• Durch die letzten Tage bin ich geschlittert.


    Ich hab kein Wort gesagt, mich zu diesem und jenem nicht geäußert, weil ich gefangen war von dieser einen Nachricht, die seit Tagen auch mein Leben verändert hat, für den Augenblick oder länger. Robert Enke ist tot. Wie unwirklich.


    Man möchte sofort alle Szenen auf einmal sehen, seine Bälle, die er, wie auch immer, irgendwie in Händen hielt oder um die Stangen lenkte, man möchte mit den Händen vor den Augen erkannt oder unerkannt durch die Straßen wirbeln. Man möchte das auf keinen Fall wahr haben.


    Man möchte nicht mehr hinschauen, zuhören, man will diese Trauer teilen und doch weghören von alldem. Man möchte ins Stadion gehen, man will in die Kirche, man will auf jeden Fall eine Kerze anzünden, vor dem Stadion, zu Hause, man will das Licht ausknipsen. Man möchte keine einzige Rede hören, man möchte Teresa Enke nicht weinen sehen, man will selbst nicht in den Spiegel schauen.


    Man will diese Menschen auf ebay nicht, man will die Trauerstörer nicht erleben, die Kapitalismuskritiker, die noch jedes Ereignis genutzt haben, um ihren trüben Senf niederprasseln zu lassen, man will keinen hören, sehen, der irgendwie Beute machen will mit einem Tod, der soviel verändert - oder nicht. Vielleicht verändert das alles etwas, den Blick aufs Wesentliche, den Blick auf die Menschlichkeit, die sich vor allem in Gesten ausdrückt. Vielleicht verändert sich auch nichts. Doch, wenn ich das alles wahrnehme, was hier geschrieben wird, woran ich die letzten Tage nicht teilnehmen konnte, weil ich nicht konnte, dann verändert sich etwas. Vielleicht auch bei mir. Kein unmittelbar Trauernder, das bin ich, keiner, der sich sofort ausdrücken musste, weil ich einfach sprachlos war.


    Aufrichtige Worte habe ich gehört und mich eingelullt in Stimmungen. Musik gehört, mich nach draußen bewegt, geschaut, den Herbst geschmeckt, der dieses Mal noch trüber geworden ist, als ich ihn sonst erlebt habe. Ich habe geschaut und nichts gesehen, habe nach innen gefühlt, Leere erlebt, Sätze nachklingen lassen, hab sie gefressen, hab zugehört. Und wieder Musik gehört, endlos lang "The Swell Season", manchmal viel davon, "Falling Slowly". Und ich hab auch geweint. Verrückt. So logisch. Mein Torwart ist weg, unser, mein besonderer Mensch aus der Bildfläche ist weg, unser.


    Kein "Robert Enke" mehr beim Aufwärmen rufen, geht doch gar nicht. Kein "Enke, Enke, Enke" mehr, wenn er wieder einen verrückten Ball gehalten hat, ohne Aufhebens, sondern einfach, weil er dafür eben da war, ohne Beißen, Kratzen, Spucken. Weil er den Unterschied gemacht hat, warum weiß ja jeder. Deshalb kommt es auch zu diesen Aufläufen an Menschen, jetzt vielleicht weniger, aber immer weiter, noch ein bisschen, da bin ich sicher. Weil er eben nicht so selbstverliebt war wie die meisten, wie die anderen, weil er anders war, das spürt man eben, das weiß man nach einer Weile.


    Schlimm ist das Leiden der Kinder, diese Traurigkeit, die man selbst und für sich gar nicht mehr als Möglichkeit in Betracht gezogen hat. Es gibt schlimmere Dinge, denkt man, weiß man, irgendwann muss man den eigenen Vater, die eigene Mutter, die Frau vielleicht, sich selbst beerdigen. Aber, das zählt ja jetzt gar nicht, weil man es nicht muss. Nicht jetzt. Und wenn es morgen passiert, muss man sich morgen damit beschäftigen. Nicht jetzt. Jetzt ist eben Platz für diesen Moment, Roberts Moment.


    Man sitzt da und muss es dem Kleinen erklären, der gerade angefangen hat, sich mit Fußball zu beschäftigen, der die ersten Schritte macht, mal nicht weiß, ob er Hamburg oder Braunschweig oder Düsseldorf besser findet als 96, weil er im Kindergarten einen Kumpel hat, dessen einflussreicher Vater eben Fan von einem der Vereine ist, der aber am Ende des Tages immer mit seinem 96-Kissen einschläft, der seine 96-Aufkleber nochmal fest drückt - und der jeden Abend zu seinem Bild an der Wand "Gute Nacht, Robert" sagt. Ein Foto, als er beim Spiel gegen Hertha aus der letzten Saison mit Robert, an Roberts Hand, aufs Spielfeld gelaufen ist, der ihm zum Abschied vom Platz 2x den Kopf gestreichelt hat, gelacht hat - dieses Foto, jeden Tag dieses Foto. Und das muss man nun erklären, dass das jetzt vorbei ist, weil... ja, weil der Robert jetzt im Himmel wohnt. Wie man die immer mal wieder aufflammenden Tränen des Kindes stoppen soll, weiß man dann auch nicht.


    Man verbringt die Woche zusammen, redet immer mal wieder drüber und hört sich die schönen Worte an, dass Robert jetzt Nationaltorwart im Himmel ist - und jetzt da jeden Ball hält, dass er jetzt jeden Tag noch mehr trainieren wird, um mal irgendwann so gut sein zu können wie Robert. Mein Torwart, mein kleiner hier, mein großer da.


    Und dann schaut man doch wieder eine dieser "Nachrichten"-Sendungen an, sieht alles zum drölften Male, hört doch wieder hin, schaut, sieht, aber man hört es vor allem, der Verstand meldet sich, immer dann, wenn der Name "Robert Enke" fällt. Weil man es immer noch nicht glaubt, obwohl doch alles tausendfach dokumentiert ist, weil es doch alles vorm Auge, in Worten und im Kopf abgelaufen ist. Man weiß ja nun auswendig, wo sein Portemonnaie lag, wo er geparkt hat, dass da ein Zug war. Man weiß leider auch, was Teresa Enke gerufen hat, als sie zur Unfallstelle kam. Man möchte diesen Menschen, der das gefilmt hat, sofort... Aber, nein, wir wollen ja jetzt alle bessere Menschen werden.


    "Robert Enke" und das Wort Tod - das gehört jetzt zusammen - und es durchzuckt mich jedes Mal, immer wieder, wenn ich es höre. Weil ich es nicht glaube. Für den Moment. Fast tue ich überrascht, jedes Mal, wenn ich es höre, vorhin wieder, vor dem Ferneseher. Wenn ich es lese auch. Wenn ich dran denke. Ich bin überrascht, jedes Mal. Weil es doch nicht sein kann, dann doch wieder, weil man gerade einen dieser besseren Augenblicke hat.


    DAS KANN DOCH ALLES GAR NICHT WAHR SEIN!


    Ich habe nicht gedacht, dass mich sowas traurig machen könnte, weil ich natürlich niemals davon ausgegangen wäre, dass es passiert. Vollkommene Unmöglichkeit. Und dann eben doch, mit voller Wucht, alles ohne Schranken. Und wie Ihr alle bin ich richtig verwundet, waidwund, nehme an allem teil, bin abgetaucht, komme wieder hoch, falle wieder runter. Ohne physischen Schmerz, nur ein wenig ohnmächtig, dem Leben gegenüber, das ab morgen wieder Höchstleistungen braucht, weil ich mit füttern muss, weil alles wichtig ist, der Aufschwung, die Bildung, das tragende System, die Zusammenhänge, die Gesellschaft, das Miteinander, das nur möglich... Bis dann wieder jemand sagt: "Robert Enke ist tot!"


    Mal sehen, wie lange das andauert. Mal sehen, wann sich alles normalisiert. Wann wieder alles ganz glatt läuft im Leben, wann es ganz normal ist, dass jemand sagt, dass unser Torwart "Florian Fromlowitz" heißt - und wann man das dann auch glaubt, keine Ahnung. Sicher bald, weil er das ja auch verdient, von uns unterstützt zu werden. Aber es wird anders, wahrscheinlich nicht mehr wie mit Robert. Robert Enke.


    Was sagt man zum Schluss? Danke. Fürs Menschsein. Fürs Leben. Fürs Wirken. Fürs Sterben - darin muss ja auch was Gutes liegen. Ich hoffe, dass sich das noch findet, irgendwann.


    Danke Robert! Flieg, sei frei - und finde Deinen Frieden, in einem neuen Glück. Wir kommen bald nach, irgendwann.

  • rosenthal, ein ergreifender kommentar der auch mich emotional umhaut, weil dein bild ein spiegelbild von meinem ist.


    und keine sorge, ob sich irgendwann etwas verändert.


    ES HAT SCHON ANGEFANGEN SICH ZU VERÄNDERN


    und diese veränderungen spüren wir hier ganz stark. den zusammenhalt unter uns, das mitgefühl von uns und anderen, die unterstützung, die motivation, die aufmunterung, "feinde" werden "freunde".


    Dir alles gute

    Einmal editiert, zuletzt von Ratte ()


  • Ratte,
    ich kenn dich zwar nicht, aber hohen Respekt vor deinen Posts!


    Und vieles was du schreibst ist mir näher das was so manche Schlaumeier im Nbg-Forum meinen..
    Hoffe beim Rückspiel oder wenn ihr(hoffentlich-bein unserem Tabellenstand) nä. Saison zu uns kommt, setzen wir uns auf ein Bier zusammen


    In diesem Sinne .. wir bleiben in Verbindung


    und ja, ich hab den ganzen Tag euer "Alte Liebe" im Kopf.. sehr ergreifend

  • danke für deine sehr netten worte. ich drücke euerm "club" die daumen. allein schon wegen dem bierchen. nein, im ernst, alle gute euch im schönen bayern.


  • Selten melde ich mich hier, lese seit Jahren still mit...




    Danke Rosenthal.
    Du hast es geschafft meinen Gefühlen Worte zu geben.

  • @ Aschi - Ja, die Aussagen erscheinen jetzt in einem anderen Licht...
    Gerade das letzte Interview. Mehrmals "ist alles okay, war so abgesprochen, ist okay für mich" bevor der Reporter näher was sagen konnte. Hat schon was von "macht euch keine Vorwürfe."

  • [dass er ausgerechnet den dienstag gewählt hat? vllt weil er ausgerechnet mit einem topspiel abschließen wollte und dann augrund seiner herkunft der familie den feiertag zum tag der deutschen einheit am montag lassen wollte, um dann für sich das zu machen, was er getan habt.


    Super Spekulation. Allerdings war der besagte Feiertag eine woche vorher.


    Was hier mittlerweile abgeht ist unglaublich. Kommt mal wieder auf de nboden der Tatsachen.
    Hier wird sich über geschmacklose eBay-Angebote aufgeregt.
    Wenn die Links hier allerdings nicht gepostet werden kriegen schonmal 200 Leute weniger die Auktion überhaupt mit.
    Zudem: Wie fidnet man eine solche Autkion wenn man nicht vorher selber sucht.
    Suchen um sich künstlich aufzuregen?
    Dann die Gedanken um die freundlichkeit im Stadion. Ich habe hier etwas gelesen wo es darum ging im Stadion nicht mehr zu gröhlen, wenn ein gegnerischer Spieler auf dem Boden liegt, Anti-Gesänge etc.
    Wir können aus dem Stadion auch einen riesengroßen Tennisplatz machen. Davor schreiben wir aber noch gemeinsam ein Buch mit Gerüchten und Spekulationen rund um Enkes tot.
    Bei dem was hier steht kann die BILD ja neidisch werden.


    Um es mit den Worten von Zwanziger zu sagen: Einfach mal innehalten ...
    Das ganze wird so langsam echt unschön und entfernt sich immer mehr von einer wirklichen Trauer. Teilweise wirkt die Trauer schon künstlich erzwungen.


    So musst ma raus.

  • Leute, mal meine Meinung zum Thema "Vermarktung": Diese wird sich eh weder verhindern noch aufhalten lassen, siehe z.B. Michael Jackson, Lady Di... und es gibt nun mal eine Nachfrage, da Menschen sich an Robert Enke erinnern wollen. Ich würde es daher in keiner Weise anstößig finden, wenn "offizielle" Stellen -in Abstimmung mit den Hinterbliebenen- den Verkauf von Enke- Trikots usw. durchführen würden. Das ist 100x mal besser als irgendwelche zusammengeschusterten, unfassbar kitschigen Artikel irgendwelcher Leute, die keinerlei Befugnis haben, so etwas herzustellen oder zu vertreiben, aber es unter der Hand verkaufen, am besten noch mit dubiosen Spendenversprechen, die nie eingehalten werden.

  • Pepe: So sieht das aus. Man muss hier nicht 15 Posts am Tag reinhauen. Versucht doch jetzt auch mal, Eure Trauer richtig zu verarbeiten.


    Und noch etwas: Fußball bleibt Fußball, da wird der Gegner auch weiterhin nicht geliebt und man kann sich auch weiterhin aufregen, wenn ein Spieler augenscheinlich aufreizend langsam über den Platz trabt. Das gehört dazu und das sollte so bleiben. Es war auch die typische Atmosphäre, die Robert Enke am Fußball so geliebt hat. Wenn ihr was ändern wollt, dann hört auf, hier in Internetforen Eure Kritik ins Persönliche abgleiten zu lassen. Man kann eine sportliche Leistung auch kritisieren, ohne einen Spieler zu beleidigen. Aber geht nicht ins Stadion und schmeißt nur noch Wattebällchen.

  • Pepe: So sieht das aus. Man muss hier nicht 15 Posts am Tag reinhauen. Versucht doch jetzt auch mal, Eure Trauer richtig zu verarbeiten.


    Und noch etwas: Fußball bleibt Fußball, da wird der Gegner auch weiterhin nicht geliebt und man kann sich auch weiterhin aufregen, wenn ein Spieler augenscheinlich aufreizend langsam über den Platz trabt. Das gehört dazu und das sollte so bleiben. Es war auch die typische Atmosphäre, die Robert Enke am Fußball so geliebt hat. Wenn ihr was ändern wollt, dann hört auf, hier in Internetforen Eure Kritik ins Persönliche abgleiten zu lassen. Man kann eine sportliche Leistung auch kritisieren, ohne einen Spieler zu beleidigen. Aber geht nicht ins Stadion und schmeißt nur noch Wattebällchen.

    endlich mal jemand der es ausspricht. ich werde mit sicherheit jetzt nicht ein freund von eintracht braunschweig, nur weil sich fünf leute hier gemeldet haben, oder wer auch immer. fußball bleibt fußball, vorher wie nachher. man hat uns zur seite gestanden und das rechne ich allen an egal von welchen verein, aber das war es auch dann, denn jetzt sollte solangsam mal wieder normalität einkehren. ich will niemanden auf die füße treten oder beleidigen, aber einige haben sich ja hier schon benommen, als sei der bruder oder vater gestorben. kommt mal wieder runter und last das thema langsam mal wieder ausklingen und dann wird auch alles gut. jeder geht hier mit seiner trauer anders um und das ist auch gut so, aber bei einigen beiträgen musste man sich ja schon gedanken machen, ob der/die jenige sich nicht auch noch was antut, man sollte jetzt den blick wieder nach vorne richten und wieder anfangen zu leben.