Politischer Zoff-Thread oder so

  • ernsthafte Frage, kennt wer hier aus dem Forum auch nur einen persönlich, der in freier Entscheidung lieber Bürgergeld bezieht, als einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Nach dem Motto aufstehen lohnt nicht, bekomme genug Bürgergeld. Ich halte die ganze Diskussion für vollkommen absurd und sie soll nur ablenken.

  • Ich kenne zwar niemanden, aber Friedrich Merz und Christian Lindner haben beide erzählt, dass verzweifelte Unternehmer auf sie zukommen sind, bei denen Arbeitnehmer gekündigt haben, weil sie jetzt lieber Bürgergeld beziehen wollen. Warum daran zweifeln?

  • Im Endeffekt geht es aufgrund der vorgegebenen Sparpolitik um die Kürzungen in jedem Ressort. Von den unzähligen sozialen Projekten, wie zum Beispiel die zur Demokratieförderung an Schulen, oder in der Migrationsberatung haben wir auch noch nicht gesprochen. Da könnte man sehr viele Dinge aufzählen, die diesem Kurs zum Opfer fallen.


    Ich kenne persönlich auch keine Person, die lieber Bürgergeld bezieht, als arbeiten zu gehen. Ich kenne aber tatsächlich sogar mehrere Personen in meinem Umfeld, die mit ihrem Gehalt aus Erwerbstätigkeit ganz knapp darüber liegen. Die würden zwar auch nicht lieber Bürgergeld beziehen, aber zumindest ist das in meinen Augen einer sozialen Gerechtigkeit irgendwie auch nicht fair.

  • Da ist dann halt die Frage, was genau das Problem ist und wie man es lösen könnte.


    Für viele Menschen ist es dann leider so, dass sie denken, dass das Bürgergeld zu hoch ist.


    Das sehe ich anders und würde ich auch anders sehen, wenn ich wieder in Arbeit wäre.


    Vielleicht sind ja auch entweder die Löhne zu oft zu niedrig, bzw. es bleibt zu wenig vom Bruttolohn übrig? Vielleicht werden auch zu viele Menschen (bewusst) in den Niedriglohnsektor gedrängt?


    Das Bürgergeld wurde ja schon künstlich kleingerechnet. Wenn man dann arbeitet und kaum weniger verdient als man mit Bürgergeld bekäme, dann ist sicherlich nicht die Höhe des Bürgergelds das Problem.


    Edit: sasa kam mir zuvor.

  • Nicht das zu hohe Bürgergeld ist da aber das Problem, sondern die zu niedrige Bezahlung.

    Kann man so sehen, na klar. Das Gefüge stimmt an solchen und vielen weiteren Stellen nicht. Daran ändert aber auch - zum Beispiel - die Einführung einer Reichensteuer oder ähnlichem nichts. Ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht, wie diese Probleme zu lösen sind, ohne die Türen neuer Probleme zu öffnen.

  • ernsthafte Frage, kennt wer hier aus dem Forum auch nur einen persönlich, der in freier Entscheidung lieber Bürgergeld bezieht, als einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Nach dem Motto aufstehen lohnt nicht, bekomme genug Bürgergeld. Ich halte die ganze Diskussion für vollkommen absurd und sie soll nur ablenken.

    Ich kenne niemanden der Bürgergeld & nicht Aufstehen attraktiver findet als bezahlte Arbeit. Ich kenne aber einige Fälle, die Bürgergeld o.ä.& Schwarzarbeit deutlich attraktiver finden als reguläre Arbeit.

    Hier muss man doch vergleichen. „Bürgergeldschmarotzer“ mit Geringverdiener.


    Oder eben Hedgefonds und internationaler Konzern mit inhabergeführtem Mittelstand, der seine betriebliche Substanz und das Privatvermögen eben nicht außerhalb unseres Steuersystems parken kann.

  • Warum beschäftigen wir uns mit Themen, die man uns populistisch hinhält und ignorieren andere, obwohl deren negativer Effekt viel größer ist?


    ... finde ich es fatal, den einen Missbrauch zu geißeln und den anderen zu tolerieren. Und die gesellschaftliche Debatte auf die schwächeren zu fokussieren.

    Nochmal: Nach meinen Kenntnissen wird Steuerhinterziehung in Deutschland nicht ignoriert. Es gibt Verfolgungsbehörden und die tun ihren Job. Danach werden Steuerhinterzieher auf Grundlage unserer Gesetze bestraft. Teilweise eben auch mit Gefängnis. Ja, es könnte noch mehr Steuerfahnder geben und mehr Betriebsprüfer. Und strengere Gesetze. Alles richtig und dennoch ist es falsch, ja populistisch, zu behaupten, diese Problematik würde in Deutschland ignoriert.


    Ebenfalls wird nicht ignoriert, wenn Unternehmen ins Ausland abwandern oder die Produktion ins Ausland verlegt wird. Diese unternehmerischen Entscheidungen sind legal, also nicht strafbar. Alle Kommunen und Gemeinden, die ich kenne, strengen sich an, die ansässigen Unternehmen zu halten. Dabei geht es selbstverständlich um Gewerbesteuereinnahmen, Arbeitsplätze und die daraus entstehenden Effekte wie Kaufkraftniveau etc. Wieweit eine derartige Politik gehen kann, entschieden demokratische Prozesse, auch auf lokaler Ebene. Es ist Politik und darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein.


    Populistisch ist, die Armut von Geflüchteten undifferenziert mit unternehmerischen Entscheidungen in Verbindung zu bringen. Sofort kommt Elon Musk in die Diskussion und "die Superreichen". Schwarz/Weißer geht es nicht.


    Die Debatte um die "Superreichen" ist auch nicht neu. Ja, und ich finde sie ist berechtigt. Aber sie taugt nicht dazu, Missstände beim Missbrauch von Sozialleistungen zu relativieren. Das sind zwei voneinander unabhängige Problemfelder, die unabhängig voneinander zu lösen sind.


    Im übrigen wird unsere Wirtschaft auch nicht von den wenigen Industriellen, die es noch gibt, geprägt. Das meiste wird in Deutschland nach wie vor vom Mittelstand erwirtschaftet. Dort werden auch die meisten Arbeitsplätze gestellt. Forderungen nach besserer Bezahlung der Mitarbeiter stoßen selten auf taube Ohren, werden aber eher selten umgesetzt, weil der Unternehmer diese Mehrkosten auch nur selten bei seinen Produkten/Leistungen auf die Kunden umlegen kann. Mir fehlt die Fantasie für eine Lösung, bei der die Arbeitnehmer mehr verdienen, die Kunden nicht mehr bezahlen und der Unternehmerlohn konstant bleibt. Offenbar bin ich da auch nicht der einzige, denn sonst müßten nicht so viele Unternehmen schließen bzw. keinen Nachfolger finden.


    Aber es klingt natürlich klasse: Den Superreichen und den Industriellen in die Tasche greifen und daraus die Sozialleistungen für die Schwächsten zu finanzieren. Wer könnte sich das nicht so vorstellen? Eine schöne, einfache Lösung. Und wir wissen ja: Menschen lieben einfache Lösungen.

  • Immer wenn ich denke, dass es nicht noch lächerlicher geht, setzt Söder in Sachen Populismus noch einen drauf. Jetzt hat die MPK (7 CDU/CSU, 7 SPD, 1 Grüne, 1 Linke) nicht im Sinne von Söder entschieden und Schuld ist...


    ...die Ampel (im Sinne ber Bundesregierung).


    Naja, vielleicht hat Söder ja auch nur die Trennung von Bund und Ländern nicht verstanden.

  • Sasa, da gerade da bist:

    Zitat


    Eventuell ist einer der Gründe, dass der Schaden durch Steuerhinterziehung ungefähr 20 mal größer ist als der durch Sozialhilfebetrug

    Hast du dafür Zahlen? Und wie setzt sich die Steuerhinterziehung zusammen?


    Zitat


    Auf ähnlichem Niveau bewegen sich die Schätzungen von Friedrich Schneider zur Summe der jährlich in Deutschland hinterzogenen Steuern. „Im Bereich der Schwarzarbeit liegt der Schaden bei 30 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr. Auf die klassische Steuerhinterziehung entfallen zehn bis 12 Milliarden Euro“, schätzt Schneider.

    https://vorwaerts.de/inland/pa…0sch%C3%A4tzt%20Schneider.

    Vorwärts sollte unverdächtig sein, Reiche zu bevorzugen.

  • Ist eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus 2022 bzw. eine Schätzung der BfA aus 2021. Wurde auch in der Süddeutschen veröffentlicht. Da nur in Bildern "verlinkt", müsstest du leider selbst googeln. Ich weiß nicht, ob es weiter differenziert wird.

  • Allein die mehr als 200 Milliardenvermögen im Land könnten zusammengerechnet statt rund 900 Milliarden Euro mindestens 1400 Milliarden Euro umfassen, möglicherweise sogar noch deutlich mehr. Das entspricht gut einem Drittel bis der Hälfte des jährlichen deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und verteilt sich auf lediglich rund 4300 sehr reiche Haushalte


    Einen Satz vorher waren es noch 200 Vermögen, dann ist von 4.300 Haushalten die Rede. Was soll mir das sagen? Wenn man den jeweils einzelnen Besitz von Angehörigen einer Familie, die sich auf durchschnittlich über 20 Haushalte aufteilt, zusammenzählt und als ein Vermögen betrachtet, dann spielt man doch nur der Argumentation in die Hände, die ungefähr so lautet: "Das war nicht vorher das Vermögen meiner Eltern und jetzt meines, sondern es ist das Vermögen unserer Familie. Und unsere Familie hat das Vermögen beim Erwerb schon versteuert."

  • Interessante Diskussion wieder. Vergesst bei der ganzen Sache nicht die Politiker, die ebenso Milliarden Steuern verbraten haben und fröhlich weiter dilettieren dürfen oder in Talkshows das Maul über den politischen Gegner aufreißen. Jüngstes Beispiel Herr Spahn. Milliardenzahlungen drohen wegen Maskendeals.*


    Der eine versaut grandios die Autobahnmaut, hat sich zum Glück aus der Politik zurückgezogen und stürzt als Berater wahrscheinlich andere ins Unglück, der nächste ist unheimlich vergesslich, führt heute trotzdem die Regierung an, noch ein anderer gibt Garantien, die nicht eingehalten werden, wird aber schon als Minister der nächsten Regierung gehandelt… Kann beliebig fortgesetzt werden.


    * Tagesschau

  • Allein die mehr als 200 Milliardenvermögen im Land könnten zusammengerechnet statt rund 900 Milliarden Euro mindestens 1400 Milliarden Euro umfassen, möglicherweise sogar noch deutlich mehr. Das entspricht gut einem Drittel bis der Hälfte des jährlichen deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) und verteilt sich auf lediglich rund 4300 sehr reiche Haushalte


    Einen Satz vorher waren es noch 200 Vermögen, dann ist von 4.300 Haushalten die Rede. Was soll mir das sagen? Wenn man den jeweils einzelnen Besitz von Angehörigen einer Familie, die sich auf durchschnittlich über 20 Haushalte aufteilt, zusammenzählt und als ein Vermögen betrachtet, dann spielt man doch nur der Argumentation in die Hände, die ungefähr so lautet: "Das war nicht vorher das Vermögen meiner Eltern und jetzt meines, sondern es ist das Vermögen unserer Familie. Und unsere Familie hat das Vermögen beim Erwerb schon versteuert."

    Ich verstehe nicht genau, worauf du hinaus willst. Die Argumentation der Vermögenden ist nicht neu, sie entkräftet allerdings nicht die Entwicklung der immensen Vermögenskonzentration und der sich vergrößernden Ungleichheit. Was schon versteuert wurde ist irrelevant, welchen Beitrag sie im Verhältnis zu ihrem Vermögen leisten ist bedeutend.

  • Ist eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus 2022 bzw. eine Schätzung der BfA aus 2021. Wurde auch in der Süddeutschen veröffentlicht. Da nur in Bildern "verlinkt", müsstest du leider selbst googeln. Ich weiß nicht, ob es weiter differenziert wird.

    Ok, finde ich so nicht. Mich würde eher interessieren, ob die eine Seite Schätzungen aufweist und die andere Seite überführte Vergehen. Das finde so auf die Schnelle:

    Zitat

    Auch zum finanziellen Schaden, der durch Leistungsmissbrauch entsteht, gibt es nur vage Angaben. Die Bundesagentur benennt für 2022 einen nachgewiesenen Vermögensschaden von rund 272,5 Millionen Euro im Zusammenhang mit Sozialbetrug beim Bürgergeld.

    https://www.zdf.de/nachrichten…ug-clans-ausmass-100.html


    Zitat


    Im Jahr 2021 ergingen 7.003 Urteile und Strafbefehle wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO. Den verhängten Freiheits- und Geldstrafen in einem Gesamtumfang von 1.580 Jahren lagen 1,2 Mrd. Euro hinterzogene Steuern zugrunde.

    https://www.bundesfinanzminist…teuerstraftaten-2021.html

  • Ich verstehe nicht genau, worauf du hinaus willst.


    Wenn es tatsächlich um die Vermögen von 4.300 Haushalten, also grob geschätzt von rund 10.000 Menschen geht - warum fasst man dann das Vermögen von jeweils im Schnitt rund 50 Menschen zusammen und bezeichnet das insgesamt als nur 200 Vermögen? Wie gesagt, in meinen Augen leistet das dem Argument des "Familienvermögens" Vorschub, das insbesondere gegen eine höhere Besteuerung von Erbschaften oft ins Feld geführt wird.

  • Warum geht es eigentlich immer um Vermögen? Das Leistungsprinzip bestimmt in erster Linie die Besteuerung der Einkommen und Gewinne. Will man an sehr vermögende Familien ran, über die hier geredet wird, sollte man sich halt über Holdinggesellschaften gedanken machen und das Parken der nicht benötigten Gewinne in diesen. Ist halt eine Steuerstundung bis zum Ende der Gesellschaft.

    Speziell die Vermögensteuer hat das Problem, dass sie wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Handeln nicht berücksichtigt. Früchte aus dem Vermögen werden ja ansonsten grundsätzlich besteuert. Spitz gesagt, soll auch das Geld auf dem Girokonto, Festgeldkonto oder Sparbrief, also mit wenig Verzinsung der Vermögensteuer unterliegen?


    Erbschaftsteuer? kann man auch drüber reden. 10% flat auf alles und großzügigen Stundungsmöglichkeiten für Unternehmen.

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  • So, ich habe mir nochmal bei einem (persönlich) sehr schönen Wochenende Gedanken gemacht zu dem ganzen Thema.


    Ich möchte hiermit betonen, dass ich die flächendeckende Einführung für Empfänger von Sozialleistungen vielleicht zu forsch gesehen habe bzw. da nicht nach links und rechts geschaut habe und es in KEINSTER Weise ein "nach unten treten" sein sollte (bei meinen Gedanken dazu), das möchte ich nochmal klar betonen.


    Die Karte für Asylsuchende finde ich generell weiterhin nicht verkehrt, jedoch müsste dann natürlich auch mehr passen (was ja nicht passt), also zb. leichter Zugang zum Arbeitsmarkt, generelle Attraktivität für ein Arbeiten etc. Ich kann also auch verstehen, wenn es kritische Stimmen hierzu gibt. Also nicht als Karte für "Haha du Asyl-Suchender", sondern als Ansporn in Lohn und Brot zu gelangen.


    Ich möchte aber AUCH festhalten: Es gibt viele, die sich einfach ausruhen auf den Sozialleistungen (also auf ALLE gesehen). Und ja, ich kenne welche, die finden Bürgergeld geil und haben keinen/kaum einen Anreiz mehr, zu arbeiten. Es hat also nicht nur mit Merz und Lindner zu tun. Und sowas triggert mich. Vielleicht mehr, als es sollte, aber es tut es. Weil ich anders erzogen wurde und mich nicht scheue, zu arbeiten.


    Und zum Schluss: Ich bin auf der anderen Seite auch vollkommen dafür, diesen Hyper-Kapitalismus einzudämmen und die Superreichen viel härter zu besteuern. Generell, weltweit. Mir ging es auch bei der Karte und meiner ursprünglichen Aussage auch nicht um das Geld dahinter. Mir ging es viel mehr um faule Arschlöcher, die andere mit ihrem Handeln beschmutzen...


    Aber ich habe auch wieder gemerkt: Im Internet zu diskutieren ist SO viel anstrengender als live. Gerade bei solchen Themen. Denn wie schon gesagt, es ist bei fast allem nicht nur Schwarz oder Weiß und sowas dann rauszuarbeiten, ist wahnsinnig mühselig. Die Art und Weise, wie mich dann manche gleich angegangen sind, tragen ihr Übriges dazu bei. Aber gut, keine Victim-Card jetzt hier, ich hätte es ja auch anders schreiben / ergänzen können. So, ich habe fertig.