Noah-Joel Sarenren-Bazee

  • Was ich sagen will: Eine Gehirnerschütterung ist schon unter optimalen Bedingungen nicht zweifelsfrei zu diagnostizieren. Bei einem Sportler mitten in einer Phase der körperlichen Belastung noch weniger. Mein Eindruck war, dass Sarenren Bazee so umfangreich wie in der Situation möglich untersucht und befragt wurde. Auch machte er auf den Fernsehbildern den Eindruck, als würde er angemessen auf Ansprache reagieren. Nach Übelkeit oder Schwindel sah das jedenfalls nicht aus. Als dieser jedoch kurz danach augenscheinlich eintrat, wurde er aus dem Spiel genommen.
    Eine unterlassene Sorgfaltspflicht der Ärzte kann ich da jedenfalls als Außenstehender nicht erkennen. Aber ja, den Vorwurf kann man ihnen natürlich trotzdem einfach mal machen. Wieso auch nicht?

  • Wie diagnostiziert man eine Gehirnerschütterung am Spielfeldrand?


    Man hält dem Patienten in ca. 30cm Entfernung eine Taschenlampe vor das linke Auge und lässt beide Augen einem hochgestreckten Zeigefinger in ca. 20cm Entfernung von links nach rechts folgen.


    Ist die Reaktion zufriedenstellend fragt man ob heute gestern oder morgen ist.
    Wird die Frage mit nein beantwortet ist der Patient handlungsfähig.


    In einer Praxis würde man den Patienten noch ca. 3m gerade aus gehen lassen und den Befund abschließen, auf dem Spielfeld sieht man das Ergebnis eben auch direkt, wenn der Patient über den Platz läuft.
    Sind da keine 3m gerade aus dabei ist der Befund positiv, also Gehirnerschütterung.

  • Es gibt sowohl im Rugby als auch im American Football das sogenannte "Concussion Protocol". Da wird ein Spieler zeitweise (für 10 Minuten, Rugby Union Regeln) ausgewechselt und eingehend untersucht. Scheint zu funktionieren. Nun ist sowas im Fußball nicht die Regel, klar. Ergibt aber Sinn, im Fall des Falles. Weil, echt gefährlich, wenn nicht erkannt.

  • Gehirnerschütterung halt.


    So hat man in der NFL leider auch lange gedacht, bis man durch öffentlichen Druck, aufgrund von Todesfällen ehemaliger Spieler, dazu gezwungen wurde dort neue Regeln (3 Gehirnerschütterungen und der Spieler darf nie mehr spielen) einzuführen. Es wäre sehr begrüßenswert wenn man darüber auch im Fußball nachdenken würde.


    Wenn man das weiterhin so lapidar abtut wird irgendwann das böse erwachen kommen.

  • Ich halte eine Gehirnerschütterung keineswegs für Kleinkram. Ich meinte nur, dass eben die vermutete Verletzung auch die eingetretene ist. Und ich meine weiterhin, dass die Ärzte im Rahmen der Möglichkeiten angemessen untersucht haben (Befragung und Kontrolle der Augen).

  • Genau dieser "Rahmen der Möglichkeiten" ist vermutlich das Problem. Es müssten im Übrigen auch unabhängige Ärzte sein, die da untersuchen um jedwede Entscheidung zu vermeintlichen Gunsten einer Mannschaft auszuschließen. Könnte die FIFA/UEFA/DFB/DFL mal ran. Wie gesagt, das geht lange gut bis es irgendwann mal so richtig schief geht.

  • Was ich sagen will: Eine Gehirnerschütterung ist schon unter optimalen Bedingungen nicht zweifelsfrei zu diagnostizieren.


    Genau das ist doch der Punkt. Man muss eine Gehirnerschütterung ja nicht zweifelsfrei diagnostizieren, um sagen zu können: "Hey, den Spieler sollten wir zur Sicherheit mal lieber runternehmen, der könnte was abbekommen haben." Diese Situation mit NJSB ist ja nicht die erste, wo jemand mit Kopfverletzung weiterspielt und kurze Zeit später dann doch raus muss. Da kommt zum Beispiel Christoph Kramer im WM-Finale 2014 in den Sinn, aber mir ist das auch bei der diesjährigen WM immer wieder aufgefallen. Die Jungs werden zurück auf den Platz geschickt und nach dem Spiel stellt sich dann der Trainer vor die Fernsehkameras und erzählt, was für ein tougher Typ das doch sei, der sich von so einer kleinen Beule nicht unterkriegen lässt.
    Ich möchte mir hier jetzt auch nicht den Vorwurf der Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht in die Schuhe schieben lassen; mir geht es hauptsächlich darum, dass es Zeit für einen Mentalitätswandel in dieser Hinsicht wird und dass solche Sachen in Zukunft anders gehandhabt werden sollten. Diese Situation gestern erschien mir dafür ein ganz gutes Beispiel.

  • Den musste man doch nur einmal ankucken um zu sehen wie fertig der war. Fand ich fragdwuerdig, dass Breitenreiter sich hin nicht nochmal selber angekuckt hat um zu sehen wie es ihm geht.

  • Der bloße Verdacht auf eine Gehirnerschütterung sollte eigentlich eine sofortige Auswechslung nach sich ziehen.

  • Die NFL zauberte das "concussion-protocol" aus dem Hut, nachdem der öffentliche Druck wuchs.
    Im Rugbysport wird der Verdacht einer Gehirnerschütterung als ausreichend angesehen, einen Spieler vom Spielfeld zu nehmen. link


    So sollte es in jedem Sport sein!
    Der Verdacht muss aufgrund der mittlerweile bekannten Spätfolgen ausreichend sein, um einen Sportler zu seinem Schutz aus dem Wettkampf zu nehmen.

  • Wie diagnostiziert man eine Gehirnerschütterung am Spielfeldrand?


    Gegenfrage: Wie schließt man eine Gehirnerschütterung am Spielfeldrand aus?


    Ich kann ja zur Verdeutlichung mal schildern, wie wir im Rettungsdienst arbeiten. Wir - das sind in erster Linie nicht-ärztliches Fachpersonal, aber auch Ärzte - arbeiten aufgrund begrenzter diagnostischer Möglichkeiten vor Ort in der Regel mit Verdachtsdiagnosen, das heißt, wir stellen anhand der uns zur Verfügung stehenden Inforamtionen eine Diagnose auf Verdacht. Diese ist dann die Arbeitsdiagnose, und zwar so lange, bis der Verdacht entweder bestätigt oder ausgeschlossen wurde.


    Bei dem Unfallmechanismus und der Kinetik wie in diesem konkreten Fall wird doch niemand ernsthaft die Verdachtsdiagnose "Gehirnerschütterung" in Frage stellen wollen. Und da diese am Spielfeldrand nicht sicher ausgeschlossen werden kann, gehört der Spieler runter vom Feld, ohne Wenn und Aber. Ich würde es schon fast als Wahnsinn bezeichnen, dass NJSB mit der Beule an der Stirn und in Anbetracht der Tatsache, dass sein Gegenspieler schwer verletzt vom Platz getragen werden musste, wieder aufs Feld geschickt wurde.


    Wenn ich mir überlege, was schlimmstenfalls hätte passieren können, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Wenn er mit dem frischen Schädel-Hirn-Trauma erneut mit jemandem zusammen rasselt, macht er so schnell die Augen nicht wieder auf. Dass eine Gehirnerschütterung auch mal atypisch verlaufen und manche Symptome erst zeitversetzt auftreten können, sollte einem Unfallchirurgen (die meisten Mannschaftsärzte sind Unfallchirurgen) eigentlich klar sein.


    Die Wahrscheinlichkeit von schwerwiegenden Symptomen mag relativ gesehen gering sein, aber in absoluter Zahl sind sie nicht zu vernachlässigen. Lass den mal auf dem Spielfeld anfangen zu krampfen oder cerebral komplett aussteigen mit Ausfall der Schutzreflexe. So schnell bekommst du den gar nicht vom Platz getragen und intubiert, wie er an seiner Kotze erstickt.


    Klingt übertrieben, habe ich aber alles schon erlebt. Ist nicht schön sowas.


    EDIT: Interview mit FIFA-Chefarzt Dvorak (Link zu fifa.com)


    Zitat

    "Es gibt zwei Situationen im Fussball, wo der Teamarzt unaufgefordert auf das Spielfeld laufen darf: bei einem Verdacht auf einen plötzlichen Herzstillstand oder auf eine Kopfverletzung, zum Beispiel eine Gehirnerschütterung.
    (...)
    Bei der medizinischen Diagnose hat der Trainer nichts zu sagen. Es ist allein der Arzt, der entscheidet.
    (...)
    Der Schiedsrichter darf den verletzten Spieler nur mit der Einwilligung des Teamarztes weiterspielen lassen, der endgültig entscheidet."

    2 Mal editiert, zuletzt von SHG-Chris ()

  • Kann man sich so ein Horn holen ohne dass das Gehirn beeinträchtigt wird?


    Ich bin jetzt kein Arzt, würde aber vermuten so rein von der Physik her....bestimmt, sofern die Fläche gegen die Du ballerst von der Fläche her kleiner ist als z.B. ein anderer Kopf. Natürlich gleichzeitig nicht so Spitz, dass Dir das direkt durch die Schädeldecke bohrt :engel: .

  • Ich möchte nochmal klarstellen, dass ich eine Gehirnerschütterung keinesfalls verharmlosen wollte und auch nicht auf der Welle reite, dass es cool ist, mit sowas als "harter Kerl" einfach weiter zu spielen. Ich fand ganz subjektiv nur, dass die Ärzte getan haben, was sie in dem Moment tun konnten (Augenbewegungen geprüft, mit NJSB gesprochen, etc.). Ich bin sofort dabei, Spieler mit solchen Verletzungen besser zu schützen, aber dann muss das System sich ändern. Ich hatte einfach ein Störgefühl damit, dass hier den Ärzten (allein) der schwarze Peter zugeschoben wurde. Wobei die Zitate von SHG-Chris das jetzt auch anders darlegen. Danke dafür.

    Einmal editiert, zuletzt von sasa ()

  • Zitat

    "Es gibt zwei Situationen im Fussball, wo der Teamarzt unaufgefordert auf das Spielfeld laufen darf: bei einem Verdacht auf einen plötzlichen Herzstillstand oder auf eine Kopfverletzung, zum Beispiel eine Gehirnerschütterung.


    Ich hätte erwartet, dass der Arzt immer unaufgefordert aufs Spielfeld laufen darf, wenn nach seinem Dafürhalten unverzügliche ärztliche Hilfe erfordelich ist. Das kann doch auch in anderen Fällen der Fall sein.

  • Der Paragraph dürfte mal wieder nötig sein weil nirgendwo so gerne Zeit geschindet und betrogen wird wie beim Fussball. Sonst schickt der Trainer halt sofort seinen Arzt aufs Feld bei einem Konter (irgendein Spieler liegt ja immer).