Politischer Zoff-Thread oder so

  • Naja, den zweiten Automatismus hat man ja zumindest dadurch versucht (gegenüber der jetzigen Praxis) abzuschwächen, dass immerhin jeder gefragt werden soll. Dass es aber immer noch die Möglichkeit gibt, sich gar nicht zu entscheiden, stößt mir auch sauer auf.


    Trotz anderer eigener Ansicht kann ich es durchaus nachvollziehen, dass man die Spende nicht zum "Default" machen will. Allerdings tritt in meiner Abwägung das Recht darauf, sich mit der Frage überhaupt nicht befassen zu müssen (das man ja auch weiterhin ausüben kann), hinter die Interessen der Spendebedürftigen zurück. Und für diejenigen, bei denen diese Abwägung anders ausfällt, habe ich dann schon etwas weniger Verständnis.


    EDIT: Hier (n-tv.de) wird der Verlauf der Debatte recht sachlich geschildert, wenn auch nicht meinungsfrei.

    Einmal editiert, zuletzt von musketeer54 ()

  • Diese aktuelle Tabelle zeigt, dass die Mehrheit der europäischen Staaten die Widerspruchslösung nicht hat (auch die USA nicht).


    https://www.krankenkassen.de/ausland/organspende/

    Deine Auslegung von Fakten ist weiterhin interessant. Laut Tabelle haben 22 von 33 Ländern die Widerspruchsregelung. Dass 7 dieser 22 Länder den Angehörigen wiederum ein situatives Widerspruchsrecht gegen die Entnahme einräumen und damit noch eine Instanz vor der eigentlichen Organentnahme steht, ändert daran doch erstmal überhaupt nichts.

  • Dahl, da du hier nur irgendwelche Links reinhaust, werte ich den mal kurz für alle aus. Irgendwie passt aber das Ergebnis nicht zu deiner Aussage.


    Keine Wiederspruchsregelung: Zypern, Schweiz, Rumänien, Niederlande, Litauen, Island, Irland, Großbritannien (ohne Wales), Deutschland, Dänemark (bei allen aktive Zustimmung zum Spenden erforderlich) = 10 Länder


    Wiederspruchsregelung: Belgien, Bulgarien, Frankreich, Lettland, Luxemburg, Malta, Österreich, Polen, Portugal, Russland, Slowenien, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn (in allen Ländern automatisch Organspender ohne Wiederspruchsrecht) = 15 Länder


    Wiederspruchsregelung erweitert (Angehörige können Spende verweigern): Türkei, Schweden, Norwegen, Kroatien, Italien, Griechenland, Wales, Finnland, Estland = 8 Länder (ohne Wales)


    So jetzt rechnen wir das mal zusammen: Wiederspruchsregelung + Wiederspruchsregelung erweitert = 15+8 = 23

    Zustimmungsregelung = 10


    So, irgendwie ist das dann doch schon eine ziemliche Mehrheit für die Wiederspruchsregelung in Europa (zumindest laut der Tabelle), oder Dahl?

    Also wenn du schon irgendwelche Tabellen hier reinhaust dann bitte auch richtig auswerten,

    • Offizieller Beitrag

    Natürlich gäbe es bei der Widerspruchslösung einen Automatismus. Und "ist automatisch Spender" ist meiner Meinung nach nicht ganz das gleiche wie "ist nicht automatisch Spender" oder meinetwegen auch "ist automatisch nicht Spender".

    Klar sollte jede/r in der Lage sein sich damit auseinanderzusetzen. Ist aber nun mal nicht jede/r. Und ich finde eben, dass jede/r auch das Recht dazu haben sollte, sich nicht zu entscheiden, ohne dass man damit automatisch zum Spender/zur Spenderin zu werden. Ansonsten könnte und müsste man sich durchaus auch die Frage stellen, warum es einem überhaupt gestattet sein sollte, zu widersprechen. Schließlich schadet eine Organspende nicht sondern nutzt nur.

    Ähnliches gilt übrigens auch für die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht. Sind gute Dinge, sollte jeder/jede haben (ebenso wie ein Testament übrigens). Aber als Pflicht? Nein. Das ist mir zu weitgehend.


    funktioniert in sehr vielen Ländern in Europa problemlos.

    Das stimmt bestimmt. Ist aber als Argument eher nicht so überzeugend.

  • ich les das grad bei bild online. da ist ne grafik mit spendern pro 1mio einwohner. deutschland wird da mit 11,20 beziffert. (spitzenreiter spanien mit 48)

    hab ich hier einen denkfehler oder gibt es in d wirklich nur rund 900 organspender?

    ich bin dabei..freiwillig ! Mein Leber hat aber "einen weg"

  • Gut dann halt nicht. Dann aber bitte auch keine Organe mehr importieren und mit den Konsequenzen leben.

  • Bronco: Ja, Du hast Recht mit der Tabelle .- da war ich zu schnell. Im Unterschied zu Dir gebe ich aber Fehler zu und rede nicht von Haarspalterei (wie bei der falschen zeitlichen Einordnung der NS-Zeit).

  • Ich als unmittelbar Betroffener, ich bin seit 26 Jahren lebertransplantiert, gehe seit 1 Jahr 2 mal die Woche zur Dialyse und bin gelistet für eine neue Niere, hätte mir natürlich die Widerspruchsregelung gewünscht, da so einfach ein mehr an Spenderorganen zu Verfügung gestanden hätte und ich so statt 8 vielleicht nur 4 oder weniger Jahre zur Dialyse müsste.


    Bei der "neuen" Regelung habe ich kaum Hoffnung, dass es ein signifikantes Plus an Spenderorganen geben wird. Dafür ist mir das alles zu halbgar und zu theoretisch. Inwieweit das dann in der Praxis auch von den Ärzten umgesetzt wird, ist meiner Meinung nach auch eher fraglich.


    Aber ich will mich nicht beklagen. Das ich vor 26 Jahren eine neue Leber bekommen habe, war für mich gleichbedeutend mit einem 6er im Lotto und hat mir ermöglicht bis heute weiter zu leben. Da ich damals ein fulminantes Leberversagen mit Leberkoma hatte, brauchte ich das Organ innerhalb zweier Tage, was dank der MHH, Eurotransplant und dem Ärzteteam unter der Leitung des großartigen Menschen und Arztes Rudolf Pichlmayr bewerkstelligt wurde.


    Trotzdem hätte ich mir, wie sicher fast alle Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, aber die Widerspruchsregelung gewünscht.

  • Ich bin auch für die Widerspruchsregelung. In meinem Portemonnaie befindet sich seit langer Zeit ein Organspendeausweis. Allerdings kann man Organe etc. von älteren Menschen nur eingeschränkt verwenden.

  • Warum nicht einfach beim Antrag auf Erteilung eines Ausweisdokuments obligatorisch die Bereitschaft zur Organspende abfragen und dann in einer Datenbank abspeichern - was sogar noch den Charme hätte, dass die Erklärung in regelmäßigen Abständen erneuert würde.


    Aber Nein, das wäre wohl zu einfach...

  • Ich habe einen Organspendeausweis. Allerdings ist mir aufgefallen, dass ich den, seit ich ein neues Portemonnaie besitze, gar nicht mehr am Mann habe. Ist das ein Problem oder wird diese Information auch irgendwo zentral gespeichert?

  • Dahl: ich habe gar nichts zu deiner Tabelle geschrieben aber schön, dass du Fehler eingestehen kannst. Ich freue mich sehr für dich.


    Hirschi: inzwischen werden auch Organe von Menschen über 70/80 entnommen und verwendet. Selbst eine Krebserkrankung in der Vorgeschichte ist kein Ausschlusskriterium mehr. Das macht es natürlich alles nicht einfacher.


    stscherer: hierzu gibt es ja einen weiteren Gesetzentwurf von Baerbock, Kipping et al. Zusätzlich sollen die Hausärzte regelmäßig zu dem Thema informieren. Problem ist, dass die Hausärzte eh überlastet sind und ihnen nun per Gesetz irgendeine Aufgabe übertragen werden soll, deren Umsetzung höchst schwammig ist. Eine Abfrage im Amt beim Abholen von Ausweisdokumenten kann man machen aber auch hier finde ich das Setting etwas zweifelhaft. Sicherlich alles besser als der Status quo aber meiner Meinung nach ein unnötiges Bürokratiemonster im Vergleich zur vergleichsweise einfachen Widerspruchslösung.


    thefireraven: aktuell findet keinerlei Speicherung statt. Man kann seinen Willen aber auch in Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht festhalten und diese im http://www.vorsorgeregister.de der Bundesnotarkammer registrieren (gegen einmalige Gebühr ab 13 Euro)


    @all: ich werde zum Entenessen einen Stapel blanko Organspendeausweise der DSO (Hartplastik, Scheckkartenformat) mitbringen. Sprecht mich einfach an, wenn ihr einen haben wollt.

  • Warum nicht einfach beim Antrag auf Erteilung eines Ausweisdokuments obligatorisch die Bereitschaft zur Organspende abfragen und dann in einer Datenbank abspeichern - was sogar noch den Charme hätte, dass die Erklärung in regelmäßigen Abständen erneuert würde.


    Aber Nein, das wäre wohl zu einfach...

    Das klingt gut. Wobei ich berufsbedingt gegen eine Datenbank und für eine Überreichung des bereits ausgefüllten Organspendeausweises parallel zum Ausweisdokument wäre. Das dürfte die Anzahl der Spender auch ohne zentrale Datenspeicherung signifikant erhöhen, einfach weil man das Teil nur noch in die Brieftasche stecken muss.


    Ich habe einen Organspendeausweis. Allerdings ist mir aufgefallen, dass ich den, seit ich ein neues Portemonnaie besitze, gar nicht mehr am Mann habe. Ist das ein Problem oder wird diese Information auch irgendwo zentral gespeichert?

    Wenn es so ist wie bei mir, dann ist das ein Problem. Ich habe den Ausweis ausgefüllt und in die Brieftasche gesteckt. Ich wüßte nicht wie jemand an die Daten kommen sollte, wenn ich ihn nicht dabei hätte.

    • Offizieller Beitrag

    Gut dann halt nicht. Dann aber bitte auch keine Organe mehr importieren und mit den Konsequenzen leben.

    Ich bin sicher, dass pampige Antworten von Medizinern helfen, "die Leute" zu überzeugen. ;)

    Abgesehen davon HABE ich ja einen Organspendeausweis. Mit dem Kreuz ganz oben ("ja, alle Organe"). Organe importiere ich hingegen eher wenige.


    Ich bin auch der Meinung, dass jede/r einen Ausweis haben sollte (oder wenigstens seinen/ihren Leuten bekanntgegeben, dass er/sie nach dem Tod spenden will.)


    Für die Entscheidung nicht spenden zu wollen habe ich nicht geringste Verständnis.

    Ich bin nur dagegen, dass man automatisch Spender ist, wenn man dem nicht widerspricht.

  • Ich hoffe du hast das nicht persönlich genommen. Natürlich importierst du keine Organe. Aber wir als Bundesrepublik. Und daran wird sich nun erstmal auch nichts ändern. Und wir werden uns ganz schön umgucken, wenn uns unsere europäischen Partner den Solidarpakt aufkündigen (ist meines Wissens nicht ernsthaft im Gespräch aber beschweren dürften wir uns nicht). Unsere Haltung (als Bundesrepublik) ist kurzsichtig, unfair, unsolidarisch und unmenschlich. Mit einem Wort: falsch!

  • Für die Entscheidung nicht spenden zu wollen habe ich nicht geringste Verständnis.

    Ich bin nur dagegen, dass man automatisch Spender ist, wenn man dem nicht widerspricht.

    Vielleicht liegt's an meinem abweichenden Sinn für Prioritäten, aber ich kann nicht verstehen, wie die Unversehrtheit eines toten Körpers höher zu werten ist als der Nutzen der Organspende für einen kranken Lebenden.

    Der Automatismus, der sich durch die Widerspruchsregelung ergäbe, entmündigt letzten Endes einen Toten, denn seine Organe werden ja nicht zu Lebzeiten angefordert.


    Es ist in meinen Augen unglaublich viel wichtiger, Menschen zu retten als Tote nicht zu entmündigen, bzw. ihnen die Menschenwürde zu rauben (wie ich als Argument contra Widerspruchsregelung beim DLF hören durfte).


    Es ist nicht zielführend, eine solche Diskussion auf die persönliche Ebene zu bringen, aber gerade bei einem so lebenswichtigen Thema halte ich das für entschuldbar: Ich kenne emil96 mittlerweile knapp 10 Jahre und schätze ihn als guten Freund sehr. Seine Geschichte darf gerne als Beispiel dafür dienen, was den Unterschied zwischen erfolgreicher Organtransplantation und fehlendem Organ ausmacht: Leben vs. Tod.


    Bronco hat schön beschrieben, was passieren würde, wenn der Organimport versiegen sollte, wenn die Partner sich mal dagegen aussprächen, aus welchem Grund auch immer. Der Gedanke, einen Menschen zu verlieren, weil wir in der Bundesrepublik die vermeintliche Menschenwürde eines Toten höher hängen als die Rettung eines Lebenden, ist mir zutiefst unangenehm.

  • Ich finde die Regelung mit dem Ausweis auch nicht optimal. Ich habe den auch nicht immer in meiner Hosentasche (ich gehe ja auch mal ohne Hose, Portmon.., ohne Geldbörse aus dem Haus. Und selbst im Haus ist es doch fraglich, ob der Ausweis dort liegt, wo er dann gesucht wird (von Rettungskräften, Polizei, Bestatter, Angehörigen, die von nix wissen...)).

    Aber alleine die Diskussion um das Thema wird hoffentlich wieder zusätzliche Spender mobilisieren.

    Das Vorsorgeregister kannte ich noch nicht. Danke, Bronco.


    ...

    @all: ich werde zum Entenessen einen Stapel blanko Organspendeausweise der DSO (Hartplastik, Scheckkartenformat) mitbringen. Sprecht mich einfach an, wenn ihr einen haben wollt.

    Und wer nicht an dieser VA teilnimmt, kann sich selbst einen Ausweis bestellen:

    https://www.organspende-info.d…wnload-und-bestellen.html

  • stscherer: hierzu gibt es ja einen weiteren Gesetzentwurf von Baerbock, Kipping et al. Zusätzlich sollen die Hausärzte regelmäßig zu dem Thema informieren. Problem ist, dass die Hausärzte eh überlastet sind und ihnen nun per Gesetz irgendeine Aufgabe übertragen werden soll, deren Umsetzung höchst schwammig ist. ......

    Der Hausarzt hat also eine neue Kostenstelle, die er bei jedem Patienten abrechnen kann und wird. Wird dann hoffentlich ein Extrabudget geben und nicht vom Standardvergütungssystem abgeknappst... Am besten gleich die Beiträge erhöhen.