Politischer Zoff-Thread oder so

  • Sorry, das habe ich missverständlich ausgedrückt. "On top" war rechnerisch gemeint. Natürlich stünde jedem das bedingungslose Grundeinkommen zu, aber eventuell würde es beim Erwerbseinkommen eine entsprechende Kürzung geben. Brutto und netto weniger hätte also keiner, aber auch nicht mehr.

    Ich aber doch auch oder missverstehen wir uns?

    Karl verdient heute 2500 Euro. Zukünftig bezieht er 1200 Euro bedingungsloses Grundeinkommen vom Staat. Zusätzlich zahlt ihm sein Arbeitgeber 1300 Euro Gehalt. Von den eingesparten 1200 Euro Gehalt packt der Arbeitgeber 60% (720 Euro) in die Grundeinkommenskasse, aus der wiederum die 1200 Euro zum Teil gedeckt werden. Karl hat soviel wie vorher, der Arbeitgeber hat sogar weniger Belastung (und schüttet davon im Idealfall noch was an Karl aus) und dem Staat fehlen noch 480 Euro, um Karls bedingungsloses Grundeinkommen zu bezahlen. Diese 480 Euro finanziert der Staat nun zum Teil aus den eingesparten Sozialaufwänden aus dem Bundeshaushalt (156 Euro) und zum Teil aus verschobenen Haushaltsposten aus anderen Ressorts (6 Euro). Dann fehlen dem Staat immer noch 318 Euro, um Karls Grundeinkommen zu bezahlen. Und die müssen "organisiert" werden.

    Gute Erklärung des Prinzips... und dabei so einfach, vielleicht deswegen ein NoGo für die Lobbypolitik.


    Und ich teile auch die Aussagen von prickelpit96 und stehe damit in einem klaren Gegensatz zu wutzi96 : tatsächlich gibt es doch jetzt schon sehr viele Menschen (und tatsächlich jedes Jahr mehr), die einen ganz erheblichen Einsatz für die Gesellschaft erbringen und dafür keinen Cent bekommen. So ist das im Ehrenamt. Und da trennt sich halt die Spreu vom Weizen: die Einen leisten ihre Tätigkeit komplett unentgeltlich... und die Anderen rechnen sie sich als Zuwendung gut.


    Tatsächlich kann man nicht Alles in Geld umrechnen, und deswegen kann man auch nicht jeder Tätigkeit einen entsprechenden MERKANTILEN Wert zumessen... und man kann eben auch nicht jeden Menschen im Hamsterrad des Turbokapitalismus zu einem Steigerer des Bruttosozialprodukts quälen: ich kenne viele Menschen, die gesellschaftlich sinnvolle Dinge tun, die aber in keinem Betrieb eingesetzt werden können, der nach den Prinzipien unseres Wirtschaftssystems arbeiten muss... und ich frage mich, warum wir zB. den Platzwarts eines kleinen Vereins, der den Rasen pflegt, die Linien kreidet, die Umkleiden sauber hält usw. usw. noch mit Hartz IV bestrafen, obwohl es doch in unserer Gesellschaft einfach nur keinen Wirtschaftsbetrieb mehr gibt, der ihm eine wirtschaftlich sinnvolle Arbeit geben kann - weil es halt an Verstand, Ausbildung, Kraft usw. usw. fehlt. Für das Ehrenamt reicht es doch allemal, und brauchen tun wir ihn doch wahrscheinlich dringender als den 100.000 Rechtsanwalt!

  • Jeder glaubt an die Mythen, die seiner Einstellung entgegen kommen.


    Ich bin auch egoistisch und genau deshalb tu ich all das nicht, was du tust.

    Mein Ego sagt mir nämlich, dass ich die Schuldgefühle nicht ertrage, die in mir aufkommen, wenn andere meinetwegen leiden müssen.

    Oder einfacher: Das Leid anderer Lebewesen macht mich unglücklich!


    Ich betrachte den Menschen an sich und mich im Besonderen nicht als das wichtigste Wesen auf Erden. Ich folge anderen Mythen. Zum Beispiel dem, das alles miteinander verbunden ist und das Einzelne für sich gesehen ein Teil davon ist. Und kein Teil hat mehr Rechte als das andere, da alle von einander abhängen und ohne einander Nichts sind.

  • wutzi96 :


    Ja, da unterscheiden wir uns im Menschenbild. Aber nur da, denn Du verbindest ja Positives mit diesem Bild, glaubst lediglich nicht an die Umsetzung. Insofern sind wir da nicht weit auseinander.

    Es ist auch beileibe nicht so, dass ich das Paradies erwarte, wenn ein Grundeinkommen käme. Aber ich glaube daran, dass die Gesellschaft sich in diese (utopische?) Richtung bewegen sollte, damit sie dem Dilemma der aktuellen Arbeitssituation und dem albernen Turbokapitalismus entkommt. Die aktuell gesellschaftlich anerkannten Werte sind flächendeckend materialistisch und fördern eben diesen Egoismus und Neid.

    stscherer sieht wie ich die Notwendigkeit des Umdenkens und der Neubewerteung von Diensten an und für die Gesellschaft.


    Ich kenne auch genug Menschen, die nicht für das Hamsterrad gebaut, aber alles andere als wertlos sind. Nur werden deren Fähigkeiten als wirtschaftlich wertlos angesehen. Da sollten wir als Gesellschaft ansetzen und die mannigfaltigen Talente der Menschen fördern und nutzen.

  • stscherer : ich versuche es noch mal anders: hier wird doch gerade über den großen Entwurf der Umgestaltung der Erwerbsarbeit philodophiert. Dann kann man alternativ doch durchaus auch nach Möglichkeiten suchen, die von dir genannten Tätigkeiten zu entgelten. Natürlich kriege ich die derzeit nicht in ein System, wenn ich dieses nur darauf reduziere, dass sich jede bezahlte Arbeit nach betriebswirtschaftlichen Kriterien auszahlen muss für denjenigen, der diese Arbeit entlohnt.

    Aber hier geht es doch um neue Transferzahlungen. (Auf das Problem der Bezahlbarkeit ist ja schon hingewiesen worden, blenden wir das jetzt mal aus.)

    Also kann man auch zB den angesprochenen Platzwart doch aufgrund seiner sinnvollen Tätigkeiten für einen Teil der Gemeinschaft entlohnen jenseits von Hartz-IV... man muss das dann nur definieren.

    So, wie das Ehrenamt derzeit "honoriert " wird, mit Ehrenamtscards usw ist das oftmals nur lächerlich.

  • Ich habe übrigens nochmal etwas weiter recherchiert (also gegoogelt). Auch wenn sich der Bundeshaushalt "nur" auf ca. 350 Milliarden Euro pro Jahr beläuft, liegen die deutschen Sozialleistungen mit knapp 1 Billion Euro pro Jahr nicht nur deutlich darüber, sondern auch ziemlich nah an der Summe, über die wir gerade reden. Und da dürfte dann tatsächlich auf Arbeitgeberseite bisher nur der heutige Arbeitgeberanteil inkludiert sein, also per Besteuerung des nicht mehr auszuzahlenden Gehalts noch Luft für mehr sein.

  • Es ist im Grunde genommen nur eine Frage der Umverteilung, keine Frage der finanziellen Machbarkeit.


    Fragen wir doch mal in Grossburgwedel nach, ob die beiden Tennisbuddies wirklich wollen, dass ihre Arbeitsbienen das Hamsterrad verlassen dürfen, auch wenn sie dann vielleicht 20% weniger hätten als jetzt (also die Tennisbuddies, nicht die Arbeitsbienen)...

    Einmal editiert, zuletzt von stscherer ()

  • Und nu?



    Auf jeden Fall kann sich unser Verhalten über wenige Generationen vollkommen ändern. Glaube ich :)


    Wenn du so fragst: Und nu haben wir unterschiedliche Meinungen.


    Finde ich jetzt nicht so schlimm, denn keiner von uns beiden behauptet, dass seine Meinung (auch wenn wir von ihnen fest überzeugt sind und unsere Gründe dafür haben) die absolut richtige wäre. Es sind eben nur subjektive Meinungen und nicht objektive Fakten.


    In der Tat, BV, ich habe kein schlechtes Gewissen, wenn ich eine Gans esse. Hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht. Übrigens auch nicht bei Verzehr von Fleisch anderer Tiere.

  • Kai, ich habe grundsätzlich nichts gegen Fleischesser, ich esse es selbst. Es ist etwas natürliches, Fleisch zu essen. Ich halte es da allerdings lieber mit denen, die z.B. das getötete Tier ehren, ihm dafür danken, dass es sich töten lässt/ließ, damit sie Essen haben, als mit der Fleischindustrie.

    Aber es ist klar, dass du Fleisch als Beispiel rauspickst und nicht Amazon. Ist so viel leichter, die Moralfrage am Beispiel Fleisch zu erörtern, wenn man keine wirkliche Lust hat, Moral zu erörtern.


    Als Veggie isst man Austern oder so ;)

  • Ich möchte dir deinen Glauben an das Gute im Menschen nicht nehmen, sehe aber genau diesen Punkt anders. Über tausende Jahre haben sich Menschen im Wettbewerb um Ressourcen durchsetzen müssen. Das ist in uns drin. Schon Kinder wetteifern um alles Mögliche. Alle Versuche, irgendwie gleiche Bedingungen zu schaffen werden früher oder später unterlaufen. Wenn es nicht mehr materielle Dinge sind, dann werden es geistige Unterschiede oder -wie zu Urzeiten- einfach die körperliche Stärke des Individuums sein.

  • Eventuell mal "Warum wir hassen" gucken, da werden einige grundlegende Dinge dazu erklärt. Eben auch die Ressourcenfrage und wie sie sich evolutionär auf unser Verhalten auswirkt. Konkret meine ich damit, dass natürlich auch evolutionär wieder etwas "weg" gehen kann, was bei uns "so drin" ist, wenn man die äußeren Bedingungen (hier: Kampf um Ressourcen) ändert. Allerdings wird das nicht von heute auf morgen passieren. Indes sollte uns das wiederum nicht daran hindern, den Prozess endlich anzustoßen.

    • Offizieller Beitrag

    Meine "Sorge" ist, dass ein BGE letztlich nichts anderes wäre, als eine gigantische Inflationsmaschine.
    Weil höhere Löhne ja auch höhere Preise bedingen.
    Andererseits funktioniert das zum Beispiel in der Schweiz ja auch sehr gut (das mit den höheren Preisen für höhere Löhne).


    Denn das hier IST ein Problem:

    Das wird dann aber auch zur Folge haben, dass die Löhne erheblich steigen müssten, damit ein ausreichender Anreiz besteht, für das dann steuer- und abgabenpflichtige eigentliche Erwerbseinkommen überhaupt zu arbeiten. Und auch diese höheren Löhne muss jemand bezahlen, zb in der Pflege .

    Die Frage dürfte nie lauten "wer soll das bezahlen" sondern sie müsste immer "kann man davon leben" heißen.
    Das ist in vielen Bereichen nicht so. Und das spricht nun wieder für ein BGE.

    Und - wie oben schon jemand schrieb - im Zuge der immer fortschreitenden Automation müssen wir sowieso was in diese Richtung tun.

    Klar gibt es faule NichtstuerInnen. Aber für viele ist auch jetzt schon einfach die Arbeit nicht da.

    Da nutzt es auch nix, wenn 10.000 Maschinenbauingenieursstellen frei sind.

  • sasa

    Danke für den Tipp. Ich bin der Meinung, dass ich von dem Film schon gehört habe, bin aber gerade nicht sicher, ob ich das schon mal gesehen habe.


    Ich bleibe da skeptisch, aber auf jeden Fall sind wir uns wohl einig, dass es dazu keine kurzfristige Lösung gibt. Kurzfristig selbst im Zeitraum einer oder zwei Generationen.


    Somit sind wir bei aktuellen Themen darauf angewiesen, auch mit unseren aktuellen menschlichen Stärken und Schwächen zu rechnen. Diese ernst zu nehmen und bei allem berechtigten Interesse an idealen, gerechten Verhältnissen das aktuell Umsetzbare zu erkennen. Damit meine ich nicht die Beibehaltung des Status Quo, aber es helfen für die Praxis keine utopischen Fantasien.


    Um nochmal auf das aktuelle Thema zurück zu kommen: ein BGE würde -unabhängig von der Frage der Finanzierung- wahrscheinlich kurzfristig gut ankommen und positiv wirken, aber dann relativ schnell verwässert werden und nur die Inflation anheizen.

  • Wer soll das bezahlen? Diejenigen bzw. die wenigen, bei denen - verkürzt gesagt - der in den letzten 30 Jahren erarbeitete Wohlstand (im wesentlichen) gelandet ist.

  • Das Spannende ist doch, dass es eben keine Lohnerhöhungen geben muss (und wird). Letztendlich würden diejenigen, die derzeit im ersten Arbeitsmarkt auskömmlich tätig sind, weder nach oben noch nach unten etwas merken.


    Aber wir würden den unwürdigen Hartz IV - Bereich und die prekären Arbeitsverhältnisse auf Kosten von Grossverdienern sanieren und Arbeit wieder einen anderen Sinn geben als denjenigen der Entlohnung.


    Und als Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht im weitgehend sozial und gesellschaftlich abgehängten Leinetal weiss ich, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Hartz IV - Empfänger genau so wenig Sozialschmarotzer sind wie diejenigen in prekären Arbeitsverhältnissen. Allerdings sind sie der ideale Treibsatz für die Neofaschisten - und dies noch nicht einmal durch ein aktives Bekenntnis zu solchen Spacken wie diejenigen bei der AfD (dafür ist diese Gruppe erstaunlich resistent), sondern durch ihr Nichtwählen... sie wenden sich ab von diesem Staat, der sie nicht nur im Stich lässt, sondern auch noch aktiv quält.

  • im Winter gemütliche Kaminwärme zu genießen, meine Lieben mit schönen Geschenken zu verwöhnen (ohne dafür zuviel zahlen zu müssen), eine traditionelle Gans zu Weihnachten zu essen usw..

    Tom Petty and the Heartbreakers..... and Kai. :bier:


    Geniess es und vergiss 96 für ein paar schöne Stunden.

    Sorry für OT.