habe im www (WeltWeiteWundertüte) mal wieder eine kleinigkeit gefunden, die interessant ist, viele viele fragen klärt und voreingenommenen klarheit verschafft.
Deutschlandfunk: Hintergrund Politik
Manuskript vom: 24.1.2003 • 18:40
„Hooligans sind out - Ultras sind in!“
Vom Wandel der Fußball-Fankultur
von: Chris Mathieu
Redaktion: Claudia Sanders
Es ist so, dass es eigentlich früher so war, dass es bei 17 Heimspielen bei 15 gekracht hat. Also, gegnerische Hooligans sind regelmäßig nach Frankfurt angereist, haben regelmäßig nach dem Spiel das Frankfurter Bahnhofsgebiet aufgesucht und es gab regelmäßig Auseinandersetzungen, insbesondere eben nach dem Spiel. Und das, muss man sagen, ist mittlerweile nicht mehr so, der Hooliganismus, so sehe ich es zumindest, ist auf dem absteigenden Ast.
Meint Heiko Homalla. Der Polizeihauptkommissar ist Leiter der Ermittlungsgruppe Fußball in Frankfurt/Main. Wenn morgen die Rückrunde der Fußball-Bundesliga beginnt, dann werden es bundesweit etwas weniger als 2.000 Hooligans sein, die zu den Spielen ihrer Vereine pilgern. Gewalt gehört für sie dazu - egal, ob ihr Verein nun verliert oder gewinnt. In den neunziger Jahren tourten noch etwa 8.000 Hooligans durch die Fußballstadien. Besonders berüchtigt war die sogenannte "Gelsen-Szene", weiß Markus Dehnke, der Leiter des Fan-Projektes Schalke 04:
Es gibt selbstverständlich noch Einzelpersonen, die in der Gelsen-Szene mal aktiv waren, die immer noch im Stadion sind, aber mittlerweile ein Alter von 35 und älter erreicht haben, häufig mit eigenen Nachwuchs anzutreffen sind, oder die Frau dabei haben. Man sieht sie vor dem Spiel noch einmal an Treffpunkten in der Kneipe am Bahnhof, aber das konzentriert sich nur noch rein auf das Fußballspiel. Die Atmosphäre in der Arena und also überhaupt diese hooligantypischen Phänomene mit: durch die Stadt laufen oder im Stadion nach möglichen gegnerischen Hooligans Ausschau halten, findet definitiv nicht mehr statt.
Die Hooligans sind älter und ruhiger geworden. In Köln, eine frühere Hochburg deutscher Hooligans, hat diese Entwicklung ebenfalls die Szene reduziert, glaubt Holger Hoeck, der bis zum Herbst 2002 mehrere Jahre im Kölner Fan-Projekt tätig war:
Ich habe allerdings in Köln immer stärker festgestellt in den letzten Jahren, dass die Hooliganszene immer ruhiger wird. Die ist noch vorhanden und präsent. Aber es reduziert sich immer mehr auf einen festen Stamm von Althooligans.
Egal, ob der "eigene Fußballverein" verloren oder gewonnen hatte: Eines war sicher für die Hooligans: Entweder vor oder nach dem Spiel musste es eine heftige Schlägerei geben. Zu Hunderten wurden Polizisten in die Stadien abkommandiert- ein Großeinsatz für die Ordnungshüter. Offensiv ging auch der Deutsche Fußballbund, kurz DFB, das Problem schließlich an, förderte Fanprojekte, die verhindern sollten, dass noch mehr Fußballfans zu Hooligans werden. Hans Florin, Ansprechpartner der Fans beim DFB und Abteilungsleiter der Direktion Recht, Personal, Verwaltung und Soziales:
Durch die Arbeit der Fanprojekte ist auch dazu beigetragen worden, dass junge Fußballanhänger, die der gewaltbereiten Szene auch nahe stehen, doch davon abgehalten werden konnten, sich dieser Gruppe anzuschließen, sondern halt mehr in eine andere Richtung tendieren.
Eine Einschätzung, die Markus Dehnke mit Eindrücken aus Gelsenkirchen ergänzt:
Teilweise sind die Hooligans selbst dafür verantwortlich, dass der Nachwuchs ausgeblieben ist. Weil sie schon gesehen haben: Mit diesen Mitläufern können wir gar nichts anfangen und wenn's drauf ankommt, rennen sie weg, und die wollen wir nicht bei uns haben und durch ihr Auftreten dafür gesorgt haben, dass Jüngere da auch wieder ganz schnell Abstand genommen haben.
Zu Hochzeiten der Hooligan-Bewegung in Deutschland wurden bis zu 8.000 Fußballfans als gewaltbereit eingestuft. Nicht zuletzt verschärfte Polizeimaßnahmen haben diese Auswüchse begrenzt. Polizeihauptkommissar Heiko Homolla:
Man hat natürlich dazugelernt, die bauliche Gegebenheit ist besser geworden, aus polizeilicher Sicht besser geworden - aus Fansicht ist das eine ganz andere Geschichte: Stichwort Stadionzäune, Fangnetze, Gräben, wie auch immer. Damit einhergehend auch eine Verbesserung des Ordnungsdienstes, die Polizei hat auch ein kleines bißchen dazugelernt. Und auch die Beweissicherung ist natürlich in den letzten Jahren immens besser geworden: Stichwort Videokamera-Überwachung.
Doch seit einigen Jahren keimt nun eine neue Fanbewegung in den deutschen Stadien. Sie nennt sich "Ultra" und stammt eigentlich aus Italien, wo Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre die ersten Ultras zu finden waren. Daniel Reith gilt als der Gründer der Frankfurter Ultra-Szene, die dort seit 1997 in Erscheinung tritt:
Es ist halt eine Alternative zum Üblichen. Und das ist ganz entscheidend, da ja - wie gesagt - die Gesellschaft zu einem riesengroßen Mainstream verkommt. Da gibt’s immer wieder Leute, die sagen: "Da habe ich keinen Bock drauf". Und wir Ultras sind also mittlerweile eine Subkultur, die auch von anderen Subkulturen irgendwo anerkannt wird als solche.
Besonderes Kennzeichen der Ultras: Sie legen Wert auf ihre Unabhängigkeit, rebellieren gegen die "Obrigkeit“, verachten festgefahrene Vereinsstrukturen. Statt die Kassen von Fanshops zu füllen, werden sie selber kreativ und produzieren eigene Fanartikel. Und Ultras tragen ganz entscheidend zu einer Veränderung der Struktur und des Verhaltens der Zuschauer in den Fanblöcken bei. Volker Schiffer geht seit 25 Jahren zur Frankfurter Eintracht ins Waldstadion:
Es gibt große Unterschiede: Wenn ich so sehe, wie wir früher in den G-Block gegangen sind, mit den 3 bis 4 Leutchen, die wir waren, da hat man sich auch nur mit diesen Leuten unterhalten. Gut, es gab einige Male, da hat man jemanden kennen gelernt, aber wir waren immer unser kleines Grüppchen, man hat des ganze Spiel über "Eintracht" geschrieen und nichts anderes, und ist dann wieder heim und war glücklich. Also, das war eigentlich nicht so das erfüllende Erlebnis, was man im Gegensatz heutzutage hat von den so genannten Ultras. Die gehen also, die lernen sich kennen, da redet jeder mit jeden, das ist schon einmal ein Punkt. Dann gehen die zum Spiel, machen eigene Ideen, verwirklichen sie, also selbstdenkende Menschen, gibt's auch noch auf dieser Welt, - nicht nur Robotergesteuerte kommerzielle Galaxy-Freaks- , die haben eigene Ideen, eigene verwirklichte Sachen und das ist ein richtiger Kick, selbstgedichtete Lieder, also richtig schön mit langen Strophen alles, Großschwenkfahnen die wir gebastelt haben, Doppelhalter, Spruchbänder und der ganze Kram, und das ist ein ganz anderer Kick wie das, was vor 20 Jahren war.
Ein "Ultra" sei man nicht nur während des Fußballspiels, meint Sandro Battaglia. Er gehört zu den Gründern der Ultra-Szene in Mannheim:
Ultra sein - so wie ich das aus Italien kenne - ist: Das Fußballfansein ist nicht alleine auf die 90 Minute im Stadion beschränkt, sondern es ist eigentlich die ganze Woche. Sieben Tage in der Woche ist man Ultra, man lebt seinen Verein.
Die Fankultur prägen, eigene Fanutensilien entwerfen, Eigenständigkeit demonstrieren: Das ist für Ultras der wesentliche Kick. Markus Lang beschreibt seinen Werdegang in der Frankfurter Fan-Szene:
Du hast halt irgendwann angefangen zu denken. Dann haste gedacht: "Na ja, was macht der Verein? Was bringt, was gibt der Verein mir? Ich kann beim Verein ein Trikot kaufen, kann einen Schal kaufen. Das gefällt mir aber eigentlich gar nicht so, was die wollen. Also gucke ich doch mal, ob ich vielleicht selber irgendwo was machen kann: irgendeinen Schal, der mir besser gefällt, auf den ich vielleicht den Namen meiner Gruppierung draufschreiben kann."
Für Experten wie Jürgen Scheidle, Leiter des Fan-Projektes in Bochum, sind die Ultras allerdings mehr als nur reine Fanclubs:
Es ist eine Fankultur, die sich da entwickelt, die ist auch zu vergleichen mit einer Jugendkultur. Es ist ein großer Zulauf von jungen Menschen. Auf dem Weg "Wie organisiere ich mich als Jugendlicher in der Pubertät?", was für viele noch eine Frage ist, orientieren sich viele ins Stadion. Ich denke, wir brauchen diesen "Freiraum Stadion", wo sich Leute entwickeln, entfalten können, wo sie sich ausprobieren können.