Westfälische Rundschau: Mertesacker schockt den BVB

  • Mertesacker schockt den BVB: 1:1-Ausgleich kurz vor Schluss


    Dortmund. Der Frust stand Jan Koller ins Gesicht geschrieben, als er kopfschüttelnd vom Arbeitsfeld stapfte. Denn der lange Tscheche war gerade zur tragischen Figur geworden: In der 82. Minute drosch er frei vor Torhüter Robert Enke das Spielgerät an den linken Pfosten statt ins Netz, und in den letzten Sekunden der Nachspielzeit gestattete er dem 1,96 Meter großen Per Mertesacker nach einer von Guillaume Warmuz unterschätzten Leandro-Ecke einen Kopfball zum 1:1-Ausgleich von Hannover 96.


    "In 14 Tagen in Bochum macht er alles wieder gut", tröstete Tomas Rosicky seinen Landsmann, während Christian Wörns, den Bert van Marwijk zum Kapitän ernannt hat ("Ein Vertrauensbeweis vom Trainer"), den Tschechen rügte: "Wir haben uns in der Vergangenheit bei Standards schlecht verhalten und heute wieder. Es gehört in die Köpfe rein, dass man bei solchen Situationen Körperkontakt halten muss. Dann kann nichts passieren." Deshalb resümierte Wörns: "Wir haben es uns selbst zuzuschreiben, dass wir nicht gewonnen haben."


    Jan Koller wurde zur tragischen Figur


    Auch, weil Borussia in der zweiten Halbzeit fast ausschließlich darum bemüht war, die glückliche 1:0-Führung (Rosicky-Distanzschuss) nur noch zu verwalten, statt sie auszubauen. Bert van Marwijk hatte zwar "das Gefühl, dass unser Kurzpass-Spiel immer besser wird", doch der BVB kombinierte meist umständlich und schwerfällig in die Breite. Tempo und Druck setzte die Mannschaft nur auf, wenn Rosicky Initiative ergriff. "Wir haben bei eigenem Ballbesitz nicht schnell genug gespielt und uns demzufolge wenige Chancen erarbeitet", rügte Sportmanager Michael Zorc.


    Hannover machte den Dortmundern das Leben indes auch schwerer als erwartet. Denn die Mannschaft hat die Defensiv-Philosophie ihres Trainers verinnerlicht, die Räume ganz eng gehalten und auch ihre Ordnung nicht verloren, als sie nach dem Rückstand mit mehr Risiko nach vorn spielen musste. "Wir sind für diese Disziplin belohnt worden", freute sich Ewald Lienen.


    Es wäre für Borussia noch schlimmer gekommen, hätte Warmuz in der Anfangsphase nicht glänzend gegen Mathis (3.) und Sousa (19.) reagiert. Dafür patzte der Franzose in der entscheidenden Szene. "Das ist unglaublich, den Ausgleich in allerletzter Sekunde zu fangen. Dann hat man es nicht verdient zu gewinnen. Es müssen einige persönliche Fehler passiert sein, sonst kann so etwas nicht passieren", klagte van Marwijk.


    Dortmund eröffnete den Gästen auf der linken Seite mit dem indisponierten Jensen stets Möglichkeiten, um ins Spiel zurückzufinden. Auf der anderen Seite spielte Borussia bei eigenen Angriffen zu selten den letzten Pass in die Spitze. Koller und Ewerthon bewegten sich im Schneckentempo und lösten sich deshalb nicht von ihren Gegenspielern. Bezeichnend für ihre geringe Durchschlagskraft nicht nur Kollers Pfostenschuss, sondern auch Ewerthons Lachnummer, als er nach Evanilson-Vorlage den Ball nicht traf (23.).


    Es überraschte, dass van Marwijk kein Signal mit einer Auswechslung setzte. Erst in der 90. Minute durfte Gambino den brasilianischen Stürmer ablösen, und Jensen leitete mit einem dummen Freistoß gegen Stajner die turbulente Schlussminute ein. "Einige Spieler sind unter ihrem Niveau geblieben", mäkelte Zorc, "ein Punkte aus zwei Heimspielen ist zu wenig." Kein Widerspruch.
    29.08.2004 Von Wilfried Wittke