Politischer Zoff-Thread oder so

  • Ich bemerke an meiner Klientel (untere Einkommensgrenze) eine Art Radikalisierung, gen "rechts". Kommt tatsächlich aus soner Ecke: Wir sind Biodeutsche, haben hier immer Steuern gezahlt, kümmern uns um unsere zwei Kinder und die, "die" herkommen, "kriegen alles in den Arsch gesteckt, je mehr Kinder, um so besser."


    Mal abgesehen davon, dass ich Pauschalierungen nicht leiden kann und einer Ex-Kollegin nur noch bei FB zusehe, wie sie einen Spruch nach dem anderen postet, bin ich auch der Meinung, dass es in DLD eine Einkommensschere gibt und ich mir gar nicht vorstellen kann, wie Menschen am Existenzminimum oder knapp drüber, ob sie nun arbeiten oder nicht ( ich hänge am Lohnabstandsgebot) die steigenden Kosten bewältigen sollen.

  • Es geht nicht nur um Einkommen. Es geht tatsächlich auch um Perspektiven, z.B. Wieviele Leute sind, trotz Job, mit einem Fuß in der Prekarität, laufen sehendes Auges auf die Altersarmut zu, sehen, dass sie im Gesundheitssystem immer schlechter versorgt werden (wobei ich definitiv der Meinung bin, unseres ist gerade im Vergleich immer noch sehr gut) etc.

  • Ich hätte das vielleicht nicht einwerfen sollen, weil zu fragmentär...


    Wichtig ist schon, wenn man sich mit dem Trend nach rechts beschäftigt, dass es (nicht) nur Einkommen ist. Es geht z.B. auch darum, wie die Lage der Mittelschichten von ihnen selber wahrgenommen wird. Man muss nicht von Prekarität oder Semiprekarität bedroht sein, um den Eindruck zu haben, dass der eigene Lebensentwurf bzw. die soziale Lage gesellschaftlich an Stellenwert verliert. Es geht also (auch) um so wahrgenommene Bedrohung der eigenen Position, z.B..


    Das mit der Bildungsgerechtigkeit oben wäre auch ergänzungsbedürftig. Im Grunde hat prickel das wesentliche schon genannt. Der "Bildungstrichter" existiert weiterhin. Klar kann man sich hocharbeiten. Aber die Chancen, das zu realisieren, sind extrem ungleich und was "hoch" dann ist, ist auch relativ.

  • Man muss nicht von Prekarität oder Semiprekarität bedroht sein, um den Eindruck zu haben, dass der eigene Lebensentwurf bzw. die soziale Lage gesellschaftlich an Stellenwert verliert. Es geht also (auch) um so wahrgenommene Bedrohung der eigenen Position, z.B..


    Was kann ich mir unter "gesellschaftlich an Stellenwert verliert" vorstellen, wenn es ja nicht (nur) um das Einkommen geht? Hier bin ich gerade tatsächlich lost, weil ich mir daraus folgend keinen vernünftigen Anspruch an "irgendwen" ableiten kann. Bei Einkommen kriege ich das noch hin ("ich brauche mehr!" - vom Staat, vom Arbeitgeber, etc.).

  • Ich bemerke an meiner Klientel (untere Einkommensgrenze) eine Art Radikalisierung, gen "rechts".

    wo sollen sie hin ? weder die schließfach- spd noch die indentitätslinken interessieren sich für sie.

  • unfug . dreh mir nicht das wort im mund rum. wo sollen sie hin ? das ist die frage. und die beantwortet man nicht mit " hauptsache nicht nach rechts, alles andere ist egal ." da machst du es dir zu einfach.

  • Und ich sage, dass die Antwort niemals eine Rechtfertigung für eine Radikalisierung nach rechts ist. Nicht mehr und nicht weniger.

  • So eine schöne Fragestellung mit sachlichem Diskussionsstart und wumms, kaputt.

    Ich vermute die Ursachen für das von Philli beschriebene Verhalten nicht nur in der Einkommenssituation, sondern zum einen im Trend selbiger, also zunehmend steigender Kosten im Vergleich zu geringfügig steigenden Einnahmen, zu anderen aber in einer kompletten Ignoranz durch die arrivierten politischen Vertreter.

    Und wenn dann ein Marktschreier durchs Dorf zieht und so tut, als hätte er nach intensivem Studium die Lösung in der Ausgrenzung Nicht-Biodeutscher gefunden, dann nehmen das sicher einige Prozent dankend an.


    Gerne zitier ich dazu Kraftklub:

    Und selbst wenn alles scheiße ist
    Du pleite bist und sonst nichts kannst
    Dann sei doch einfach stolz auf dein Land
    Oder gib die Schuld ein paar anderen armen Schweinen
    Hey, wie wäre es denn mit den Leuten im Asylbewerberheim

  • Man muss nicht von Prekarität oder Semiprekarität bedroht sein, um den Eindruck zu haben, dass der eigene Lebensentwurf bzw. die soziale Lage gesellschaftlich an Stellenwert verliert. Es geht also (auch) um so wahrgenommene Bedrohung der eigenen Position, z.B..


    Was kann ich mir unter "gesellschaftlich an Stellenwert verliert" vorstellen, wenn es ja nicht (nur) um das Einkommen geht? Hier bin ich gerade tatsächlich lost, weil ich mir daraus folgend keinen vernünftigen Anspruch an "irgendwen" ableiten kann. Bei Einkommen kriege ich das noch hin ("ich brauche mehr!" - vom Staat, vom Arbeitgeber, etc.).


    Ostdeutschland. ;) "Besser-Wessis", "Bürger 2. Klasse", etc.


    Gilt aber nicht nur für die. Gilt auch für soziale Milieus im Westen. Wenn man Rechtspopulismus durch die Milieu-Brille betrachtet (was ich fachlich lange nicht mehr getan habe), stellt man leicht fest, dass "Einkommen" nicht das alleinige Merkmal ist, sondern dass - wie erwartet - die "linken unteren" Milieus nicht Richtung Rechtspopulismus tendieren, Milieus auf vergleichbarem materiellen Niveau in der Mitte und Rechts aber schon.


    Das soll jetzt bloß keine Rechts-Links-Diskussion werden, nur, weil ich den naheliegenden Umstand, dass konservative eher zu RP tendieren, als linke Milieus, expliziert habe. Das ist nur eine Antwort auf Deine Frage, was außer materiellem noch ein Faktor ist.