Wem gehört Hannover 96?

  • Guten Tag allerseits,
    irgendwie bin ich von der komplizierten Vereinsstruktur etwas verwirrt, es gibt wohl den Verein Hannover 96 und dann eine KgaA und dann die Sales &Services GmbH und dann noch haufenweise Gesellschafter - u.a. Martin Kind und Carsten Maschmeyer - die irgendwas kontrollieren. Aber wem gehört nun der Verein? Es scheint ja mittlerweile wie bei einigen englischen Vereinen (ManU und Chelsea) zu sein, das der Verein effektiv im Privatbesitz ist, eigentlich also auch kein Verein mehr ist. Weiß jemand genaueres darüber?
    Für mich gehört ein Verein den Mitgliedern als ein eigentlich demokratisches System und mich erschreckt Privatbesitz ein bißchen - was passiert u.a. mit den Einnahmen, den Gewinnen? Bei einem Verein geht es zurück in den Verein, bei Privatbesitz geht es an den Eigentümer - die Glazer-Familie bei ManU zum Beispiel. Wer Interesse an ein paar erschreckenden Entwicklungen in England hat, die ich in Hannover auf keinen Fall sehen will: [URL=http://football.guardian.co.uk/comment/story/0,9753,1551650,00.html]Guardian[/URL]

  • Wie Du schon geschrieben hast, gibt es mehrere "Institutionen" von Hannover 96:
    > Hannover 96 e.V.
    > Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG
    > Hannover 96 Management GmbH
    > Hannover 96 KGaA


    Der Verein (Hannover 96 e.V.) gehört quasi den Mitgliedern; ihm gehört jedoch nicht die Profi-Mannschaft, die Oberliga-Mannschaft und m.E. auch nicht die A- und B-Jugend an. Diese Mannschaften sind in die KGaA ausgegliedert. Als Grund ist die Professionalisierung und die Möglichkeit der Gewinnerzielung (Profitorientierung) zu nennen. Alle Marketingrechte gehören der "Sales & Service". Diese hat dem Verein die Rechte abgekauft (als der Verein kurz vor der Insolvenz stand).


    Ich hoffe, ich habe "ein wenig" den Sachverhalt erklärt und, dass alles korrekt ist ?!?

  • Vielen Dank für die Erläuterung, was mich wirklich interessieren würde ist, was mit den Profiten passieren soll? Es gibt vielleicht ein paar Privatleute, die sich einen Verein quasi als Hobby halten (G. Roth würde mir da einfalllen ...), aber die meisten werden doch sicherlich nach einer Investitionsphase versuchen wollen Geld damit zu verdienen.
    Wird man nun Mitglied von 96 hat man also keinerlei Mitspracherecht mehr was zum Beispiel Präsidenten betrifft?
    Letztlich sind es also sechs bis sieben Leute und Unternehmen, die den Verein kontrollieren und theoretisch auch an andere Interessenten weiterverkaufen könnten?

  • Es gibt
    [list=1]
    [*]Den Verein Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V. Dieser unterliegt dem Vereinsrecht und hat eine Satzung, aus der hervorgeht, wie Vorstände etc. gewählt werden.
    [*]Die (ausgegliederte) Profiabteilung Hannover 96 GmbH & Co. KGaA. Dies ist, wie der Name schon sagt, eine "GmbH & Co. KGaA" (Wenn ich das recht verstehe, also eine Mischform aus GmbH und Kommanditgesellschaft auf Aktien. Vielleicht kann das jemand mit Ahnung aufklären.) Ob hier Aktien draußen sind und wem diese GmbH & Co. KGaA (anteilsmäßig) gehört, weiß ich nicht.
    [*]Die Hannover 96 Sales & Services GmbH & Co. KGaA, hier stand zu den Besitzverhältnissen bei der Ankündigung des Kind-Rücktritts einiges in den Medien. Es sind wohl sieben Gesellschafter, wobei der Löwenanteil von Kind und Maschmeyer gehalten wird, einige lokale Unternehmen sind ebenfalls beteiligt. (Gilde, Madsack, Hitradio Antenne.)
    [*]Die Arena-KG (?), der wohl die AWD-Arena gehört.
    [/list=1]


    Etwas Licht auf die Machtverhältnisse dieser Körperschaften wirft dieser HAZ-Artikel:


    "Viel wichtiger für das Wirtschaftsunternehmen Hannover 96 ist jedoch die Geschäftsführung der Sales&Service GmbH und Co. KG, und hier übt kein Aufsichtsrat eine Kontrolle aus. In dieser Vermarktungsgesellschaft wird das Kapital der Gesellschafter gebündelt, insgesamt zehn Millionen Euro. Sales&Service ist alleiniger Anteilseigner der Stadiongesellschaft (Geschäftsführung: Karl-Heinz Vehling, Ralf Schnitzmeier) und Mehrheitseigner der KGaA. Wer Sales&Service führt, ist für das Gesamtgebilde 96 wirtschaftlich verantwortlich. Dieser starke Mann wird nun gesucht; weil bei 96 künftig auf allen Führungsebenen das Vier-Augen-Prinzip gilt, wird ihm aber eine zweite gleichberechtigte Person zur Seite gestellt. Im Gespräch ist Vehling; ohne ihn liefe dann bei den „Roten“ kein Geschäft mehr." (Quelle)


    Ebenfalls aufschlußreich:


    "Die Sitzung hatte auch einen Verlierer. Jedenfalls war die Stimmung nicht davon geprägt, den Rechtsanwalt Uwe Krause als Nachfolger von Kind zum Vorstandsvorsitzenden des Gesamtvereins mitzutragen. Krause hatte sich mit einer öffentlichen Äußerung ins Abseits gestellt, wonach er behauptete, der Deutsche Fußball-Bund stärke mit einer Vorschrift den Einfluss von Vereinen auf ihre Profifirmen, „damit sich nicht irgendwelche reichen Leute einen Verein unter den Nagel reißen können“. Kinds Nachfolger für den Vereinsvorstand wird nicht gewählt, sondern am 24. August vom Aufsichtsrat bestimmt." (Quelle)


    Das sind erstmal nur die Infos, die hier im Forum im Zusammenhang mit der Ankündigung des Kind-Rücktritts zu lesen waren. Korrekturen und Ergänzungen willkommen.

  • Wie schon erwähnt, musst Du hier unterscheiden zwischen dem Verein (HSV von 1896 e.V.) und der Profielf von 96, die zur KGaA gehört... beim Verein haben selbstverständlich letzlich die Mitglieder das Sagen... nutzt aber nix in Bezug auf "die Roten" ... ;)

  • Exakt. Aber als Fan von den Roten möchte man als Mitglied natürlich Einfluss nehmen auf den Verein, was mir aber effektiv unmöglich ist, da die Roten aus dem Verein ausgegliedert sind.
    Ich sehe, wie diese Konstruktion und das Zuschiessen von Privatgeldern vermutlich in den Neunzigern die Insolvenz des Vereins bzw. der Roten verhindert hat, frage mich aber was für Nachteile dadurch erkauft wurden. Ein Verein, eine Fußballmannschaft sollte für mich - vielleicht ein bißchen idealistisch - kein Unternehmen mit dem Zwecke der Gewinnmaximierung sein. Ansonsten wird die - nahezu religiöse - Hinwendung der Fans von Seiten des Vereins ausgenutzt um Kohle zu scheffeln. Wie der Guardian so schön schreibt: "Fans sind Idioten" und so wird das wohl auch von den Vereinen gesehen.

  • Zitat

    Original von H-Town Rocker
    Aber als Fan von den Roten möchte man als Mitglied natürlich Einfluss nehmen auf den Verein, was mir aber effektiv unmöglich ist, da die Roten aus dem Verein ausgegliedert sind.


    Auf den Verein kannst du als Vereinsmitglied natürlich Einfluß nehmen! Du kannst aber keinen besonderen Einfluß auf die Bundesligamannschaft nehmen und genau das ist gewollt. Die Bundesligamannschaft gehört nämlich nach Ansicht vieler in die Hände von Profis und nicht in die von Mehrheiten auf der Mitgliederversammlung des e.V.


    Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang noch, dass die Mehrheit an den Kapitalgesellschaften in der DFL beim jeweiligen e.V. liegen muss. Ausnahmen sind meines erachtens lediglich Bayer Leverkusens BuLi-Mannschaft (100-prozentige Bayer-Tochter) und die BuLi-Mannschaft des VfL Wolfsburg (90-prozentige (?) VW-Tochter).


    Somit hat der Verein schon einen Einfluß auf die Hannover 96 GmbH & Co. KgaA. 96 hat halt nur noch den Trick mit der ergänzenden S&S gewählt auf die der e.V. meines Erachtens nach keinen Einfluß hat.

  • Natürlich soll das operative Geschäft von Profis geleitet werden, daran möchte ich gar nicht rütteln. Meine Sorge rührt eher vom Beispiel England, wo ein Verein von einer Privatperson (Roman Abramowitsch) oder einer Investmentgesellschaft (Glazer) besitzt werden. Deren Ziele dürften häufig nicht deckungsgleich mit den Wünschen und Zielen der Fans sein, denen der Verein nunmal auf andere Weise am Herzen liegt. Wem der Verein gehört, darauf hat der Fan oder auch das Mitglied auf einmal keinen Einfluss mehr - Chelsea-Fans können nicht mehr beeinflussen, dass der Verein an einen indonesischen Tycoon geht, der dann (okay, konstruiert) den Verein nach Japan verschifft, wo er einen höheren Gewinn generieren kann. Wollen wir im Fußball eine Situation wie im Eishockey (München -> Hamburg)?

  • Ich dachte eigentlich immer, dass Vereine Steuervorteile gegenüber Unternehmen haben, irre ich mich da? Würde mir viel weiterhelfen, wenn sich hier mal ein Fachmann melden würde! Denn wieviel bringt es wirklich, aus einem Verein ein Unternehmen zu machen??

  • Zitat

    Original von Darko Pancev


    Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang noch, dass die Mehrheit an den Kapitalgesellschaften in der DFL beim jeweiligen e.V. liegen muss. Ausnahmen sind meines erachtens lediglich Bayer Leverkusens BuLi-Mannschaft (100-prozentige Bayer-Tochter) und die BuLi-Mannschaft des VfL Wolfsburg (90-prozentige (?) VW-Tochter).


    Somit hat der Verein schon einen Einfluß auf die Hannover 96 GmbH & Co. KgaA. 96 hat halt nur noch den Trick mit der ergänzenden S&S gewählt auf die der e.V. meines Erachtens nach keinen Einfluß hat.


    Es hatte mich genau deshalb in der letzten Woche gewundert zu lesen, dass der Verein an der KGaA eben nur noch eine Minderheit hält. Das kann sich aber daraus erklären, dass bei einer KGaA die Geschäftsführung (alleine) dem Komplementär (also jedenfalls mittelbar dem Verein) unterliegt und daher formell auch alleine der Verein die Geschäfte der KGaA bestimmt. Praktisch dürfte dies natürlich anders aussehen.

  • Zitat

    Original von 96jung
    Ich dachte eigentlich immer, dass Vereine Steuervorteile gegenüber Unternehmen haben, irre ich mich da? Würde mir viel weiterhelfen, wenn sich hier mal ein Fachmann melden würde! Denn wieviel bringt es wirklich, aus einem Verein ein Unternehmen zu machen??


    Nein, der Verein hat keine steuerlichen Vorteile, weil der Profifußball als "wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" gilt und daher im Profifußball erwirtschaftete Gewinne auch der Körperschaftsteuer unterliegen.


    Anders ist es beim Verein im idealistischen Bereich (Breitensport etc.); diesbezüglich ist ein Verein nicht steuerpflichtig.

  • Ein Verein darf aber nicht mit der Ziel der Gewinnerzielung gegründet und betrieben werden, wenn ich mich nicht irre.

  • Zitat

    Original von ExilRoter
    Es gibt
    Die (ausgegliederte) Profiabteilung Hannover 96 GmbH & Co. KGaA. Dies ist, wie der Name schon sagt, eine "GmbH & Co. KGaA" (Wenn ich das recht verstehe, also eine Mischform aus GmbH und Kommanditgesellschaft auf Aktien. Vielleicht kann das jemand mit Ahnung aufklären.) Ob hier Aktien draußen sind und wem diese GmbH & Co. KGaA (anteilsmäßig) gehört, weiß ich nicht.


    Eine Kommanditgesellschaft (KG) besteht aus einem persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementär) und einem oder mehreren Geldgebern, die keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung haben (Kommanditisten).


    Eine KG ist eine Personengesellschaft und daher Abteilung A des Handelsregisters eingetragen.


    Relativ häufig wird der persönlich haftende Gesellschater durch eine GmbH ersetzt, um das Risiko zu limitieren -> GmbH & Co. KG


    Die Komplementär-GmbH ist eine Kapitalgesellschaft und damit in Abteilung B des Handelsregisters eingetragen.


    Bei einer GmbH & Co. KG sind zwei Gesellschaften im Handelsregister eingetragen.


    Da bei dieser Variante die Veränderung der Zusammensetzung der Komplementäre recht aufwändig ist, ersetzt man diese durch Aktienanteilseigner. Übrigens, eine Aktie muss nicht zwangsweise an der Börse gehandelt werden.


    Andersrum ist die Gesellschaftsform KGaA ist selten, aber schon seit Jahrzehnten möglich. Die bekannteste KGaA dürfte Henkel (Persil, Pril, Weißer Riese, Somat usw.) sein.


    Die Familie Henkel (so glaube ich) haftet mit Ihrem persönlichen Vermögen bei der Henkel KGaA. Entsprechend der KG wird bei der GmbH & Co. KGaA der persönlich haftende Gesellschafter durch eine Kapitalgesellschaft ersetzt.


    Ich hoffe, dass das so etwas anschaulicher geworden ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Oberbayern ()

  • Zitat

    Original von Bonez
    Ein Verein darf aber nicht mit der Ziel der Gewinnerzielung gegründet und betrieben werden, wenn ich mich nicht irre.


    Doch, darf er. Insofern irrst Du.


    Aber viele Vereine versuchen Steuern zu sparen bzw. davon befreit zu werden, indem sie gemeinnützige Ziele verfolgen.


    Hier schließen sich Gewinnerzielungsabsicht und Gemeinnützigkeit dann aus, jedenfalls im weiteren Sinn. Auch ein gemeinnütziger Verein kann natürlich z.B. ein profitorientiertes Vereinsfest oder dergleichen veranstalten; in der Jahresbilanz aber dürfen nicht regelmäßig Gewinne gemacht werden.

  • Würde mich mal interessieren, wer die Gesellschafter sind.
    Wer kennt die Namen? Sind die Namen öffentlich zugänglich?
    Gibt es Jahresabschlussberichte der Gesellschaft, aus denen zu ersehen ist, was mit der Bulimannschaft verdient wurde und was an Verbindlichkeiten zu begleichen war? Wenn ja, wo kann man derartige Dokumente einsehen?

  • Naja, ob ich die Gelegenheit bekomme, Dokumente zu fotokopieren... keine Ahnung. Mal sehen.
    Aber ich werde mich um Veröffentlichung der Sachlage bemühen, die ich vom Amt hoffentlich erfahre.
    Vor allem deshalb, weil bisher anscheinend kein "einfacher" Fan etwas genaues vom Gepflecht weiss.
    Ich werde versuchen, dass Prozedere gewissenhaft zu beleuchten. So wie mir gerade auffällt, dass Strunz und 96jung beide am 28.06.01 hier im Forum eingecheckt haben. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von redfan ()