Politischer Zoff-Thread oder so

  • Preisbereinigtes BIP = mindestens konstant. Aber das ist auf die Nachkommastelle nicht so wichtig. Das BIP kann auch fallen. Solange die Bevölkerungszahl schneller fällt... kein Problem?


    Degrowth-Ansatz ist mir als Schlagwort unbekannt. Klingt nach der Suche nach einem Ausweg aus dem Wachstum. Das klingt interessant. Bislang war ein steigender Lebensstandard immer mit mehr Ressourcenverbrauch verbunden. Da wir die Ressourcen schneller verfeuern als sie nachwachsen, sollte man sich da tatsächlich Gedanken drum machen. Mit Blick aufs restliche CO2-Budget vor der Abfahrt 2 Grad hätte man sich vor 20 Jahren ganz schnell Gedanken drum machen sollen.


    Klar haben die Notenbanken mit der Leitzinssetzung auch einen Anteil. Bloß: Warum haben sie in den letzten 40 Jahren, salopp gesagt, in jeder Krise den Zins um drei Punkte gesenkt und in jedem Boom um zwei Punkte angehoben, bis dann letztlich die Nullinie erreicht war? Das haben die vermutlich nicht aus Daffke getan. Man sagt doch, Zinssenkung macht Kredite billiger und Sparen unattraktiver, das regt die Wirtschaft an und beendet die Krise. Was waren das für Krisen, die Zinssenkungen gebracht haben? Das waren immer Börsencrashs / Immobilienblasen. Dem liegt genau dieses Ungleichgewicht zugrunde. Da hatte keine Gewerkschaft und kein Klein-Omas Sparbuch Schuld dran.


    Wie kommt es, daß Staatsanleihen von Deutschland oder der Schweiz verkauft werden bei einem Zins von weniger als Null? Wer hat Interesse daran, sein Geld zu parken, selbst wenn es garantiert verzinslich etwas kostet? Früher hat der Kreditgeber Zinsen bekommen statt bezahlt. Es liegt daran, daß zu viel Geld in zu wenigen Händen liegt. Selbst wenn alle Löhne, Steuern und Sachinvestitionen bezahlt sind, ist noch massig viel Geld übrig. Nicht in bar. Das könnte man ja strafzinsfrei ins Kopfkissen stopfen. Buchgeld. Wohin damit? Es quillt förmlich aus den Ohren. Es wird in Aktien gesteckt und in Immobilien und dann ist immer noch massig Geld übrig. Auch deswegen kriegt das Wirtschaftsministerium dann den Tip, man möge doch Autobahnen und Schulgebäude privatisieren. Damit die Kohle irgendwohin kann.

  • Naja. Natürlich brauchen Firmen Liquidität, aber wofür sollten Firmen sparen? Für die Altersvorsorge?


    Mit Horten eigentlich dasselbe. Eine Firma hortet nicht für sich selbst.


    Was passiert genau, wenn Firmen die eigenen Aktien zurückkaufen? Oder Geld in die Finanzmärkte stecken, statt in's eigentliche Geschäft zu investieren?


    Ich will nicht sagen, dass man nicht bodenständige betriebswirtschaftliche Gründe für das eine oder andere in einem begrenzten Rahmen haben könnte. Aber entweder die ganze Entwicklung ist Symptom eines Problems der Volkswirtschaft, weil sich für die Firmen nämlich offensichtlich Investitionen in reale Produktion nicht lohnen, z.B., oder Ursache oder beides.


    In jedem Fall ist Wachstum hier irgendwie gar nicht das Problem, eher mangelndes Wachstum, denn das Geld fehlt ja im Wirtschaftskreislauf. (Wem gehört das jetzt eigentlich? Gehört Amazon eigentlich größtenteils Jeff Bezos, oder gehört Jeff Bezos Amazon?)

  • Pokalheld


    Komplexe Fragen, die Du aufwirfst, und die nicht zu beantworten sind, ohne erneut auf die diversen Zielkonflikte der Makroökonomik zu verweisen.


    Ich fasse mich kurz…die Leitzinsen in Deutschland waren bis zur Euroeinführung deutlich höher, war doch die alte Bundesbank glasklar Inflationsgesteuert.


    Die Einführung des Euro und das Theater um die Erstbesetzung haben eine andere Zinspolitik eingeleitet, auch weil Deutschland damals der kranke Mann Europas war.


    Das Desaster um den Euro nahm seinen Anfang.


    Griechenland hätte nie aufgenommen werden dürfen, die hatten zu dem Zeitpunkt bereits einen unfassbaren Schuldenberg aufgetürmt, der kaum noch zu finanzieren war.


    Dann kam Lehman. Ausgelöst durch eine völlig absurde Kreditvergabepraxis in den USA in Kombination mit einer krankhaften Konsumgier auf Pump ist eine Blase entstanden, die man schon als globalen Killer bezeichnen kann.

    Die platzte nun und stürzte auch den Euroraum fast ins Verderben. Der Rest ist Geschichte, in der Folge hat die EZB alle Fesseln über Bord geworfen (whatever it takes…) und die Gelddruckmaschine angeworfen.


    Die Zinsen können garnicht erhöht werden, weil dann halb Europa in den Staatsbankrott geht. Das wird die EZB niemals zulassen.


    Die Lunte ist gelegt, die Uhr tickt. Eigentlich wäre jetzt die beste Zeit, mal wieder einen Krieg vom Zaun zu brechen und alles auf “0” zu stellen.

  • Ich stelle mir tatsächlich oft die Frage, was hätte anders laufen müssen/können.


    Ich bin absolut pro Marktwirtschaft, und die führt unabdingbar in den Kapitalismus.

  • Der Fatalismus, den Du hier an den Tag legst, ist absolut kein Einzelfall. Und das mit dem Krieg ist nicht immer nur "zynisch gemeint". (Auch wenn der sozial akzeptierte Zynismus es offensichtlich vielen ermöglicht, das auszusprechen.)


    Ich bin da immer wieder perplex. Mir wird irgendwie Gewaltnähe angedichtet, weil ich sage: Das kann so nicht weitergehen. Wir dürfen das nicht den Märkten überlassen, wir müssen Vernunft durchsetzen.


    Aber auf der anderen Seite darf dann lustig über einen quasi-naturgesetzlichen Zusammenbruch spekuliert werden, als sei das nunmal unser Schicksal. Systemdebatten hingegen verbittet man sich natürlich, weil Stalin, natürlich.

  • Schon spannend wie man Diskussionen mit Maximalvorwürfen vergiften kann. Außer Wagenburgmentalität bleibt nichts mehr übrig. Vielleicht nimmt man sich das ja mal zu Herzen bevor man Faschismus ruft, wenn Konservative ihre Meinung äußern.

    Bevor jetzt wieder Hufeisen halbseitig gerade geschmiedet werden, man kann es sich ja zumindest durch den Kopf gehen lassen.

  • Wie meinen?

    Ich habe aus dem Beitrag von Exilroter eine gewisse Verbitterung gelesen, dass aus umstrittenen oder kontroversen Themen schnell in Vorwürfe eskaliert wird, man wolle doch Kommunismus und überhaupt Menschen aufknüpfen(beispelhaft). Und er hat nicht Unrecht.

    Perfide wie ich nunmal bin habe ich das mit der Bitte verbunden das auch für andere Meinungen gelten zu lassen. Vielleicht habe ich aber auch zu frei assoziiert.

  • Pokalheld

    Daffke kannte ich nicht. Ok, Trotz war es nicht. Es war das Ziel der Preisstabilität zumindest bis vor 2009. Die Zinsen korrelierten stark mit der Inflation. Auch die Inflation ist in dem beobachteten Zeitraum stark gefallen. Was auch mit deinen obigen Einwänden zu tun hat. Jetzt ist durch Quantitative Easing (Anleihenkaufprogramme ) für mich als weiteres Ziel in "gewisser Weise" die Staatsfinanzierung dazugekommen.

    Rein rechtlich ist monetäre Staatsfinanzierung (direkter Kauf von Staatsanleihen bei Emission) der EZB verboten. Wo ist der Unterschied, wenn die Anleihen auf dem Sekundärmarkt gekauft werden und die Marktteilnehmer das Ankaufvolumen der EZB abschätzen können. Die Preisbildung am Markt wird dabei ebenso beeinflusst. Dann nimmt der Markt auch negative Zinsen über mehrere Jahre hin.


    Die Staatsfinanzierung ist aufgrund der Eurokrise politisch gewollt, entsprechend hat Locke recht, bezüglich des Zinses auf die Eurozone zu schauen. Ebenso hat er Recht, dass unsere Wirtschaft von der EU stark profitiert hat und weiterhin profitiert.


    Nur wenn dass Buchgeld aus allen Ohren herausquillt, ist es sicherlich nicht förderlich, Billionen Euro in Anleihenkaufprogramme zu stecken, die weiteres Geld aus den Ohren quellen lassen und alle Sachanlagen preislich explodieren lassen. Die EZB hat erwartet die Inflation damit zu steigern. Nur spiegelt der VPI nicht die passierte Assetinflation wieder, die auch zum Teil die Mietpreise mit Zeitverzögerung erhöht hat. Die immobilienkaufpreise sind aber immer noch viel stärker als die Mietpreise gestiegen.

    Der Preisanstieg für Immobilien liegt u.a. an der Eurozone/ Staatsfinanzierung (erhöhter Zinsdruck), am Zweifel am Euro als Währung, dem Renditeausgleich des risikolosen Zinses und an dem Vertrauen in die deutsche wirtschaftliche und politische Stabilität. Entsprechend ist auch viel Geld nach Deutschland geflossen aus EU und Nicht-EU Ländern. Hier Lösungen zu finden hilft auch die Nachfrage nach Anlageobjekten zu senken.


    Solange es Bargeld gibt, kann die Zentralbank auch nicht beliebig an kurzfristigen Negativzinsen spielen, irgendwann wird für Pensionsfonds, Rentenversicherung, Geldmarktfonds, Banken etc. auch das Bargeld günstiger als Buchgeld. Jedes Buchgeld ist theoretisch in Bargeld umwandelbar.


    Warum das Geld in andere Anlagen (Sachanlagen) wandert, liegt daran, dass sich alle Anlageformen risikoadäquat novellieren.


    Warum noch Deutsche Anleihen mit negativ Zins gekauft werden:

    - EZB kauft zum Marktpreis

    - Versicherungen, Krankenkassen, Rentenversicherungen), Banken zum Hinterlegen, also alle die regulatorisch ihr Geld sicher zum risikolosen Zins anlegen müssen oder wollen.

    - Private, die auch zum risikolosen Zins beim Staat aus Sicherheitsgründen anlegen.

    - Spekulation auf noch niedrigere Zinsen ?

    Nicht allen Käufern quillt das Geld zu den Ohren raus, sie müssen halt das nehmen, was ihrer Risikotoleranz entspricht. Immerhin ist es kein Buchgeld mehr:-)


    Risikotolerante weichen aus bzw. oben genannte institutionelle Anleger schichten bis zum Erlaubten um.


    Die wirklichen reichen Familien, die oben öfter erwähnt wurden, hielten sicherlich im Großteil ihre Anlagen nie im Buchgeld.

    Einmal editiert, zuletzt von finky ()

  • Oftmals schließt ein Aktienrückkaufprogramm die Investition ins eigene Geschäft nicht aus. Es wird der Leverage Effekt genutzt, um sich günstiger zu finanzieren. Mit Sinn und Verstand für alle Aktionäre und Mitarbeiter zum Vorteil.


    Mangelndes Wachstum gibt es auch, dann wird bei entsprechender Liquidität eher eine höhere Dividende ausgeschüttet.


    Dann gibt es noch Google und Apple. Die Aktienrückkaufprogramme sind enorm, aber hast du das Gefühl, die Unternehmen investieren nicht? Zum Teil schufen sie sich eine Reserve für in Zukunft in Aktien auszahlbare Mitarbeitervergütungen, zum Teil nutzten sie günstige Fremdfinanzierung um ihr Leverage zu erhöhen.


    Vielleicht verstehe ich dich falsch, aber Amazon ist das absolute Gegenteil von den Firmen, die du benennst. Jeder Penny wird in Wachstum gesteckt. Jeff Bezos gehören ca. 10% von Amazon, seit 5. Juli gehört er sich selbst, Vielleicht aber auch der Weltraumfahrt. Es ist aber immer seine eigene Entscheidung. Genau daran kann man sehen, dass es ihm nie ums Geld geht, sondern um Träume / Ideen / Visionen, die er damit verwirklichen kann.

  • Ist ja rührend.


    Ich bin sicher, seine Mitarbeiter sehen das genauso.


    Wenn ich Dich richtig verstehe, vergünstigen also die Multis mit ihrem 'sparen' ihr Geld, was dann allen zugute kommt. Den Mitarbeiter und den Träumern unter uns. What a wonderful world!

  • Exil, es wurde die Frage nach den Mechanismen gestellt, und dies wurde auf den letzten Seiten doch recht anschaulich erklärt und beantwortet.


    Eine Währungsunion unter derart ungleichen Partnern war ein erhebliches Risiko, und es wurde sehendes Auges eingegangen.


    Ob uns das gefällt oder nicht, das steht auf einem anderen Blatt.

  • Diese "Mechanismen" führen aber, wie Du selber ausgeführt hast, zu den Problemen, die Du beschrieben hast.


    Nur zur Erinnerung: Ich bin nicht der Meinung, wir könnten das System "reparieren", suchten wir nach Fehlverhalten, ob nun moralisch oder technisch. Ich bin der Meinung, wir müssen diesen Wahnsinn in den Griff kriegen.


    Einige Volkswirtschaftler sehen den Zusammenhang auch etwas weniger entspannt. Ich bin aber, gebe ich zu, nicht mehr so in der Materie drin und kann das deswegen aus dem Stand jetzt nicht reproduzieren.

  • Griechenland hätte nie aufgenommen werden dürfen, die hatten zu dem Zeitpunkt bereits einen unfassbaren Schuldenberg aufgetürmt, der kaum noch zu finanzieren war.

    War das nicht so, dass wir (Deutschland) und 'unsere' Banken ganz ordentlich an der Finanzierung Griechenlands verdient haben? Mir war so, ich habe aber nix Konkretes an der Hand.