Politischer Zoff-Thread oder so

  • lockes Angst sind Enteignungen und aufknüpfen. Die Diskussion, ob Steuererhöhung Enteignungen sind, hat er an dieser Stelle vermutlich nicht gemeint. Viel Spaß damit!

  • Ich habe oben schon geschrieben, dass ich kein Interesse an Gewalt habe (und ich es dennoch schätze, mit locke hier entsprechend frotzeln zu können, was aber nur aufgrund unserer gegenseitigen, persönlichen Wertschätzung möglich ist), wer allerdings Enteignungen pauschal ablehnt, hat jeglichen Anspruch verwirkt, sich als 'links' zu bezeichnen.


    EDIT: Interessanterweise reproduzierst Du die Gleichstellung von "Gewalt" und "Enteignung" sogar, wohingegen locke jetzt überhaupt nicht darauf bestanden hat, dass das nur zusammen gedacht werden kann.

    Einmal editiert, zuletzt von ExilRoter ()

  • Wenn ich das noch recht memoriere. Die derzeitige wirtschaftliche Philosophie beruht darauf, das jeder alles erreichen kann. Diese individuelle Freiheit belohnt sich in den erfolgreichen Fällen mit individuellem Wohlstand. Der einzelne und seine Ambitionen sind Triebfedern der gesamten Wirtschaftsleistung und machen in der Summe den Erfolg einer Volkswirtschaft aus.

    Selbstverständlich "teilt" der Erfolgreiche Teile seines Erfolges mit der Solidargemeinschaft, in der er lebt.


    Die Triebfeder selbst steht schon im Konflikt mit dem, was eigentlich das Ziel sein sollte/mein Ziel wäre - mit dem Wort Nachhaltigkeit wird viel Schindluder getrieben, ich hab es immer so verstanden, nicht mehr zu verbrauchen, als nachwächst, regeneriert oder wiederhergestellt wird. Ein Leben das mehr als das verbraucht, ist nicht nur ungerecht den derzeitigen Mitmenschen gegenüber, es verwehrt zukünftigen Generation die gleichen Chancen, die man selbst hatte.


    Der Club of Rome hat zweimal die Grenzen des Wachstums ausgelotet und beide Male durchaus alarmierende Signale geteilt, zuletzt aber eben auch Möglichkeiten der Einflussnahme aufgezeigt.


    Dieses hier ist ein Internetforum Fußballverrückter - manche mehr gebildet, andere weniger. Zu Einzelthemen kann der eine fachlich fundierte Aussagen treffen, der andere glaubts - oder lässt es. Die Forderungen, die hier in den Raum gestellt werden, kann kein Mitglied erfüllen - nicht mal der Club of Rome findet mit seinen Vorschlägen genug Unterstützer, so daß er überhaupt ernsthaft wahrgenommen würde.


    Blue Valentines Anmerkung, das der Fehler dieser Diskussion darin besteht über die Wege zu diskutieren, bevor sich auf das Ziel geeinigt hat, trifft die Problematik exakt.

  • Ausbeutung bei Lieferdiensten: Die falsche Freiheit


    Zitat

    Wir sind es gewöhnt, eine Vielzahl an digitalen Dienstleistungen rund um die Uhr zur Verfügung zu haben. Nur die wenigsten fragen sich dabei, was das eigentlich mit unserer Gesellschaft macht.


    Zitat

    Doch im Digitalen haben sich auch die Arbeitsbedingungen verändert. Die Lieferdienste bieten erstmals vollständig per Algorithmus gesteuerte Jobs an. Die Fah­re­r*in­nen melden sich in der App an, der Algorithmus erteilt die Aufträge – die Entmenschlichung der Arbeitswelt. Während auf den Werbeprospekten mit Worten wie „Team“ und „Community“ geworben wird, bieten diese Unternehmen vor allem eins: Einsamkeit.

    Eine Einsamkeit, die sehr bewusst herbeigeführt wird. Alles, was Gemeinsamkeit schafft, alles, wo Menschen zusammenkommen, erzeugt Reibung. Und Reibung ist Sand im Getriebe der digitalen Lieferdienste. Konzerne versuchen so, eine in Gänze singularisierte Arbeitsumgebung zu schaffen. Ein Mitspracherecht gibt es in diesem System nicht mehr – mit Algorithmen lässt sich auch schwer diskutieren. Nichts stört die Effektivität und den Gewinn des Unternehmens.

    Zitat

    Am Beispiel der Lieferdienste lässt sich noch eine zweite bedenkliche Entwicklung beobachten: Wir rutschen ins Zeitalter des überwachungs- und bewertungsgetriebenen Arbeitens. Die Ku­rier­fah­re­r*in­nen sind während ihrer Arbeit dauerhaft überwacht. Es wird mitgeschnitten, wo sie hinfahren, wie ihre Kommunikation abläuft, es wird Buch darüber geführt, wie viele Auslieferungen geschafft werden.


    Zitat

    Was uns als große „Freiheit“ verkauft wird, ist in Wirklichkeit das genaue Gegenteil. Hinter Werbe-Versprechen wie dem einer zwanglosen Community steckt vor allem die Ablehnung staatlicher Regulierung: Der Vorrang der Ökonomie vor der Politik. Es ist eine spätkapitalistisch-digitale Traumwelt, die immer weiter fortschreitet. Doch wollen wir Freiheit wirklich so für uns definieren?


  • Und auch hier gilt, dass ja doch irgendwie (fast) alle mitmachen.


    Viele holen sich sogar noch freiwillig ein Überwachungssystem wie Alexa oder Google Nest/Ring ins Haus, nutzen die angebotenen Entertainment-Programme und wundern sich dann.


    Verrückte Welt.

  • Teilweise kann man sehen wo der Lieferando Fahrer gerade ist und rechtzeitig zur Tür gehen und ihn reinlassen bevor er/sie klingelt.

  • Ich verstehe, was du meinst locke, aber so ganz teile ich deine Ansicht nicht. Sicherlich sind die Konsument*innen keine unmündigen Kinder, die für ihr Tun nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Dennoch gibt es Einflussfaktoren in unserer durchökonomisierten Welt, die es uns zumindest schwer machen, uns frei zu entscheiden.


    Nicht umsonst beschäftigen Konzerne Heerscharen von Psychologen, die Werdespots entwickeln, die uns im Unterbewusstsein triggern sollen. Freud im Dienste des Kapitalismus sozusagen. Wer will nicht schön, gesund und hip sein? Wer will nicht bequem leben und gut unterhalten werden?


    Mit Alexa und Google bin ich fresh, am Puls der Zeit. Ich fühle mich gut und verdränge gerne, wer den Preis bezahlt. Schnäppchenjagd gehört auch dazu. Ich bezahle nicht, was es eigentlich wert ist, nein, viel weniger. „Geiz ist geil!“


    Die Politik hat diesen Einfluss der unfrei-machenden Werbung auch schon längst erkannt und Verbote beispielsweise bei der Tabakwerbung erlassen.


    Um diesen schon länger andauernden Trend umzukehren bedarf es, wie blue valentine erwähnt hat Bildung und Aufklärung, aber auch gesetzliche Rahmenbedingungen, die diese Fehlentwicklungen verhindern und den Konzernen Grenzen setzen.

  • Wie siehst du das in China? Da regelt der Staat alles, setzt Grenzen und greift ein. Folge: es ist (zumindest aus meiner Perspektive) schlimmer als bei uns.

  • Natürlich nicht. Ich halte es nur für schwierig darauf zu setzen, dass ein stark regulierender Staat alles besser macht.


    Um es klar zu sagen, ich glaube schon daran, dass wir staatliche Regulierung brauchen und keinesfalls ausschließlich auf den Markt vertrauen dürfen. Aber in den Diskussionen hier werden Marktmechanismen derart oft ignoriert, dass ich da einfach mal auf diesen, zugegebener Maßen extremen Gegenentwurf verweisen wollte.

  • Am besten wir vergleichen mal real existierende Systeme auf der Welt miteinander, vielleicht erst mal mit Europa anfangen.

  • Ich denke, die bisher genannten Kritikpunkte an unserer Systematik müssten als Antwort schon ausreichend sein.


    Denn zwischen hier und China gibt es bisher noch einen wichtigen Unterschied, nennt sich Demokratie.


    Ich finde übrigens nicht, dass hier Marktmechanismen ignoriert werden. Sie werden eher angezweifelt, auf jeden Fall ihre Allgemeingültigkeit.

  • [...] Zu den beiden Großbaustellen in unserem Land, der Gesundheitsversorgung und der Rente….. [...]
    Beide Systeme kranken an der Demografie, die ist eben so wie sie ist. [...] Die Rente, nun ja. Immer weniger Beitragszahler, immer mehr Rentner, die auch jedes Jahr mehr Rente haben wollen, was wiederum Wachstum und steigende Löhne und Gehälter voraussetzt. [...]

    Mal angenommen, die Alterung und Schrumpfung der Gesellschaft sei ein Problem für die gesetzliche Rente (was sie nicht ist*). Ist sie kein Problem für die kapitalgedeckte Rente? Altert und schrumpft die Gesellschaft nicht mehr mit dem Bezahlmodell?


    *Sie ist kein Problem aus 2 Gründen: 1) Die Alterung war im 20. Jahrhundert drastischer als sie im 21. Jahrhundert angenommen wird. Gleichzeitig stieg der Lebensstandard der Arbeitnehmer und Rentner zwischen 1900 und 2000. Da fehlt die Begründung für das Schreckensszenario der Zukunft. Natürlich braucht es in der Zukunft einen weiteren Produktivitätszuwachs. Wieso sollte der ausbleiben in einer sozialen Marktwirtschaft? Der Wettlauf um Ideen wird ja auch weitergehen. 2) Nicht mal die demographischen Pessimisten (Deutschlands Bevölkerung wird sinken auf 70, 65, 60 Mio...) gehen von einem Rückgang des BIP aus. Wenn aber weniger Esser auf einen mindestens gleich groß bleibenden Kuchen kommen, dann... soll jeder weniger abkriegen können? Das ist unlogisch.


    Zitat

    [...] Private Vorsorge in Zeiten ohne Zinsen ist auch schwierig. Warum gibt es keine Zinsen? [...]

    Ja, das ist spannend. Der Zins ist der Preis für Geld. Warum sind die Zinsen in den letzten 40 Jahren so lange gesunken bis sie auf Null gefallen sind? Was, meinst Du, könnte der Grund sein? Ich glaube, es gibt zu viele Sparer und zu wenig Kreditnehmer. Durch die Spreizung der Schere gibt es einerseits obszönen Reichtum, der nicht mehr weiß, wohin. Und zusätzlich durch die privaten Rentenmodelle wird jedes Jahr so viel Geld ins System gespült, daß auch hier die Anlagemöglichkeiten fehlen. In die echte Wirtschaft kann man schlecht investieren, wenn der gewerbliche Sektor der Volkswirtschaft Nettosparer geworden ist. Unterm Strich sind Unternehmen selbst Sparer geworden. All das führt dann zu gewissen Blüten. Immobilienblasen. Aktienblasen. Privatisierungswut. Der private Haushaltssektor ist natürlich auch Nettosparer, das war er immer, das muß er sein. Wir können ja schlecht alle auf lange Sicht x verdienen und gleichzeitig x+1 ausgeben. Der Staat soll außerhalb von Corona keine Schulden machen. Und Auslandsschulden sind auch so eine Sache. Also: Wer soll Geldnachfrage haben? Geld entsteht erst durch Kredite. Also: Wer soll eine Kreditnachfrage haben? Wie soll der Zins hoch ohne Nachfrage?


    Und was wäre Deine Antwort auf das Problem, daß die Preisfindung in den letzten Jahrzehnten eine Überbeanspruchung der erdlichen Ressourcen gefördert hat, die man jetzt noch 10, 20, 30, 40 Jahre fortsetzen kann und dann ist die Karre unwiderruflich in den Dreck gesetzt?

  • Alle Punkte, die du ansprichst haben sicherlich in den vergangenen Jahren auch Einfluss auf den Zins. Aber die Institutionen, die in den letzten Zehn Jahren maßgeblich dafür gesorgt haben, dass das Zinsniveau da steht, wo es ist, haben für dich keinen Platz? Die Anleihenkaufprogramme der EZB und anderer Zentralbanken in deinen Überlegungen nicht zu berücksichtigen, finde ich interessant.

    Der private Haushaltssektor leidet auch an einem Demographie-Problem, veraltende Haushalte sparen mehr als junge Haushalte, die Kredite aufnehmen. Zusätzlich hat Corona die Sparquote in 20 merklich steigen lassen.


    Um bei deinem Beispiel mit dem Kuchen zu bleiben. Bleibt der Kuchen gleichgroß, wenn das (nominale) BIP in absoluten Zahlen nicht fällt, aber die Inflation wirkt? Oder gehen die Forscher von nicht fallendem realen BIP aus?


    Aus deinem letzten Absatz lese ich auch heraus, dass du eventuell dem Degrowth-Ansatz zugeneigt bist. Sollte er sich durchsetzen, wie verhält es sich dann mit dem nicht fallendem BIP?