Corona

  • Komm zu uns, Stephan. Wir brauchen gute Leute. Bei uns schwankt es um 150. Da kannst Du Dich auf Deinen Job konzentrieren und musst nicht noch Masken-Entscheidungen treffen.


  • Echt, jemand hat die Wirkung von FFP Masken in Frage gestellt? Tell me more :ja:


    Hast du dir eigentlich den Artikel oder die Studie aus Dänemark angesehen?

  • Ich überlege schon seit einiger Zeit, ob ich zu diesem Thema abschließend noch etwas schreiben (und es mir damit mit allen Seiten verscherzen :lookaround:) soll oder ob ich es lieber sein lasse. Im Sinne der Psychohygiene schreibe ich einfach mal ein paar Zeilen nieder.


    Hier wurde in den letzten Monaten viel, mitunter zu viel, geschrieben und eigentlich ist jede Meinung zur Genüge vertreten worden. Was ich auch an anderen Stellen in diesem Forum, insbesondere aber hier vermisst habe, ist die Empathie. Und vielleicht sollten wir mal kurz klären, was Empathie überhaupt ist:


    Laut Duden ist Empathie die "Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen". Empathie ist also nicht zwangsläufig etwas Gutes, Empathie ist auch nicht, wenn ich jemandem etwas Gutes (oder etwas, was ich als gut erachte...) wünsche, Empathie ist primär etwas Neutrales, nämlich wie oben beschrieben die Fähigkeit und Bereitschaft, mich in die Perspektive und die Gefühle eines anderen Menschen hineinzuversetzen. Eine handelsübliche Enzyklopädie führt das noch etwas weiter aus, dazu weiterführend zwei sehr interessante Artikel vom Deutschlandfunk: Empathie – eine überschätzte Fähigkeit und Die dunkle Seite der Empathie.


    Was will ich damit eigentlich sagen? Wir haben eine Situation, wie sie die meisten von uns wahrscheinlich noch nie erlebet haben. Ich wüsste nicht, dass es seit Ende des Krieges einen Zustand gegeben hat, wo quasi die komplette Bevölkerung in ihrer Lebensweise und in ihrem Alltag direkt betroffen war. Für über 80 Millionen Menschen (ich beziehe mich der Einfachheit halber nur auf Deutschland und beziehe alle gleichermaßen mit ein) hat sich innerhalb kürzester Zeit etwas geändert und jeder empfindet diese Situation mit diesen Veränderungen anders - ganz einfach deshalb, weil jeder anders davon betroffen ist.


    Kinder und Jugendliche können ihre Freunde nicht mehr so sehen, nicht mehr so mit ihnen spielen, wie es vor der Pandemie der Fall gewesen ist. Gastronomen und Einzelhändler bangen um ihre Existenz, stehen mitunter kurz vor dem Ruin, verlieren all das, wofür sie ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Pflegeheimbewohner können kaum noch Besuch empfangen und sind noch isolierter als sie es so schon waren. Viele Studenten und Arbeitnehmer im Home Office verloren ihre Tagesstruktur. Paare und Familien hocken in kleinen Wohnungen aufeinander und können sich kaum aus dem Wege gehen. Kulturschaffende hängen seit Monaten in der Luft, haben Existenznöte. Kranke lassen ihre Arzttermine sausen, aus Angst vor einer Infektion. Psychisch Erkrankte bekommen keine Therapieplätze mehr, weil die Plätze auf viele Monate belegt sind. Hunderttausende Menschen haben ihre Mini-Jobs verloren und nun Geldsorgen. Nur, um mal einige zu nennen, es ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen.


    Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Ich will mir nicht anmaßen zu analysieren, ob die getroffenen Maßnahmen richtig oder falsch sind. Ich werde auch nicht bewerten, wer nun mehr oder weniger wie auch immer geartetes Recht auf Gesundheit, Leben und Freiheit hat. Mir geht es rein um den Umgang der Menschen miteinander und darum, dass die Menschen versuchen sich gegenseitig besser zu verstehen.


    Es wurde hier in der Vergangenheit von einigen Leuten viel und scharf gegen die geschossen, die versucht haben darauf hinzuweisen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zwar möglicherweise die Infektionszahlen senken, auf der anderen Seite aber auch große Schäden, insbesondere gesundheitliche, verursachen. Dann wurde von der Gegenseite nicht minder scharf zurückgeschossen, dass ihnen die Gesundheit ihrer Mitmenschen egal wären und sie nur ihre eigene Freiheit sähen.


    Wie wäre es denn stattdessen gewesen, sich erst einmal in den Gegenüber hineinzuversetzen und erst dann zu urteilen? Wenn man in seinem Elfenbeinturm sitzt mit ausreichend Platz im großen Einfamilienhaus mit Terrasse und Garten und sich überlegt, welche Farbe denn das nächste E-Auto haben soll, dann mag das zwar nichts verwerfliches sein, ist aber dennoch eine gänzlich andere Situation, als wenn man mit einer fünfköpfigen Familie in einer Vierraumwohnung am Mühlenberg haust und der Vater gerade seinen befristeten Job verloren hat. Wenn erster dem zweiteren sagt "Da müssen wir jetzt mit durch, mir geht's ja auch nicht besser", dann kann ich schon verstehen, wenn zweiterer dem ersteren die blanke Kimme zeigt.


    Den wohl besten Beitrag zu diesem Thema hat vor einiger Zeit mustermann geschrieben. Ich finde ihn gerade nicht wieder, aber er schrieb sinngemäß, dass es für jemanden, der schon vieles im Leben hinter sich und erlebt hat, einfacher gesagt ist, als für junge Leute, die gerade vieles verpassen, was für "uns" das Erwachsenwerden ausgemacht hat.


    Ein kompletter Jahrgang Abiturienten konnte keinen Abi-Ball feiern. Gleiches gilt natürlich für Absolventen anderer Schulformen. Studenten, die nun erstmalig das Elternhaus verlassen und im Studium all das erleben wollen, wovon ihnen ihre Eltern erzählt haben, haben dieses Jahr keine Ersti-Woche mit Feiern bis zum Abwinken. Sie können ihre Kommilitonen kaum kennen lernen, weil sämtliche Vorlesungen online stattfinden, Auslandssemester fallen komplett aus. Klar, man kann auch nächstes Jahr eine Party schmeißen und das "Abschlussball" nennen, es ist aber nicht das gleiche wie direkt nach der Zeugnisausgabe. Die meisten von uns wissen wie geil das damals war, endlich Abi, dann als junger Volljähriger mit den alten Schulfreunden den geilsten Sommer des bisherigen Lebens verbringen, endlich frei sein und dann ab ins Studium, neue Leute kennen lernen, neue Stadt kennen lernen, neue Erfahrungen für's Leben sammeln. Mindestens ein Jahrgang hat das alles nun nicht, sie erleben diese eigentlich so tolle Zeit ganz anders. Und ich sage damit nicht, dass deshalb alle Maßnahmen infrage gestellt werden sollen, ich sage nur, dass ich die jungen Leute verstehen kann, die nun missmutig sind.


    Es wurde auf die Situation von Kindern hingewiesen und die Auswirkungen auf ihre (soziale) Entwicklung, wenn sie ihre Freunde nicht mehr wie gewohnt zum Spielen sehen können. Das endete dann irgendwann damit, dass einzelne hier schreibende Elternteile von ihren eigenen Kindern berichteten, mit denen alles tacko sei. Natürlich mit dem obligatorischen Hinweis, dass man nicht für andere sondern nur für sich sprechen könne, logisch.


    Es mag ja auch sein, dass nicht alle Kinder aus allen Familien gleichermaßen betroffen sind. Aber hier sind wir wieder beim Elfenbeinturm: Es gibt leider Gottes Kinder, die es in ihren Familien nicht ganz so gut haben und die sehr wohl darunter gelitten haben, dass sie wochenlang nicht zur Schule gehen konnten und immer noch darunter leiden, nachmittags nicht mit der besten Freundin durchs Kinderzimmer toben zu können. Natürlich liegt es in der Verantwortung der Eltern dafür zu sorgen, dass es ihren Kleinen trotzdem gut geht, aber machen wir uns nichts vor: Solche Eltern hat nicht jedes Kind und für nicht wenige Kinder ist die Schule der sichere Hafen, der eigentlich die Famiie sein sollte. Meine Nichte übrigens wächst zwar in stabilen und liebevollen Verhältnissen auf, ist aber trotzdem traurig und merklich ruhiger geworden, seitdem sie nicht mehr mit ihren Freundinnen toben darf. Was das langfristig mit ihr macht kann ich natürlich nicht sagen.


    Auch auf psychische Erkrankungen wurde hier zuhauf hingewiesen. Ich muss sagen, dass ich kürzlich ziemlich sprachlos war, als anlässlich des elften Todestages von Robert Enke seiner gedacht wurde, nur am danach hier im Faden zu lesen, mit was für einer Kälte die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Psyche abgekanzelt wurden. Ich weiß nicht ob es Ignoranz ist oder ob einigen nicht ganz klar ist, dass das eine das andere bedingt. Ich muss offen zugeben, dass ich schlimme polemische Gedanken hatte und fragen wollte, ab wann ein Depressiver denn mit Mitgefühl rechnen darf, ob man dazu erst berühmt sein und sich wirklich erst vor einen Zug schmeißen muss.Tut mir leid, aber es gibt User, die vermehrt auf ihre eigene psychische Situation hingewiesen haben und ja, sie waren und sind wirklich anstrengend und auch nervend, aber gerade hier zu diesem Thema schlug ihnen teilweise eine Ignoranz und Kälte entgegen, die nicht mehr feierlich war. Ich glaube, vielen ist nicht ganz klar, was es heißt depressiv zu sein und von jetzt auf gleich seine komplette Tagesstruktur zu verlieren, die einem so etwas wie Sicherheit im Alltag gegeben hat. Wie gesagt, den Gegenwind generell haben sich diese User redlich erarbeitet, aber die Art und Weise der Reaktionen war zuweilen... Puh.


    Es geht mir weder darum sie und ihre Art zu schreiben zu verteidigen, es geht mir auch nicht darum, ich wiederhole mich, die Maßnahmen zu verteufeln, es geht mir darum, dass verstanden wird, dass nicht wenige Menschen zur Zeit richtig leiden und zu kämpfen haben. Ich habe kürzlich mal irgendwo erwähnt, dass ich mit einem Aufnahmearzt einer psychiatrischen Klinik gesprochen habe. Der sagte klipp und klar, dass es bereits jetzt eine deutliche Zunahme stationär behandlungsbedürftiger depressiver Erkrankungen gibt und dass diese noch weiter zunehmen werden. Ursachen u.a. sind wie schon erwähnt der Wegfall der Tagesstruktur, Existenzängste, aber auch der Verlust von Sozialkontakten in gewohnter Form und die Reduzierung von Ausgleichsaktivitäten in der Freizeit. Es mag sein, dass es die meisten hier irgendwie gewuppt bekommen, aber ich finde es nahezu zynisch, hierbei von sich auf andere zu schließen indem man, wenn auch nur zwischen den Zeilen, sagt, man solle sich mal nicht so anstellen, am besten noch mit dem Verweis, dass man selbst es schließlich auch hinbekäme. Nochmal: Jeder erlebt und empfindet eine Situation anders. Diese unterschiedlichen Empfindungen sorgen dafür, dass objektiv identische Situation persönlich vollkommen unterschiedlich wahrgenommen werden können. Das ist kein möchtegern-philosophischer Scheiß, sondern Basiswissen in der Psychologie.

  • 2/3


    Irgendwann wurden "die Alten" ins Gespräch gebracht und dass die Jungen sich mit ihnen solidarisch zeigen sollten, weil die Alten schließlich eine Menge geleistet hätten und man es ihnen schlichtweg schuldig sei. Die Meinung kann ich prinzipiell durchaus nachvollziehen und teile sie auch weitestgehend, aber ich möchte trotzdem fragen: Wer sind denn überhaupt die Alten und wer möchte sich anmaßen, für sie alle zu sprechen? Die Alten sind eine ziemlich große Bevölkerungsgruppe und entsprechend gibt es unter ihnen ziemlich viele unterschiedliche Meinungen zu dem Ganzen. Es gibt die, die sich Sorgen um sich und ihre Lebenspartner machen und eine Ansteckung fürchten. Es gibt aber auch die Alten, die Angst vor Vereinsamung haben, weil sie in ihrem ohnehin schon tristem Alltag (nicht nur) im Pflegeheim nun noch weniger Kontakt nach außen haben als vorher schon. Vielen ist auch klar, dass man nicht nur an Covid-19 sterben kann, sondern dass auch anderweitig demnächst Sense sein könnte und sie eventuell bis dahin ihre Enkel nicht mehr auf dem Schoß halten können. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, ich kann die Bedürfnisse der unterschiedlichen "Gruppen" nachvollziehen und finde es grundsätzlich legitim, die Alten und Vorerkrankten ganz besonders zu schützen, ich finde es nur nicht richtig, sich zur eigenen Argumentation eine Gruppe herauszupicken und den Rest, der nicht zur Argumentation passt, unberücksichtigt zu lassen.


    Insane96, ich erinnere mich, dass du hier kürzlich mangelnde Empathie bemängelt hast. Das hast du aus meiner Seite vollkommen zurecht. Dennoch frage ich dich und auch Calogero81: Wo ist denn eure Empathie? Wo ist euer Verständnis für die aus eurer Sicht "andere Seite"?


    Wo ist die Empathie mit Leuten, die sich verdammte Sorgen um ihre (älteren) Angehörigen machen? Die einfach eine beschissene Angst haben, dass ihre kranke Frau oder ihr alter Vater sich dieses Virus einfangen und daran jämmerlich zugrunde gehen.


    Ich habe in den letzten Monaten einiges über Psychiatrie und Psychologie gelernt, u.a. dass es nur wenige Absolutismen gibt. Eine der wenigen ist: Gefühle sind nie falsch! Gefühle können unbegründet sein, aber sie sind immer immer IMMER ein Ergebnis aus allen Erlebnissen und Erfahrungen, die ein Mensch von kleinauf in seinem Leben gemacht hat. Deswegen ist es in der Psychotherapie eine Todsünde, die Gefühle eines Patienten nicht ernst zu nehmen und, noch schlimmer, sie abzuwerten. Denn damit wertet man am Ende den Menschen als solches ab.



    Und wenn die Leute Angst vor diesem Virus haben, dann ist das nun einmal so und dann hat man das gefälligst ernst zu nehmen. Man kann natürlich darüber debattieren, inwiefern diese Ängste begründet sind oder nicht, aber wie von einigen hier die Ängste anderer mit polemischen Beiträgen und Smilies ins Lächerliche gezogen worden sind, ist schlichtweg eines: widerlich.


    Es gab hier einige persönliche Beispiele dazu, versetzt euch mal in die Leute hinein. Versucht euch mal in jemanden hineinzuversetzen, der eine immunsuprimierte Frau zu Hause hat. Oder selbst schwer krank ist. Oder alte und kranke Eltern hat. Oder bereits in jungen Jahren schlimme Verlusterfahrungen machen musste. Stellt euch vor, ihr hört diese Menschen husten und denkt "Bitte nicht!". Stellt euch vor wie es ist, beim Klingeln des Telefons zu denken "Hoffentlich ist niemandem etwas passiert."


    Und dann stellt euch vor, ihr lest hier Sachen wie "Tja, Menschen sterben nun mal", "Die meisten wären demnächst sowieso gestorben" oder "Ihr seid nur auf die Panikmache der Politik und Medien reingefallen."


    Es ist richtig, dass wir, die Gesellschaft, immer wieder Tote für unsere Freiheit in Kauf nehmen. Vielen ist es offenbar nur nicht bewusst. Wir wissen, dass schnelles Autofahren zu vermeidbaren tödlichen Unfällen welcher Anzahl auch immer führt, aber ein Tempolimit gibt es trotzdem nicht. Wir wissen, dass Feinstaub Krebs verursacht und damit tötet, trotzdem fahren wir Diesel und verfeuern Holz im Kamin (ihr solltet im Präpsaal mal die Lunge eines nichtrauchenden Städters sehen...). Wir wissen, dass die Grippe vor allem ältere, vorbelastete Menschen tötet, trotzdem hat bis zum März dieses Jahres niemand mit grippeähnlichen Symptomen in der Öffentlichkeit zum Schutz anderer einen Mundschutz getragen. Grundsätzlich ist also die Frage nach dem "Warum gerade jetzt so ein Theater" berechtigt. Allerdings sollte sie in dem Kontext "Leute, wir müssen langsam mal aufwachen und etwas an unserem Lebensweise ändern" gestellt werden. Als rethorische Frage im Sinne von "Hat uns bisher nicht gejuckt, also muss es das nun auch nicht" ist sie einfach nur zynisch.


    Ignorant bis zynisch finde ich auch, von Ärzten das Triagieren als Bestandteil des normalen Klinikalltags zu erwarten. So ein Mist kann eigentlich nur von Leuten kommen, die in ihrem Leben noch nie über eine lebenswichtige Therapie, geschweige denn über Leben und Tod eines Menschen entscheiden mussten. Triagiert wird in der Tat öfter. Das tue ich, wenn ich als erster zu einem Verkehrsunfall fahre und dort zwei Schwerverletzte vorfinde. Der eine ist schon so gut wie tot und hat nur noch minimale Chancen, der andere ist noch wach, scheint aber gerade einzutrüben und ebenfalls nicht mehr allzu lange durchzuhalten. Also gehe ich zum zweiten, damit wenigstens einer der beiden überlebt. Im Verlauf stellt sich heraus, dass der zweite zwar durchaus schwer verletzt ist, aber durchaus bis zum Eintreffen weiterer Rettungsmittel durchgehalten hätte. Ruck zuck ploppt die Frage im Hinterkopf auf, ob es nicht vielleicht doch besser gewesen wäre, den anderen zuerst zu behandeln, dann hätten evtl. beide überlebt. Du wirfst einen Blick in das Fahrzeug, siehst einen Kindersitz auf der Rückbank und denkst "Scheiße, der Mann war Vater."


    Und diese Ausnahmesituationen, die eigentlich ein Ultima ratio sein sollen, sollen Alltag in den Krankenhäusern werden, obwohl es möglicherweise verhindert werden kann? Das wollt ihr den Ärztinnen und Ärzten zumuten, die zwölf Jahre bis zum Facharzt gelernt haben, die ebenso wie all die sowieso schon überlasteten Pflegerinnen und Pfleger Wochenarbeitsstunden jenseits von Gut und Böse abreißen, um für unser aller Gesundheit da zu sein? Ernsthaft?


    Ob das alles immer so richtig ist, was wir durch die Medien serviert bekommen, ist schwer zu sagen. Dass die Bilder aus dem Ausland nicht immer so dramatisch waren, wie es anfangs aussah, sollte mittlerweile bekannt sein. Dass dort aber nicht einfach nur nichts passiert ist aber auch. Dass aktuell wieder aus Frankreich und den Benelux-Staaten Intensivpatienten nach Deutschland geflogen werden, das ist ausgedacht? Hunderttausende tote US-Amerikaner, von denen nach einer neuen Untersuchung 75% nicht mit, sondern an dem Virus gestorben sind, sind ein Fake? Die Ärztinnen und Pfleger hierzulande, die von einer immer größer werdenden Zuspitzung der Situation in den Krankenhäusern berichten, die sind alle doof? Teil einer Verschwörung? Beides? Leute, ernsthaft...

  • 3/3


    Ich habe mich zu Beginn der Pandemie als kritischer Befürworter der Maßnahmen bezeichnet und das tue ich nach wie vor. Ich finde es richtig, die gesellschaftliche Debatte über unsere Grundrechte, für die Menschen vor einiger Zeit mal lange kämpfen mussten, immer und immer wieder anzufachen, damit sie nicht untergeht. Ich finde es richtig darauf hinzuweisen, dass die Maßnahmen nicht nur Krankheites- und Todesfälle verhindern, sondern auf der anderen Seite auch welche verursachen. Ich finde es richtig darauf hinzuweisen, dass es durch die wirtschaftlichen Einbrüche vermehrt zu Armut kommen wird, die wiederum auch vermehrt zu vorzeitigen Todesfällen führen wird. Ich finde es richtig, auf die Gefahren dieses Virus für jedermann hinzuweisen, sei die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf nun 50% oder 2%. Ich finde es richtig zu sagen, dass es für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zumutbar ist, beim Einkaufen und in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maske zu tragen, damit gefährdete Bevölkerungsgruppen besser geschützt werden. Ich finde es ebenso richtig, über die Wirksamkeit dieser Maßnahme zu diskutieren (völlig wertefrei und unabhängig davon, wie ich dazu denke). Ich finde es aber falsch, den Blick über den Tellerrand zu verlieren und die Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen außer Acht zu lassen.



    Wie ich anfangs erwähnte gibt es unzählige verschiedene Menschen mit ebenso vielen Geschichten, Empfindungen, Ängsten, Meinungen und Bedürfnissen. Ich behaupte mal, dass es unmöglich ist, allen und allem gleichermaßen gerecht zu werden. Es wird Verlierer geben, das ist klar. Es werden Menschen ihre Existenz verlieren, mitunter ihr Leben, ihre Angehörigen, ihre Freunde oder auch nur die eine oder andere verpasste Erfahrung aus dem Urlaub. Wir alle entscheiden uns aber im Umgang mit unseren Mitmenschen und vor allem uns selbst gegenüber, wie groß die Niederlage am Ende sein wird. Weder erlange ich meine Freiheit zurück, indem ich mit Nazis demonstrieren gehe, noch stehen meine Verwandten wieder auf, indem ich einen Maskenverweigerer schläge androhe. Wir können uns dafür entscheiden, alles schwarz zu sehen und schlecht zu reden. Wir können uns aber auch dazu entscheiden, die Sachen so zu akzeptieren wie sie sind, das beste daraus zu machen, froh zu sein, dass das Virus nicht deutlich aggressiver ist - und vor allem anerkennen, dass es uns vergleichsweise noch richtig, richtig gut geht. Wir dürfen einkaufen gehen, in Supermärkte, in denen es nach wie vor alles erdenkliche zu kaufen gibt. Wir haben nach wie vor Zugang zur medizinischen Versorgung. Es kommen nach wie vor Sozialleistungen aufs Konto. Die Heizung läuft, warmes Wasser fließt. Wir dürfen uns draußen frei bewegen. Wir dürfen nach wie vor demonstrieren, ohne wie bspw. in Belarus von der Staatsgewalt zusammen geknüppelt zu werden. Wir dürfen uns sogar in total hirnverbrannten Vergleichen auf einer Stufe mit Opfern des Nationalsozialismus wähnen. Die öffentliche Reaktion darauf muss man natürlich abkönnen, klar, aber wir dürfen es. Und, und das ist das wichtigste, wir dürfen frei entscheiden, wie wir mit all dem umgehen und was wir daraus machen, für jetzt und für die Zukunft.



    In diesem Sinne: Ich wünsche jeder und jedem Einzelnen hier, unabhängig von Sympathie und Antipathie und ob man sich in der Vergangenheit mal in den Haaren hatte, alles erdenklich Gute und dass ihr und eure Liebsten möglichst unbeschadet aus der Sache herauskommen. Vergesst dabei das Mensch-Sein nicht und vergesst ebenso wenig, dass auch "die anderen" (nur) Menschen sind. :)

    • Offizieller Beitrag

    Ja. Jetzt sitzen wir hier alle und schreiben "Toller Beitrag, danke!"
    Und morgen machen wir wieder so weiter...

    Es ist aber auch nicht so einfach, sich in die Lage anderer zu versetzen.
    Nech.
    Ziehen wir von den Coronademos mal die Nazis ab und nehmen nur die anderen - dann bleiben in meinem Kopf Idiot*innen übrig.
    Die vielleicht auch nur Angst haben. Um das, was ihnen wichtig ist. Die eben eine andere Art haben, damit umzugehen als ich.
    Die auch Ziele verfolgen. Die sich einfach nur nicht mit meinen decken aber deswegen ja keine Nichtziele sind.
    Intellektuell weiß ich das. Aber gefühlt...gefühlt bleiben das für mich Idiot*innen. Für die ich kein Verständnis aufbringen kann.
    Das sieht bei rationaleren Überlegungen schon wieder anders aus. Die Sorge um Job, Familie, Kinder, Kohle...

    Gastronom*innen zum Beispiel: Ich finde dieses "Wie haben doch Konzepte! Uns lassen sie jetzt hängen!" falsch und nicht zu Ende gedacht. Ich finde, dass das damit gar nichts zu tun hat. Aber! Aber ich versteh die vollkommen. Und auch die tun mir vollkommen leid.

    Alte Leute in den Pflegeheimen: Ich bin da relativ oft (beruflich bedingt). Das ist für diejengen von denen, die normalerweise regelmäßig Besuch erhalten richtig richtig schwer, Wobei das viel weniger sind, als man glauben mag. Aber... "wir können selbst entscheiden, ob..." ist ja so auch nicht richtig. Sie entscheiden nämlich dann für die anderen im Heim gleich mit. Ob se wollen oder nicht.

    Und auch hier: Die tun mir richtig leid. Sehr!

    Wirklich hineinversetzen kann ich mich in die alle nicht, Nicht in die Gastronom*innen, nicht in die Kranken, nicht in die Pflegeheimbewohner*innen.

    Also gehe ich meine Überlegungen dazu rational an. Aber immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass ich zu denen gehöre, die fast gar keine Einschränkungen erfahren. Im Haus mit Garten. Der eh nicht weggehen will. Dem es gut geht. Der keine Sorgen um sein Einkommen haben muss. Der Konzerte nicht mag. Der nicht in den Urlaub fährt.
    Was habe ich schon auszustehen?

    Das habe ich im Kopf, bin mir dessen bewusst. Aber hineinversetzen in andere? Schwer. Sehr. Wie auch?

    (Das ist keine Replik, nur das Einwerfen meiner Gedanken mal so)

  • Es gibt noch einen weiteren Haken was Empathie betrifft, manche bekommen mehr, andere weniger, aus nicht immer nachvollziehbaren oder logischen Gründen.

  • Ich meine im englischen Empathy also Einfühlungsvermögen, aber auch Mitgefühl, compassion.

    Ob mir jemand leid tut für das was ihm oder ihr passiert ist.

  • Da habe ich Stephans Beitrag komplett anders verstanden.


    Nämlich, dass es um die Menschen und Konsequenzen in deren Leben aus den Massnahmen geht, die außerhalb unserer persönlichen Wahrnehmung stattfinden.

    Und das man sich in der Bewertung, was man als erträglich und in der Bewertung als hinnehmbar bewertet, einer subjektiven Prüfung unterzieht.

    Ganz banal gesagt: meine Akzeptanz an Massnahmen steigt mit der Intensität, deren Folgen mich nicht betreffen.

  • Danke, Chris. Nach diesem Beitrag sollte man diesen Laden hier zumachen, zumindest für eine Weile. Genug Zeit zum nachdenken scheinen ja alle zu haben......

  • Mal eine aktuelle Geschichte aus dem Leben einer Bekannten:


    Letzten Mittwoch hat sich eine Kollegin der Bekannten während der Arbeit krank gemeldet, nachdem ihr von ihrem Freund Coronasymptome gemeldet wurden. Zwei Tage später hatte meine Bekannte Erkältungssymptome mit Husten und Halsschmerzen. Alles recht mild, aber der Arbeitgeber hatte schon verlauten lassen, man solle damit besser zuhause bleiben. Sie hat sich also krank gemeldet. Eine Stunde später kam der Rückruf von der Arbeit, dass bei o. g. Kollegin eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde. Sie also zum Arzt um sich ebenfalls testen zu lassen. Der lehnt nach Gespräch einen Test ab (Warn-App nicht angeschlagen, kein direkter naher Kontakt über min 15 Minuten), sie solle sich keine Sorgen machen. Sie meldet das so beim Arbeitgeber. Der will sie ohne negativen Befund aber in den nächsten 14 Tagen nicht wiedersehen. Sie also am Montag nochmal zum Arzt, konnte ihn überreden ("Haben Sie Fieber?" - "36,5" - "Also ja, sonst zahlen Sie den Test selbst"). Das Ergebnis soll heute noch kommen. Unterdessen hat heute (!!!) früh die Warnapp angeschlagen mit dem Hinweis auf mögliche gefährdende Kontakte vor 6 Tagen.