Politischer Zoff-Thread oder so

  • C96Brand


    Ich finde es irre wieviel Du in so einer kurzen Zeit an sinnvollem zusammenschrauben kannst, echter Respekt von mir.


    Ich bin Anarchist, ich glaube an die Vernunft und ich bin gerade fatalistisch drauf.


    Der Virus ist VirusGnadenlos, ich wünsche mir einen echten Umbruch in eine lebenswerte Zukunft für alle, nun ja...

  • Ich koche immer alles auf drei Absätze zusammen, sonst würde ich Stunden für jeden Post brauchen.


    Hilft aber enorm das daß zu umgehen


    :)

  • Ganz vorsichtig! Die Aufklärung war eine ungemein wichtige Epoche, in der für Freiheit und Vernunft gekämpft und gestorben wurde. In dieser Zeit, etwa ausgehendes 17. Jhdt. bis zur Französischen Revolution, galt es, die Macht des Klerus und des Adels zu brechen.


    Voltaire hatte seine Existenz aufs Spiel gesetzt, in dem er insbesondere die Dogmenbildung der damals übermächtigen Kirche bekämpfte. Dafür wurde er in Frankreich auch mehrfach eingekerkert. Und ein Kerkeraufenthalt zur damaligen Zeit hatte wenig mit einem heutigen Gefängnisaufenthalt in Frankreich zu tun. Dies nur der Vollständigkeit halber.


    Für diese Epoche stehen unter anderem Bacon, Hobbes, Locke und Hume, Voltaire, Rousseau und Diderot, Lessing, Kant und auch Hegel. Immer ging es darum, für Freiheit und Vernunft zu kämpfen, die den Machtanspruch der religiösen und politischen Autoritäten infrage stellten.


    Ich habe mit meinem Posting überhaupt nicht in Frage gestellt dass die Aufklärung eine wichtige und gerade für Europa eine ungemein wichtige Epoche war auf dem Weg zum Europa dass wir heute kennen. Ausgelöst wurde das ganze unter anderem auch durch einen Klimawandel, aber das nur am Rande.


    Auf was ich hinaus wollte und wo ich auch nicht vorsichtig sein muss, ist dass die Aufklärung als Epoche und was wir heute als aufgeklärte Sichtweisen betrachten durchaus unterschiedliche Sachen sein können.

    Dazu kann man sich gerne mal die Äußerungen einiger der von dir aufgezählten Aufklärer zu den Themen Juden und Sklaven anschauen. Bei einigen dieser Äußerungen wird man erschrecken und sie nicht mehr Ansatzweise mit unserem heutigen Verständnis von Aufklärung in Einklang bringen können.


    Und um dieses Spannungsverhältnis aufzuzeigen habe ich mir Voltaire herausgepickt, der dafür mMn exemplarisch steht. Er hat unbestritten große Verdienste erworben, dass kann und werde ich ihm auch nicht absprechen. Er hat später aber auch selbst wie ein Feudalherr gelebt, fand es zwar ungerecht Diener zu beschäftigen, Sklavenhandel empfand er aber als notwendiges Übel.

    Er kämpfte gegen die Vormachtstellung der Kirche, betrachtete die jüdische Nation aber als "verachtenswerteste, die jemals die Erde beschmutzt hat".


    Nochmal mir ging es nicht darum, die Aufklärung in Abrede zu stellen oder sie in irgendeine Ecke zu stellen, nur muss man solche historischen Entwicklungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Man kann eben auch leider mit der Aufklärung niederträchtiges Verhalten gegenüber anderen Menschen begründen.

  • Ich muss nun doch noch ein paar weitere Sätze schreiben, denn das Bild ist noch nicht vollständig.


    Jetzt habe ich Europa ja nun mehr oder weniger für seinen Standpunkt gelobt. Aber bei uns ist natürlich auch nicht alles Gold was glänzt. Nehmen wir z. B. soziale Aspekte wie Lohngerechtigkeit und Ausbeutung von Arbeitskräften in bestimmten Bereichen hierzulande (wobei man das insoweit relativieren muss, als dass in den Herkunftsländern der Arbeiter noch weit weniger zu verdienen, wenn überhaupt, wäre). Oder die Situation an unseren Außengrenzen am Mittelmeer. Tausende Menschen ertrinken im Meer oder landen für Jahre in erbärmlichen Aufnahmelagern irgendwo, wo wir in der Mitte Europas es kaum mitbekommen. Weil wir nicht bereit sind Wirtschaftsflüchtligen (was die zuvor erwähnten unterbezahlten Arbeiter europäischer Herkunft letztlich auch sind) ein besseres Leben zu ermöglichen. Weil wir Angst davor haben, dass nicht nur Tausende, sondern Millionen kommen könnten, wenn wir etwas von unserem Kuchen teilen würden. Etwas Entwicklungshilfe vor Ort muss da reichen. Oder das Hofieren von Steueroasen mitten in Europa (britische Kroninseln, Irland, Andorra, Monaco, San Marino) zugunsten fragwürdiger Finanzjongleure und kapitalistische Gesellschaften und deren Investoren. Oder die Schwäche der EU bei der Integration des Balkans und bei der Bekämpfung von Korruption und der Machtlosigkeit gegen die Interessen despotengleicher Nationalisten bei unseren östlichen Nachbarn innnerhalb (!) der EU. Oder die Zerstrittenheit und Blockadehaltung zwischen den europäischen Staaten trotz gleicher ideeller Werte. Oder der ultralangsame Wandel zu mehr Natur-, Umwelt- und Klimaschutz. Oder oder oder. Die Liste ist lang, was wir hier an Missständen alles haben.


    Und dennoch geht es uns hier in Europa, und insbesondere in Deutschland, verdammt gut, wenn wir mal den Vergleich zu allen anderen Teilen der Welt ziehen. Anderswo mag man vielleicht naturnäher leben, dafür dann aber auch in viel einfacheren und ärmeren Verhältnissen. Oder in reichen asisatischen Metropolen wie Singapur, dafür aber mit deutlich mehr Restriktionen. Oder in den USA, mit der deutlich größeren Gefahr von Polizisten aus nichtigem Grund ermordet zu werden. Wir haben es echt verdammt gut getroffen, in diesen Teil der Welt geboren worden zu sein!

  • Exakt. Von historischer Verantwortung mit all seinen Facetten (Sklaverei, Kolonialismus, Ausbeutung, Raubbau, Kriege, etc.) ganz zu Schweigen.

  • ...Was macht ihn so besonders für uns Europäer?

    ...

    Warum sind hier nicht Zehntausende für die Menschen aus HongKong auf der Strasse?

    Ich denke, dass dies in erster Linie daran liegt, dass wir Menschen uns mit einzelnen Personen besser auseinander setzen, besser identifizieren können. Ein Gesicht, ein Name, ein Mensch mit seiner einzigartigen Vita bewegt uns. Im positiven wie im negativen Sinn und erst recht, wenn Unrecht widerfahren ist. Das ist mit einer ("gesichtslosen") Bewegung schwierig, obwohl du sicher recht damit hast, dass in Hongkong sehr viel Polizeigewalt und auch Opfer zu beklagen sind. Sicher spielt auch die größere kulturelle Nähe zu Amerika eine Rolle, aber ich denke eben nicht die entscheidende.

    einerseits das.


    Bei mir hält sich die sympathie für die protestler in hongkonk sehr in grenzen. Was uns hier gerne als heroischer freiheitskampf gegen das regime aus peking verkauft wird, lässt sich am ehesten mit pegida vergleichen und ist geprägt von "rassismus" gegenüber festlandchinesen.

    • Offizieller Beitrag

    Wirtschaftlich stark ist Europa ja schon. Politischen Einfluss und Stärke hat man teilweise auch, was Europa nicht hat ist militärische Stärke.

    Und genau diese braucht man, im Idealfall mit einer europäischen Armee, um seinen Interessen Nachdruck zu verleihen und um seine Glaubwürdigkeit zu behalten. Man kann zwar hunderte Male Menschenrechtsverletzungen anprangern und Rote Linien definieren, wenn diese dann aber überschritten werden und nichts passiert verliert man seine Glaubwürdigkeit und zwar nicht nur in diesem Bereich. Und damit auch an politischer Stärke.

    Und Du meinst, eine europäische Armee würde etwas an Menschenrechtsverletzungen ändern?
    Wo sollte denn da eigentlich die Eingriffsschwelle sein? Ungarn? Brasilien? Philippinen? Saudi-Arabien? Ruanda? Bosnien? Nordkorea? Türkei?

    Ich bin davon überzeugt, dass Länder Armeen brauchen - nicht, dass man mich da missversteht. Zur Verteidigung.

    Schwierig wird es für mich nur, wenn diese intervenieren sollen. Frieden exportieren sollen. Interessen extraterritorial verteidigen sollen. Das "internationale" Eingreifen im Bosnien-/Jugoslawienkrieg war wohl richtig. In Ruanda nicht einzugreifen war wohl falsch. Aber kann man das so einfach runterbrechen? Darf/Soll man sich überhaupt irgendwo militärisch einmischen? Oder muss man gar?

    Und eine gemeinsam europäische Armee wäre sicherlich gut für den gemeinsamen europäischen Gedanken, für das weitere Zusammenwachsen Europas; genauso wie eine gemeinsame europäische Außenpolitik etc. Allein: Ist das überhaupt vorstellbar? Gemeinsame militärische Interessen von Portugal bis Polen? Von Italien bis Finnland? Von Irland bis Zypern?

    Und wie gestaltet man das dann? Nur einstimmig? Per Mehrheitsbeschluss? Was wäre, wenn es schon eine europäische Armee gegeben hätte und die Mehrheit der EU-Staaten für einen Eingriff im Irakkrieg gewesen wäre? Hätte Deutschland dann mitmachen müssen? Was wäre gewesen, wenn Polen sich gegen ein Eingreifen im Jugoslawienkrieg ausgesprochen hätte (als Gedankenexperiment - die waren ja damals noch nicht Mitglied)?
    Schweden, Finnland, Österreich, Irland, Slowakei sind in der EU aber nicht in der NATO. Die EU als solche ist auch nicht in der NATO. Wie berücksichtigt man das?

  • Ich habe mit meinem Posting überhaupt nicht in Frage gestellt dass die Aufklärung eine wichtige und gerade für Europa eine ungemein wichtige Epoche war auf dem Weg zum Europa dass wir heute kennen.

    Ganz deiner Meinung.

    Auf was ich hinaus wollte und wo ich auch nicht vorsichtig sein muss, ist dass die Aufklärung als Epoche und was wir heute als aufgeklärte Sichtweisen betrachten durchaus unterschiedliche Sachen sein können.

    Dazu kann man sich gerne mal die Äußerungen einiger der von dir aufgezählten Aufklärer zu den Themen Juden und Sklaven anschauen. Bei einigen dieser Äußerungen wird man erschrecken und sie nicht mehr Ansatzweise mit unserem heutigen Verständnis von Aufklärung in Einklang bringen können.


    Und um dieses Spannungsverhältnis aufzuzeigen habe ich mir Voltaire herausgepickt, der dafür mMn exemplarisch steht. Er hat unbestritten große Verdienste erworben, dass kann und werde ich ihm auch nicht absprechen. Er hat später aber auch selbst wie ein Feudalherr gelebt, fand es zwar ungerecht Diener zu beschäftigen, Sklavenhandel empfand er aber als notwendiges Übel.

    Er kämpfte gegen die Vormachtstellung der Kirche, betrachtete die jüdische Nation aber als "verachtenswerteste, die jemals die Erde beschmutzt hat".

    Die Intention dieses Abschnitts verstehe ich ehrlich gesagt nicht.


    Das 18. Jhdt. unterscheidet sich vom 21. Jhdt., entsprechend sind auch die Sichtweisen zur Aufklärung andere? Nun, das liegt in der Natur der Epochen.


    Voltaire war eine fragwürdige Figur, einerseits kämpfte er für die Aufklärung, andererseits lebte er als Feudalherr? Um mit Kant zu sprechen: „Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.“ Sein Lebenswandel schmälert in kleinster Weise die Werte der Aufklärung, die auch in unserem Grundgesetz weiterleben. Und darum geht es mir. Im übrigen führt diese Argumentationskette in die Irre. Ihr zufolge wären zum Beispiel auch Argumente zum Klimaschutz hinfällig, sobald sie ein Autofahrer vorbringt.

    Nochmal mir ging es nicht darum, die Aufklärung in Abrede zu stellen oder sie in irgendeine Ecke zu stellen, nur muss man solche historischen Entwicklungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten

    Machen Historiker ja auch, bringt uns heute aber nicht weiter. Wir sollten um das Vermächtnis Der Aufklärung kämpfen und deren Werte hoch halten, unabhängig davon, wie schäbig Voltaire auch gewesen sein mochte.


    Man kann eben auch leider mit der Aufklärung niederträchtiges Verhalten gegenüber anderen Menschen begründen.

    Das ist definitiv nicht so. Eine derartige Begründung hätte nichts Aufklärerisches mehr.


    Um noch einmal auf den so wichtigen Post von mustermann zurückzukommen:


    Leider ist der Wunsch nach dem "starken Mann" groß, so lächerlich dieser auch sein mag.

    Es reicht das Versprechen der Stärkung des eigenen Landes, und alle Werte der Aufklärung schwappen hinten über.

    Der Wunsch nach dem starken Mann verrät in gewisser Weise die Werte der Aufklärung. Die Freiheit wird abgeschafft und die Vernunft und die Eigenverantwortung werden aus der Gesellschaft vertrieben.

  • Zitat

    „Es besteht keine Notwendigkeit für Sie, für Ihre Berichterstattung das Gelände zur Erlangung von Informationen zu betreten“, schreibt das Polizeipräsidium Recklinghausen. Denn: „Die Pressestelle der Polizei steht Ihnen außerhalb des Verbotsbereichs für Fragen zur Verfügung.“

    Presse aus Datteln verbannt

    Die Argumentation ist Weltklasse!


    Edit: Ich stelle mir gerade vor wie ein Durchsuchungsbeschluss mit dem Argument verwehrt wird, die Polizei müsse ja nicht nachschauen, sondern könne auch einfach fragen.

    Gerade fürs gründliche Nachschauen ist die Polizei in Recklinghausen bekannt, wie für ihre dreistufige Gefahrenprognose (1. Journalist/in, Theologe/in, 2. Klimaaktivistensympathisant/in, 3. Aufenthalt in der Nähe von Kraftwerken).

    Dann drohen Straftaten, ganz klar.

    Also erstmal gründlich durchsuchen.

    Und wenn im Auto und in den Klamotten schon nichts gefunden wird, sind halt die Körperöffnungen dran. Und wenn da auch nichts zu finden ist, wartet man halt ab, ob die grundlos Verdächtigten während einer nackten Nacht in der Zelle noch Beweismittel produzieren.

    Das ist natürlich keine Haft, sondern nur Gewahrsam. So muss man weder einen Haftrichter stören, noch auch nur einen Rechtsanwalt. Obwohl man auf den eigentlich ... Na wir wollen jetzt mal nicht kleinlich sein.
    Ach so und dann natürlich noch ein weiträumiges Aufenthaltsverbot.


    Aber Besserung ist in Sicht. Es wurde alles gründlich geprüft und siehe da:

    So geht das nicht weiter.

    Die Polizei prüft das Bereithalten von Wechselkleidung

    Na bitte, geht doch.

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    Für alle die des Englischen mächtig sind ein paar bedenkenswerte Sätze zur Lage in Amerika und einen lohnenswerten Perspektivwechsel.

  • 5 Milliarden für eine Autokaufprämien will der Altmaier wohl bis zum Ende des Jahres locker machen. Also ich fände es schon ein wenig cooler wenn man die Milliarden einfach mal durch die Anzahl der Bundesbürger teilt und steuerfrei verteilen würde :lookaround:

  • Dir ist aber schon klar, dass dann jeder gerade mal genug für fünf Kisten Bier bekommt, oder? Klar, besser als ne Autokaufprämie, aber damit würde sich der Staat lächerlich machen.