Politischer Zoff-Thread oder so

  • stscherer: Die Frage ist allerdings, ob das Verfassungsgericht nicht angesichts der hohen Wählerzustimmung in den östlichen Bundesländern bei der AfD die Gefahrenschwelle für erreicht hielte, wenn momentan ein solches Verfahren anstünde. Mit einer Beteiligung an dortigen Landesregierungen, die nicht mehr ganz ausgeschlossen ist, hätte die AfD dort Gestaltungseinfluss oder gar -macht bei Polizei, Justiz, Bildung und öffentlich-rechtlichen Medien. Aber klar: Wichtiger ist die aktive Auseinandersetzung mit dieser mittlerweile in beträchtlichen Teilen rechtsextremen Partei.

  • Aber eben nicht auf einer Meta-Ebene, die einen Beteiligten ausgrenzt (das wird dann erst viel weiter rechts anders, wenn man mal den Fehler macht, auf sozialen Netzwerken sich mit rechten Trolls einzulassen).

    Naja, das typische Opfernarrativ. Sachliche Kritik wird als Ausgrenzung gebrandmarkt und auf die persönliche Ebene verschoben.

    Und zugleich wird in dem Beitrag die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaat mit angepasstem Verhalten in Diktaturen gleichgesetzt.

  • ...

    Und dass du dir das Recht heraus nimmst, zu definieren, was diese (überwiegend) Frauen tun oder sind, hat natürlich mit einem Machtgefälle nicht das geringste zu tun.

    Meine Deutung folgt der Auseinandersetzung mit dem Thema und bezieht sich auf die strukturellen und individuellen Bedingungen von Prostitution (vielleicht verbirgt sich darin ja das "Machtgefälle", das du meinst?).


    Was die(se) Frauen sind? Menschen.

    Was sie tun? So gut wie nie das, was sie gerne tun würden.

    Zu wessem Zweck? Der Triebabfuhr der ihre Körper kaufenden Männer.

    Mit welchen Folgen? Oft Traumata (neben anhaltender Armut) bis zum Lebensende.


    Andere Deutungen lasse ich gerne zu, diese mit einem "Machtgefälle" in meiner Sicht zu begründen, halte ich für inhaltlich schwach.

  • Schwieriges Thema.


    Und Du glaubst, dass man mit einem Verbot den heute und morgen betroffenen Frauen helfen könnte? Ehrliche Frage ... die Daten aus den nordischen Modellen werden ja anscheinend unterschiedlich interpretiert und bis auf Grenzeffekte (weil z.B. Frankreich Verbote erlassen hat) soll der Markt ja, entgegen Deiner Ausführungen, rückläufig sein.


    Ich würde mir auch wünschen, dass es das nicht mehr gibt / geben muss / geben soll .... und ich finde das alles andere als "normal . Aber ich wüßte aktuell nicht ob ich für oder gegen ein Verbot wäre. Vielleicht werden Gesetze, wie an vielen anderen Stellen auch, auch nicht konsequent angewendet .... vieles was Du schreibst sollte doch eigentlich in Deutschland verboten sein? Was würde dann ein kompletes Verbot ändern?

  • Danke dir für deinen Kommentar.


    Ich folge schon einer Betroffenen-Perspektive (neben der Selbsterkenntnis, dem eigenen Blick auf Pornographie, meiner Objektivierung von Frauen), weiteren Erkenntnissen und Zahlen wie sie (bspw.) von Huschke Mau in den Diskurs eingebracht werden.


    Welcher Diskurs?


    Die mir bekannten Zahlen (glaube kaum, dass es hierzu stichhaltige Statistiken gibt, weil das Thema eben gesellschaftlich unter den Teppich gekehrt, es dethematisiert wird) erzählen von einem sehr großen "Markt", enorm hohen Freierzahlen, Männer, die Frauen sexuell benutzen. Das, die Hintergründe usw. sollten mehr thematisiert werden. Nicht nur die konsequentere Anwendung von Gesetzen. Gleichwohl diese aber auch und hier stimme ich mit dir vollkommen überein. Ob diese oder jene (De)Regulierung am Ende sinnvoller (emanzipierter?) ist, vermag ich nicht zu sagen. Dieser Entscheidung sollte aber ein gesellschaftlicher Diskurs vorangehen (wie in den nordischen Ländern), anstatt eine patriarchal angehauchte (mit Blick auf Prostituierte oft angerotzte) Vermarktlichung/Liberalisierung.

    In diesem Diskurs würde ich auch gerne gemeinschaftlich über Alternativen für ein (wie weit auch immer gehendes) Verbot nachdenken.

  • habe zunehhmend wenig Bock, hier Rechtfertigungen abzusondern.

    Genau so geht es mir auch.


    Ihr habt es geschafft, dass ich mich entgegen meinem Vorsatz doch noch mal äußere. :|


    Der Ausgangspunkt war, dass ich mich einfach bei einem User bedankt habe und ausgedrückt habe, dass ich es schön finde, dass themenace wieder aktiv ist. Einfach noch mal in Ruhe nachlesen und man wird feststellen, dass ich keinerlei politische Aussage (Wertung) vorgenommen habe und mich auch nicht dazu geäußert habe, ob ich die Standpunkte von theMenace teile oder nicht. Das habe ich übrigens bewußt vermieden, denn das war überhaupt nicht meine Intention.


    Es ging auch nicht um das "Gegen-den-Strom-schwimmen" um jeden Preis, sondern darum, dass es (aus meiner Sicht) hier auch noch User wie theMenace gibt, die sich die Mühe machen, ihre von der Mehrheitsmeinung abweichende Sichtweise zu schildern und bei Gegenwind dabei bleiben und nicht einfach abtauchen. Denn "abtauchen" wäre bedeutend einfacher und würde viel Zeit und Nerven sparen. Schnell ergeben sich dann auch die Sinnfragen "Warum schreibe ich hier eigentlich noch? Nur um mich von der Seite anmachen zu lassen ? Habe ich das nötig ? Will ich das überhaupt (noch) ?"


    Ich kann mir gut vorstellen, dass es einige (viele?) registrierte User gibt, die auf der eine Seite eine fundierte Meinung haben, diese aber hier nicht schreiben. Weil sie u.a. einfach keinen Bock auf die ewigen Rechtfertigungen (siehe Zitat von prickel), auf offenbar nötige Disclaimer und sonstige Dinge haben, die einem eine Diskussion verleiden können. Die Folge ist, dass das die Diskussionen nur von einigen wenigen Protagonisten bestimmt werden. Und das finde ich schade und freue mich eben über jeden, der auch mal ein anderes Licht auf die Sache wirft. Da kann man dann ja drüber reden oder gar streiten. Aber wenn erst gar nicht mehr geschrieben wird, haben wir hier eine Einheitsmeinung. Nicht spannend.


  • Würde jetzt gerne auch noch ausführlicher auf eure Perspektiven eingehen, sehe in beiden auch nachvollziehbare inhaltliche Aspekte für einen "fruchtbaren" gesellschaftlichen (bzw. hier forumsinternen) Diskurs zum Thema.


    Da ich gerade leider nicht mehr dazu komme, will ich euch im Moment auch gar nicht weiter widersprechen (zumal ich euren Aspekten in vielerlei Hinsicht durchaus zustimme, diese also auch erstmal/durchaus so stehen lassen kann).


    Vielleicht noch kurz bis hierhin: Mir geht es weniger um die "Normalität" für die Prostituierten, um ihre "Freiwilligkeit", mehr um die diese bedingenden gesellschaftlichen Verhältnisse, und (damit einhergehend) am meisten um die "Normalität" des Mannes (sehr, sehr vieler Männer...den Freier Frau gibt es eben so gut wie nicht), "unseren" Blick auf die Frau, den Menschen, das Miteinander, den Umgang, "unser" Denken und Handeln (gegenüber sich prostituierenden Menschen). In der Tat steht man(n) dem Menschen gleichgültig gegenüber, bedient man(n) sich ihr/ihm. Mag man(n) es sich noch so sehr schönreden (mit der Bezahlung, der vermeintlich freien Entscheidung der/des Benutzten/Bezahlten). Das ist eben nicht "normal". Für mich.

  • Jeylords Vadder


    Danke für den Link. Das ist sehr heftig und schonungslos.

    Manchmal braucht man(n) einen Schlag in die Fresse, so sinnbildlich jetze.


    Freilich ist auch ihre Perspektive erstmal nur "eine", aber eben eine sehr fundierte, mit eigenen Erfahrungen und in die Tiefe gehender (auch theoretischer) Auseinandersetzung begründete.


    Selbst wann man ihr nicht im Ergebnis zustimmt (siehe das "Nordische Modell"), ist sie doch für ihren Kampf (um ebenjenen gesellschaftlichen Diskurs) zu bewundern. Das ist - unabhängig ob Verbot oder nicht - emanzipativ.


    Also gern geschehen.

  • Schwer zu ertragen das zu lesen. Das Ende des Textes ist verdammt stark und fast Ihre Erfahrungen noch einmal auf einen Punkt zusammen.


    Danke für das aufmerksam machen!


    Ich bin geneigt das wie @RicklingerKurve zu sehen und Prostitution als ein Symptom zu beschreiben das man nicht isoliert betrachten/bekämpfen kann. Ich glaube auch nicht, dass es eine schnelle Lösung gibt so sehr ich mir diese auch wünschen würde ... der Spruch des "ältesten Gewerbes" kommt nicht von ungefähr und da können wir in einem Jahrzehnt sicherlich nicht alles komplett ändern. Meine Hoffnung und mein Wunsch wäre, dass im Zuge von hoffentlich weiter zunehmender Gleichberechtigung die Sicht auf Frauen, wie sie auch Huschke Mau beschreibt, weiter ändert und sich damit auch die Sicht/Ausnutzen von Prostitution.


    Ihre Beschreibung unserer Gesellschaft find ich aus Ihrer Perspektive nachvollziehbar, aber scheint meiner Generation (zumindest in den Kreisen in denen ich mich bewege) schon ein wenig fremd:


    Zitat

    Stattdessen leben wir in einer Gesellschaft, die glaubt dass Männer ein Recht auf Sex haben, unter allen Umständen, auch wenn das heisßt, dass eine Frau dazu gezwungen wird. Is dann schade, is aber halt dann leider so, gell? Die Welt ist eben schlecht.


    Es wurde für mich aber klarer warum Du Dich in dem Maße über den "normalen Beruf" geärgert hast.

  • Ich folge schon einer Betroffenen-Perspektive (neben der Selbsterkenntnis, dem eigenen Blick auf Pornographie, meiner Objektivierung von Frauen), weiteren Erkenntnissen und Zahlen wie sie (bspw.) von Huschke Mau in den Diskurs eingebracht werden.

    Danke für die Formulierung "einer Betroffenen-Perspektive" (und nicht "der Betroffenen-Perspektive"). Auch wenn ich nicht weiß, ob die mit Bedacht so gewählt wurde, denn andere bzw. abweichende Betroffenen-Perspektiven kommen in deinen Beiträgen leider nicht vor. Dabei sind auch die durchaus zahlreich zu finden, wenn man versucht, die Diskussion zu dem Thema zu verfolgen.


    EDIT: Okay, in deinem letzten Beitrag führst du das entsprechend aus. Daher bitte meine (auch) als impliziten Vorwurf zu verstehende obige Formulierung nicht so verstehen.

    Einmal editiert, zuletzt von musketeer54 ()

  • In wie weit von Freiwilligkeit gesprochen werden kann, wenn diese Entscheidung nahezu fast immer nur auf Grund von Traumatisierung und daraus resultierender Störung von Selbstwert, Selbstliebe und positivem Körpergefühl getroffen wird (so zumindest die Feststellung von Fachleuten/Psychologen), ist mir ein Rätsel.

  • stscherer: Die Frage ist allerdings, ob das Verfassungsgericht nicht angesichts der hohen Wählerzustimmung in den östlichen Bundesländern bei der AfD die Gefahrenschwelle für erreicht hielte, wenn momentan ein solches Verfahren anstünde. Mit einer Beteiligung an dortigen Landesregierungen, die nicht mehr ganz ausgeschlossen ist, hätte die AfD dort Gestaltungseinfluss oder gar -macht bei Polizei, Justiz, Bildung und öffentlich-rechtlichen Medien. Aber klar: Wichtiger ist die aktive Auseinandersetzung mit dieser mittlerweile in beträchtlichen Teilen rechtsextremen Partei.

    Tatsächlich will ja bisher niemand über so etwas nachdenken - was tatsächlich daran liegen könnte, dass die AfD ganz anders wahrgenommen wird wie die NPD - da greift die Verharmlosung pp., die man vielleicht nur als anerkannte Nase kritisiert.


    Man gewinnt leicht den Eindruck, dass sich niemand inhaltlich mit dem Faschisten Höcke und seinem Flügel auseinandersetzt und die manngfaltigen Parallelen zur NPD sieht - ein bisschen erinnert mich das an "Mein Kampf", welches millionenfach gedruckt, aber angeblich nie gelesen wurde.


    Im Grunde genommen hat das BVerfG das Kochrezept geschrieben: eine wehrhafte Demokratie muß Verfassungsfeinde ertragen und sich im politischen Diskurs von diesen abgrenzen - ein Verbot ist das letzte Mittel. Die Frage stellt sich nur: wenn dieses letzte Mittel theoretisch angewandt werden muss, reicht dann noch die praktische Kraft dazu. In Weimar war das jedenfalls nicht der Fall, und in der Türkei sieht es auch eher schlecht aus.

  • stscherer: Die Frage ist allerdings, ob das Verfassungsgericht nicht angesichts der hohen Wählerzustimmung in den östlichen Bundesländern bei der AfD die Gefahrenschwelle für erreicht hielte, wenn momentan ein solches Verfahren anstünde. Mit einer Beteiligung an dortigen Landesregierungen, die nicht mehr ganz ausgeschlossen ist, hätte die AfD dort Gestaltungseinfluss oder gar -macht bei Polizei, Justiz, Bildung und öffentlich-rechtlichen Medien. Aber klar: Wichtiger ist die aktive Auseinandersetzung mit dieser mittlerweile in beträchtlichen Teilen rechtsextremen Partei.

    dann wäre auch leider schon die Frage zu stellen,ob die AFD an den entscheidenden institutionellen Positionen nicht schon viel zu gut vernetzt sind(inkl. Wertekonservative,neoliberale) um so ein Verfahren überhaupt noch durchführen zu können.

    Das dürfte tatsächlich ein Problem sein - die ev. Kirche hatte solch einen Fall ja gerade bei dem im Oktober 2019 zurückgetretenen sächsischen Landesbischof Rentzing.

  • Im Grunde genommen hat das BVerfG das Kochrezept geschrieben: eine wehrhafte Demokratie muß Verfassungsfeinde ertragen und sich im politischen Diskurs von diesen abgrenzen - ein Verbot ist das letzte Mittel. Die Frage stellt sich nur: wenn dieses letzte Mittel theoretisch angewandt werden muss, reicht dann noch die praktische Kraft dazu. In Weimar war das jedenfalls nicht der Fall, und in der Türkei sieht es auch eher schlecht aus.

    Noch wäre jedenfalls Zeit. Bundesweit liegen sie noch deutlich unter der 20-Prozent-Marke. Nur in einigen Ostländern sieht es bedrohlicher aus. Wenn sie da irgendwo in eine Regierung kommen sollten, wären sie auch im Bundesrat mit von der Partie.

    Bundesweit könnte es allerdings anders aussehen, sollte eine größere Krise kommen (das brachte in "Weimar" der NSDAP, die vor der Krise meines Wissens bei unter 5 Prozent lag, gewaltige Stimmenzuwächse).

  • Lieber Kai, das war doch ein bisschen mehr, auch wenn Du seinen Standpunkt nicht übernommen hast: "An dieser Stelle möchte ich mich bei dir bedanken. Ich finde es höchst respektabel, wie du hier deinen Standpunkt immer wieder ausführlich und dezidiert darlegst. Bei Gegenwind reagierst du gelassen und mit einer bewundernswerten Nonchalance. Bei dir habe ich den Eindruck, dass du dich ehrlich bemühst zu differenzieren und stemmst dich gegen Schwarz/Weiß-Rhetorik."


    Irgendwie doch ein Lob dafür, dass jemand aus demokratietheoretischer Perspektive höchst problematische Äußerungen vertritt und wiederholt, ohne auf andere Beiträge einzugehen. Differenziert waren die Texte von theMenace nun einmal nicht. Bei der Negierung der Sorgen und Befürchtungen von Menschen jüdischen Glaubens bin ich höchst ermpfindlich, tut mir leid - auch wenn das Dir und anderen Usern, die (nicht Du) theMenaces Agieren quasi als Akt der Zivilcourage darstellen, offenbar gleichgültig zu sein scheint. Man sollte den Anfängen wehren - und Anfänge sind eben auch Relativierungen von politischen Kooperationen mit Faschisten bzw. in einem anderen Beitrag von theMenace der AfD, indem er weiterhin das Narrativ von gemäßigten Mitgliedern aufrecht erhält (ausgerechnet am Beispiel von Jörg Meuthen). Respekt habe ich jedenfalls vor solchen Texten nicht.

    Ich bin auch für Meinungsfreiheit, aber man sollte nicht extra würdigen, dass jemand hier solche Positionen vertritt.

  • In wie weit von Freiwilligkeit gesprochen werden kann, wenn diese Entscheidung nahezu fast immer nur auf Grund von Traumatisierung und daraus resultierender Störung von Selbstwert, Selbstliebe und positivem Körpergefühl getroffen wird (so zumindest die Feststellung von Fachleuten/Psychologen), ist mir ein Rätsel.

    So nämlich!


    Prostitution ist im Kern die Reduktion vornehmlich von Frauen auf die Sexualfunktion. Die
    Frau als Ware, auf einer Stufe mit einem Kotelett oder einem Stück Schafskäse.

    Keine Frau mit intakter Identität und selbstbestimmter Persönlichkeit würde freiwillig in die Prostitution gehen. Vielmehr werden sie durch persönliche, soziale und/oder ökonomische Krisen dazu gezwungen.