Martin Kind


  • Das wäre zu wünschen, ist aber leider unrealistisch. Das Kartellamt ist eben keine neutrale Schiedsstelle, deren Aufgabe es ist, ein möglichst salomonisches Urteil zu treffen, dass möglichst niemanden Schmerzen verursacht und am wenigsten Reibung produziert.


    Das Kartellamt ist die Hüterin des freien Wettbewerbs und wenn es die 50+1 Regel mit den bestehenden Förderausnahmen als wettbewerbsverzerrend ansieht - und genau das hat es bereits in seiner vorläufigen Einschätzung klar und deutlich getan - dann hat es sich mit dieser Stellungnahme schon selbst den Ermessensspielraum genommen, um noch zu einen solchen Urteil kommen zu können.


    Es gibt nach dem aktuellen Stand des Verfahrens praktisch nur noch zwei Lösungsalternativen: Streichung der 50+1 Regel aus den DFL-Statuten oder eine Modifikation der 50+1 Regel dahingehend, dass der wettbewerbsverzerrende Faktor entfällt. Beide Alternativen haben jedoch ein Ende der 50+1 Regel in ihrer bisherigen Form zur Folge.


    Die DFL hat sich - und uns - diesen Mist selbst eingebrockt, als sie damals ohne jede Not die “Lex Leverkusen” eingeführt und damit die erste Förderausnahme begründet hatte. Nun kann sie die erteilten Förderausnahmen - wie Rossi1896 wohl völlig richtig erläutert hat - aus eigenem Recht nicht mehr streichen.

    Einmal editiert, zuletzt von Winsley555 ()

  • Das könnte man durch einen Wechsel der Gesellschaftsform in eine KGaA lösen, wo der Mutterverein die Komplementäranteile hält und bis zu 100 % der Kommanditanteile im Streubesitz sind (Beispiel BVB, 96).

  • Ich bleibe auch bei der (juristisch laienhaften) Auffassung, dass die Aussagen des Kartellamts alles andere als ein Appell für 50+1 (in der aktuellen Form) sind. Dem Kartellamt steht es gar nicht zu, irgendwas "gut" zu finden. Es hat lediglich festgestellt, dass eine funktionierende 50+1-Regel kartellrechtlich wirksam sein könnte. Nur gibt es keine aus Sicht des Kartellamts funktionierende 50+1-Regel.

    Und damit befinden wir uns auf sehr wackeligem Untergrund.

  • Die subjektiven Ausführungen des Foristen Winsley555 werden nicht dadurch richtig, weil er sie wiederholt.

    Vielleicht habe ich auch dadurch einen anderen Zugang zu solchen Äußerungen des Kartellamts, weil ich beruflich seit mehr als 10 Jahren in der Energiebranche und dort vor allem mit der Energiepolitik zu tun habe. Anders als im Fußball äußert sich das Kartellamt im Bereich des Energierechts fast monatlich zu irgendwelchen Themen. Wenn ich mal ein pauschalisertes Beispiel nennen sollte: seit mehr als 10 Jahren veröffentlicht das Kartellamt Einschätzungen zum EEG und z.B. zum Thema, wie der Gesetzgeber im Rahmen des EEG die Umlage bzw. Ausnahmen davon regelt. Gleiches gilt für das Thema Netzentgelte und Befreiungen von derselben.
    Nach der Logik eines Winsley555 hätte demnach das EEG oder die Netzentgelte schon längst abgeschafft werden müssen.
    Und was ist heute: es gibt immer noch das EEG, und es gibt immer noch Netzentgelte, und es gibt immer wieder neue Befreiungen davon.
    Aber natürlich gibt es auch eine Reaktion des Gesetzgebers, wenn das Kartellamt einzelne Tatbestände moniert. Was es aber eben nicht gab: eine Abschaffung des EEG oder z.B. der Netzentgelte, nur weil einzelne Ausnahmeregelungen aus Sicht des Kartellamts gegen das Wettbewerbsrecht verstießen.


    Ein Jurist, der einen der Beigeladenen im 50+1 Prozeß vertritt, meinte diese Woche im Gespräch mit mir, für die Befürworter von 50+1 sei die Aussage des Kartellamts ein in dieser Eindeutigkeit nicht erwartbarer Erfolg.
    Und wenn das Kartellamt die bereits angewandte Ausnahme für Wolfsburg, Hoffenheim und Leverkusen als zentral ansehen würde, hätte das Kartellamt dies auch entsprechend formuliert. In dem Fall hätte das Kartellamt seine Meinung aber auch anhand von Beispielen einer sportlichen (!) Wettbewerbsverzerrung begründet, weil das Kartellamt u.a. auf das sportliche abgezielt hätte. Hat es aber nicht getan, weil eben die drei bestehenden Ausnahmen in den letzten 20 Jahren nicht zu einer sportlichen Wettbewerbeverzerrung geführt haben, die den kompletten Wettbewerb in der 1. Bundesliga ausgehebelt hätten. Aber das Kartellamt warnt eben ausdrücklich davor, daß weiterführende Ausnahmen genau zu dieser Wettbewerbverzerrung führen könnten.

    Und was Winsley555 beharrlich leugnet, ist der bereits von mir einmal dargelegte Ausgangspunkt der jetzigen Aussage des Kartellamts: es waren die Kritiker/Gegner, die pauschalisiert behauptet haben, die 50+1 verstoße gegen Wettbewerbsrecht und sei deswegen juristisch nicht haltbar, wenn nur mal jemand dagegen klagen würde.


    Das wurde nun vom Kartellamt eindeutig verneint.

    Das andererseits die bereits gewährten Ausnahmen gegen der eigentlichen 50+1 Regelung zuwiderlaufen, war und ist allen mit dem Prozeß näher befaßten stets klar gewesen. Das ist also keinerlei Überraschung.
    Da stimme ich auch mit Winsley555 überein, daß sich die DFL all die Jahre weggeduckt hat, die bestehende Öffnungsklausel, die ja auch erst das ganze Theater mit Kind ermöglicht hat, wieder zu schließen.
    Übrigens gab es durchaus Vorstöße von z.B. Rettig, diese Ausnahmeregelung abzuschaffen. Aber die DFL Juristen haben das immer abgeblockt mit dem Hinweis, dann (!) würde man Klagen z.B. von Kind u.a. provozieren, die bisher durch die Ausnahmeregelung "ruhig gestellt wurden". Die DFL Hausjuristen schätzten die eigene Position gegenüber dem Kartellamt eben (von welchen Motiven auch immer geleitet) als defensiv ein.

    Dieses Argument für eine derartige Zurückhaltung hat das Kartellamt nun vom Tisch gefegt.


    Im übrigen hat die DFL bzw. die 36 Klubvertreter noch eine Vielzahl anderer Instrumente, mit Beibehaltung von 50+1 UND der Beibehaltung der bestehenden Ausnahmeregelungen gleiches Wettbewerbsrecht herzustellen. Stichwort financial fairplay.

    Entscheidend wird sein, daß die bisherigen aktiven Befürworter von 50+1 innerhalb der Bundesligisten nun auf eine konsequente Linie der DFL drängen, d.h. eben Beibehaltung von 50+1 bei gleichzeitiger Abschaffung der Öffenungsklausel.


    Ob man sich dann auch noch an die Anpassung des Ausnahmestatus für Hoffenheim, Leverkusen und Wolfsburg machen will: ich glaube nicht. Auf der Funktionärsebene hat man mit den 3 Klubs weniger ein Problem als innerhalb der Fanszene.
    Ich könnte mir aber auch durchaus vorstellen, daß alle 3 eigene Vorschläge machen werden.

  • Das könnte man durch einen Wechsel der Gesellschaftsform in eine KGaA lösen, wo der Mutterverein die Komplementäranteile hält und bis zu 100 % der Kommanditanteile im Streubesitz sind (Beispiel BVB, 96).


    Rein technisch betrachtet ließe sich das Problem zweifellos so lösen.


    Dies war auch mein erster Gedanke, als ich die vorläufige Einschätzung des Kartellamts gelesen hatte. Dieser Lösungsweg würde allerdings voraussetzen, dass die DFL eine rechtliche Handhabe besäße, um die drei Förderausnahmen notfalls dazu zwingen zu können, eine Änderung der Gesellschaftsform zu beschließen, gleichzeitig ihre ehemaligen Muttervereine wieder in ihr neues Gesellschaftskonstrukt zu implementieren und ihnen das Bestimmungsrecht zu übertragen.


    Aber Du selbst warst es, der mir genau diese Hoffnung genommen hat.


    Dein hellsichtiger Hinweis auf den legalen Erwerb der Förderausnahmen und den daraus resultierenden Bestandsschutz hat mir schlagartig klar gemacht, dass die DFL die Förderausnahmen nicht aus eigenem Recht wieder abschaffen kann.


    Und freiwillig werden sich die drei Fußballkonzerne nicht dazu bereit erklären.

    3 Mal editiert, zuletzt von Winsley555 ()

  • Wo steht denn geschrieben, dass die drei Bestandsschutz haben? Ich wüsste nicht wo!


    Und das Instrument, das die DFL hat um die rechtlichen Bedingungen anzupassen, heißt Lizenzsierungsverfahren und -auflagen. Wer die nicht erfüllt, bekommt die Lizenz nicht und ist damit außen vor.

  • Die 3 Ausnahmen haben sich an die Regeln gehalten, deshalb haben Sie Bestandsschutz. Die 4. Ausnahme (Brauseklub) kann ich nicht beurteilen, da fehlt mir das Detailwissen.

  • Wenn die Regeln aber neu gefasst werden, müssen sich aber trotzdem alle dran halten. Nur weil ich mich bislang an alle Regeln gehalten habe heißt das ja nicht, dass für mich diese Regeln auf immer und ewig weiter gelten und ich mich nicht an etwaige Neuregelungen halten müsste. Gesetze werden schließlich auch ständig geändert und wir Bürger müssen uns dran halten. Das wäre ja noch schöner, wenn wir uns da einfach auf Bestandsschutz berufen könnten nur weil wir uns bislang an alle Gesetze gehalten haben.


    Bezüglich RB: Die sind formal als ausgegliederter e.V. geführt und damit fein raus aus der Nummer.

  • Die 3 Ausnahmen haben sich an die Regeln gehalten, deshalb haben Sie Bestandsschutz. Die 4. Ausnahme (Brauseklub) kann ich nicht beurteilen, da fehlt mir das Detailwissen.

    Ich wäre stets etwas zurückhaltend mit solch absoluten Aussagen, vor allem in Bezug auf Begriffe wie "Bestandsschutz".
    "Bestandsschutz" haben dann auch alle Lizenznehmer, die sich seit XY Jahren an genau die 50+1 Regel halten, und damit auch erstreckt sich der Bestandsschutz auch auf das Wettbewerbsumfeld unter Einbezug von 50+1.
    Und nun?

    Um es klar zu sagen:
    Die DFL ist die Organisation der Lizenznehmer der ersten beiden Ligen.
    Natürlich kann die Mehrheit der Lizenznehmer also Änderungen von Regeln herbeiführen, die in ihrem Einflußbereich liegen. Ob dann nachher wieder einzelne betroffene Lizenznehmer gegen Änderungen klagen, wenn sie der Meinung sind, diese berührten andere Grundrechte außerhalb der Regelbarkeit der DFL, steht auf einem anderen Blatt (das war ja bisher stets die Drohung von Kind und Co.).
    Natürlich aber besteht ein grundsätzlicher Konsens, daß sich alle Lizenznehmer darauf verlassen können müssen, daß das eigentliche Geschäftsumfeld nicht abrupten Änderungen unterliegt. Da wiederum grundsätzlich alle Lizenznehmer das Geschäftsfeld für sich ähnlich definieren, bildet die DFL als Gemeinschaft eine verläßliche Basis (was ja auch gerne betont wird). Nur z.B. mal kurz unterbrochen bei der wiederkehrenden Diskussion z.B. über die Verteilung der TV-Gelder, aber auch die Diskussion verläuft gemessen an den Summen, um die es da geht, nun erstaunlich (für mich) zurückhaltend. Oder eben die "50+1 Diskussion", die ich aber in Relation zum Thema "TV-Geld Verteilungsschlüssel" als nachrangig wahrnehme.

    Aber gerade durch das Lizenzierungsverfahren steht natürlich der DFL (und der Mehrheit der Lizenznehmer) ein durchaus mächtiges Instrument zur Verfügung, um operativ auch durchaus kurzfristig einzugreifen (siehe Corona > Anpassung der Vorgaben zur Erlangung der Lizenz).

  • Vielleicht könnte er nebenbei noch Schickis Aufgaben übernehmen.


    Bei einem Verhalten gegenüber der Richterin/dem Richter wie bei Lars Beike anlässlich der Schäfer-PK wäre ich dann aber gerne live dabei.