ZitatAlles anzeigenTeil 1:
"Die haben alle Wachstumshormone genommen"
DLV-Mannschaftsarzt Uwe Wegner über suspekte Amerikaner und faule Deutsche
Leichtathletik boomt. Im Schnitt über 50.000 Zuschauer pro Tag sahen die Wettkämpfe im Stade de France. Den meisten davon dürfte es egal sein, wie die Leistungen der Athleten zu Stande kamen. Hauptsache, die Show stimmt. Da tut auch der während der WM offenkundig gewordene Doping-Fall des neuen 400-Meter-Weltmeisters Jerome Young (USA) keinen Abbruch. Im Interview mit ZDFonline vermutet Dr. Uwe Wegner, Mannschaftsarzt des deutschen Teams, dass weit mehr Athleten unsauber unterwegs sind: "Wer eins und eins zusammenzählt, muss zu diesem Schluss kommen."
ZDFonline: Hinken die Deutschen bei dieser Weltmeisterschaft hinterher, weil sie nicht dopen?
Dr. Uwe Wegner: Angesichts der Menge an Kontrollen, die unsere Athleten durchlaufen, ist auszuschließen, dass jemand dopt. Allein das Äußere der deutschen Athleten lässt nicht auf Doping schließen. Bei uns trägt niemand Zahnspange, keiner hat auffällige Akne, unsere Frauen haben Unterhautfettgewebe. Manche vielleicht sogar zuviel.
ZDFonline: Trainieren die Deutschen also zu wenig?
Wegner: Es gibt viele, die mehr leisten könnten, wenn sie sich hinreichend genug auf den Leistungssport konzentrieren, entsprechend leben und ein entsprechendes Trainingspensum leisten würden. In unserer 4 x 100-Meter-Staffel ist mir eine Läuferin aufgefallen, die hatte eindeutig zuviel Unterhautfettgewebe. So darf man eigentlich nicht bei einer WM erscheinen. Tim Lobinger hatte mit seinem verbalen Rundumschlag durchaus Recht (Anm. d. Red.: Lobinger kritisierte im Juni die Einstellung einiger Kollegen mit "Hosenscheißer-Mentalität").
ZDFonline: Dennoch bleibt die Ernüchterung, dass andere Nationen offensichtlich dopen. Welche sind das?
Wegner: Zuerst einmal: Es nützt nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wir sollten das Selbstbewusstsein entwickeln, dass wir es eben ohne Doping zu was bringen können. Zum anderen fällt im US-Team die stark vertretene Zahnspangen-Fraktion auf. Da brauch' ich gar keine Namen nennen. Sehen Sie sich nur die Athleten mit stark ausgeprägtem Unterkiefer an. Die haben alle Wachstumshormone genommen. Wer mag da noch glauben, dass rein zufällig im US-Team so viele Athleten mit angeborener Kiefer-Hypertonie stehen?
ZDFonline: Auch das griechische Team steht unter Dauerverdacht.
Wegner: Ich erinnere nur an 1997, als griechische Betreuer bei einem Wettkampf in Dortmund einen Doping-Kontrolleur verprügelten, so dass zwei Athleten vor der Kontrolle fliehen konnten. Oder: Der 200-Meter-Olympiasieger Kenteris reist hier wegen einer angeblichen Verletzung ab. So, wie ich Kenteris vor seiner Abreise hier trainieren sah, kann ich ruhigen Gewissens behaupten: Der war nie und nimmer verletzt. Kenteris drückt sich vor Dopingkontrollen, wo immer er kann, und zieht sich in geheime Trainingslager zurück, obwohl das verboten ist. Oder: die griechische Speerwerferin Manjani Miréla. Sie hat sich die ganze Saison nirgendwo gezeigt, kommt mit einer Saisonbestweite von 55 Metern nach Paris, wirft hier weit über 66 Meter und wird Weltmeisterin.
ZDFonline: Sonst nur Saubermänner am Start?
Wegner: Nein. Ich erinnere an die Siegerin im 400-Meter-Lauf. Mit welcher Wonne die ihre Muskeln spielen ließ - so verhält sich keine Frau. Sehr suspekt finde ich auch, dass die österreichische 800-Meter-Favoritin Stefanie Graf am Abend vor dem Finale auf ihrem Hotelzimmer in eine Glasscherbe getreten sein soll und dann nicht startet. Das sind natürlich alles keine Beweise. Aber, wenn man eins und eins zusammenzählt, bleibt nur der Schluss, dass hier gedopt wird.
ZDFonline: Warum lassen die USA und Griechenland keine unangemeldeten Kontrollen zu?
Wegner: Das weiß ich nicht. Wobei die USA ja nicht generell Nein dazu sagt. In den USA werden überwiegend Anabolika verwendet, die nach vier oder fünf Tagen nicht mehr nachweisbar sind. Kontrolleure können nur mit Visum einreisen. Gut, dann dauert's eben fünf Tage, bis das Visum durch ist. Andere Nationen wiederum liefern Dopingproben am liebsten von Athleten, die gerade wegen einer Verletzung operiert wurden. Alles schon erlebt. Wie zuverlässig solche Proben sind, kann man sich ja denken.
"Die haben alle Wachstumshormone genommen"
Teil 2:
"Mutierte Athleten leiden unter Realitätsverlust"
Wer dopt, dessen Körper verändert sich. Hoden schrumpfen, Männer bekommen Brüste, bei Frauen verschwinden sie, die Klitoris kann bis auf mehrere Zentimeter Länge wachsen, der Kiefer verformt sich, so dass das Gebiss mit Zahnspangen korrigiert werden muss. Werden in Zukunft nur noch künstlich optimierte, deformierte Menschen eine Chance auf den Sieg haben? Teil II des Interviews mit Uwe Wegner.
ZDFonline: Der frühere IOC-Präsident Samaranch hatte einst vorgeschlagen, Doping freizugeben. Was halten Sie davon?
Wegner: So denkt ein Mensch, der von der Realität meilenweit entfernt ist.
ZDFonline: Offensichtlich wollte Samaranch mit dieser Idee die Chancengleichheit erzwingen.
Wegner: Ein Trugschluss. Denn es würde immer welche geben, die besser dopen als andere. Und die Fünftbesten denken sich: Dann nehm' ich eben noch mehr. Das ist wie beim normalen Menschen, der irgendwann einmal vier statt nur einer Kopfschmerztablette nimmt. Samaranchs Idee würde zwar den Missbrauch abschaffen, weil Doping ja legal wäre, würde aber dann den falschen Gebrauch provozieren. Und außerdem will doch kein Mensch solche Monster im Stadion sehen. Das Publikum würde sich abwenden.
ZDFonline: Bekam Doping mit der Auflösung des Ostblocks neuen Aufschwung?
Wegner: Nicht unbedingt. Schon zuvor haben Ost- und West-Athleten untereinander munter das Zeug ausgetauscht.
ZDFonline: Wie konnte der Doping-Markt überhaupt entstehen?
Wegner: In der UdSSR gab's in den Sportverbänden eigene Mediziner und Chemiker, die an den Mitteln arbeiteten. Im Westen bediente man sich gerne in der Tiermedizin. Viele Mittel wurden in der Schweinemast quasi erfolgreich erprobt. Die Leichtathleten beziehen Dopingmittel oft aus dem Radsport. Was bei den Radsportlern nach zwei Jahren out ist, wird dann gerne in der Leichtathletik als neues Wundermittel gehandelt.
ZDFonline: Immer wieder rechtfertigen sich erwischte Athleten mit angeblich verunreinigten Nahrungs-Ergänzungsmitteln. Nur Ausreden?
Wegner: Kreatin wird gerne genommen. Es ist auch legal. Nur kann es in der Tat zu Verunreinigungen kommen, wenn - beispielsweise wie in Holland - das Kreatin über ein Band läuft, auf dem vorher fleißig ein Anabolikum herumkullerte. Nur in Deutschland gibt es eine zertifizierte Herstellung von Kreatin.
ZDFonline: Welchen Sinn haben Dopingsperren?
Wegner: Manch einem kann gar nichts besseres passieren, als gesperrt zu werden. Die Sperre des neuen Weltmeisters im Kugelstoßen, Andrej Michnewitsch, lief kurz vor der WM ab. In diesen zwei Jahren kann man nach Herzenslust dopen, denn man weiß: Gesperrte Athleten werden nicht kontrolliert. Dabei müsste man gerade diese Sportler kontrollieren.
ZDFonline: Wie wird in der Zukunft gedopt?
Wegner: Genmanipulierte Medikamente werden der Renner. Das heißt: Man kann Sportler im Training ganz bewusst soweit belasten, bis sie sich verletzen. Speziell entwickelte, genmanipulierte Medikamente könnten dann die Regenerationsphase so weit verkürzen, dass die Verletzung letztendlich keine Rolle spielt. Stimulanzien - wie sie bei der Amerikanerin Kelli White gefunden wurden - werden ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Man versetzt den Sportler quasi künstlich in Todesangst, so dass er Höchstleistung bringt.
ZDFonline: Wird man spezielle Muskelpartien dank Gentechnik zu mehr Leistung zwingen können?
Wegner: Das würde wenig Sinn machen, denn es kommt nicht allein auf die Muskelmasse an an, sondern in großem Maße auch auf Koordination. Dicke Muskeln allein bringen nichts.
ZDFonline: Blicken mutierte Sportler nicht in den Spiegel? Sehen die nicht, dass ihr Kiefer unnatürliche Ausmaße angenommen hat?
Wegner: Die leiden unter Realitätsverlust. Es haben hier Persönlichkeitsveränderungen stattgefunden. Die Frau, die in Paris das Kugelstoßen gewann, fühlt nicht, dass ihr Körper manipuliert ist. Dabei ist es offensichtlich: Ein Fleischberg ohne Busen. Das ist nicht normal.
ZDFonline: Wird die Vision der gezielt geklonten Olympioniken irgendwann Wahrheit?
Wegner: Das glaube ich nicht. Bis es soweit kommt, wird uns die Natur die Grenzen aufweisen. Ich hoffe, dass sich der Mensch - speziell der Sportler - auf das zurückbesinnt, was ihn stark gemacht hat: Auf seinen Verstand und seinen Fleiß.
Quelle: heute.de
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