• Ich hatte heute das erste Gespräch bei einer Psychotherapeutin und bin irgendwie zwiegespalten.


    Hab das Gefühl, sie hat den Ernst meines Anliegens nicht ganz verstanden und ist auch nicht so wirklich auf meinen gesundheitlichen Zustand eingegangen. Nachdem ich mein "aktuelles Problem" sehr ausführlich erklärt hab, kamen noch zich Fragen von Kindergarten über ehemalige Freundinnen, Familie etc bis zu meiner aktuellen Lebenssituaion mit Frau und Kindern. Fühlte sich danach echt komisch an, so viel in kurzer Zeit von sich Preis zu geben, jede Frage hab ich für mich im Kopf hinterfragt ("wieso wollte die das jetzt wissen?"). Sie selbst sieht nicht, wie eine Therapie helfen könnte und denkt, da kann ein Psychiater (ggf. medikamentös) besser weiterhelfen. Da hab ich erst am 24.03. einen Termin. 2 Tage vorher hab ich nochmal einen Termin mit ihr, da will sie mir aufzeigen, was für Möglichkeiten es mit einer Therapie wohl geben würde.


    Was meint ihr? Ist ein Psychiater da wirklich besser als ein Psychotherapeut?


    Hatte gehofft, heut schon ein wenig an die Hand genommen zu werden, das mir ein Fahrplan für die nächsten Wochen aufgezeigt wird... bisher leider nix.

  • ist auch nicht so wirklich auf meinen gesundheitlichen Zustand eingegangen. Nachdem ich mein "aktuelles Problem" sehr ausführlich erklärt hab, kamen noch zich Fragen von Kindergarten über ehemalige Freundinnen, Familie etc bis zu meiner aktuellen Lebenssituaion mit Frau und Kindern. Fühlte sich danach echt komisch an, so viel in kurzer Zeit von sich Preis zu geben, jede Frage hab ich für mich im Kopf hinterfragt ("wieso wollte die das jetzt wissen?").

    Das ist die Anamnese und erfolgt immer anfangs. Die Anamnese kann sehr umfangreich sein und eigentlich hat man selber keinen Bock drauf, weil es einem in dem Moment nicht hilft. Man will ja Hilfe.

    Hab das Gefühl, sie hat den Ernst meines Anliegens nicht ganz verstanden und ist auch nicht so wirklich auf meinen gesundheitlichen Zustand eingegangen.

    Die Anamnese kann länger als eine Sitzung dauern, da war jetzt wohl kein Platz dafür, auch wenn es sich hart anhört.

    2 Tage vorher hab ich nochmal einen Termin mit ihr, da will sie mir aufzeigen, was für Möglichkeiten es mit einer Therapie wohl geben würde.

    Das widerspricht ein wenig dem, was du zuvor geschrieben hast (Therapie hilft nicht). Hast du das richtig verstanden? Frag sonst bitte einfach nochmal nach. Es kann sein, dass eine psychatrische Behandlung vorab oder parallel erfolgen soll. Kläre das unbedingt genau.

    Was meint ihr? Ist ein Psychiater da wirklich besser als ein Psychotherapeut?

    Das eine schließt das andere halt nicht aus.

    Hatte gehofft, heut schon ein wenig an die Hand genommen zu werden, das mir ein Fahrplan für die nächsten Wochen aufgezeigt wird... bisher leider nix.

    Hab Geduld und Vertrauen. Sei froh, dass du so schnell ein Erstgespräch für Psychotherapie bekommen hast.

  • Ich würde auch sagen, dass das ohne Diagnose eigentlich nicht zu beurteilen ist.


    Wobei mich auch die Aussage wundert, dass ein Facharzt weiterhelfen können soll, aber angeblich eine Therapie nicht.

    Ich selbst habe noch nie Medikamente genommen, aber was ich bei anderen mitbekommen habe, gab es anschließend oder begleitend eigentlich auch immer eine Therapie... in welcher Form auch immer... bei einem Bekannten nach Burnout dann im Rahmen einer stationären Reha.


    Mit dem oder der Therapeutin bin ich mabuses Meinung: Das muss schon einigermaßen passen.

    Teilweise halt auch diagnoseabhängig. Bei HSP zum Beispiel sollte die Person schon eine gewisse Vorstellung davon haben.

    Und man sollte sich hinterher - mal unabhängig von der emotionalen Aufruhr - schon tendenziell besser fühlen als vorher. Hatte da mal ein Erlebnis bei einem Coach, wo das eher nicht so war :(

  • Ich erkenne mich in einigen Beschreibungen wieder. Zwischen Aggression und Trauer war/ist alles dabei sowie auch Lustlosigkeit, Abgeschlagenheit und Überforderung.


    Bei mir wurde damals Burnout in Verbindung mit mittelschwerer Depression und Panikstörungen diagnostiziert. Wahrscheinlich entwickelte sich insbesondere die Depression schon Jahre vor meiner Diagnose, aber ich war immer zu stur um es mir einzugestehen. Beziehungsweise konnte ich mir nicht vorstellen, dass mir jemand irgendwie helfen konnte da ich ja wusste, was mir alles fehlte.


    Ich habe mich nach einigen Zusammenbrüchen 2015 dann in die Psychiatrie Wunstorf einweisen lassen mit anschließender Zeit in der gegenüberliegenden Tagesklinik. Den Job hab ich hingeschmissen. Er war auch einer von vielen Puzzleteilen, die zu meiner Krankheit führten. Ich habe diesen Schritt nicht bereut.


    Natürlich ist auch heute nicht alles gut. Wird es ehrlich gesagt bei mir auch nicht aber falls es Mut macht: Ich lernte mit vielen Situationen und Gefühlen besser umzugehen, auch wenn man nicht immer für alles Lösungen parat hat.


    Jeder Mensch ist anders und es gibt kein Patentrezept für die eigene Krankheit aber man darf nie den Mut verlieren.

    Auf diesen steilen Weg bleibt es auch nicht aus, schlechte Erfahrungen mit Kliniken, Ärzten, Medikamenten zu machen.


    Wer sich helfen lässt, hat schon mal eine große Hürde überwunden. Aus Selbstschutz kann ich leider nicht allzuoft für einen Ratschlag zur Verfügung stehen (Eigene Grenzen erkennen, was ich erst durch die Psychiatrie erlernte) aber vielleicht kann ich Betroffenen auch ein wenig bei Fragen helfen.


    Ich drücke allen Betroffenen hier die Daumen.

  • Ich habe mit meinem Psychiater mehr "geklickt" als mit meiner Therapeutin.

    Der hat mir auch andere, interessante Therapiemöglichkeiten, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte vorgeschlagen.

    Nicht jeder braucht eine Verhaltenstherapie, vor allem wenn man reflektiert das Problem schon diagnostiziert hat.


    Und so klischeehaft wie es immer klingt, nichts hat mir so viel geholfen wie Sport in Kombination mit einem leichten Antidepressivum und natürlich eine paar Wochen weg vom Stressauslöser.

  • Was mich erstmal interessiert: gibt es irgendeine Diagnose?

    Nicht aus Neugierde, sondern um da ggf. aus eigener Erfahrung etwas beizusteuern.

    Auf den Überweisungen und der AU steht "Depressive Episode, Erschöpfungsdepression, Mobbingsituation auf Arbeit".

    Danke.


    Ja, so hatte ich das verstanden, aber da werde ich nächstes Mal natürlich nochmal nachhaken bzgl Therapie. Nächste Woche hab ich den nächsten Termin bei meiner Hausärztin. In 3 Wochen dann die nächsten 2 Facharzttermine.


    Ich fang heute mit Venlafaxin an, nachdem ich mich jetzt eine Woche lang ein wenig davor "gedrückt" hatte aber es hilft anscheinend nicht ohne.


  • Ich fang heute mit Venlafaxin an

    Dosis?

    Pass bloß auf sich auf. Ich hatte seinerzeit eine Stunde nach der ersten Einnahme einen Freund angerufen, um bei mir zu sein, da ich nicht mehr richtig bei mir war.


    Alles Gute!

  • Noch hat es die Apotheke nicht da gehabt, ich warte also und werd dann wohl morgen anfangen.


    Die erste Woche soll ich 75 mg nehmen und ab der 2. Woche dann 150, wenn ich es vertragen sollte.

  • Sorry. Also war nicht kontraproduktiv gemeint.

    Ich war danach ziemlich paranoid, so würde ich es mal Nennen. Wie in Trance.

    Im Nachgang betrachtet sicher alles dem. Gesamtzustand geschuldet. Helfen kann der Mist, zumindest oberflächlich.


    Meine, dass ich auch direkt mit 150mg eingestiegen bin, das war wohl zu krass

  • Helfen kann der Mist,

    Merkste selber, ne?


    Ich hab auch schon Medikamente mit üblen Nebenwirkungen genommen (und natürlich gleich wieder abgesetzt). Das war aber die absolute Ausnahme. Als wenn das Medikament annährend regelmäßig solche Auswirkungen hätte. Dann wäre es wohl nicht so verbreitet.


    Übrigens, mabuse, ich hab keine Nebenwirkungen von meinem Medikament.

  • Also d2k bleib entspannt so gut es geht und lass es zu dass du mit Tabletten weiter fightest. Na und scheißegal.manch einer packt es ohne Tabletten und manch einer braucht die Tabletten. Völlig scheißegal wie Hauptsache es geht irgendwann wieder bergauf. Ich wollte auch erst keine Tabletten haben, das war nicht erfolgreich jetzt hab ich welche und es geht mir damit Lebensqualitätsmäßig auf jeden Fall besser. Du bist kein schlechterer Mensch nur weil du jetzt Tabletten nimmst, die dir helfen sollen.

    Und es kann sein das die Tabletten mal nicht helfen, sondern wiese Nebenwirkungenen haben, dann probiert man ein neues Medikament. Meine jetzigen Tabletten sind die dritten. Kopf hoch mein Junge immer weiter nicht aufgeben


  • Zunächst einmal Klasse und Respekt, dass du den Schritt gegangen bist!

    Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen, da ich mich im letzten Jahr ebenfalls dazu durchringen konnte (nachdem mir bereits einige Jahre geraten wurde, mir professionelle Hilfe zu suchen).


    Meine Therapeutin hat auch nach der ersten Sitzung durchblicken lassen, dass so viel im Argen ist, dass eine ambulante Therapie keinen Sinn ergibt (vielleicht meinte deine Therapeutin Ähnliches?) und hat eine stationäre Therapie ins Spiel gebracht, die ich dann auch knapp 3 Monate lang gemacht habe.


    Alles in allem darfst du keine Wunder erwarten (Stichwort Fahrplan), vor dir liegt wahrscheinlich ein langer, steiniger Weg mit wahnsinnig vielen Aufs und Abs, aber - und da kannst du dir annähernd sicher sein - es wird dich voran bringen. Die größte Hürde hast du hinter dir! Den weiteren Weg rockst du!


    ___________________________

    Kurz mal zu mir, wie bereits erwähnt wurde mir schon lange Zeit zu professioneller Hilfe geraten, den ersten Schritt zu meiner Hausärztin bin ich dann erst im Juni gegangen, nachdem die letzte halbwegs intakte Lebenslage, nämlich die Arbeit, ebenfalls aus den Fugen geriet.

    Mein Stand damals war: Keine Partnerin, kaum bei keine sozialen Kontakte, ein Zuhause in dem man sich nicht mehr wohl fühlt, Freud- und Antriebslosigkeit sowie eine durch frühkindliche Mobbingerfahrungen und den Tod eines Geschwisters in meiner Kindheit (und alles, was das für meine weitere Entwicklung zur Folge hatte) verhunzte Psyche. Der letzte "Anker", das letzte bisschen Alltag und Normalität bzw. das, was sich nochmehr nach "Zuhause" anfühlte als die eigene Wohnung war: Die Arbeit. Und diese letzte intakte Lebenslage broch mir vor 2 Jahren unter den Füßen weg, gefühlte Degradierung, Demütigung und plötzliche totale Perspektivlosigkeit.
    Fortan bin ich nur noch mit Bauchschmerzen zur Arbeit und sogar mit Bauchschmerzen ins Wochenende. Alles bestand nur noch aus negativen Gedanken an die Arbeit. Das mündete in Schlafstörungen und Panikattacken, was wiederum dazu führte, dass ich auf der Arbeit aufgrund mangelnder Konzentration nichts mehr zu leisten imstande war. Danach folgte dann ein Tinnitus und DAS war dann endlich der Punkt, wo ich realisiert habe, dass ich mal zum Arzt sollte...


    Der nächste Schritt, nämlich mir auf Anraten meiner Hausärztin psychologische Hilfe zu suchen, hat mich dann nochmal 2-3 Wochen gekostet. Und dann hat man es eeeendlich irgendwann geschafft und sitzt da bei der Therapeutin und nach der ersten Sitzung legt sie einem eine stationären Aufenthalt nahe. Das war nochmal ein bitterer Schlag.

    Schlussendlich fuhr ich dann im Spätsommer endlich in eine Klinik, mit großen Hoffnungen, dass ich da gesund raus gehe. Auch da habe ich wieder zu viel erwartet.
    Wenn das komplette Leben ein einziger Scherbenhaufen ist, dann hilft einem so eine Klinik im Grunde genommen erstmal dabei, die Millionen von Scherben nach Farbe und Größe zu sortieren und verborgene Dinge ans Tageslicht zu bringen. Konkret wurde mir dort nämlich zusätzlich zu den vorhandenen Depressionen und der großen "Lebenskrise" noch eine leichte Sozialphobie attestiert, was wiederum dazu führte (um mal den Schwenk hier zum Forum bzw. zu 96 zu schaffen), dass ich Ereignisse, auf die ich mich stets gefreut habe (u.a. Enten-Essen und Stadionbesuche) kurzfristig unter Zurhilfenahme von Ausreden / Lügen abgesagt habe.

    Wobei einem so ein Klinikaufenthalt aber enorm hilft, ist sich selber ein ganzes Stück besser kennen zu lernen und zu verstehen, wieso man sich so Verhält.

    Im Endeffekt bin ich jetzt seit 9 Monaten krankgeschrieben, kämpfe mich was die Depressionen betrifft von Tag zu Tag und hoffe, dass es mir bald möglich sein wird (Stichwort Coronaeinschränkungen) mich im Alltag meiner Sozialphobie zu stellen.

    Sorry für das viele unsortierte Geschreibsel. Falls jemand Fragen hat, bitte nicht zögern sie zu stellen :)

  • Willkommen zurück, mein lieber Denyo96 :herz:


    Ich habe mich öfters gefragt, wo du geblieben bist. Nun weiß ich zumindest den Grund für deine Abwesenheit.


    Soviele Dinge erkenne ich hier wieder, mit denen ich auch zu kämpfen habe.


    Ich werde mich dem ganzen Murks nach nun gut 20 Jahren auch endlich stellen.

    Einmal editiert, zuletzt von Jones ()

  • Ungeachtet der Umstände... freut mich mal wieder von dir zu hören, alter Geselle. Vielleicht ja auf Dauer, wenn es dir hilft!

  • Denyo, alter Junge, auch oder obwohl ich davon wusste finde ich es super, dass Du es a.) wirklich angehst und Dich b.) hier meldest.


    Als nicht Betroffener kann ich mir vorstellen, dass der Austausch (wenn auch teilweise anonym) helfen kann.


    Ich drücke Dir weiterhin alle Daumen, allen anderen natürlich auch.