverteiler Karimi, Schweinsteiger oder van Bommel. Nach einer guten halben Stunde segelte erstmals der Ball in die Richtung von 96-Keeper Enke, der jedoch bei Makaays Linksschuss kaum gefordert wurde. Brenzlig war aus seiner Sicht nur die Szene nach Schweinsteigers Eckstoß, dem ein energischer Kopfball von Pizarro folgte. Doch Enke parierte (39.).


    Und so setzten nach weiteren Minuten des ideenlosen Geschiebes bereits vor der Pause die ersten Pfiffe ein - und ein verfrühter Ansturm auf die Logen und Imbissstände. Den von der Südkurve gesanglich verabschiedeten Gourmets (,,Ihr könnt nur fressen und saufen!‘‘) blieb somit Demichelis’ Aussetzer vor dem überraschenden Rückstand erspart. Der Argentinier pokerte bei einem harmlosen Duell in der Nähe der Eckfahne unnötig hoch gegen Stajner, der ihm den Ball abluchste und in den Strafraum eindrang. Stajners Hereingabe jagte Huszti aus zehn Metern ohne Umschweife ins Netz (43.). Ein kleiner Orkan aus Pfiffen und Schmähungen begleitete die Münchner Belegschaft in die Kabine.


    Wenn nichts mehr geht, muss Scholli ran
    Als sie zurückkehrte, stieß ihr erneut die Ablehnung entgegen; wie ernst die Lage jetzt war, verdeutliche Kahn, indem er vor Wiederbeginn die Kameraden einzeln abklatschte und danach mit Gesten die Unterstützung des Anhangs einforderte. Lange hielt dieser Schulterschluss nicht, denn am betrüblich blutleeren Eindruck änderte sich nichts. Hannover blieb seinerseits ohne echte Torchance, stellte aber die Räume mit Engagement zu - während die Bayern nicht allzu körperbetont arbeiteten (Karimi) und entweder zu unentschlossen (Pizarro) oder unkonzentriert (Salihamidzic) die wenigen Gelegenheiten angingen. Vage Versuche von Makaay (57./62.) oder Pizarro (60.) erzeugten nicht jenen Druck, den man sich von einem wütend anrennenden Favoriten in einem Heimspiel erwartet.


    Wenn gar nichts mehr geht, kann wohl nur noch Mehmet Scholl helfen, jedenfalls begrüßten die Zuschauer den nach zweiwöchiger Verletzungspause zurückgekehrten Routinier mit dem ersten Euphorieschub des Abends. Spätestens nach Santa Cruz’ Einwechslung für Makaay (73.) war auch dieser verflogen, und erstmals in seiner Münchner Zeit richtete sich nun der Unmut vernehmbar gegen Trainer Magath. Sieben, acht Minuten vor Schluss waren dann weit mehr Plätze frei als die rund 1000 nicht verkauften Sitze. Die Menschen flüchteten vor dem trostlosen Anblick.