Fahrräder und Zubehör

  • kampi

    Wenn Du einen Helm suchst, kommt es zu allererst auf Deine Kopfform an. Dir kann zwar vielleicht Modell A von außen besser gefallen, aber falls Modell B einfach besser auf den Kopf passen sollte, dann wäre trotz alledem B die richtige Wahl. Den Kopfumfang zu wissen, hilft bei der Größenwahl. Aber für die Kopfform gibt es keine Angaben. Ausprobieren. Daher auch lieber die Modelle mal in der Hand halten na Du weißt schon... testweise aufsetzen und nicht nur Fotos im Internet kucken.


    Die Skaterhelme sind schlechter belüftet. Diese neuen urbanen Helme auch. Das kaschieren Anbieter gerne mit der Formulierung "für diesen Helmtyp eine gute Belüftung". Skaterhelme waren vielleicht dafür gedacht, sie immer nur kurzzeitig aufzusetzen, wenn man auf der Pipe die neue Sache ausprobieren will. Und ihn wieder abzusetzen, sobald man den anderen aus der Hood zukucken tut. Skater- und Fahrradhelme (Mountainbike, Rennrad, Urbanpendler, Kinder...) erfüllen aber allesamt dieselbe Helmnorm, nämlich EN 1078. Es gibt eine neue Helmnorm für S-Pedelcs (NTA 8776), die 45 km/h fahren, aber das ist eine eigene Geschichte (das sind eher Strom-Mopeds, mit denen darf man auch nicht aufm Radweg fahren usw.). Es gibt auch Fahrradhelme mit Kinnbügel für den Downhilleinsatz, aber das ist wahrscheinlich auch eine eigene Geschichte. Laß die Finger von chinesischen Anbietern, wer weiß, welche Norm die erfüllen. Made in China sind die wahrscheinlich alle, aber nimm lieber eine bekannte Marke oder einen bekannten Discounter. Die Billighelme von Aldi & Co. sind genauso sicher wie von Abus & Co., aber weniger solide verarbeitet. Mit dem Preis bezahlt man vor allem den bekannten Markennamen, aber auch eine solidere Materialanmutung (vom Kopfring z.B.) und sicher auch die größere Auswahl an Farben und Schnitten. Bei Aldi gibt es halt nur ein Modell.


    Wer Nestle boykottiert, will vielleicht auch bei Fahrradhelmen auf ethische Sachen achten. Giro gehört mittlerweile einem Konsortium, das über drei Ecken mit der US-Waffenlobby zu tun hat (Link mag ich nicht nochmal raussuchen, hatte ich ma gepostet vor 2 Jahren oder so). Abus hat was gegen Frauen (http://itstartedwithafight.de/…6/30/links-der-woche-190/).


    Die Unterscheidung nach Einsatzzweck (halt MTB, Rennrad usw.) ist vor allem der Optik geschuldet. Es gibt kleinere funktionale Unterschiede: Rennradhelme sind besonders leicht, besonders gut belüftet, besonders teuer. MTB-Helme haben oft ein dickes Sonnenschirmchen. Pendlerhelme sind runder, damit der Pendler eben nicht wie ein Sportler aussieht. Sie sind hinten länger gezogen, weil Pendler auf einem Tourenrad eher aufrecht sitzen.


    Da kommt dann die nächste Frage: Auf welchem Fahrrad willste den Helm tragen? Wie ist Deine Körperhaltung? Aufrecht sitzend? Tief nach vorne gebeugt und dann den Kopf in den Nacken hochgezogen? Du möchtest keinen Helm tragen, der hinten weit heruntergezogen ist, wenn Du den Kopf immer in den Nacken ziehst - denn dann schiebst Du Dir eventuell den Helm immer ins Gesicht. Für welchen Zweck willst Du ihn tragen: Sport? Lange Strecken? Dann vielleicht eher besser belüftet. Nur Brötchen holen umme Ecke? Dann ist es eigentlich egal.


    Egal, welcher es wird: Nach 5 Jahren ist der Helm reif für die Mülltonne. Die Weichmacher, die eine Schutzfunktion bieten sollen, entweichen halt mit der Zeit. Außerdem nicht immer irgendwo anditschen damit. Nicht in der Sonne liegen lassen. Vielleicht führt der Helmkauf auch zum Helmzubehörkauf, weil die Belüftungsöffnungen bei kühlem Wetter erstaunlich unangenehm werden können (-> Helmuntermütze, Regenhaube, Ohrenschützer o.ä.). Also der kontrast zwischen teilweise erwärmtem Kopf und teilweise unterkühltem Kopf gefällt mir persönlich nicht.


    edit Absatz: Niemals mit Basecap unterm Helm! Den Knubbel willst Du Dir niemals in den Kopf drücken. Wenn Du eine Schirmmütze tragen willst, such eine für Radfahrer. Die sind ohne Knubbel da oben. Aus gutem Grund. edit Ende.


    Wenn Du losgehst zum Testen, nimm Deine Regen-/Winterjacke mit. Zieh sie an. Nimm die Körperhaltung ein, die Du auf dem Fahrrad hast. Schau, ob der Helm mit der zusammengerollten Kapuze kollidiert. Schau nach links und rechts. Verstellt der Kragen das Kopfbandrädchen? Paßt die Kapuze drüber? Paßt sie drunter? Blinklichter bringen nichts, wenn sie unten angebracht sind und man eine Jacke mit Kapuze trägt. Dann blinkt das Licht in die Kapuze / in den hohen Kragen hinein. Steigert das Sicherheitsgefühl (ich hab ja die Lampe angemacht), aber nicht die Sicherheit (keiner kann die Lampe sehen). Auch das großerschwarzerRucksacküberWarnweste-Phänomen genannt.


    Ein Helm bringt in Sachen Verkehrssicherheit leider recht wenig. Das Vermeiden von Unfällen bringt unendlich viel mehr. Da wären geschützte Radwege das Mittel der Wahl. Und Tempo 30 innerorts. Aber ein Helm kann das Sicherheitsgefühl steigern. Und das ist nicht zu verachten. Mit wachsendem Alter macht es mir persönlich zum Beispiel immer mehr aus, ohne Abstand vom motorisierten Verkehr überholt zu werden. Und nachdem ich den Radverkehrsplan 2030 meiner Stadt gelesen habe (abwarten, in der Nase popeln, eine Linie auf die Straße malen -> noch 10 Jahre warten bis eine untaugliche Lösung realisiert ist), komme ich ebenfalls ins Grübeln. Vielleicht hole ich mir auch einen Helm. Mal kucken. Der Kopf sagt zwar, das bringt fast nichts. Aber das Gefühl will ja auch bedient werden.


    Nichtsdestotrotz bleibt eine beschissene Infrastruktur ein Gefahrenherd. Man kann eben schlecht so einen Radweg [edit2: Link repariert] konstruieren und dann sagen, die Nutzer kommen schon klar, sie haben ja Helme auf. Da helfen nur Kommunalwahlen und Radentscheide. Leider dauert die Umsetzung dann wieder so lange. Helm als Brückentechnologie? Mal kucken.

  • Uff!

    Vielen Dank für deine Ausführungen!

    Ich werde die Tage mal mit dem neuen Rad zu einem Fahrradgeschäft fahren und deine Tipps berücksichtigen.


    Das mit Abus hatte ich letztens auch noch mal gelesen. Schräge Vögel. Sind raus!

  • So. Abendbrot gegessen. Link doch noch rausgeholt: Giro, Bell und die NRA: https://usa.streetsblog.org/20…supporting-the-gun-lobby/


    Bei meinen kurzen Beiträgen kann ich leider nicht alles unterbringen. Die Gurteinstellungen müssen passen (schon mal einen Helmtest gesehen, bei dem der Abstreiftest gemacht wird? Schon mal auf der Straße gekuckt, wie locker die Leute ihre Gurte einstellen?). Der Helm muß immer waagerecht sitzen, nicht schief und schon gar nicht zu weit im Nacken. Es ist kein Sommerhütchen.


    Und ich wäre ja lieber einer, der echt den ganzen Unfall vermeidet. Klar, Kopfverletzungen heilen unter Umständen schlechter oder gar nicht mehr. Schon. Aber den Rest meines Körpers will ich ja trotzdem nicht den wilden Löwen zum Fraß vorwerfen. Ich will nicht mal eine Schramme am Knie abkriegen. Ganzkörperhelme gibt es aber nicht. Und die Wirksamkeit der anderthalb Zentimenter Styropor sollte man wirklich nicht überschätzen. Sogar ein Mitglied der amerikanischen Stiftung Warentest (genauer: ASTM, falscher Link, unten bitte nach Episode #203 suchen) sagt, daß Fahrradhelme vielleicht einen Schädelbruch verhindern/mildern können, aber bauartbedingt niemals eine Gehirnerschütterung. Natürlich sind Hirnverletzungen schlimmer als Schädelverletzungen, weil man mit dem Hirn denkt, nicht mit dem Knochen.


    Anyway, wenn man sich denn dann entschieden hat für das Ding: Schade, daß sich Abus so unsympathisch macht. Die hätten sonst interessante Modelle (für mich). Ich finde es insgesamt frustrierend, wie uneinheitlich die Vielfalt ist. Da gibt es ein neues MIPS-System, das Hirnverletzungen durch Rotationen verhindern soll (wird von den Herstellern so angepriesen, aber Testergebnisse fehlen noch, soweit ich weiß). Alle nicht alle haben das. Da gibt es von KED (KED = Made in Germany!) richtig großflächige Reflektoren. Diese Alibi-Sticker mit 8x20mm Größe sehen ja nur beeindruckend aus, wenn man den Helm in der Hand hält und aus 40cm Entfernung genau darauf schaut. Im Straßenverkehr bei 50 km/h aus 50 Metern Entfernung sind sie fast unsichtbar. Gilt auch für manche Blinklichtfunzeln. Die großen Reflektorflächen haben aber wieder nicht alle. Es gibt neue Modelle mit Augenvisierschilden, für teuer Geld auch getönt. Aber wieder nur für einzelne Modelle. Jetzt hat man herausgefunden, daß Hinterkopf und Schläfen eigentlich nicht genug von der Helmform abgedeckt werden. Die ersten Hersteller haben mit neuen Modellen darauf reagiert. Aber nicht alle. Jeder kocht da sein eigenes Süppchen. Das ist fast wie bei Turnschuhen, wo es welche zum Schnüren, Aufpumpen, mit Klettverschluß, Absatz, als Halbschuh und als Halbstiefel gibt. Aber ob es auch die individuell gewünschte Kombination aus Eigenschaften gibt? Kommt drauf an, was man will. Kommt drauf an, was man weiß, was es gibt. Vielleicht endet ein Helmkauf ähnlich wie ein Turnschuhkauf: Ich hab halt diesen hier genommen, was soll's.

  • Dem kann ich mich nur anschließen. Ich habe viel über Helme (und viele andere Dinge) erfahren und werde deine Informationen beim Helmkauf berücksichtigen.

  • Beim Thema Helm muss ich unweigerlich an ein Auswärtsspiel in Bochum denken, als so ein junger Polizist seinen Helm im Block verloren hat.


    Die "Trophäe" drehte unterstützt von fröhlichen Gesängen einige Runden im Block, um nach einiger Zeit wieder beim Besitzer zu landen.

  • Hallo?

    Ich trage einen sehr , sehr kurzen Fassonschnitt. Von 0,1 an den Seiten bis 0,8 mm beim Deckhaar...

  • Auf den Hövding schwöre ich auch. Vor 2 Jahren bin ich im Herbst auf einem Blätterteppich abgeschmiert und ungebremst über den Radweg gepurzelt. Resultat: Prellungen an Armen und Beinen, oberhalb der Schultern nichts.


    Meine Befürchtung beim Hövding war, dass er doch nicht aufspringen würde. Aber denkste, blitzschnell hatte ich eine 70er Jahre Trockenhaube auf der Birne. Sensationell!

  • Wahnsinn. Noch nie gesehen das Ding.


    Wenn es denn funktioniert..ist der nach einmaliger Nutzung unbrauchbar?

  • Noch eine kleine Anekdote dazu: Der Hövding öffnet sich mit einem ungeheuren Knall. Nach meinem Sturz haben Autofahrer angehalten und gefragt, ob ich angeschossen worden wäre. Kurioserweise habe ich den Knall gar nicht so laut in Erinnerung.