HAZ: „Ich bin nicht gern weggegangen“ (I)

  • „Ich bin nicht gern weggegangen“


    Sie halfen mit, die „Roten“ in der 1. Liga zu etablieren. Was machen die ausländischen Stars von gestern heute? Die HAZ hat nachgefragt.


    Von Norbert Fettback und Jörg Grußendorf


    Man muss schon ganz genau hinsehen. Ist das wirklich „Krupi“, der da das Hotelfoyer betritt? Mit jedem Schritt, den er näherkommt, werden die Zweifel kleiner: Es ist Nebojsa Krupnikovic. Der 33-Jährige hat sich äußerlich unheimlich verändert. Er ist immer noch rank und schlank. Aber wo sind seine langen Haare geblieben? Krupnikovic, über Jahre hinweg von den Fans verehrter Spielmacher von Hannover 96, trägt die Haare jetzt sehr kurz – und wirkt richtig seriös. Er lacht laut bei dieser Feststellung, weil er weiß, dass sie nicht böse gemeint ist.
    „Krupi“ ist in der Vorweihnachtszeit ein paar Tage in Hannover. Mit seiner Frau Alexandra besucht er Bekannte in der Stadt, in der er so lange am Stück lebte, wie nirgends sonst während seiner bewegten Karriere – von Januar 2001 bis Juni 2005. Seine Kinder Doroteja (8 ) und Mihailo (5) wären gern mitgekommen, mussten jedoch bei Oma und Opa in Belgrad bleiben. „Meine Eltern hatten sie ewig nicht gesehen und wollten sie einfach nicht mit uns fahren lassen.“ Krupnikovic war schließlich erst kurz vorher aus Japan zurückgekommen, wo er seit Januar 2006 bei JEF United Chiba spielte, fünf Tore (bei neun Vorlagen) geschossen hat und Pokalsieger geworden ist.
    Das knappe Jahr in Asien hat dem 33-Jährigen gereicht. Sein Vertrag ist mit Saisonende im Dezember ausgelaufen, zurück zu JEF United möchte er nicht. „Das Niveau im japanischen Fußball hat sich ungemein verbessert, das hat mich ehrlich überrascht, wie weit die J-League inzwischen ist“, sagt er. Krupnikovic weiß, wovon er spricht, schließlich war es sein zweiter Aufenthalt in Japan nach dem Abstecher 1997/1998 zu Gamba Osaka. „Aber jahrelang ging es nur um mich und meine Karriere“, sagt er, „jetzt steht die Familie im Vordergrund.“ Er sucht deshalb einen Verein in Westeuropa, am liebsten in Deutschland. „Ich kann noch ein, zwei Jahre auf höchstem Niveau spielen“, sagt er – und beeilt sich anzufügen: „Das soll aber auf keinen Fall ein Bewerbungsschreiben werden.“ Das habe er nicht nötig, und sein Ruf sei auch nach einer Saison in Japan noch gut genug.
    Auch in Hannover, wo man wusste, was man an Krupnikovic hatte, auch wenn er inzwischen kein Thema für 96 mehr ist. Wäre er 2005 bei den „Roten“ geblieben, sähe das sicherlich anders aus. Doch nach zähen Verhandlungen war er seinerzeit zu Arminia Bielefeld gewechselt. „Ich bin nicht gern weggegangen“, sagt „Krupi“, „aber …“ Aber? „Schmutzige Wäsche will ich nicht waschen. Ich hatte eine schöne Zeit in Hannover und immer viel Spaß“, sagt er ausweichend. Kein Wort gegen den damaligen 96-Manager Ilja Kaenzig, mit dem er sich überworfen hatte.
    Erst nach mehrmaligem Nachfragen räumt er ein: „Kaenzig hat mir ein Angebot gemacht, das fast 40 Prozent unter meinem alten Gehalt lag. Das konnte ich nicht annehmen.“ Krupnikovic ging, und 96 hat seitdem ein echtes Problem auf der Spielmacherposition. Der von Kaenzig favorisierte Portugiese Ricardo Sousa setzte sich nicht annähernd durch – und der Niederländer Arnold Bruggink kam bisher über gute Ansätze nicht hinaus.
    Dazu will sich Krupnikovic verständlicherweise nicht äußern. Obwohl er über die Großwetterlage bei 96 immer noch gut informiert ist. Internet und Telefonate mit ehemaligen Mitspielern wie Altin Lala helfen ihm dabei. Mit dem 96-Kapitän freute er sich besonders über den Pokalsieg der „Roten“ gegen den MSV Duisburg, den er live im Stadion miterlebt hat. „Das ist wichtig für den Verein, bringt viel Geld“, sagt Krupnikovic. In der AWD-Arena hat er sich beim letzten Spiel des Jahres „wie zu Hause“ gefühlt.



    Der Informierte


    Es ist überraschend, wie gut Kostas Konstantinidis immer noch über Hannover 96 informiert ist. Aktuelle Punkt- oder Pokalergebnisse? Kein Problem, der 34-Jährige kennt sie. Dabei ist der frühere Abwehrchef der „Roten“ längst aus dem Dunstkreis der Fußball-Bundesliga verschwunden, er spielt wieder in seinem Heimatland Griechenland bei OFI Kreta. „96 ist mir ans Herz gewachsen“, sagt Konstantinidis. Darum nutzt er regelmäßig Internet und Videotext, um sich über seinen ehemaligen Klub zu informieren. Oder er telefoniert mit alten Bekannten, wie er sagt. „Ich habe dort schließlich eine sehr schöne Zeit verlebt, an die ich mich gerne erinnere.“
    Gern erinnern sich auch viele 96-Fans an den langen Griechen, der im Aufstiegsjahr 2002 gerade noch rechtzeitig kam, um der hannoverschen Abwehr den nötigen Halt zum Klassenerhalt zu geben. 43-mal zog er sich das rote Trikot über, bevor es ihn 2004 zum Zweitligisten 1. FC Köln zog, wo er sich aber nie wohlfühlte. Vor einem Jahr folgte er dem Ruf der Heimat. Heimat? Geboren ist Konstantinidis schließlich in Schorndorf bei Stuttgart. „Auch wenn ich Deutschland liebe: Ich bin und bleibe Grieche“, sagt er. Als Zwölfjähriger war er mit seinen Eltern nach Saloniki zurückgekehrt, dorther stammt die Familie. Über Aris Saloniki und eben OFI Kreta wechselte er 1999 wieder in das Land seiner frühen Kindheit – zu Hertha BSC Berlin. Doch seine schönste Station war Hannover 96. In Deutschland zumindestens.
    In Griechenland ist es ohne Wenn und Aber OFI Kreta, der derzeitige Tabellenfünfte der 1. griechischen Liga. Auf der Insel hat Konstantinidis ein schönes Haus und fühlt sich mit seiner Frau Nataja (30) und Sohn Konstantin (22 Monate) pudelwohl. Am Saisonende will der 40-malige frühere Nationalspieler seine Karriere beenden. „Es reicht langsam“, sagt er.
    Dem Fußballgeschäft will Konstatinidis jedoch treu bleiben. „Es ist aber noch alles offen“, sagt er. Am liebsten möchte er irgendeine Funktion bei OFI übernehmen oder eine Fußball-Akademie leiten. Und natürlich weiter regen Kontakt zu den „Roten“ halten. Im Internet surfen, die Videotextseiten abrufen, mit 96-Kapitän Altin Lala oder Mannschaftsbetreuer Thomas Westphal telefonieren. Und einen Rat an die früheren Weggefährten möchte er auch noch loswerden: „Baut dem Ralf Rangnick in Hannover ein Denkmal. Ohne ihn wäre 96 nie da, wo der Klub jetzt ist – und wo er hingehört.“
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    Der Umschüler


    Er war der 96-Spieler mit dem wohl sonnigsten Gemüt. Immer dann, wenn Jaime auftauchte, wirkte das auf die Umstehenden wie ein Sonnenstrahl, und das gerade in düsteren (Fußball)-Zeiten. Der Spanier mit dem Lächeln als Markenzeichen galt als die personifizierte gute Laune bei den „Roten“, er konnte auf dem Platz aber auch gut austeilen, wenn es darauf ankam. Zweimal, in den Spielzeiten 2002/2003 und in der Rückrunde der Saison 2004, machte Jaime in Hannover Station, nach 32 Einsätzen in der Bundesliga sagte er im Mai 2004 mit dem Spiel beim VfL Bochum (1:3) Ade. Als er wegging, hatte er Tränen in den Augen, und auch so mancher Fan war deshalb traurig.
    33 Jahre alt ist Jaime mittlerweile, und nicht nur Hannover ist für ihn inzwischen eine schöne Erinnerung: Er hat ganz mit dem Fußballspielen aufgehört – wohl auch, weil es auf der Zielgeraden seiner Karriere ein paar Schlaglöcher zu viel gegeben hatte. Stattdessen hat er sich eine neue Herausforderung gesucht. Jaime will Sportlehrer werden und geht in La Coruña, seiner Wahlheimat, noch mal zur Schule, um das dafür nötige Diplom zu erwerben.
    Bis vor einem halben Jahr spielte Jaime in der 2. spanischen Liga für Racing Ferrol, vorausgegangen war ein Abstecher zu Albacete Balompie, damals Erstligist. Als die Saison zu Ende war, gehörte Jaime hier wie da zu den Absteigern. Wie muss das wohl auf jemanden wirken, der 1998 im Trikot von Real Madrid die Champions League gewann?
    Er hätte sicher noch ein Jahr länger spielen können, doch der Schlussstrich erscheint unter diesen Vorzeichen nur konsequent. Geld muss Jaime nicht mehr damit verdienen, dass er dem Ball hinterherrennt; nach den vielen Jahren als Profi hat er ausgesorgt. Er will jetzt einen „richtigen“ Beruf erlernen – der Brückenschlag zu dem, was er zuvor getan hat, liegt nahe. Jaime wohnt mit seiner Frau im Stadtzentrum von La Coruña, zur Fachhochschule ist es nur ein Katzensprung. Man könnte auch sagen: zur neuen Karriere gleich um die Ecke.
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  • „Ich bin nicht gern weggegangen“


    Sie halfen mit, die „Roten“ in der 1. Liga zu etablieren. Was machen die ausländischen Stars von gestern heute? Die HAZ hat nachgefragt.



    Der Unglückliche


    Er ist froh, dass 2006 zu Ende geht. Am liebsten würde Julian de Guzman die Uhr um sieben, acht Monate zurückdrehen. Da war die Welt noch in Ordnung für den ehemaligen 96-Fußballprofi, der Mitte 2005 zu Deportivo La Coruña gewechselt war: Er war Stammspieler. Jetzt, da die spanische Primera Division Weihnachtsferien macht, braucht de Guzman nicht einmal die Finger einer Hand, um seine Einsätze aufzuzählen. Viermal hat er seit dem Sommer gespielt – und zwar immer den Lückenfüller als Einwechselspieler; die 24 Minuten, die er zuletzt beim 0:4 der auf den 15. Tabellenplatz abgerutschten Nordspanier gegen den FC Sevilla mitmachen durfte, waren so gesehen schon eine Auszeichnung.
    Es verwundert nicht, dass der 25-Jährige, dessen Vertrag bis 2009 gilt, unzufrieden ist. Vor Kurzem startete er schon einen dezenten Hilferuf. „Ich bin im besten Alter und will nicht auf der Ersatzbank versauern“, sagt der Kanadier. Das Kämpfen also hat er nicht verlernt.
    Das Fußballspielen auch nicht, wie Ricardo Moar sagt. Der frühere 96-Manager hatte de Guzman nach Galicien gelockt, inzwischen klingt in den Worten des Deportivo-Sportdirektors schon fast ein bisschen Mitleid an. „Er ist auf seiner Position ein überdurchschnittlicher Fußballer“, sagt Moar, „aber der Trainer hat eine besondere Mentalität.“ Nach der sei de Guzman als defensiver Mittelfeldspieler zu klein, um vor der zentralen Abwehr abzusichern.Auch wenn Trainer Joaquin Caparros in die Kritik geraten ist: Noch sieht es nicht danach aus, dass de Guzman einen neuen Chef bekommt.
    Also doch ein neuer Klub für ihn? „Wir warten noch ab“, sagt Moar; infrage komme nur ein Verkauf. Wenn aber de Guzman wirklich weg wolle, dann werde man ihm keine Steine in den Weg legen. Allein aus Deutschland hätten sich vier Interessenten gemeldet.
    Auch aus Hannover habe es mehrmals Nachfragen gegeben, sagt Moar. Doch brauchen sie bei 96 wirklich noch einen „Sechser“? Und lässt sich die Uhr so leicht zurückdrehen? Fragen über Fragen …
    fe



    Der mit sich Zufriedene


    Hannover hat als Endstation Sehnsucht bei Jan Simak wohl endgültig ausgedient. Der 27-jährige Mittelfeldspieler des tschechischen Hauptstadtklubs Sparta Prag ist zufrieden mit sich und seiner derzeitigen Situation, trotz kleiner sportlicher Rückschläge in diesem Jahr.
    Die Freude mit Freundin Misa über die Geburt von Sohn Jan im November wiegt alles auf. „Zum ersten Mal Weihnachten mit der eigenen Familie, das ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt Simak.
    Der einstige Spielmacher der 96er, der großen Anteil am Aufstieg der „Roten“ in die 1. Liga hatte, war als Stammspieler in die Hinrunde gestartet. Nach einer kleinen Formkrise und zwei leichteren Verletzungen bekam er erst mal einen Platz auf der Ersatzbank des derzeitigen Tabellenführers. Mager ist zudem die Torausbeute: nur ein Treffer im tschechischen Pokal. Versöhnlich war allerdings der letzte Auftritt im UEFA- Pokal. Das Ausscheiden stand bereits fest, dennoch gelang den Tschechen in Wien ein 1:0 gegen Austria – mit Simak in der Startelf.
    Zurzeit macht die tschechische Liga Winterpause, und Simak hatte Zeit, sich seinem Hobby zu widmen: dem Angeln. Dafür ist er aus dem jetzt bereits frostigen Prag nach Spanien gereist. Er schätzt das Land nicht nur wegen der guten Angelreviere und des milderen Klimas, sondern auch, weil „er mit ein paar Brocken Spanisch und vor allem seinem Deutsch prima durchkommt“, wie Manager Christoph Leutrum erklärt. Und noch eine Sehnsucht lockt nach Spanien: der Fußball. Simaks Vertrag in Prag läuft bis 2007, der Verein kann eine Option für ein weiteres Jahr ziehen. Allerdings signalisiert Spartas Klubführung, deren Forderungen für Hannover 96 noch zu hoch waren, nun Gesprächsbereitschaft: Wenn ein Klub anklopfe und das Angebot akzeptabel sei, lasse man Simak ziehen, sagt Berater Leutrum. Ende Oktober war Espanyol Barcelona im UEFA-Cup in Prag zu Gast. Den Spaniern soll gefallen haben, was sie sahen – nicht nur das 2:0 ihres Teams.
    Volker Wiedersheim