Groundhopping

  • Zusammenfassung des Spiels


    Ich war am vergangenen Samstag Zuschauer beim italienischen Serie B-Spiel zwischen dem FC Venezia und Spezia Calcio im Stadio Pierluigi Penzo. Das Spiel ging 2:0 für Venezia aus, nachdem ein Spieler von Calcio nach acht Minuten wegen harten Foulspiels nach Bemühung des VARs rot gesehen hatte.


    Das Spannende ist das Stadion, das so in Deutschland im Profifußball nicht denkbar wäre. Während man als Zuschauer das Stadion auch mit einem mittellangen Fußmarsch erreichen kann, müssen die Mannschaften schon den Wasserweg bestreiten. Das Stadion fasst gerade mal 12.000 Zuschauer (nur Sitzplätze) und besteht neben einer kleinen Haupttribüne aus drei Stahlrohrtribünen, die in Deutschland nach meiner Kenntnis jedenfalls in den oberen Ligen nicht zulässig wären.


    Das Stadion war aber nur Hälfte besetzt, neben der erfreulich lauten und aktiven Fankurve von Venezia und höchstens 30 Fans aus La Spezia aus eher gesetztem und mäßig emotionalem Publikum. Das Ganze hat eher die Atmosphäre eines Drittligaspiels, etwa zwischen Unterhaching und Aue. Mit deutschem Zweitligafußball, zum Beispiel im NDS, nicht zu vergleichen. Es ist nicht leicht, sich vorzustellen, dass dort letzte Saison noch Milan und Juve angetreten sind.


    Fußballerisch ist es aber zu vergleichen und ich denke nicht, dass Venezia schwächer ist als die besten Klubs der deutschen zweiten Liga. Bei Transfermarkt hat das Team des FC Venezia auch einen höheren Marktwert als 96. In der Tabelle ist Venezia nun Vierter (nachdem sie heute wieder gewonnen haben). Aus meiner im deutschen Profifußball geschulten Betrachtung passen hier Stadion und Zuschauerzahl nicht zur sportlichen Leistung. Kriege ich im Kopf nicht gut zusammen.


    Vielleicht auch deswegen hat Venezia immer finanzielle Probleme und sich zur Abwendung der Insolvenz an einen amerikanischen Finanzinvestor verkauft. Ich frage mich, wie sich das rechnen soll, weil Zuschauereinnahmen sowie Einnahmen aus Sponsoring, Trikotwerbung und Trikotverkäufen nicht viel helfen werden. Ich finde leider keine Infos zu den Fernseheinnahmen in der italienische Serie B. Aber die müssen wohl hoch sein. Hat hier jemand diesbezüglich Infos?


    Jedenfalls ist auch ein Stadionneubau geplant, dann auf dem Festland, aber planen sie schon lange und es ist der x-te Anlauf. Mit ihrem Old-School-Stahlrohr-Stadion werden sie jedenfalls nicht weit kommen.

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  • In Kiel besteht die gesamte Gegengerade aus Stahlrohrtribünen. Bis letztes Jahr war dort auch der Gästeblock. Scheint in Deutschland also (leider) nicht verboten zu sein.

  • Ich habe im letzten halben Jahr dreimal Groundhopping in Großbritannien betrieben: West Ham - Southhampton, Tottenham - Nottingham und jetzt gerade Ross County - Dunfermline (Scottish Championship).


    Ich will jetzt hier gar nicht auf die Spiele ansich eingehen, sondern auf das Drumherum. Ich war überrascht, wie anders die Stimmung in den Stadien im Vergleich zu Deutschland ist (und wie sehr sie von meinen romantisierten Vorstellungen der britischen Fankultur abweicht).


    Bekanntermaßen gibt es in den Stadien keinen Alkohol, somit wird vorher in den Pubs bzw. außerhalb des Stadions getrunken. Die Menschen sind extrem offen und wir sind mit vielen ins Gespräch gekommen (den nettesten habe ich 96-Sticker als Andenken vermacht). Vor und in den Stadien: Keine bzw. kaum Polizei. Nicht mal Wasserwerfer. Selbst beim Riesenstadion von Tottenham haben wir nur drei Bobbies gesehen. Das ist dann wohl die positive Seite der Medaille.

    Aber: Bei allen drei Spielen war 0 Stimmung. Allenfalls die Gästefans haben ab und an mal Gesänge angestimmt. Torjubel? Kurz, ohne Mitgrölen des Torschützennamens, kein Spielstand- Danke- Bitte-Zeremoniell, keine durch die Luft gewedelten Schals. Kein Schiri-Bashing, keine Rufe, Pfiffe, keinerlei Choreos. Zaunfahnen? Never heard.


    Die Menschen scheinen dort wirklich hinzugehen, um Fußball zu sehen. Oder weil sie sonst nichts zu tun haben. Dass sich die Fanszene der englischen Premier League aufgrund der Ticketpreise geändert hat, war mir klar. Aber so günstig sind die Tickets bei Hannover 96 jetzt auch nicht gerade. Und daran scheint es nicht ausschließlich zu liegen, denn in der 2. schottischen Liga war das Bild ja ähnlich. Ich muss sagen, mir hat da echt was gefehlt, und das war nicht nur das Bier.

    Einmal editiert, zuletzt von kathano1 ()

  • Tormusik, sowie das Danke-Bitte Zeremoniell dürfen von mir aus gerne auch in Deutschland abgeschafft werden. Aber das ist wohl zu fest verankert.


    Dass der durchschnittliche Stadionbesucher in UK mehr Ahnung von Fußball an sich und von Spielern hat, ist mir auch immer wieder aufgefallen.

  • Zu früh abgespielt nimmt es zu viel spontane Emotionen. In Frankfurt wird der Knopf schon gedrückt, bevor der Ball überhaupt über der Linie ist. Furchtbar.


    Ein gutes Beispiel ist Union Berlin. Die haben keine und fast niemanden fällt das aus.

  • Tormusik, sowie das Danke-Bitte Zeremoniell dürfen von mir aus gerne auch in Deutschland abgeschafft werden.

    Warum?

    Der Torjubel ist doch der beste und explosivste Moment eines Stadionbesuchs. Diesen durch Musik etc. noch künstlich zu pushen, finde ich immer schade.


    Meine Begründung ist durch Einführung des VAR aber ein wenig überholt.