Politischer Zoff-Thread oder so

  • Nunja, ExilRoter hat es schön auf den Punkt gebracht. Kapitalismus als Religion oder Religionsersatz. Gemeint ist, immer reicher werden, immer größer werden, wachsen, wachsen, wachsen. Steht dem Ziel etwas im Weg, wird es weggeräumt, auch die Gesundheit der Umwelt, wenn es sein muss.


    Weisssagung der Cree:


    “Only after the last tree has been cut down / Only after the last river has been poisoned / Only after the last fish has been caught / Then will you find that money cannot be eaten.”


    Der „westliche Kapitalismus“ setzt auf das freie Spiel des Marktes. Angebot und Nachfrage als 2 zentrale Gebote. Der Staat, der für seine Bürger da sein sollte, möge die Rahmenbedingungen für den freien Markt entsprechend schaffen und die Kollateralschäden wegräumen.


    Ist der Kapitalismus Teufelswerk? Nein, er ist Menschenzeug. Er macht Reiche reicher und Arme ärmer.


    In Moskau und Peking herrscht hingegen ein Staatskapitalismus. Die gleich Denke, nur geben nicht die Unternehmer den Ton an, sondern der „Zar“ bzw. die Partei. Auch hier spielen soziale Ungleichheit und Klima etc. keine Rolle.

  • Alter Ego: "Ist der Kapitalismus Teufelswerk? Nein, er ist Menschenzeug. Er macht Reiche reicher und Arme ärmer. "


    ... und Piketty hat immer recht, oder? So wirkt deine Haltung auf mich, wenn du seine Thesen weiter verbreitest. Hier dann ein paar kritische Auseinandersetzungen:

    https://blogs.faz.net/fazit/20…tty-in-anti-piketty-8855/


    und dies sagt Piketty auch noch: "In einem Beitrag, der demnächst in der angesehenen Fachzeitschrift American Economic Review erscheinen soll, schreibt der Ökonom: Relevant sei seine Analyse vor allem für die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg." (https://blogs.faz.net/fazit/20…-die-aktualitaet-ab-5464/)


    Ich will damit sagen, die These," er macht Reiche reicher und Arme ärmer" ist falsch, alleine die Wohlstandsgewinne der breiten Bevölkerung der letzten 100 Jahre sprechen dafür.

  • Du möchtest doch sicherlich nicht bestreiten, dass in Deutschland mittlerweile 10% der Bevölkerung über 60% des Vermögens verfügen, oder? Die Schere geht immer weiter auseinander und wie soll auf dieser Basis Chancengleichheit möglich sein?


    Darüber hinaus ist in der Tat so, dass die Verelendung sozusagen exportiert wurde. Beispiele gibt es genug, wie die Textilindustrie in Bangladesch.


    https://taz.de/Textilindustrie-in-Bangladesch/!5691426/

  • Du möchtest doch sicherlich nicht bestreiten, dass in Deutschland mittlerweile 10% der Bevölkerung über 60% des Vermögens verfügen, oder?

    Habe ich jetzt nicht nachgeschaut, aber gehe davon aus, dass das hinkommt und du es im Zweifelsfall belegen kannst. Warum sollte ich das erstens bestreiten und warum sollte es zweitens irgendwie im Widerspruch zu dem stehen, was ich geschrieben habe?

  • Ein Widerspruch ist mir aufgefallen. Wenn du deine Aussage auf Deutschland beschränkst, dann könntest du sogar (noch) recht behalten. Unser Lebensstandard hat einen Aufschwung erfahren. Aber wie gesagt durch die Globalisierung gibt es Verlierer, die wir nicht im Blick haben. Ein Beispiel sind die Textilarbeiterinnen in Bangladesch und die werden nicht reicher, vielmehr verelenden sie und ihre Familien. Insofern ist Marx noch nicht obsolet.

  • Das muss ich jetzt einfach mal fragen, Alter Ego, weil du mehrfach auf Deutschland in heutiger Zeit abstellst: ist soziale Marktwirtschaft für dich eigentlich identisch mit deinem Kapitalismusbegriff ?

  • Würde ich nicht sagen. Kapitalismus ist eine wirtschaftliche Kategorie, die soziale Marktwirtschaft ist eine politische. Kapitalismus führt unweigerlich zu einer Kapitalkonzentration in den Händen weniger, Beispiele gibt es genug. Die soziale Marktwirtschaft ist vielfältiger und strebt auch den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand an. Mal grob gesagt.

  • Man kann sicher die Frage aufwerfen, ob es jemandem, der in einer kleinen Hütte am Rande einer südostasiatischen Großstadt lebt, wirklich "besser" geht als jemandem, der im gleichen Land in einer landwirtschaftlich geprägten örtlichen Dorfgemeinschaft lebt.


    Aber tatsächlich gehe ich davon aus, dass nach den Maßstäben, die wir verwenden, um so etwas wie Wohlstand zu messen (und um dessen Verteilung ging es ja gerade), auch diese Menschen insgesamt bzw. im Durchschnitt einen höheren Lebensstandard haben als bspw. die Generation vor ihnen.

  • Alter Ego

    https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-20845.htm

    Was soll die Quelle belegen? Reiche werden immer reicher und Arme immer ärmer? Alle Quellen besonders aus diesem politischen Spektrum setzen den Reichtum immer nur in ein Verhältnis. Über reale Wohlstandsgewinne oder -verluste in allen Teilen der Bevölkerung sagt das wenig aus. Sind die ärmsten 10% der Griechen jetzt reicher, als die ärmsten 10% der Deutschen, nur weil deren Vermögen gleicher verteilt ist?


    Die internationalen Vergleiche berücksichtigen auch nie den unterschiedlich ausgeprägten Sozialstaat der einzelnen Länder und auch werden in Deutschlandvergleichen nie die abgezinsten Barwerte von Pensionen oder Renten von Beamten oder Angestellten berücksichtigt, sehr wohl allerdings Vermögensgegenstände von Selbstständigen ohne Rentenversicherung, die der Alterssicherung dienen.


    Der höhere Median Reichtum in Italien, England oder Frankreich beruht zu großen Teile auf einer höheren Immobilieneigentumsquote. Ketzerisch kann ich behaupten, hätten wir nicht so ein starkes soziales Mietrecht im BGB, wäre die Eigentumsquote auch höher und es gäbe einen höheren Vermögensmedian. Abzahlung von Darlehen diszipliniert die Ausgaben und schafft eventuell bei Wertsteigerung (nicht realisierbare?) Vermögenssteigerung. Andere Länder haben in der Vergangenheit die Schaffung von Eigentum viel stärker gefördert als Deutschland.


    Kurz gesagt, die soziale Ungleichheit in Deutschland über Vermögensungleichheit zu belegen ist problematisch. Bei der Einkommensentwicklungen als zweite relevante Ebene, hat es in den letzten Jahren zumindest vor Corona auch aufgrund der Einführung des Mindestlohns gerade in den unteren Lohnbereichen relativ starke reale Lohnzuwächse gegeben. Dies ist auch wichtig und richtig.


    https://www.bpb.de/apuz/315569…n-bilanz-und-perspektiven

    "Steigende Löhne


    Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat zu deutlichen Steigerungen des Stundenlohns am unteren Rand der Lohnverteilung geführt. Beschäftigte im Mindestlohnbereich verzeichneten zwischen 2014 und 2018 laut der Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Bundesamtes einen Zuwachs beim Stundenlohn von insgesamt 21,8 Prozent. "

    Einmal editiert, zuletzt von finky ()

  • Ohne jetzt in die theoretische Debatte einsteigen zu wollen (und zu können):


    In Bezug auf den Zuwachs beim Mindestlohn: in welcher Höhe und in welcher Form muss der deutsche Staat die Schaffung von Wohneigentum fördern, so dass der Empfänger von Mindestlohn davon profitiert?


    Ich hätte das gerne anhand der von Dir genannten Kriterien finky einmal durchdekliniert.

  • Ich habe nie behauptet, dass Eigentumsbildung für alle möglich ist. Wird natürlich nicht gehen. Es kann auch nicht das realistische Ziel sein, dass alle in Eigentum wohnen, wollen auch einige nicht, die es sich leisten können. Aber was wäre in der Vergangenheit schlecht daran gewesen, höhere Einkommensgruppen zu motivieren, Eigentum zu bilden. Der Vermögensmedian wäre höher. Die allgemeine Wohlstandssicherheit wäre höher. Das habe ich dargestellt und es lag in der Historie halt auch im Vergleich zu anderen Ländern am recht ausgeprägtem sozialen Mietrecht.


    Das der Zug zur Zeit in vielen Großstädten bis weit in mittlere und gute Einkommensgruppen abgelaufen ist, ist ein anderes Thema. Hier wäre eine eigenkapitalersetzende Bürgschaft bzw. nachrangiges niedrigverzinsliches Darlehen hilfreich. Alles in Höhe der Nebenkosten, oder aber auch der Verzicht auf Grunderwerbsteuer bei Erstkauf (mein Favorit) .

    Dazu bauen, bauen bauen, serielles Bauen ermöglichen und Bauvorschriften entschlacken (siehe Niederlande). Dauert lange, wenn zu spät entschieden, hilft das dann auch nur mittelfristig und nicht kurzfristig. Aber Hamburg hat das meines Erachtens in seinen Möglichkeiten gut gemacht und Hannover ist mit den vielen Projekten auch auf einem guten Weg. Berlin ist dann natürlich das absolute Negativbeispiel, was eine Kommune / Land leisten kann.


    Für die Gruppe, die du ansprichst hat der Sozialstaat zu sorgen mit günstigen Mietwohnungen. Entweder er baut selbst Sozialwohnungen, bezuschusst Wohnungen mit Wohngeld, Förderdarlehen, Förderzuschüssen oder Sonderabschreibungen , oder (und das ist das billigste für die Kommune) fordert den Bau von Sozialwohnungen durch Vorschriften zum Sozialbau bei Nutzungsänderung im Baugebiet bzw. bei Neuerschließung von Baugebieten. Durch Mischkalkulation kostet es dann halt den neuen Eigentumskäufern einen Aufpreis, solange die Bauträger die Zusatzkosten abwälzen können (und verhindert entsprechend Eigentumserwerb).


    Natürlich kann der Staat/ die Kommune/ das Land auch Wohnungen teuer zurückkaufen, die sie vorher billig verkauft haben, dann entstehen halt keine neuen Wohnungen.


    Ich befürchte nur du siehst das alles anders.

  • Erinnerung an den schwarzen Krankenpfleger in Hamburg, den drei Polizisten vom Fahrrad holten.


    Drogenszenezypisches Verhalten rechtfertigte das, die Hautfarbe hatte keine Bedeutung.


    Also Fahrradfahrer, die ihr gelegentlich mal das Telefon nutzt, aufpassen.


    Verfahren gegen Polizisten eingestellt: Szenetypische Hautfarbe?


    Zitat

    Es sei eine „pauschale Behauptung“, heiße es in der Einstellungsverfügung, sagt Dervishaj, dass die polizeilichen Maßnahmen auf einem rassistischen Klischee fußten.

    Das Opfer:

    Zitat

    Die Erfahrung habe ihm „die Augen geöffnet“, sagt der 32-Jährige. „Im deutschen Rechtssystem kommt man nicht gegen die Polizei an.“ Deshalb wolle er auch keine Beschwerde einlegen, um ein weiteres Verfahren zu erwirken. „Ich kämpfe gegen eine Wand“, sagt John H. Er habe keine Kraft mehr dafür. Und er wisse, dass sich dadurch nichts ändern werde.

    Vertrauen in den Rechtsstaat verloren

    Er möchte sich nun auf sich selbst konzentrieren. Vor drei Wochen habe er eine Traumatherapie begonnen, weil er gemerkt habe, dass ihn all dies sehr belaste. „Solche Vorfälle mit der Polizei machen einen kaputt“, sagt er. Er schlafe schlecht und müsse oft an den Tag zurückdenken.

    John H. ist noch immer als Altenpfleger in Eimsbüttel tätig. Noch immer fährt er mit dem Fahrrad von Pa­ti­en­t:in zu Patient:in. Und noch immer sieht er dabei ab und zu einen der Polizeibeamten, der an dem 18. April auf ihm kniete. H.s Wohnung, die Pflegedienststelle, seine Pa­ti­en­t:in­nen und das Polizeikommissariat 17 liegen nur wenige Fahrradminuten voneinander entfernt – was es für ihn erschwert, mit dem Fall abzuschließen.

  • Ein paar Zeilen zu deinem Post finky.


    Ich will damit sagen, die These," er macht Reiche reicher und Arme ärmer" ist falsch, alleine die Wohlstandsgewinne der breiten Bevölkerung der letzten 100 Jahre sprechen dafür.


    In Deutschland verhungern keine Menschen auf der Straße, in diesem Sinne hat sich der Lebensstandard sicherlich erhöht. Das ist aber auch alles.


    Was bedeutet Armut in Deutschland?


    In Deutschland ist das genau definiert. Arm ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettolohns erhält, das sind derzeit 1176 Euro. Reich ist, wer monatlich mehr als 3900 Euro Nettogehalt bezieht. Dazu gehören aber auch Superreiche, wie der Eigentümer der Lidl-Supermarktkette, Dieter Schwarz. Sein Privatvermögen wird auf mehr als 20 Milliarden Euro geschätzt. Der Anteil an reichen Menschen in Deutschland ist in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, zeigt der sechste Armuts- und Reichtumsbericht. Ebenso der Anteil der Armen. Gleichzeitig schrumpft die Einkommensmitte immer weiter.“


    https://m.dw.com/de/wachsende-…in-deutschland/a-57506792


    Schon klar, dass die Reichen und Privilegierten und warum auch immer du dich dieser Tatsache nicht stellen wollen.


    Hans-Ulrich Wehler, Bielefelder Historiker, beschäftigt sich mit der Ungleichheit in unserer Gesellschaft.


    „Nicht die Kosten der Wiedervereinigung, auch nicht die Finanzkrise, sondern die Verschärfung der sozialen Ungleichheit sieht Wehler als entscheidenden Einschnitt der deutschen Gesellschaftsgeschichte seit 1990. Seitdem verstehe es die Oberklasse, „ihr Einkommen in einem obszönen Ausmaß zu steigern“. Um das Jahr 2000 besaßen die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung bereits rund die Hälfte des gesamten Vermögens, die ärmsten 50 Prozent kamen gerade mal auf zwei Prozent. In den vergangenen fünf Jahren verdoppelte sich das private Nettovermögen, die Zuwächse waren allerdings sehr ungleich verteilt.“


    https://www.deutschlandfunk.de…ml?dram:article_id=241718


    Aber es gibt nicht nur linksgrünversiffte Quellen, die diese Tatsache anerkennen.


    2018 lebte in Deutschland fast jede/-r Sechste (15,8 %) unterhalb der Armutsrisikoschwelle. Diese lag 2018 bei 1 040 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt. Bei einem Ein-Elternhaushalt mit einem Kind (unter 14 Jahre) bei rund 1 352 Euro. Der Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr (17,3 %) leicht gesunken, das Armutsrisiko liegt aber deutlich über dem Niveau Ende der 1990er-Jahre (knapp 11 %). Auch verfestigen sich die Armutsrisiken. Wer einmal unter die Armutsgrenze rutscht, verbleibt immer länger in diesem Einkommensbereich: Von den Personen, die im Jahr 2018 unter die Armutsrisikoschwelle fielen, waren 88 % bereits in den vier Jahren zuvor (2014 bis 2017) zumindest einmal von Armut bedroht. Die Hälfte davon (44 %) befand sich in diesem Zeitraum 4 Jahre durchgehend in diesem niedrigen Einkommenssegment. Damit hat sich der Anteil der dauerhaft von Armut bedrohten Personen an allen Armen in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als verdoppelt: 1998 betrug er noch 20 %.“


    https://www.destatis.de/DE/Pre…021/03/PD21_113_p001.html


    Es ist völlig in Ordnung, wenn du der Meinung bist, dass die Hungerleider bleiben sollen, wo sie sind. Es ist aber ziemlich traurig, wenn du die Entwicklungen einfach negierst, weil sie dir nicht in den Kram passen und versuchst daraus Fake News zu machen.

  • Gestern, Mittelmeer.

    Alarmcall erreicht die Seabird, die sich auf den Weg macht.


    Dort ist ein Holzboot mit über 180 Menschen an Bord, der Motor ist ausgefallen.

    Unmittelbar in der Nähe ist die VOS Triton (Versorgungsschiff) zu sehen, keinerlei Rettungsaktivitäten werden eingeleitet. Nach einer Stunde fangen die Menschen auf dem Holzboot an, ins Wasser zu springen und in Richtung Versorgungsschiff zu schwimmen. Nun fängt das Retten doch an. Alle Leute sind irgendwann auf der VOS Triton.


    Dann hört die Seabird Funkverkehr zwischen der VOS Triton und der libyschen Küstenwache. Eine Übergabe wird abgesprochen. Die Kinder kommen, die VOS übergibt mehr als 180 Menschen zurück in die Foltergefängnisse in Tripolis und Umgebung. Die Libyer dürfen weiter auf ihre Art Geld mit ihnen verdienen.

  • Nachtrag zur Entwicklung des Linksextremismus weil es gerade aktuell ist:


    Zitat

    Als besorgniserregenden, bundesweiten Indikator für die Radikalisierung der Szene nennt das BfV vor allem die starke Zunahme links motivierter Gewalttaten. Die Polizei stellte im vergangenen Jahr 1.526 Angriffe fest, das waren 45 Prozent mehr als 2019 (1052). Die Gesamtzahl der linken Delikte stieg auf 10.971 Delikte (2019: 9849). Mehr als jeder vierte Linksextremist sei als gewaltorientiert einzustufen. Die Zahl der militanten Linksextremen stieg auf 9600 (plus 400).


    Quelle: https://www.tagesspiegel.de/po…torientiert/27286364.html


    Und als ganz konkretes Beispiel der Gewalt "gegen Sachen":

    https://www.bz-berlin.de/berli…iche-schweigen-des-senats