Kicker: Hecking und die neuen Chancen

  • "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin", skandierten Hannovers Fans nach 78 Minuten an diesem ganz normalen Bundesliga-Samstag. Berlin? Klar, auch im Pokal hegt 96 am Dienstag noch Ambitionen in dieser vom Verlauf her fast unglaublichen Saison.



    In der Liga läuft es ohnehin blendend. 13 von 15 möglichen Punkten holte das Team nun aus den letzten fünf Spielen, mutierte damit vom potenziellen Absteiger endgültig zu einem etablierten Klub, dem sich angesichts der Tabellenkonstellation plötzlich ganz neue Möglichkeiten nach oben ergeben. Beeindruckend ist dabei neben den reinen Ergebnissen die Art und Weise, wie 96 die Erfolge einfährt. Immer wieder neue Facetten kommen dabei zum Vorschein: Beim 5:0 gegen Hertha und auch beim 4:1 in Aachen steigerte sich das Team in einen Sturmlauf, beim 2:2 gegen Wolfsburg zeigte es nach zweimaligem Rückstand Qualitäten darin, ins Spiel zurückzukommen. Der taktisch reifen Leistung beim 1:0-Sieg in Leverkusen folgte nun erneut ein abgeklärter Auftritt gegen Dortmund.


    "Nicht die Geduld verlieren, das Tempo aber langsam steigern", hatte Dieter Hecking da in der Pause gefordert, die Spieler setzten es konsequent um. Besonders erfreulich diesmal: Für diese Steigerung sorgten ausgerechnet die drei Einwechselspieler, allen voran Arnold Bruggink und Jiri Stajner, aber auch Silvio Schröter. "Das zeigt unsere derzeitige Qualität in der Breite", so der Trainer, "die Spieler nehmen auch auf der Bank ihre Rolle an und machen Druck, indem sie nach der Hereinnahme gute Leistungen abliefern."


    Jetzt ist die Euphorie im Umfeld groß, unisono tritt unterdessen die Führung des Klubs auf die Bremse. Intern regiert der Realismus. Die große Chance ist da, das wissen alle. "Doch zu viel davon zu reden und damit Druck aufzubauen, wäre falsch", so Sportdirektor Christian Hochstätter. "Am Ende verkrampfen die Spieler dadurch nur."


    Dieter Hecking weiß, dass die Mannschaft derzeit am oberen Limit spielt: "Sie und das Team um die Mannschaft herum holen im Moment das Optimum dessen heraus, was der Kader hergibt." Die Kunst sei nun, das Niveau zu halten. "Ich habe es leicht, weil mir viel Qualität angeboten wird. Aber es ist gleichzeitig auch schwer, immer wieder den Richtigen zu finden..."


    Was nach Ansicht des Trainers auf keinen Fall passieren darf, ist, dass die Erwartungen so nach oben schießen, dass in Hannover, wo vor einem Vierteljahr noch Existenzangst vorherrschte, am Ende das Verfehlen des internationalen Wettbewerbs gar als Misserfolg gewertet werden könnte. Hecking: "Bei den Fans ist Träumen erlaubt. Aber jeden, der die Mannschaft schlecht macht, wenn es dann nicht klappt, werde ich mir kaufen."