Lüttich - Hannover 30.11. - Reise, Stimmung, Drumherum

  • In meine Überlegungen hinein öffnet doch jemand von außen die Tür. Ich bin bei den ersten, die rausgehen auf den Busparkplatz. Die Öffnung erfolgte unvermittelt, es hatte niemand gedrängelt. Alle anderen der 25, die sich inzwischen vermutlich auf 50 vergrößert haben, rechnen nicht mit der Öffnung dieser Tür, sie sind alle mit anderen Dingen beschäftigt. Es hatte sich also keine Traube vor der Tür gebildet, die irgendwas schrie oder forderte. Wir sind einfach alle nur raus, Richtung Busse. Ohne was zu sagen, ohne was zu werfen, still raus. Ich hebe kurz meinen Blick und schaue auf die Polizisten. Ich sehe Feinseeligkeit in den Blicken. Ich beschleunige meinen Schritt, um aus der Nähe der Polizisten zu gelangen. Niemand sagt etwas. Ich komme bei „meinem“ Bus an. Der Busfahrer sitzt drin, die Türen sind geschlossen. Ich finde das nicht so gut, aufgrund meiner Eindrücke wäre ich lieber eingestiegen. Ich stelle mich fast direkt vor die Bustür und zünde mir eine Zigarette an. Es erreichen immer wieder kleine Fangrüppchen den Parkplatz, die Stimmung ist friedlich. Nicht ausgelassen, aber die Überschrift über diesem Parkplatz ist: Sammeln vor dem Bus in den ich gehöre, noch eine rauchen, tschüss sagen, ist da noch ein Bier?
    Die meinem Bus zugeteilte Reiseleiterin kommt und wundert sich, dass ich schon da bin. Ich erkläre ihr kurz, dass ich vor kurzem im Nicht-Fußballkontext bedroht wurde, und seitdem etwas vorsichtig mit Menschenmengen agiere. Ich ernte Verständnis, sie hakt mich auf ihrer Liste ab. Immer mehr Fans erreichen den Parkplatz, ich empfinde geordnetes Vorbereiten auf die Abreise. Der Busfahrer öffnet die Tür, ich steige ein. Da ich die erste bin, setze ich mich direkt hinter den Busfahrer. Da keine Handtaschen mit ins Stadion genommen werden sollten, nehme ich meine Handtasche aus dem Gepäcknetz und sortiere die Sachen, die ich in der Jacke habe, wieder in die Tasche. Ich nehme weiter wahr, dass immer noch Fans auf den Busparkplatz strömen, kleine Grüppchen, Einzelpersonen, kein Gedrängel, keine Aggression. Alle eumeln so vor sich hin, Angetrunkene, Nüchterne…“wo is mein Bus..ja tschüss…ja wir sind weiter…nee…ich muss noch mal pullern“. Völlige Normalität. Meine beiden Mitstreiter erreichen den Bus. Da ich die beiden nicht in meine „persönliche Messerbedrohung“ reinziehen wollte, haben die beiden das Spiel bis zum Abpfiff genossen. Sie kommen entspannt am Bus an, berichten, dass zwar alles bisschen wuselig sei, aber alles okay. Wir sitzen und warten auf die Abfahrt des Busses. Die Bustür ist offen, die Reiseleiterin steht draußen vor der geöffneten Bustür. Martin Kind läuft durch die Szenerie. Öhm, was will der denn hier? Ich sortiere weiter meinen Krams, der Bus füllt sich, mallorcatypisch bemerkt jemand, dass die erste Reihe besetzt ist. Gedanklich zucke ich mit den Schultern: „Setz dich doch dahin, wo Platz ist“
    Plötzlich Unruhe auf dem Platz, Fans bewegen sich schneller, laufen, schreien. Unsere Reiseleiterin betritt den Bus, sie hustet, es hört sich an, als ob sie sich kräftig verschluckt hat. Sie hustet, jemand bietet einen Hustenbonbon an. Leise sagt sie, dass „die da draußen was gesprüht haben“. Sie kommt wieder zu Atem.
    Rückwärts gehende Menschen in Fankleidung kommen in mein Sichtfeld. Rückwärts? Ich muss genauer hinsehen, normalerweise geht man doch vorwärts? Einen Moment sehe ich keine Menschen, die rückwärts Gehenden haben sich hinter (oder in?) Busse verkrümelt.
    Unsere Bustür ist immer noch offen, unser Busfahrer sitzt da wie versteinert. Aus dem Bus sagt jemand zu ihm : „Fermez la porte, svp.“ Er schließt ansatzlos und ohne eigene Bewertung die Tür. (Der Busfahrer scheint Einheimischer zu sein, warum habe ich den Eindruck, er sieht so was zum erstem Man?)


    Neue rückwärts gehende Menschen in Fankleidung schieben sich vor das Sichtfeld von Bus 2. Einige gehen in den Bus, der uns gegenüber steht, aber da stehen schon welche in der Tür . Zwischen dem Bus, der uns gegenüber steht, und unserem Bus sind ca 20m Platz. Einige Menschen in Fankleidung bleiben stehen, es sind ca 20. Sie bleiben in Reihe stehen, einige zeigen den Mittelfinger, zwei lösen sich und gehen ca 1 m nach vorne, Richtung der Polizisten und zeigen den Mittelfinger. Geworfen wird nichts. Die Polizeikette kommt ins Bild, die Fans verziehen sich. Laute Stimmen. Für oder gegen wen ist nicht klar.
    Ein Polizist klopft mit dem Schagstock gegen die Frontscheibe unsres Busses und deutet auf die Tür. Dieses geschieht mehrfach. Schließlich öffnet der Busfahrer die Tür, um sofort durch die halboffene Tür das Kommando durch die Polizisten zum Schließen entgegenzunehmen. Wir alle atmen auf.. Jeder, der im Bus war, hätte sich nicht erklären können, warum in dieser Situation Polizisten darauf bestanden hätten, dass die Tür offen bleibt. Friedlicher ging es nicht. Kein Pöbeln, kein Klopfen, einfach nur Ruhe und ungläubiges Erstaunen.
    In diese Stille rollt der tropfende Wasserwerfer ins Bild. Jemand sagt: „der tropft“. Nach ein paar Sekunden ist jedem in unserem Bus klar, dass der Wasserwerfer kurz zuvor noch im Einsatz gewesen sein muss, denn nun tropft er nicht mehr.
    Alle, bis auf einen Busmitfahrer sind betroffen, wegen der Dinge, die sie da sehen und erleben. Es herrscht Stille und Betroffenheit. Der eine, der nicht so betroffen ist, möchte furchtbar gerne direkt neben dem Wasserwerfer (Distanz 1 m) rauchen. Er lässt sich schließlich durch die Busbesatzung überzeugen, dass das keine gute Idee ist.


    Hier ist im Sinne derer, die sonst sagen: „Wir sind nicht Aggressoren, schaut auch Mal auf die Polizei“ was ganz bisher nie Dagewesenes passiert. Ganz viele Menschen konnten sehen und erfahren, dass man selbst nichts getan haben muss, und trotzdem ein Wasserwerfer und behelmte Polizisten auf weniger als drei Meter an ein einen persönlich rankommen. Und dass diese Polizisten in der Lage sind, eine beeindruckende Drohkulisse aufzubauen.

  • So Jungs, jetzt hört mal mit dem Rumgejammer auf. So geht man donnerstags in meinem Barrio mit Wasserwerfern um. Davon könnt ihr was lernen und schafft es so auch zum Weihnachtsmarkt:


    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

  • Kann man das auch als Gold- oder Silberpaket buchen? Und muss man vom Bolzplatz aus sehr weit laufen oder ist das gleich um die Ecke?


    Das ist alles im Silberpaket drin: ein nettes Kneipenviertel ist nur einen Steinwurf entfernt. Es ist auch an solchen Tagen nicht geschlossen und bietet auf Wunsch Krombacher. Der Fußballplatz ist auch gleich um die Ecke und gelegentlich im Mittelpunkt des Geschehens. Beim Goldpaket gibt es Schampusflaschen für die Mollies und Designermasken zum Vermummen.


    Abgesehen davon: So ne Bambule wie in Lüttich macht den Leuten doch Spaß. Ihr habt jetzt was zu erzählen und passiert ist eigentlich nichts.

  • Kollege Florian ist doch ganz andere Sachen gewohnt. Lüttich wäre dort maximal ein Kindergeburtstag mit einigen auf Krawall gebürsteten Muttis.

  • Das sehe ich genauso, ist aber ein bisschen langweilig. Spannender finde ich die Frage, was du und andere denn für Erwartungen an die Mitreisenden stellen. Ist es denn so abwegig, dass von Fanseite auf diejenigen eingewirkt wird, die erkennbar eine Eskalation herbeiführen wollen?

    Bitte beschreibe mir, was ioch da als normaler fußballinteressierter Mensch machen soll? Utze beschrieb das ja weiter oben.


    Ich lese mir die sehr ausführliche und sehr verstörende Beschreibung von Philli (vielen Dank dafür) durch und die Beschreibungen von anderen Usern, die ich nicht für 16 jährige Förderschüler mit Männlichkeitsproblemen halte, packe meine eigenen Erlebnisse beim Fußball und bei Demos dazu und komme zu dem Schluss, dass die Polizei in Lüttich falsch reagiert hat.

  • Ich kann natürlich kein komplettes Konzept zur Selbstregulierung der 96-Fanszene aus dem Ärmel schütteln. Trotzdem sind solche selbstregulierenden Ansätze wichtiger Bestandteil einer Lösung des Problems. (Das zeigen ja auch erfolgreiche Selbstreinigungsprozesse anderer Szenen.)


    Im konkreten Fall Lüttich war es ja offenkundig so, dass einige Leute aktiv die Eskalation gesucht haben, während andere zumindest im Falle einer Eskalation aktivierbar wären. Jeder, der es schafft, durch eine direkte Ansprache jemanden davon abzubringen, weiteres Öl ins Feuer zu gießen, leistet einen extrem wichtigen Beitrag zur Entspannung der Gesamtsituation.


    Bzgl. derjenigen, die dermaßen voll mit Hass und/oder Adrenalin sind - z.B. die Faschos im Block oder die Krawallkids auf dem Vorplatz - hast du sicher insofern recht, als diese sich nicht durch einen zarten Hinweis von ihrem Tun abbringen lassen. Trotzdem ist ein solcher Hinweis immer wertvoll, weil es denjenigen zeigt, dass es Leute gibt, die ein solches Verhalten nicht zu tolerieren bereit sind. Darüber hinaus sind durchaus auch konkrete, kurzfristige Erfolge möglich: Da wir ja alle wissen, dass die Mehrheit der Fans Gewalt ablehnt - was spricht dagegen, sich in einer solchen Situation zwei, drei Umstehende für die Ansprache zu schnappen (und im Falle fehlender Einsicht, den Typen einfach wegzudrücken)? Meiner Meinung nach lässt man diese Typen viel zu leicht gewähren. Mit dem unangenehmen Nebeneffekt, dass sich diejenigen auch noch als Kämpfer im Interesse des gesamten Blocks fühlen dürfen.


    Das gilt gleichermaßen für irgendwelche Faschos im Block und auch für diejenigen, die sich als Freizeitvandalen in Kopenhagen betätigt haben. Wie kann es z.B. sein, dass irgendwelche volltrunkenen Leute Scheiben von Wohnhäusern einschmeißen können, ohne dass sich irgendjemand der vielen, vielen Umstehenden dafür interessiert?

  • Ich werde es in Zukunft nicht mehr machen. Der Typ ist schon extrem agressiv geworden und ich möchte nicht von so einem Faschoarsch den Block runter getreten werden! Ich halte in Zukunft mein Maul - habe Familie die ich noch länger sehen möchte! Ich wünsche mir, dass diese Faschos einfach mal die Zähne per Faust entfernt bekommen. Von mir sicher nicht!

  • @Jo4ever: Hast Du das denn getan? Leute angsprochen und versucht Ihnen ihren Unfug auszureden? Also in Lüttich oder Kopenhagen jetzt. Oder warst Du gar nicht vor Ort und sitzt schön bequem vor Deinem Monitor und wirfst denjenigen, die dabei waren vor, dass sie nicht aktiv geworden sind? Mal im Ernst, in Kopenhagen habe ich persönlich keine Randalierer beim Randalieren gesehen. In Lüttich saß ich bereits im Bus und habe nur knüppelschwingende Polizisten gesehen. Ich fand da eigentlich (Gründe hat z.B. utze gerade genannt) die Variante im Bus zu bleiben wesentlich cleverer.

  • Eine traurige aber absolut verständliche(!!!) Konsequenz utze. Ich reiße mein Maul auch nur noch auf wenn ich mir entsprechender Rückendeckung sicher bin. Also entweder in zuverlässiger Begleitung bin oder zur Not vorher mit anderen Anwesenden eine Unterstürzung für den Fall des Falles abgeklärt habe. Auf spontane Zivilcourage zu vertrauen hat sich als wenig verlässliche Strategie erwiesen...

  • Ich kann/möchte nix zu dem Polizeieinsatz nach dem Spiel schreiben, aber ich finde es erschreckend, dass verletzte Personen nicht vor Ort behandelt werden durften und erst ein Krankenwagen in Aachen einen Person behandeln konnte.
    ich weiß nicht, ob die Versorgung an der Raststätte gereicht hat oder ob es noch weiter ins Krankenhaus ging.


    Wollte ich nur anmerken für die Leute im Forum, die meinen, dass sich Polizisten "immer" (bewusst übertrieben) korrekt verhalten...


  • Mal fernab davon, dass es nichts zu sehen, sondern nur peinliches Gebrabbel zu hören gibt. Wer will sowas sehen ? :nein: :grübel:
    Warum stellt man sowas rein ?
    Schlimmer ist aber noch das andere Video, welches hier ebenfalls schon gepostet wurde.


    Einfach nur beschämend , sowohl die Darsteller, als auch ,,der Regisseur''.... :wut:


    Ich möchte hiermit anmerken, das ich dieses Video lediglich verlinkt habe, allerdings nichts mit Regisseur oder Darstellern gemein habe. ;)