Diskriminierung von "Randgruppen" - was auch immer das ist!

  • utze: Was du meinst, ist sicher Selbstwert und nicht Selbstbewusstsein.
    Ich bin mir ja über meine Stärken und Schwächen bewusst. Mein Selbstbewusstsein ist also ok.
    Nur das mit dem Selbstwert war tatsächlich ein Problem.
    Da ich meinen inzwischen Selbstwert erhöht habe, sprich, ich bin mir jetzt selbst mehr wert, führt das auch dazu, dass ich nicht mehr alles mit mir machen lasse. ... und genau das strahle ich inzwischen auch aus.


    [Selbstwert und Selbstbewusstsein wird ja häufig in einen Topf geworfen bzw. vertauscht]

  • Utze, mag sein, dass du dich dagegen gestellt hättest, aber vielleicht auch nicht. Die, den Jungen gemobbt haben, waren meine Freunde und eben auch ich. Uns hatte keiner gesagt, dass das falsch war. Bei der Aktion mit den Bengalos gab es zum Beispiel nur einen Tadel wegen der mitgebrachten Feuerwerkskörper, aber nicht, weil wir damit einen Mitschüler eingeräuchert hatten. Die Eltern und die Lehrer hatten weggeschaut, die Mitschüler, die es besser wussten, auch. Mit 15 habe ich sicherlich anders darüber gedacht. Als 7-8. Klässler sicherlich nicht. Wobei mir der Typ sogar schon egal war, als ich sitzenblieb und nicht mehr in seiner Klasse war.


    In solchen Fällen ist es die Verantwortung der Erwachsenen einzugreifen. Das hatte keiner getan, deshalb bezweifele ich auch, dass Leute, die heute behaupten, dass sie sich dagegen gewehrt hätten, es getan hätten. Mit 13-14 sind eben Gewalt und Gruppendynamik ganz faszinierend.

  • Dass die Lehrer weggeschaut haben(wobei ich nicht unterstellen kann, dass das absichtlich war), hat mich auch schon gestört, ohne dass ich mobbingopfer war, nur ein paar Vorbedingungen erfüllte(kleinster, scheisse aussehen, gerne lesen), also nur ein paar ungemütliche momente an Bushaltestelle oder Freistunden erlebte.
    Wobei ich allerdings im Unterschied zu der verlinkten Geschichte im leserbrief(von der ich auch glaube, dass sie konstruiert ist), das Dorf als heilsame Stätte der guten momente erlebte, da kannte mich ja schliesslich jeder der anderen von klein an und jeder hat jeden mit seinen Macken akzeptiert .
    Dieses 2000 Schüler -Schulzentrum war der Moloch, der Angst machte, keine Schutz- und Rückzugsmöglichkeiten bot und viele regel- und kontrollfreie Räume aufwies. In kleinen Einheiten ist normalerweise Kontroll- und Regeldichte höher.
    Egal, ob Dorf oder Stadt in Bezug auf die Geschichte ist wichtig, dass der Einzeln e sowas wie Ausgleichs oder Kompensationsmöglichkeiten hat. Zuhause, Verein, Freunde, irgendwas.. Wenns in allen Breichen des lebens nicht einen Lichtblick gibt, kippt die person irgendwann um, ob Amoklauf oder etwas anderes.

    2 Mal editiert, zuletzt von Welfenprinz ()

  • Hab den Beitrag nur überflogen, aber bin wie beim Hildesheimer an diesem Satz hängen geblieben.

    Das ist auch mein Gefühl, wenn ich heute sehe, was aus denen geworden ist, die damals zu den "Starken" zählten.

  • Was jedoch an der Heirat innerhalb der Dorfgemeinschaft so erbärmlich sein soll, verstehe ich nicht ganz. Kann man mit so einer Heirat sein Leben nicht in vollen Zügen genießen?


    BTW: Ich habe gerade eben wieder so einen Anruf von einer gluckenhaften Mutter bekommen. Wie die ihren Kleinen unter Druck setzt und sich dann wegen einer Vier aufregt, ist es fast unumgänglich, dass ihr Sohn zum Sonderling wird. Der Junge hat Angst Fehler zu machen und verschließt sich dann lieber gleich. Es ist mir bei der Frau nicht gelungen, ihr klarzumachen, dass eine Vier in der 4. Klasse nicht das Ende aller Englischkenntnisse ist, sondern eben nur keine gute Note. Das geht dem Jungen wahrscheinlich permanent so, deswegen isoliert er sich vom Rest der Klasse. Immerhin machen die anderen keine Probleme.

  • 1. Schlimmer Proll

    Bei der Aktion mit den Bengalos gab es zum Beispiel nur einen Tadel wegen der mitgebrachten Feuerwerkskörper, aber nicht, weil wir damit einen Mitschüler eingeräuchert hatten.


    2. Gefährlicher Bub

    Wir haben damals unseren "Klassenidioten" auch schlimm gemobbt. Wenn ich zurückblicke, waren einige Sachen sogar richtig gefährlich, wie zum Beispiel haben wir ihn in einem Pappkarton die Treppe runtergeschubst


    3. Dummer Sitzenbleiber

    Zitat


    Klässler sicherlich nicht. Wobei mir der Typ sogar schon egal war, als ich sitzenblieb und nicht mehr in seiner Klasse war.


    Bist schon ein Typ. Hast dich aber scheinbar zum Positiven entwickelt. Herlichen Glückwunsch :trösten:

  • Moment, ich finde es absolut ehrlich und habe Respekt davor, wenn jemand seinen Standpunkt vertritt und seine damaligen Fehler eingesehen hat und es jetzt vielleicht sogar bereut.
    Es tut mir aber aufrichtig leid, dass ich damals auf den Zug nicht aufgesprungen bin. Aber scheinbar ist es hier jetzt uncool damals nicht gemobbt zu haben? Ich habe mit 15 lieber Tüten gekifft und nach Bad Religion die Halfpipe geschrottet. Tut mir wirklich leid. :grübel:

  • Och utze....Nun stell dich mal nicht blöder als Du bist.


    Wieso eigentlich 15? Mit 15 wird, und das vermute ich ins Blaue hinein, Florian auch keiner mehr aus der Mobbertruppe gewesen sein.
    Ich kenne das Phänomen aus der Zeit, als ich 5./6. Klasse war, also mit 10 oder 11. Und natürlich gab es da die in der Klasse, die ausgelacht und 'gemobbt' wurden. Auch von mir, und auch von den meisten anderen der Klasse.
    Die emotionale und soziale Intelligenz, sich dafür zu schämen und es sein zu lassen, kam bei mir erst danach in Schwung. Zeitpunkt war der, an dem einer der 'Unterdrückten' die Schule wechselte und man darüber nachdachte, dass das eigene Verhalten Mitschuld daran hatte.

  • In dem Alter haben wir in der schule Poker um Pfennige gespielt und geschangelt. Klar, es gab in jeder Klasse Mobbingopfer - das streite ich nicht ab. Ich bin auf den Zug nicht aufgesprungen und hatte wirklich wichtigeres zu tun.
    Warum fühle ich mich hier jetzt schlecht deswegen?


    PS: Florian und ich waren 15 in der 6. Klasse..... :rofl:

  • Keine Ahnung, gibt auch keinen Grund dafür in meinen Augen, utze.
    Ich kann mich nur an meine Kindheit erinnern. Und ich habe von zuhause ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und Empathievermögen mitbekommen.
    Allerdings konnte ich mich der Dynamik nicht entziehen, die die Meinungsführer, zu denen ich nicht gehörte, entwickelten.


    Wir waren damals frisch in das Kaff gezogen, und die anderen Jungs kannten sich schon ewig.


    Wie ich oben schrieb komme ich aus einem in dieser Beziehung gesunden Elternhaus, in dem Mitgefühl und Emotionalität vermittelt wurden, und so war es logisch, dass ich diesen Zug auch wieder verlassen habe.

  • Alles gut, das ging eher an Welfenprinz.


    Ich fühle mich momentan schlecht, weil ich früher scheinbar anders drauf war. Der Gruppenzwang entwickelte sich wohl später. Kiffen war cool und das musste man dann machen. Sachbeschädigung war cool oder leuten auf den Fussabtreter kacken, eine Zeitung drüber und anzünden, klingeln und dann weg laufen...das war cool. Andere Menschen haben wir/ich in Ruhe gelassen. Und das scheint nicht normal zu sein ;) Ich verurteile dieses Gemobbe auch nicht - Kinder können grausam sein.

  • Du liest Dinge, die da nicht stehen. :nein:


    //edit:
    Siehste, ich bin dem Gruppenzwang entwichen, als Du offensichtlich dazugestossen bist. :D Die ganze Sauferei und Kifferei habe ich nicht mitgemacht.

  • Man kann also konstatieren, daß hier mittlerweile alle "gute" Menschen sind. Der Eine früher - ein anderer später, einer schon immer - der nächste gerade mal jetzt. Bei den meisten sind es wohl Erlebnisse/Ereignisse, die dazu geführt haben, Werte und den eigenen Charakter zu entwickeln.


    Zwei Dinge habe ich für mich aus den verschiedensten Amokläufen und den anschließenden, öffentlichen und privaten Diskussionen mitgenommen.
    1. Keine Handlungen ignorieren, die meine Werte drastisch verletzen.
    2. Meinem eigenen Kind immer den Zugang zu mir offen zu halten.


    Ersteres nicht nur für mein eigenes "gutes Gewissen" sondern insbesondere der Außenwirkung wegen.
    Letzteres ist manchmal gar nicht so einfach durchzuhalten - für mich aber die Prämisse elternlichen Handlungsvermögens und -spielraums.

    • Offizieller Beitrag

    Es ist übrigens - um auch mal die andere Seite zu beleuchten - unheimlich schwierig als - hm - Verantwortlicher dem Mobbing zu begegnen.


    Ich hatte das vor vielen Jahren einmal, als ich noch ein kleiner Vorgesetzter beim Bund war (Uffz, Anfang der 90er): Einer der Soldaten wurde extremst gemobbt und ich stand da und wusste nicht, was ich tun sollte. Mein Vorgesetzter meinte nur, ich solle mich selbst darum kümmern.
    Gewähren lassen kam nicht in Frage, soweit war das klar. Dazwischen hauen erschien mir schwierig. Ich war nicht in der Position, dafür zu sorgen, dass die Leute getrennt werden würden (also der eine oder andere versetzt wird) und war der Meinung, dass ein autoritäres Einschreiten nur für noch mehr Probleme auf Seiten des gemobbten gesorgt hätte. So suchte ich das klärende, auf Einsicht setzende Gespräch mit den Mobbern. Das schien auch gewirkt zu haben. Dachte ich. Das ging jedoch in Wirklichkeit so weiter, nur eben heimlicher. Der gemobbte sagte auch auf Nachfrage nichts davon (hatte wohl Angst) und es dauerte Monate! bis ich merkte, dass ich nichts bewirkt hatte.
    Im Nachhinein habe ich mir oft den Vorwurf gemacht, hier versagt zu haben. Aber es war ja auch so schön einfach: Es herrschte endlich Ruhe (so stellte sich mir das jedenfalls damals dar) und der Typ war ja auch wirklich seltsam, weshalb ich nicht merkte, dass er immer noch leidet, außerdem waren die Mobber mit die leistungsfähigen im Zug.
    Später dann bin ich dem Mobbing-Problem stets ganz anders entgegengetreten. Allerdings wurde es für mich auch leichter, da ich inzwischen in der Hierarchie weiter oben angesiedelt war und selbst auch wirksame Maßnahmen ergreifen konnte.
    Eine davon war, dass ich meinen Leuten niemals sagte, dass sie "selbst damit fertig werden" sollten, sondern mich direkt mit aller Autorität an die Mobber wandte und sehr deutlich machte, was ich davon halte, bzw. Strafen androhte. Die Nummer mit der "Einsicht" habe ich dieser Causa nicht mehr angewandt - das bringt bei solchen Leuten nichts.
    Gut - sowas ist im zivilen Bereich natürlich nicht ganz so einfach ;)


    Ach ja: Nicht, dass das einer missversteht! Das kam nun nicht ständig vor, aber natürlich durchaus regelmäßig.

  • Ich packe es mal hier rein. Hat auf jeden Fall für einen Flashback gesorgt.


    Mich hat gerade die Mutter von dem vor 2 Wochen verunglückten Jungen angerufen. (18 jähriger läuft besoffen durch einen U-Bahntunnel und wird von einer Bahn erfasst)


    Die Mutter hat die Nummer von einer Selbsthilfegruppe für Amputierte und hat mich gefragt, ob ich mit ihr reden mag.
    Sie wollte alles über meinen Unfall wissen und wie das Leben nach so einem Unfall weitergehen kann.


    Ihrem Felix wurde gestern noch ein Oberschenkel amputiert. Somit ist er jetzt Unter- und Oberschenkelamputiert und die Familie ist sehr am Boden.
    Felix geht es soweit ganz gut und kommt mit der Situation momentan wohl relativ gut klar.


    Sa. fahre ich ins Krankenhaus und werde ihm mal zeigen, was mit heutiger Technik läuferisch möglich ist und was er noch an Sport treiben kann.
    Er hat bei Eintracht Braunschweig gespielt und war kurz vor dem Sprung zu den Profis. (Braunschweig - ja, bei solch einem Thema kann man rivalität sehr leicht vergessen)
    Ich habe sofort Felix L. gegoogelt und dachte mir nur, der kann Aufmunterung gebrauchen.
    Prothesen Zeigen, meine Story erzählen und nebenbei vielleicht noch Sledgehockey zeigen. Ich bin mir sicher, dass er wieder Sport treiben wird. Er kann wohl ohne Sport auch nicht.


    Das kam mir alles sehr bekannt vor und ich hatte meinen Unfall wieder komplett vor Augen. Gänsehaut und Schweißausbrüche waren die Folge.


    Ich freu mich drauf ins KKH zu fahren und mit ihm zu reden! Die Mutter war auf jeden Fall sehr glücklich meine Story zu hören und ich konnte ihr sehr viel Mut machen.


    Er lebt ja schließlich noch!


    Wollte das mal aus mir raus lassen. Das Thema ist vielleicht etwas gefehlt - wusste nicht wohin damit.


    Auf geht´s - einen Braunschweiger auf den richtigen Weg bringen.

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