Bundeswehr oder Zivi!?

  • Will Eure Blumenkranzflechtrunde ja nicht stören, aber wenn ich dran erinnern darf: Russland bombardiert seit über 2 Jahren Zivilisten in der Ukraine.


    Ist ja schön, dass Euch das nicht den Schlaf raubt, aber ich finde, da sollte man was gegen tun. Und das geht nur mit Waffen.

  • Danke Alter Ego für die ausführliche Antwort und Deine Meinung.


    Das Prinzip der Abschreckung funktioniert erst seit dem Zeitalter von Nuklearwaffen, daher können wir die Jahrhunderte davor fallen lassen. Der Gedanke „kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ prägt nunmehr seit vielen Jahrzehnten unsere erfolgreiche Geschichte des Landes – bis heute. Das ist die Friedenssicherung schlechthin, die sich auch in allen aktuellen politischen und militärischen Konflikten weltweit bewährt, weil sie militärisch auch logisch ist.


    Aufgrund der militärischen Stärke bzw. der der Bündnisse, die wir eingegangen sind, haben wir in Deutschland seitdem keinen Kriegsfall mehr erleben müssen. Die Ukraine war leider frei von diesen „besonderen“ Beziehungen und Bündnissen und wurde aufgrund dessen auf höchst brutaler Art und Weise von Russland überfallen – bis zum heutigen Tag. Hätte sich das Russland gewagt, wären 1994 die ehemaligen Sowjet-Atomwaffen in der Ukraine verblieben? Oder wäre die Ukraine in der NATO gewesen? Ich bin mir sicher, dass nicht.


    Abschreckung zu leisten, heißt nur, dass man sich den Frieden und die Freiheit im eigenen Land sichern möchte. Ich bin nicht für eine unkontrollierte (geht ohnehin nicht in unserer Verfassung) oder krasse Aufrüstung der Bundeswehr – auch nicht für eine Wiederherstellung der Größe und Stärke der Armee zu Hochzeiten des kalten Krieges. Aber ich wünsche mir, dass wir den Aggressoren signalisieren können: Triffst Du uns zuerst, dann treffen wird Dich danach. Das bedeutet Vollausstattung dieser (ohnehin kleinen) Armee von dann maximal 200.000 Personen mit allen Fähigkeiten, die diese braucht, um vor allem unsere Freunde in den „Frontstaaten“ im Baltikum und in Polen glaubhaft bei der Abschreckung zu unterstützen. Eine persönliche Initiative für den Heimatschutz bedeutet in erster Linie, dass man die Soldatinnen und Soldaten von diesen alltäglichen Aufgaben entlastet, damit sie sich auf andere Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren können.

  • Abschreckung hat bislang funktioniert.


    Es gibt keine Garantie, dass es auf ewig funktioniert. Das war/ist eine spezifische weltpolitische Konfiguration, in der es funktioniert hat.

  • Eigentlich wollte ich mich ja inhaltlich raushalten, um der Unschuldigen willen, aber ihr kennt mich ja. Blame it on my ADD.


    1. Oben muss es natürlich heißen: "Nukleare Abschreckung"
    2. Wir sollten nicht vergessen, dass es auch konventionelle Abschreckung gibt. Momentan hat Russland noch keine Atomwaffen eingesetzt, und das mag unter Umständen dem Umstand zuzuschreiben sein, dass die amerikanische Drohung, in diesem Fall die russischen Truppen in der Ukraine konventionell zu vernichten, im Raum steht. Konventionelle Waffen schrecken auch ab. Und deswegen, in erster Linie, brauchen wir die Bundeswehr.Denn noch existiert eine expansive, kriegstreibende, diktatorische und demokratiefeindliche Macht nicht weit von uns im Osten, welche Nuklearwaffen in Kaliningrad stationiert hat.
    3. Trotz nuklearer Abschreckung testet Russland fast täglich die Bereitschaft der NATO-Luftabwehr. Huch, wie kann das sein?
    4. Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt und viele Militärexperten sagen, dass wir höchstens 2 bis 3 Jahre haben, um darauf zu reagieren, ansonsten testen die, was die NATO im Ernstfall wert ist. Und was die NATO in der Praxis wert ist, hängt nicht unbedeutend vom Beitrag der Wirtschaftsmacht Deutschland ab.
    5. Sollte Trump gewählt werden, stünden wir ohne ernstzunehmenden Beitrag zur europäischen Verteidigung echt blöd da. Und das ist der einzige Punkt, mit dem Trump jemals Recht gehabt hat: Momentan verstecken wir uns hinter unserem großen Verbündeten.
  • Ich denke, dass wir es primär der chinesischen Haltung zu verdanken haben, dass in der Ukraine bisher keine russischen Nuklearwaffen zum Einsatz gekommen sind. Europa hätte darauf keine militärische Antwort gehabt und die USA hätten höchstwahrscheinlich gezögert, da diese kein NATO-Territorium verletzt hätte.


    Das ist ohnehin der Punkt, der meiner Meinung nach immer noch zu wenig beachtet wird: Putin muss es im Zweifel nicht mit der "gesamten NATO" aufnehmen. Der Bündnisfall ist eben extrem dehnbar. Nicht vom Eintreten her an sich, sondern hinsichtlich der sich ableitenden Unterstützung der Verbündeten. Und die müsste dann auch noch abschreckend sein. Momentan schreckt Europa ohne die USA weder nuklear, noch konventionell glaubwürdig ab.


    Ein paar Orbans und Erdogans, einen Trump und eine Le Pen und Meloni, und schon sind wir wieder bei 5.000 Helmen und zwei Feldlazaretten aus vielen Ländern, wenn es zum Beispiel im Baltikum brenzlig würde. Ich befürchte, dass Putin vor allem das Spiel in diese Richtung treibt. Neben der hybriden Kriegsführung, die uns schon genug zu schaffen machen würde, ohne das ein Schuss gefallen wäre,

  • Will Eure Blumenkranzflechtrunde ja nicht stören, aber wenn ich dran erinnern darf: Russland bombardiert seit über 2 Jahren Zivilisten in der Ukraine.


    Ist ja schön, dass Euch das nicht den Schlaf raubt, aber ich finde, da sollte man was gegen tun. Und das geht nur mit Waffen.

    Nun ja, das letztere würde ich mal ganz massiv in Frage stellen wollen. Waffen und Personal sind exorbitant wichtig, um die russische Invasion zu stoppen und Gegenwehr zu bieten.

    Wichtiger aber fände ich, wäre die Welt sich einig, diesen Angriffskrieg zu verdammen und Russland komplett zu isolieren. Es ist die eigentliche Krux unserer "Zivilisation", daß das Völkerrecht manchen Staaten nicht wichtig ist.


    Nur deshalb sind derzeit Waffen die einzige Option.

  • Man kann ganz sicher über eine bessere, gerechtere Welt nachdenken. Ich bin auch dafür.


    Aber was ich oben umrissen habe, ist dennoch Realität. Eine Realität, vor der wir nicht die Augen zumachen sollten und mit der es besser ist, umzugehen, als das wir passiv bleiben.


    Es wird übrigens, denke ich, auch genau dann keine bessere Welt geben, wenn wir diesem barbarischen Krieg zusehen, wenn wir Russland gewähren lassen. Über eine bessere Welt nachzudenken darf nicht zur geistigen Flucht vor der real existierenden, schlechten Welt führen, sonst wird das ein reiner Tagtraum.


    Deswegen kommen wir nicht ohne Waffen aus. Wer was anderes denkt, erkläre bitte den Ukrainerin im direkten Gespräch, warum sie z.B. keine Luftverteidigung brauchen.


    EDIT: Wenn wir über Demilitarisierung reden, sollten wir mit Atomwaffen anfangen. Wie realistisch das ist, dafür sind Russland und China das Maß. Obama hatte ja immerhin sogar einen Vorstoß gemacht, das ist generell die richtige Richtung.

  • Deswegen kommen wir nicht ohne Waffen aus. Wer was anderes denkt, erkläre bitte den Ukrainerin im direkten Gespräch, warum sie z.B. keine Luftverteidigung brauchen.

    Oder der armen Zivilbevölkerung in Jemen, die seit 10(?) Jahren von unserem Verbündeten Saudi-Arabien bombardiert wird.


    Russland ist ein Agressor, der brutal auf die Zivilbevölkerung zielt, dass wurde aber von „unseren“ Verbündeten auch schon immer gemacht. Es ist deswegen nicht weniger schlimm, aber immer nur dahin zu schauen, wo es gerade passt, steht dir nicht.

  • Der Krieg im Jemen ist ein Stellvertreter Krieg Suniten gegen Schiiten. Da kloppt der eine Muslim auf den anderen Muslim ein.

    Hach, was wäre die Welt friedlich ohne Religion, Hass und Geldgier...

  • Nun ist das Thema des Fadens erstmal ein anderes.

    Bevor ich/wir den Ukrainer*innen irgendwas erklären, sollte unserer Bevölkerung erklärt werden, welche Konsequenzen die neue Ausrichtung der Politik für den bzw. die einzelne Lebensführung hat.

    Die letzten Jahrzehnte wurde an der Bundeswehr gespart. Das Ergebnis ist sichtbar und die Lücken sollen ja nun schnell geschlossen werden. Kosten gehen in die Milliarden.

    Zusätzlich soll in die Bundeswehr neu investiert werden. Noch mehr Milliarden.

    Mittel für die Nato-Verpflichtungen sollten/müssen erhöht werden, auch in Milliardenhöhe.

    Zusätzlich on Top soll die Ukraine weiterhin mit Waffen unterstützt werden.


    Es stellt sich für mich die Frage, wie diese Herausforderungen finanziert werden sollen.

    Das Vermögen der Milliardäre ist sakrosankt und wird nicht angetastet.

    Die Schuldenbremse ist auch sakrosankt.


    Die Bürgergeldempfänger*innen müssen sowieso dran glauben, die sind als erste dran.

    Aber da das nicht reichen wird, sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

    Bevor hier irgendjemand im Heimatschutz eine Waffe in die Hand bekommt., werden andere Leistungen für den Großteil der Gesellschaft erwartet.

    Welche Einschränkungen ist denn jeder bereit in Kauf zunehmen - gesellschaftlich und auch privat?

    Erhebliche Einschnitte im sozialen Bereich, bei Pflege, Rente, Betreuung?

    Längere (Lebens)-Arbeitszeiten? Die Diskussion ist doch schon in vollem Gang, jetzt noch für den Erhalt unseres Wohlstand, dann aber für unser aller Sicherheit

    Und/oder höhere Steuern, die zu weniger Kaufkraft und Konsum führen, was bspw. der Verzicht auf Urlaub bedeuten kann, oder fehlende Mittel für die Ausbildung des Nachwuchses. Statt Studium eine Ausbildung, nicht selbstbestimmt, aber wegen Sachzwang.


    Der Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik wird Folgen für uns alle haben. Und bevor hier andere Meinungen polemisch abgekanzelt werden, sollten wir uns an dem pragmatischen Punkt ehrlich machen.

  • Nicht nur die Ausgaben im Ausland, auch die im Inland... da gibt es viele unsinnige Ausgaben, z.B. 2 Dienstsitze für Behörden / Ministerien in Bonn / Berlin, muß jedes Jahr die Dienstwagenflotte erneuert werden? Ist es wirklich zielführend, die Entwicklung bestimmter Produkte der Industrie zu fördern (komplett zu bezahlen)Beispiel aus alter Zeit der Katalysator... Bilder im Fernsehen von VW, im hintergrund laufen Wagen vom Band für die USA mit Kat, im Vordergrund steht der Vorstand und bettelt um Geld für die Entwicklung eines Kat. Solche Dinge scheinen gang und gäbe zu sein.

  • 96mettbrötchen


    Grundsätzlich wichtige und richtige Punkte.


    Dann müssen wir uns aber auch ehrlich machen, dass Deutschland sich vieles leisten konnte eben weil man sicherheitspolitisch und verteidigungspolitisch jahrzehntelang als Trittbrettfahrer unterwegs war.

    Man hat die Verteidigungsfähigkeit an die USA "outgesourced" und bezahlen durfte es der amerikanische Steuerzahler. Während man selbst immer mehr der Bundeswehr hat verkümmern lassen.

    Das da jetzt wieder investiert werden muss damit man einsatzfähig wird ist nur folgerichtig und fair gegenüber den anderen NATO-Mitgliedern.

  • D'accord.

    Die Kernfrage aber bleibt: wer zahlt? Wer muss welche Einschränkungen in der Lebensführung in Kauf nehmen und auf welche Teile der Gesellschaft werden die Belastungen verteilt?

    Und welche Folgen hat das auf unser politisches System und auf die Gesamtgesellschaft?

  • Meinst du die USA hätten nur einen Cent weniger Geld für ihr Militär ausgegeben, wenn wir mehr ausgegeben hätten?


    Ich denke nicht

  • Es geht nicht um weniger Geld ausgeben seitens der USA, es geht um das binden von Ressourcen zum Schutz von Verbündeten die ihrerseits ihren Zusagen nicht nachkommen.

    Und dieses Unverständnis zieht sich durch beide Parteien in den USA.

    Für die USA ist China die Herausforderung/Bedrohung, und um Europa sollen sich endlich die Europäer selbst kümmern. Nur steht halt Europa ohne USA nackt da.