Evakuierung wegen Bombenräumung

  • Interessieren würde mich ob die Explosion durch einen groben Fehler der Feuerwerker ausgelöst worden ist. Oder haben etwa die Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeiter nicht ausgereicht? Das wäre ja wirklich fatal, bei der Masse an Entschärfungen.


    Aus der HAZ:

    Zitat

    Warum die Zehn-Zentner-Bombe kurz vor ihrer geplanten Entschärfung
    detonierte, ist unklar.

  • Wenn ich das richtig verstanden habe, handelte es sich bei der Bombe um eine solche mit "Säurezünder ". Deren Behandlung ist wohl ziemlich schwierig, siehe wikipedia. Da die Bombe explodierte, bevor die eigentliche Entschärfung begonnen hatte, würde ich als Laie einfach mal davon ausgehen, dass kein grober Fehler vorlag.

  • Und an der Erfahrung lag es auch nicht. Die drei Getöteten (38, 52 und 55 Jahre alt) haben jeweils in ihrem Leben schon zwischen 600 und 700 Bomben entschärft.


    andremd: In unmittelbarer Nähe des Schützenplatzes lagen damals der Bahnhof (der ist heute noch da) und – in der anderen Richtung in etwa gleicher Entfernung – der alte Flughafen bzw. Flugplatz von Göttingen (den gibt es heute nicht mehr). War also ein strategisch nicht ganz unwichtiger Ort. Es gibt Luftaufnahmen, die Bomben-Einschläge in direkter Nähe zeigen, und zwar nicht wenige. Deswegen ist meine Sorge, dass da immer noch 'ne Menge Blindgänger rumliegen. Und das ist ja inzwischen auch offiziell bestätigt worden (die vorhin schon erwähnten „Verdachtsflächen im zweistelligen Bereich“).


    Das kann einem echt eine scheiß Angst machen, zumal die entschärfte Bombe von Donnerstag UND die Bombe gestern BEIDE diese unberechenbaren Säurezünder hatten. War mit Sicherheit kein Zufall.

  • Zitat aus der HAZ:

    Zitat


    Polizeipräsident Kruse sagte, die Bombe sei am Dienstagabend um 21.36
    Uhr detoniert,offenbar bei der Vorbereitung der Entschärfung. Diese war
    etwa eine Stunde später geplant.

  • Pepe: Nein, das ist nicht richtig. Die Entschärfung sollte gegen 22.30 Uhr beginnen. Die Bombe ist bereits eine Stunde vorher explodiert. Es befand sich zu dem Zeitpunkt niemand direkt an der Bombe. Vorbereitungen wurden zwar schon eingeleitet, die Entschärfung jedoch noch nicht. Die Evakuierung war ja auch erst zur Hälfte abgeschlossen.


    Edit: Der Niedersachse war schneller.

  • Irgendwo habe ich gelesen, ich glaube in der Bild, das kurz vor der Explosion noch ein ICE an der Stelle vorbeigefahren ist, spricht also vieles dafür das die Evakuierung / Absperrung noch nicht erfolgt ist.

  • Die BILD schrieb doch sowas wie "Der letzte ICE war gerade durch…” oder so. Das ist totaler Quatsch, da bis kurz vor halb elf planmäßig gefahren werden sollte. Da wären noch mehrere Nahverkehrszüge und mindestens ein weiterer ICE durchgekommen. Geplant war eine Sperrung des Zugverkehrs von 22.30 Uhr bis etwa 0.00 Uhr oder – je nach Verlauf – 0.30 Uhr.

  • Der Punkt ist, so habe ich es jedenfalls verstanden, das der Zug kurz vor der Tragödie da vorbei gefahren ist. Also Glück gehabt das es nicht ein paar Minuten später war (wobei ich auch nicht weiß, ob überhaupt eine echte Gefahr für den Zugverkehr bestanden hat. Andererseits hätten sie sonst die Bahnlinie nicht gesperrt).

  • Der Bahnhof liegt halt mitten im 1000-Meter-Evakuierungs-Radius. Allerdings nicht in dem 300-Meter-Radius, der bis jetzt immer noch dicht ist.

  • Vor ein paar Jahren ist doch da auch ein Stadtbus in die Luft geflogen, weil er über eine Bombe rauschte. Daraufhin war in Stadtbussen das telefonieren mit Handy verboten worden?!


    Auf NDR2 war die ganze Zeit die Rede von einer Blindgängerexplosion.

  • mcgiant


    Weißt du warum bei euch soviele Blindgänger rumliegen ? Gabs In GÖ was kriegswichtiges ?


    Etwa in der Gegend lag bis in die 1960er Jahre ein größeres Eisenbahn-Ausbesserungswerk (die Lokhalle als heutiges Veranstaltungszentrum ist ein übrig gebliebenes Gebäude dieser Anlagen). Das wurde aus militärisch nahe liegenden Gründen mehrfach und gegen Kriegsende auch ziemlich massiv angegriffen. Und natürlich der Hauptbahnhof selbst, der aber logistisch gesehen wenig Bedeutung hat -- halt ein Durchgangsbahnhof in der Provinz, kein größerer Eisenbahnknoten, keine größeren Rangieranlagen.

  • mcgiant


    Weißt du warum bei euch soviele Blindgänger rumliegen ? Gabs In GÖ was kriegswichtiges ?


    Gabs in Hiroshima Kriegswichtiges? Oder in Nagasaki? Oder in Dresden? Oder in den vielen, vielen Städten und Dörfern, die von den Nazis, unter anderem bei der Aktion "verbrannte Erde", dem Erdboden gleichgemacht wurden?

  • strunz: Offiziell war das mit dem Bus aber eine Gasblase.


    Mo: Natürlich, die Lokhalle hatte ich in der Tat vergessen, obwohl sie strategisch bedeutsam war. Und die steht quasi neben dem Bahnhof, in Richtung Schützenplatz. Etwas weiter weg (von diesem Standpunkt aus) der alte Flughafen - der aber auch mächtig unter Beschuss war.

  • Eine Gasblase? Hatte das anders in Erinnerung. Jedenfalls wurde man daraufhin vom Fahrer aufs übelste beschimpft, wenn man mobiltelefonierte.


  • Gabs in Hiroshima Kriegswichtiges? Oder in Nagasaki? Oder in Dresden? Oder in den vielen, vielen Städten und Dörfern, die von den Nazis, unter anderem bei der Aktion "verbrannte Erde", dem Erdboden gleichgemacht wurden?


    Hiroshima und Nagasaki: Hunderte von Kleinbetrieben, die als Zulieferer für die japanische Rüstungsindustrie arbeiteten. Damals war die japanische Rüstungswirtschaft aus historischer Tradition heraus unglaublich dezentral organisiert.
    Dresden: Zumindest einen großen Verschiebebahnhof (Friedrichstadt), fast im Zentrum, plus kleinere Industriebetriebe.
    Göttingen: Habe ich genannt.


    Um Deine Frage direkt zu beantworten. Das rechtfertigt natürlich in den beiden ersten Fällen keinen Nuklearwaffeneinsatz und um dritten muss konstatiert werden, dass der Verschiebebahnhof weitgehend intakt blieb und somit kein Primärziel war -- auch unter den gegebenen Umständen der damaligen Zeit sind diese drei Angriffe also in der stattgefundenen Form nicht zu rechtfertigen, wie die Forschung mittlerweile weitgehend nachgewiesen hat.


    Aber die Sachen ganz so platt abzutun wie Du, halte ich auch für falsch. Im Falle Japans müsste man immer noch das Alternativszenario einer Landung auf den Hauptinseln durchgespielen (nicht vergessen: Japan hat den Krieg begonnen, mit extremer Grausamkeit geführt und wollte trotz aussichtsloser Lage 1945 nicht kapitulieren). Bedenkt man den Widerstand auf Okinawa und den Selbstmord vieler Zivilisten, bekommt man eine Ahnung von den Verlusten, die bei einer regulären Invasion Japans auf beiden Seiten gedroht hätten. Richtig ist allerdings auch, dass sich just Anfang August Anzeichen mehrten, dass Japan vielleicht doch zu Waffenstillstandsverhandlungen bereit war. Wie gesagt, sehr kompliziert; aber zum Sieg über Nazideutschland und das japanische Kaiserreich gab es damals keine Alternative. Das sollte man bei all dem auch bedenken. Insofern ist ein Bombenangriff auf ein Eisenbahn-Ausbesserungswerk, das vitaler Bestandteil der deutschen Kriegslogistik war, sehr wohl zu rechtfertigen. Und da die Innenstadt Göttingens nicht getroffen wurde, wurde hier jedenfalls im Rahmen des Völkerrechts und der Haager Landkriegsordnung vorgegangen.


    Nur im Fall der verbrannten Erde an der Ostfront ist die Sache wirklich klar -- das terrormäßige Niederbrennen von Siedlungen auf dem Rückzug lässt sich militärisch nicht rechtfertigen.

  • Mein Punkt war eigentlich, dass Ziele im Zweiten Weltkrieg nicht unbeding nach militär-strategischen Gesichtspunkten ausgewählt werden, sondern auch nach der Zahl der möglichen (zivilen) Todesopfer.


    Zitat

    Da militärische Aktionen auf dem europäischen Festland für die Briten nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen nicht mehr möglich waren, erschienen Luftangriffe als die einzige Möglichkeit, Deutschland zu schaden. Dass dabei gezielt die eigentlich nach dem Kriegsvölkerrecht zu schonende Zivilbevölkerung getroffen wurde, ist mit der Behauptung, hierdurch deren Moral brechen zu können und den Widerstand gegen das Naziregime zu stärken, erfolgt und entsprach dem ausdrücklichen Entschluss der Churchill-Regierung, die gleich nach ihrer Regierungsübernahme entschieden hatte, den Bombenkrieg auf das Nichtkampfgebiet auszudehnen. Dies wurde als „moral bombing“ bezeichnet. Der Anfang 1942 erteilte Befehl Churchills wurde als Area Bombing Directive bekannt. Hohe Opferzahlen der deutschen Zivilbevölkerung wurden dabei nicht nur in Kauf genommen, sondern waren eines der primären Ziele. Präzise Tagesangriffe waren wegen der deutschen Flugabwehr zu Beginn des Krieges noch sehr verlustreich, sodass das Bomber Command der RAF nächtliche Flächenangriffe gegen deutsche Städte durchführte. Dabei wurden zu einem hohen Prozentsatz brandsetzende Bomben verwendet, die eine verheerende Wirkung in den Wohnvierteln der betroffenen Städte zeigten. Derart konstruierte Brandbomben wie beispielsweise die Elektron-Thermitstab-Brandbombe waren bereits lange vor dem Krieg konstruiert und getestet worden.


    Wie das in Göttingen im Einzelnen aussah weiß ich nicht, aber die Frage, ob es in einer Stadt "kriegswichtiges" gab, zu stellen, weil es in dieser viele Blindgänger gibt hielt ich für blauäugig. Eben weil viele Städte mit dem Primärziel eingeäschert wurden der Zivilbevölkerung zu schaden.


    Die Frage der Rechtfertigung war mir zu heikel, Du hast das aber in meinen Augen gut gelöst. Wobei man natürlich immer die Frage stellen kann, ob es moralisch vertretbar ist Menschenleben so kühl gegeneinander abzuwägen.


    Es gibt einfach keinen "sauberen Krieg", der Frieden scheint mir generell die bessere Alternative zu sein.

  • Auch wenn sich diese Sichtweise immer mehr durchsetzt, ist sie so nicht richtig, bzw. zu vereinfachend. Ziele waren nach wie vor Industriestädte, und insoweit die Zivilbevölkerung ein Ziel wurde, war es insbesondere die Industriearbeiterschaft. Auch waren Transportinfrastruktur und Rüstungsindustrie weiterhin Ziele. So gab es z.B. den Versuch, neuralgische Punkte zu zerstören, etwa 1943 die Kugellagerindustrie in Schweinfurt. Bei dieser Operation gab es die Hoffnung, dass der gesamten deutschen Kriegswirtschaft ein entscheidender Schlag versetzt werden konnte, weil die Kugellagerproduktion zentralisiert war, und wichtig war für die Produktion z.B. von Panzern.


    Der Angriff auf Schweinfurt war ein Mißerfolg. Nicht nur verkraftete die deutsche Industrie das, weil sie ausreichend Lagerbildung betrieben hatte, die alliierte Verlustrate war auch sehr hoch, weil man bei Tage und tief im Hinterland angriff, es ging ja um einen gut gezielten Schlag.


    Von daher ergibt das Areal Bombing durchaus einen gewissen Sinn, wenn man es mit solchen Alternativen der Kriegsführung vergleicht. Es erzielte einfach bessere Ergebnisse, was das Ziel der Rüstungsindustrie anging. Zudem waren ja die Rüstungsbetriebe weiterhin vorrangige Ziele, gerade auch in Form der Industriearbeiterschaft. Dass dies auch bis zum Ende des Krieges einen gewissen Sinn ergibt, zeigt sich auch daran, dass die deutsche Rüstungsproduktion erst spät 1944 oder sogar Anfang 1945 ihren höchsten Produktionsstand im Krieg erreichte, da konnten die Alliierten bei Luftüberlegenheit natürlich nicht tatenlos zusehen.


    Bei den Atombombenabwürfen kommen sehr verschiedene Sachen zusammen. Zentral ist, dass das amerikanische Kriegsziel war, nicht nur eine Kapitulation zu errreichen, sondern die japanische Militärregierung zu stürzen. Dafür war es unumgänglich, insbesondere die japanische Hauptinsel zu besetzen und allgemein eine bedingungslose Kapitulation zu erreichen. Wie schwierig das militärisch werden würde, hatte die Besetzung von Okinawa mit enormen Verlusten gezeigt, und solange nicht ein alliierter Soldat auf den Hauptinseln stand, hatte das japanische Militär natürlich eine gute Verhandlungsposition, trotz all der Rückschläge vorher.


    Als die Bomben abgewurfen worden, war man bereits mit der Planung der Invasion beschäftigt. Um zu verstehen, wie ernst dieses Ziel der bedingungslosen Kapitulation den Amerikanern war, muss man sich nur vor Augen halten, dass für die Invasion in Kauf genommen wurde, dass innerhalb eines halben Jahres zwischen 500.000 und einer Millionen US-Soldaten fallen würden. (Operation Downfall.) Also mehr als dieselbe bzw. die doppelte Summe der Verluste der Amerikaner während des ganzen Krieges bis dahin. Auf der japanischen Seite wurde mit eine zehnfachen Opferzahl gerechnet, unter der Annahme, dass die Japaner die Kampfgebiete evakuieren würden. (Was sie in Okinawa wohl nicht getan hatten.) Rein von der militärischen Seite betrachtet, ergeben sich aus diesen Szenarios schon sehr starke Argumente für den Atomwaffeneinsatz, zumal ja auch die konventionelle Bombardierung von Tokio bereits sehr extrem in ihren Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung gewesen war.

    2 Mal editiert, zuletzt von ExilRoter ()