Ich war aktuell auch in eine Diskussion über das Für und Wider der Kontaktbeschränkungen verwickelt. Ein Paar so um die Mitte/Ende 60 trifft sich weiterhin munter mit Kindern, Enkelkindern und gleichgesinnten Bekannten. Ihr Argument: Es ist doch unsere Sache, wie wir mit unserer Gesundheit umgehen. Und sowieso sei ja alles übertrieben.
Auf das letzte Totschlagargument bin ich gar nicht mehr eingegangen. Wer angesichts der dramatischen Zustände in Italien, Spanien, Großbritannien usw. von Übertreibung spricht, hat den Schuss nicht mehr gehört. Aber die erste Aussage hat mich wirklich tierisch aufgeregt. Es ist eben nicht eine Privatangelegenheit. Denn wenn solche Leute aufgrund ihres leichtfertigen Umgangs mit der Situation im Krankenhaus landen sollten und dort u.U. jemand anderem den lebenswichtigen Beatmungsplatz wegnehmen, dann ist das einfach nur asozial. Aber so weit denken diese Menschen ja nicht. Das Denken reicht eben leider nur bis zur eigenen Körpergrenze. Und dieses - im wahrsten Sinne des Wortes - asoziale Verhalten funktioniert nur, weil es auf dem Rücken der verbleibenden 95% der Gesellschaft ausgelebt wird, die sich an die Regeln halten. Und über die wird sich dann auch noch lustig gemacht wird (Stichwort: hysterisch)...
Ich finde es grundsätzlich richtig, dass die Kontaktsperreregeln erlassen wurden und sie auch durchzusetzen. Soweit verhältnismäßig, auch mit Zwangsmitteln oder Bußgeldern, vielleicht sogar Strafen. Bei nach heutigem Wissenstand nachgewiesen infektiösen Personen würde ich z.B. auch eine Quarantänehaft nicht von vorneherein als unverhältnismäßig ansehen, wenn es einen begründeten Verdacht gibt, dass eine häusliche Quarantäne missachtet würde.
Aber Aussagen der Art, es sei "asozial", wenn jemand in Folge von Kontakten wie den oben geschilderten sich schwer infizierte und anderen dann die Beatmungsplätze wegnähme, teile ich trotzdem nicht. Coronapatienten mögen derzeit einen beträchtlichen Teil derer ausmachen, die beatmet werden müssen, aber es sind nicht die einzigen. Und von den übrigen Beatmungspatienten dürfte auch bei dem ein oder anderen sein Lebenswandel mit dazu beigetragen haben. Ohne dass ihm zum Vorwurf gemacht würde, einen Beatmungsplatz wegzunehmen. Und das soll in den o.g. Fällen plötzlich anders sein?
Vielleicht sollte man auch nicht vergessen, dass es vielerlei Verhalten gibt, welches nur dem eigenen Vergnügen dient und die Gesundheit oder gar das Leben Dritter bedrohen kann, aber trotzdem gesellschaftlich akzeptiert ist. Letztendlich trifft das - nur als Beispiel - auf jede rein zum eigenen Vergnügen unternommene Autofahrt zu (Schadstoffausstoß + Unfallrisiko).
Und noch etwas: Auch recht hohe Dunkelzifferschätzungen gehen insgesamt noch davon aus, dass erst ein kleiner Teil der Bevölkerung infiziert ist. Das heißt aber auch, dass der weit überwiegende Teil von den Maßnahmen getroffen wird, obwohl er überhaupt gar kein konkretes Risiko darstellt. Das ist in meinen Augen auch gerechtfertigt und bei einer wirkungsvollen Vorbeugung wohl unvermeidlich. Sollte aber dennoch nicht aus den Augen verloren werden.