Hannovers Konzentrationslager

  • Politischer Zoff-Thread oder so


    Danke für Dein Schlaglicht, Erdinger, auf einen der dunkelsten Momente in Hannovers Geschichte.
    Und für die, die meinen: Was konnte man damals schon wissen, was konnte man damals schon tun, etc., eine kleine Anekdote aus Stöcken:


    Zigtausende Hannoveraner haben eine Menge gesehen und gewusst, zogen doch jeden Tag Tausende armseliger, hungriger KZ-Häftlinge aus einem der (zeitweilig bis zu sieben) hannöverschen KZ auf stundenlangen Märschen zur (Vernichtung durch) Arbeit in die Fabriken der Stadt, wo sie Seite an Seite mit ihren hannöverschen Kollegen (deren Mitleid oder gar Solidarität das Regime ganz überwiegend nicht zu befürchten hatte), aber unter grausamsten Bedingungen, schuften mussten.


    Die Großmutter eines Freundes hatte unerkannt Brotkanten aus dem Fenster in die vorbei ziehende Kolonne der ausgemergelten Arbeitssklaven geworfen. Darauf war ein Tumult entstanden, weil die Häftinge das Brot nicht mit dem Mund fangen konnten, so dass es zu Boden gefallen war, wo es niemand mehr hatte greifen können.


    Die erzürnten Kapos waren dann zur Tür des Mietshauses gerannt, wo gerade die Mutter meines Freundes (damals 10 Jahre alt), auf die Straße trat. Mit Brot und zwei Äpfel in der Hand ging sie mit einem strahlenden Lächeln direkt zur wartenden Kolonne verteilte dort ihre Gaben an die Hungernden, drehte sich um und rief den perplexen Schergen noch zu "Und morgen back ich Euch einen Kuchen!" Den fiel nicht mehr ein, als der Kleinen (den Fotos nach, damals ein kleiner blonder Engel - wie aus dem BDM-Bilderbuch) zu befehlen: "Ab ins Haus, aber sofort!"


    Die Familie hat sie dann später nicht mehr rausgelassen. Nach dem Krieg aber hat sie immer wieder daran denken müssen und sich gefragt: Was, wenn einfach alle Anwohner ein Kind mit einem Stück Brot an die Straße geschickt hätten? Was hätten die dagegen schon machen können?


    Aber auch der Umgang Hannovers mit den überlebenden KZ-Opfern, wie mit dem Andenken an die geschätzt 10.000 toten in der Nachkriegsgeschichte ist eine Schande, sowohl was die Behörden betrifft, als auch die industriellen Profiteure (von den in der Masse bis heute nichts wissen wollenden Hannoveranern ganz zu schweigen).
    Dazu nur zwei Zitate aus einem immer noch lesenswerten Spiegelbeitrag von 1984 (dessen Quelle, ein bei Prof. Obenaus entstandener hervorragender Forschungsbeitrag von Fröbe et al., ein Jahr später publiziert wurde).


    "Die Ex-Häftlinge mußten ihre gesamten Akten, darunter viele belastende Aussagen über Lager-Bewacher, in der Stadtverwaltung abliefern. Wenige Wochen später wurde das Material im Sozialamt durch den Reißwolf gedreht - "versehentlich", wie es hieß.


    "Und als der Ex-Häftling Arnold Jensen vor einiger Zeit bei der Batterie-Fabrik Varta nachfragte, ob sie ehemaligen Häftlingen in Dänemark beim Bau eines Erholungsheims helfen könne, erkannte die Firma dazu "weder eine rechtliche noch eine moralische Verpflichtung"."


    (Q.: http://m.spiegel.de/spiegel/print/d-13508480.html)

    4 Mal editiert, zuletzt von 94-95-96 ()