HAZ: Gute Laune nach dem Überraschungscoup

  • Gute Laune nach dem Überraschungscoup


    Von Jörg Grußendorf


    Hannover. Wie ein Tor die Laune verändern kann. Die Fußballwelt sieht gleich viel freundlicher aus, Angst und Druck sind Selbstvertrauen und Optimismus gewichen. Per Mertesacker hat mit seinem späten Treffer gegen Borussia Dortmund für einen Stimmungsumschwung bei Hannover 96 gesorgt. „Die Anspannung war riesengroß“, beschrieb Trainer Ewald Lienen die Lage vor dem 1:1 des Jungstars gegen die Borussen am Sonntag in der Nachspielzeit, das Tor empfand der Coach dann wie eine „Explosion“.


    Lienen ist lange genug im Geschäft. Er weiß, was auf ihn zugekommen wäre, wenn der Ausgleich nicht gefallen wäre. Das Remis nimmt eine große Last von den „Roten“. Das erste Saisonspiel hatte 96 bereits unglücklich gegen Bayer Leverkusen verloren, nach einer zweiten Niederlage zum Auftakt wäre der Druck vor dem ersten Heimspiel am 12. September gegen den SC Freiburg riesig geworden. Der Mannschaft und besonders dem Trainer hätte der Gegenwind eiskalt ins Gesicht geblasen.


    Dank Mertesacker ist jetzt alles anders. Mannschaft und Trainer brennen geradezu auf das nächste Spiel. Die „Explosion“, wie Lienen den Ausgleich nannte, hat neue Kräfte freigesetzt. Am liebsten wäre es dem Coach, wenn es schon morgen weiterginge. Stattdessen pausiert die Bundesliga, weil am kommenden Wochenende Qualifikationsspiele zur Weltmeisterschaft 2006 auf dem Plan stehen. Lienen hat jetzt diese schwere Aufgabe, fast 14 Tage dafür zu sorgen, dass die Euphorie anhält. „Wir kommen durch die häufigen Unterbrechungen überhaupt nicht richtig in den Rhythmus“, schimpfte der Trainer.


    Aber die Pause ist auch eine Chance: Der 50-Jährige hat fast zwei Wochen Zeit, an den Schwächen zu arbeiten, die seine Mannschaft trotz des Achtungserfolges im Westfalenstadion offenbarte: in erster Linie die geballte Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Tor. Durch die Verletzung von Christoph Dabrowski (Oberschenkelprobleme) war Lienen in Dortmund dazu gezwungen, mit Clint Mathis einen offensiveren Spieler aufzubieten. Doch der Amerikaner war genauso formschwach und blieb ebenso harmlos wie seine Mitspieler. Immerhin tauchte er wenigstens einmal aussichtsreich vor BVB-Torwart Guillaume Warmuz auf. Daniel Stendel und Jiri Stajner gelang dies trotz aufwendigen Laufpensums nicht einmal. Thomas Christiansen, der die letzte halbe Stunde spielen durfte, gelang überhaupt nichts. Der Torjäger früherer Tage kommt mit seiner Reservistenrolle nicht zurecht; und Leandro blieb auch vieles schuldig.


    Torgefahr strahlte auch Ricardo Sousa nicht aus. Allerdings war der Portugiese ein belebendes Element im Spiel der „Roten“, das hob auch Lienen hervor. „Ich bin sehr zufrieden mit seinem Debüt“, sagte er. Der 24-Jährige forderte die Bälle, wagte nach anfänglicher Zurückhaltung auch lange Pässe. Die Diskussionen um seine mäßigen Körperfettwerte steckte er jedenfalls professionell weg. Sousa zeigte in Ansätzen, dass er die Spielmacherrolle ausfüllen kann und dass er das Auge hat, um gefährliche Bälle in die Spitze zu spielen.


    Lienen muss also nur noch Stürmer in seinem Team finden, die solche Pässe auch verwerten. Sich immer nur auf Tore von Defensivspielern zu verlassen – beim 1:2 in Leverkusen hatte Linksverteidiger Michael Tarnat getroffen, jetzt Abwehrchef Mertesacker –, ist ein zu hohes Risiko. Vielleicht findet Lienen bis zum Spiel gegen Freiburg eine Lösung.