Politischer Zoff-Thread oder so

  • Nun ja.


    Mich irritiert, wie hier untereinander, wo wir alle gegen die AfD sind, diskutiert wird. - wo wir doch alle das gleiche Ziel haben, nämlich "Keine Fußbreit den Faschisten".

    Nein, hier haben nicht alle dieses gleiche Ziel. Politische Kooperation mit der AfD (konkret bei der Ministerpräsidentenwahl in Erfurt) öfffnet den Faschisten die Tür und gibt ihnen den gewünschten "Fußbreit". Wer das als eine akzeptable politische Position anerkennt (theMenace), hat dieses Prinzip verlassen. Ebenso wer weiterhin von gemäßigten (Noch-)Demokraten in der AfD spricht.

  • Wer AfD wählt, unterstützt Faschisten. Und wer dabei nicht grenzenlos naiv ist, nimmt dies zumindest billigend in Kauf.


    Es sind aber doch verschiedene Methoden denkbar, faschistisches Gedankengut - und damit auch die AfD - zu bekämpfen. Und selbst wenn man vorgeschlagende Wege für völlig ungeeignet, vielleicht sogar gefährlich hält, und dafür - insbesondere aus der Geschichte - auch gute Argumente hat, verbietet es sich, daraus zu schließen, dass der Verfechter dieser als ungeeignet/gefährlich erachteten Methoden faschistisches Gedankengut in irgendeiner Weise verharmlost, billigt oder gar begrüßt. Man sollte bei der Diskussion auch nie vergessen, dass es leider keinen Weg gibt, der mit Sicherheit zum Erfolg führt.


    Und auch als jemand, der den Markt eher kritisch sieht und gewiss kein "Marktfundamentalist" ist, sehe ich zwischen Marktfundamentalismus und Rassismus folgenden fundamentalen Unterschied, der eine Gleichsetzung ausschließt:


    Rassismus ist als entwürdigendes Werturteil über Menschen ohne jede Abstriche inakzeptabel. Und zwar keinesfalls nur deshalb, weil es für ihn keinen rationalen Grund gibt, sondern letztlich über rationale Erwägungen hinaus: Selbst wenn es einen rationalen Grund gäbe, könnte dieser Rassismus als Angriff auf die Menschenwürde niemals rechtfertigen.


    Marktfundamentalismus ist in meinen Augen völlig ungeeignet, eine Gesellschaft zu ermöglichen, in der ich gerne leben möchte und die auch nur meinen grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen entspricht. Damit ist er jedoch auch wieder nur eine ungeeignete Methode, ohne dass einem Marktfundamentalisten per se abgesprochen werden kann, eine akzeptable Gesellschaft zumindest zu wollen.


    Noch zum Thema CDU/Linke: Wolfgang Schäuble hat in einem Gespräch mit der Zeit einen in meinen Augen bemerkenswerten Unterschied gemacht, der leider von der Interviewerin nicht näher hinterfragt wurde: Keine Zusammenarbeit mit der AfD und keine Koalition mit der Linkspartei. Unabhängig davon, wie man das Koalitionstabu bewertet, wäre die in Thüringen ausgehandelte Lösung damit meines Erachtens verträglich. Auch wenn Schäuble zuvor noch sagt, nicht gesagt zu haben, die CDU solle Ramelow unterstützen.

  • Es sind aber doch verschiedene Methoden denkbar, faschistisches Gedankengut - und damit auch die AfD - zu bekämpfen. Und selbst wenn man vorgeschlagende Wege für völlig ungeeignet, vielleicht sogar gefährlich hält, und dafür - insbesondere aus der Geschichte - auch gute Argumente hat, verbietet es sich, daraus zu schließen, dass der Verfechter dieser als ungeeignet/gefährlich erachteten Methoden faschistisches Gedankengut in irgendeiner Weise verharmlost, billigt oder gar begrüßt. Man sollte bei der Diskussion auch nie vergessen, dass es leider keinen Weg gibt, der mit Sicherheit zum Erfolg führt.

    Man bekämpft die AfD jedenfalls nicht, indem man sie mit ins Boot holt. Das ist schon einmal (1933) gründlich misslungen. Es ist nicht zielführend, wenn man hier aus Harmoniegründen versucht, ein "anything goes" herzustellen. Kooperation ist nicht Bekämpfung, das Schönreden der Partei (mit dem Hinweis auf manche "Gemäßigte") auch nicht. Was hilft, ist klare Abgrenzung von "rechts" - das schließt in Einzelfällen private Gespräche mit Menschen, bei denen die Hoffnung besteht, dass sie von der AfD loskommen, nicht aus (da wäre ich bei Mr. Mo).


    Eine solche klare Abgrenzung sind wir überdies den Opfern rassistischer Gewalt, für die die AfD ein gehöriges Maß an Mitverantwortung trägt, schuldig.

  • Man bekämpft die AfD jedenfalls nicht, indem man sie mit ins Boot holt. Das ist schon einmal (1933) gründlich misslungen. Es ist nicht zielführend, wenn man hier aus Harmoniegründen versucht, ein "anything goes" herzustellen. Kooperation ist nicht Bekämpfung, das Schönreden der Partei (mit dem Hinweis auf manche "Gemäßigte") auch nicht. Was hilft, ist klare Abgrenzung von "rechts" - das schließt in Einzelfällen private Gespräche mit Menschen, bei denen die Hoffnung besteht, dass sie von der AfD loskommen, nicht aus (da wäre ich bei Mr. Mo).


    Eine solche klare Abgrenzung sind wir überdies den Opfern rassistischer Gewalt, für die die AfD ein gehöriges Maß an Mitverantwortung trägt, schuldig.


    Ich stimme doch, was die klare Abgrenzung angeht, völlig zu. Ich bin auch bei Dir, insbesondere vor dem historischen Hintergrund, jegliche Einbindungsversuche der AfD für gefährlich zu halten. Abgesehen davon, dass ich mit diesen Leuten überhaupt nicht kooperieren möchte, im Gegenteil. Es gibt aber keine hundertprozentige Sicherheit, was das beste Vorgehen ist. Und vor allem, jemandem, der das Vorgehen betreffend eine andere Sichtweise vertritt, kann man z.B. mit dem Verweis auf 1933 entgegnen, dass dies schon einmal fatal war; aber eben nicht zwingend daraus folgern, dieser jemand lehnte die AfD nicht konsequent ab.

  • Und auch als jemand, der den Markt eher kritisch sieht und gewiss kein "Marktfundamentalist" ist, sehe ich zwischen Marktfundamentalismus und Rassismus folgenden fundamentalen Unterschied, der eine Gleichsetzung ausschließt

    Eine Gleichsetzung würde ich auch nicht postulieren. Allerdings gibt es schon einen Zusammenhang zwischen Marktfundamentalismus und Rechtsradikalismus. Wohlgemerkt, ich rede nicht von Marktwirtschaft.


    Die herrschende Konzentrationstendenz des Kapitals bedeutet für einige wenige großen Reichtum. Auf der anderen Seite steht die permanente Deklassierung von Schichten, die ihren Lebensstandard, ihren sozialen Status festhalten möchten. Die daraus resultierende Angst ist der Nährboden faschistischer Bewegungen. Sie entwickeln Untergangsszenarien (Umvolkung, Überfremdung etc.) und bieten sich als Lösung an.

  • Ich stimme doch, was die klare Abgrenzung angeht, völlig zu. Ich bin auch bei Dir, insbesondere vor dem historischen Hintergrund, jegliche Einbindungsversuche der AfD für gefährlich zu halten. Abgesehen davon, dass ich mit diesen Leuten überhaupt nicht kooperieren möchte, im Gegenteil. Es gibt aber keine hundertprozentige Sicherheit, was das beste Vorgehen ist. Und vor allem, jemandem, der das Vorgehen betreffend eine andere Sichtweise vertritt, kann man z.B. mit dem Verweis auf 1933 entgegnen, dass dies schon einmal fatal war; aber eben nicht zwingend daraus folgern, dieser jemand lehnte die AfD nicht konsequent ab.

    Ja schon. Wer die Kooperation mit Höcke befürwortet, der tatsächlich einen Systemwechsel will (das kann man u. a. in seinem Interview-Band nachlesen), bekämpft doch nicht die AfD. Und man müsste doch wirklich etwas Feingefühl dafür haben, dass der Erfurter Vorgang Juden (und Muslime) zutiefst erschreckt hat. Wer auf solche Argumente überhaupt nicht eingeht, ist in meinen Augen (und vieler anderer) eben kein Gegner der AfD, sondern blendet Gegenargumente gezielt aus (das macht er ja auch, indem er die Beiträge von zumindest zwei kritischen Usern blockiert - übrigens ähnlich wie ein diktatorisches Regime, das kritische Stimmen auch nicht zur Kenntnis nehmen will).

    Hundertprozentige Sicherheit haben wir nie, aber es gibt Wahrscheinlichkeiten, Gewissheiten. Und eine davon ist, Feinde der Demokratie bekämpft man nicht, indem man mit ihnen kooperiert (da gibt es noch mehr historische Beispiele als 1933; die illusion hatten auch manche Sozialdemokraten 1946, als sie sich auf die Vereinigung mit der KPD einlassen mussten).

    Und letztlich war dieser Grundsatz ein klarer Konsens unter Demokraten, theMenace hat ihn aufgekündigt.


    Hinzu kommt ja sein Schönreden der Partei, völlige, empirisch nicht Haltbare Illusionen über angeblich "gemäßigte" Mitglieder und ihren möglichen einfluss. Wenn man behauptet, etwas zu bekämpfen, putzt man vorher seine Brille und geht nicht mit trüben Augen an den Gegner heran.


    Edit: Ich wiederhole noch einmal, was ich gestern oder vorgestern schrieb: Mit jemandem, der ein "großangelegtes Remigrationsprojekt" plant, "menschliche Härten und unschöne Szenen" einkalkuliert, kann es keine Zusammenarbeit geben. Höcke ist da sogar offener, als Hitler es in "Mein Kampf" hinsichtlich der Juden war.

    3 Mal editiert, zuletzt von Dahl ()

  • Nein, der Zusammenhang ist komplett konstruiert.

    Da muss ich dir widersprechen. Ich beziehe mich mit diesem Ansatz nicht auf irgendwelche Theoretiker, die sich ein Konstrukt logisch hergeleitet haben.


    Vielmehr auf Adorno, ein großer Philosoph und Soziologe des letzten Jahrhunderts, der sowohl in Deutschland als auch in den USA gearbeitet und gelehrt hat. Adorno hat sich nicht nur theoretisch mit dem Thema Faschismus, dessen Nährboden, Funktionsprinzipien und Auswirkungen befasst. Er ist selbst durch diese Hölle gegangen. Er als auch eine ganze Reihe weiterer ernstzunehmender Wissenschaftler konnten in ihren Arbeiten auf Dokumente, Aussagen von Zeitzeugen und Protokolle der Nazis zurückgreifen.


    Eine weitere sehr erhellende Quelle in Bezug auf die Unterstützung der Nazis durch das Kapital sind die OMGUS-Akten (Office of Military Government for Germany U.S.). Hier wird anschaulich dokumentiert, wie IG Farben, die Deutsche Bank und die Commerzbank die NSDAP unterstützt und sogar gefördert haben. Diese Quelle steht sicherlich nicht im Verdacht, grün links versifft zu sein.


    Sicher, etwas zu verlieren zu haben ist eine notwendige Voraussetzung dafür, Angst davor zu haben, etwas zu verlieren, und somit für die Empfänglichkeit für populistische Angstmacherei davor, etwas zu verlieren.

    Da sind wir einer Meinung. Auf diesem Klavier spielen die Faschisten vorzüglich.

  • Bei der Untersuchung der Frage des Zusammenhangs zwischen Kapitalismus und Faschismus, fällt mir dein Denkreflex auf, immer wieder auch die sozialistischen Systeme ins Spiel zu bringen. Leuchtet mir vor dem Hintergrund deiner Sympathie für die Hufeisentheorie durchaus ein.


    Aktuell haben wir allerdings ein massives Problem mit dem Faschismus. Wir müssen verstehen, wie er funktioniert und wovon er sich ernährt. Deshalb ist es wenig hilfreich, immer wieder Nebenschaukriegsplätze aufzumachen.

  • Der Faschismus des frühen 20. Jahrhunderts verstand sich bei aller ideologischen Leere auch (teilweise: vor allem) als Antimarxismus. In dieser Hinsicht hatte er also eine Überschneidung mit marktwirtschaftlich-kapitalistischen Strukturen und Ideen. Und deswegen haben große Unternehmen (und Unternehmer), die ersichtlich ein Interesse am Antimarxismus hatten, faschistische Organisationen auch tatsächlich finanziell unterstützt.


    Horkheimer (nicht mal so sehr Adorno, meine ich, aber das ist jetzt auch schon lange her) zieht daraus den Schluss, dass das irgendwie zwangsläufig wäre, der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Faschismus.

    "Daraus"?


    Deinen Worten entnehme ich keine den genannten Autoren und ihrem Wirken gerecht werdenden Erkenntnisse. Wenn schon vereinfachend, dann besser gleich (Horkheimer) korrekt zitieren: "Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen."

    Damit meint(e) Horkheimer übrigens nicht, den Kapitalismus abschaffen zu wollen, sondern seinen Ist-Zustand zu reflektieren und ihn in seinen Aus- und Wechselwirkungen auf die bzw. mit der Gesellschaftsformation (dem politischen System etc.) und den Individuen zu hinterfragen.

    Die Analysen und Schlüsse der Frankfurter Schule begannen gewiss nicht bei der unternehmerischen Unterstützung faschistischer Politik. Wer sich dem Thema sachlich richtig nähern will, dem/der empfehle ich zumindest eine (tiefgründige) Beschäftigung mit Sekundärliteratur wie z.B. mit Ingo Elbes "Kritische Theorie und Psychoanalyse" (PDF):

    Zitat

    "Geht die Kritische Theorie damit über das Spektrum selbst eines differenzierten Marxismus hinaus, so bleibt sie doch eine Aktualisierung und Erweiterung der Marxschen Theorie, ohne diese je kritisch-rekonstruktiv eingeholt zu haben, was sich v.a. an der ökonomietheoretisch problematischen Zeitdiagnose des ‚Staatskapitalismus’- bzw. ‚verwaltete Welt’-Theorems, der damit verbundenen Idealisierung des ‚liberalen Konkurrenzkapitalismus’ sowie an der weitgehenden Nichtberücksichtigung des ideologiekritischen Potentials der Marxschen Analysen erkennen lässt."


    Wer mit Blick auf die Entwicklungen des ökonomischen Systems (im kleinen Sozialraum bis hin zu seinem globalen Ausdruck) sowie der politischen Systeme und Kämpfe (Demokratie(entleerung), Autoritarisierung etc.) Zusammenhänge, die keine Gleichsetzung bedeuten, schlicht negiert, ist - ich wiederhole mich - (selbst) ideologisch verblendet. Zumal dieses ökonomische System ohne Staat(en) und Politik (also vom politischen System garantierte Rechte uvm.) gar nicht erst denkbar ist. Deshalb muss mit Blick auf den (gegenwärtigen) Faschismus eben auch über den (eben gegebenen) Kapitalismus und seine Entwicklung gesprochen werden.


    Über die Wirkungsweisen lässt sich gleichwohl streiten. Haben wir hier ja auch schon (durchaus kontrovers) getan, siehe mein Beitrag #40.945 und die fortfolgende Diskussion. Mit dem Verweis darauf will ich es hierzu erstmal belassen.



    Mir wird immer wieder bewusst, wie wichtig eine weitaus kritischere (statt wie zumeist nur deskriptive) Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, Macht und Herrschaft(sstrukturen), den vorherrschenden Systemen und ihren (Wechsel-)Wirkungen, strukturell sowie auf die einzelnen Menschen und ihre (subjektiven) Wahrnehmungen, Denk- und Handlungsweisen, im Bildungssystem wäre; insbesondere in der Schule, in der ich davon leider auch nichts erfuhr, was mich gewiss nicht in meiner Sicht auf die Demokratie gestärkt und weniger anfällig für autoritäre Strukturen/Politik gemacht hatte, sprich leider keine auf dem Verstehen aufbauende demokratische Haltung und Lebensweise förderte.

    Eine Gesellschaftstheorie, die neben dem Status quo auch Alternativen einbezieht und hinterfragt, suche ich in den Lehrplänen unseres Bildungssystems oft vergeblich (und ja, auch im Realsozialismus der DDR fand dies nicht statt, weshalb dieser gewiss auch kein positives Beispiel für eine wünschenswerte Gesellschaftsform ist).