Corona

  • Ich will das Thema mal so betrachten:


    Denken wir uns eingangs in die Zeit vor Corona zurück. Was hatten wir da? Die absolute Freiheit? Sicherlich nicht. Ganz ohne Cororna ist das Leben diversen Regelungen unterworfen, die tagtäglich in unser aller Freiheit eingreifen. Jede Ampel zählt dazu. So ein rotes Licht verbietet es mir, dann über eine Straße zu gehen, wann ich es möchte. Fühlen wir uns dadurch eingeschränkt? Zuweilen ja. Aber im Großen und Ganzen bemerken wir es doch gar nicht All die Gesetze und Verordnungen gehören irgendwie selbstverständlich zum Leben dazu.


    Nun kam Corona. Und plötzlich wurden die Freiheitseinschränkungen ganz anders wahrgenommen. Obwohl sich ja prinzipiell gar nichts geändert hat. Um Gefahren für Leib und Leben zu verringern, werden Freiheiten beschnitten. Darin gleicht die Ampel der Restaurantschließung.


    Also kein Grund zur Aufregung? Nicht ganz. Kein Grund zu Diktaturgeschreie. Aber es handelt sich schon auch um qualitativ besondere Einschränkungen, die wegen Corona erlassen wurden. Die Kontaktbeschränkungen greifen in die private, zum Teil sogar in die intime Lebensführung ein und treffen den Menschen als sozialen Wesen. Andere Beschränkungen greifen in Rechte ein, die nicht ganz ohne Grund im Grundgesetz über die allgemeine Handlungsfreiheit hinaus gesondert aufgeführt werden; z.B. die Berufsfreiheit. Es sei hier auch dran erinnert, dass z.B. der Gastwirt, dessen Lokal geschlossen ist, seinen Beruf vielleicht nicht nur als Einnahmequelle sieht, sondern es ihm Lebensqualität gibt, seinen Gästen eine schöne Mahlzeit bieten zu können. Er dieses einfach gerne tut.


    Ein weiterer Punkt ist, dass zwar - wie bereits erwähnt - überhaupt kein Anlass besteht, von einer Diktatur zu faseln. Trotzdem hülfe es möglicherweise, wenn die handelnden Politiker nach außen etwas mehr Bewusstsein zeigten, dass die aktuellen Maßnahmen teilweise solchen ähneln, wie sie auch für Diktaturen typisch sind. Das ist kein Wunder und wohl unvermeidlich - Kontaktsperren ermöglichen es, sowohl die Verbreitung von Viren als auch gefährlich subversiver demokratischer Ideen zu behindern. Kontaktsperren zur Virusbekämpfung werden dadurch nicht falsch, aber die möglichen negativen Assoziationen sollten mitgedacht werden.


    Vor allem aber stellt sich nach fast einem Jahr Pandemie in Deutschland immer mehr die Frage nach einer Evaluation, welche Maßnahmen wie wirken. Anfangs war es klar, alles was irgendwie plausibel klang, schien auch geeignet zu sein. Für alle Ewigkeit schiene das aber eine etwas dünne Basis zu sein.


    Noch einmal zurück zur Welt ohne Corona. War sie denn, wenn schon damals nicht schrankenlos frei, so doch rundum sicher? Gewiss auch nicht. Trotz aller Ampeln und sonstiger Verkehrsregeln sterben Menschen durch Verkehrsunfälle oder werden verletzt. Geeignet scheinende Maßnahmen, diese Zahlen zumindest zu verringern, sind denkbar und werden diskutiert - Stichwort Tempolimit. Man kann es beschissen finden, dass solche Maßnahmen nicht umgesetzt sind. Es zeigt aber, dass manchmal der staatliche Lebensschutz doch ziemlich hinter einen weiten Freiheitsbegriff zurücktritt.


    Auch die Coronaregelungen schützen nicht in höchstem denkbaren Maße vor Corona, sondern nehmen Infektionen in Kauf, um z.B. ein gemeinschaftliches Leben wenigstens nicht völlig einzuschränken. Da dies aber so ist, sind Lockerungen, auch wenn sie das Krankheitsrisiko erhöhen, nicht per se unvertretbar.


    Was bleibt also? Es ist legitim, über die Maßnahmen zu diskutieren - und erst recht legitim, sich von ihnen belastet zu fühlen. Man kann erwarten, dass die tatsächliche Eignung endlich genauer analysiert wird. Es wäre aber auch nicht indiskutabel, wenn einzelne Regeln uns noch sehr lange begleiten. Ich wünsche nicht, dass das notwendig sein wird. Sollte Corona aber dauerhaft eine Gefahr darstellen, wäre es politisch-gesellschaftlich auszuhandeln, welche Freiheitsbeschränkungen dauerhaft akzeptabel sind, um das Erkrankungsrisiko als hinnehmbar zu bezeichnen. Neue Gefahren können neue Beschränkungen rechtfertigen - auch die Verkehrsregeln könnten lockerer sein, gäbe es keine gefährlichen Verkehrsmittel. Spätestens dann, wenn ein wirksamer Impfstoff für (fast) jeden zur Verfügung steht, wäre allerdings auch die Eigenverantwortung zu berücksichtigen. Schon jetzt ist zu bedenken, dass das persönliche Risiko zwar bereits steigen dürfte, wenn andere wieder mehr Kontakte haben, und z.B. die Lokale wieder öffnen. Auch dann wäre aber niemand gezwungen, sich selber dem auszusetzen.


    Da hier ja auch über die Verschiebung der Zielinzidenz von 50 auf 35 diskutiert wurde, sei zum Schluss aus der Pressemitteilung Nr. 5/2021 des OVG Lüneburg zur vorgestrigen Friseurentscheidung zitiert:


    "Im Hinblick auf künftige Verfahren sei allerdings darauf hinzuweisen, dass die Anknüpfung von Öffnungsschritten an eine 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35, wie es der rechtlich unverbindliche Beschluss der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom 10. Februar 2021 vorsehe, weder mit der Regelung des § 28a Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes übereinstimme, noch der tatsächlichen Fähigkeit der Gesundheitsämter zur Kontaktverfolgung entspreche."

  • Da frage ich mich nach dem Sinn der Ausgangssperre, wenn ich ohnehin niemanden treffen darf...

    Ja, wirkt total durchdacht. Zunächst für sieben Tage, wenn es (was auch immer „es“ ist, den Teil habe ich nicht mitbekommen) sich nicht entwickelt wie gewünscht noch weitere sieben Tage.

  • Aber es handelt sich schon auch um qualitativ besondere Einschränkungen, die wegen Corona erlassen wurden. Die Kontaktbeschränkungen greifen in die private, zum Teil sogar in die intime Lebensführung ein und treffen den Menschen als sozialen Wesen.

    Das ist ein Punkt der es in der Pandemie an der ein oder anderen Stelle sicherlich für viele und auch für mich ganz persönlich streckenweise besonders schwer macht. Ich bin mit einzelnen politischen-gesellschaftlichen Meinungen und Sichtweisen öfter mal angeeckt. Wenn mir "der ganze Bumms" zuviel wurde, habe ich mich ins Private zurückzogen...der Erholungsurlaub/die Schutzmauer vor dem ein oder anderen von mir so empfundenen gesellschaftlich-politischen Stress sozusagen. Diese Möglichkeit des Rückzuges,des Auftankens und Ausblendens ist einem in der aktuellen Krise ein großes Stück weit genommen ...



    ... man ist so müde. :schlafen:

  • Heute wurde endlich meine Oma (91) zum ersten Mal geimpft.


    Ich denke schon dass dieser Thread 1896 Seiten haben wird, schließlich geht das noch bis Ende des Jahres so weiter. Im Sommer sinken die Zahlen und im Herbst hoffen alle dass sie dann nicht wieder steigen weil dann genug Leute geimpft sein sollen.

  • Jetzt muss ich mein Faden-Ignore doch mal unterbrechen: Flensburg mit massiver Verschärfung auch aufgrund des hohen Mutantenanteils. Ab Samstag Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr, keine Treffen mit Personen aus anderen Haushalten.

    Da frage ich mich nach dem Sinn der Ausgangssperre, wenn ich ohnehin niemanden treffen darf...


    andersrum denken: Wen stört denn die Ausgangssperre, wenn man ohnehin niemanden treffen darf? Doch primär eigentlich nur diejenigen, die heimlich die Regeln brechen wollen. Und die kann man halt durch die Ausgangssperre besser kontrollieren, als ohne. Mit dem Hund raus und den abendlichen 10 km-Lauf muß man nun halt bis 21 Uhr fertig haben. Für "das große Ziel" sollte das wohl zu schaffen sein.

  • andersrum denken: Wen stört denn die Ausgangssperre, wenn man ohnehin niemanden treffen darf?

    Vermutlich all diejenigen, die nicht nur deshalb "einfach mal so egal wann und es geht überhaupt niemanden was an, warum jetzt überhaupt," ihre Behausung verlassen wollen, um andere zu treffen, und dabei und deshalb nicht einsehen, wen oder was oder wie sie jetzt anstecken sollten oder bei wem sie sich mit was oder wie anstecken könnten. Die einfach mal auch nach 21 Uhr einen kurzen Spaziergang zum Kopfklarkriegen brauchen. Die auch mal von der Dornröschenbrücke "Fuck!!!" schreien wollen, in der Hoffnung, keine Entenkolonie in die Intensivbehandlung gebrüllt zu haben. Oder die denken: Ich könnte wenigstens das genau jetzt machen, aber ich bin zu müde. Aber gut fürs Gemüt, zu wissen, dass das ginge. Oder die meinen: So ein Generalverdacht - also das trifft ja ohnehin nur die, die Schmu anrichten wollen - der ist vielleicht mal zackig dahergeschrieben, aber stimmt der deshalb? Also so echt und wirklich? Und weil der tatsächlich stimmt - also sobald ich nach 21 Uhr aus dem Haus will, will ich das ja nur, um mit anderen die Regeln zu brechen, was zur Hölle sollte es denn auch sonst sein? -, deshalb ist das natürlich ultrabegründet, da den Riegel vorzuschieben. Aber, nun ja ... stimmt das denn wirklich? Und wenn man mich dann irgendwann nach einem beherzten "Fuck!!!" von der Dornröschenbrücke draußen antrifft, ist dann klar, dass ich nicht nur die Sperrstunde gebrochen habe, sondern genau dies eben aus niederer Gesinnung des Andere-Enten-Treffens zu tun gedachte? Bzw.: Hilft so eine Maßnahme nicht nur dann, wenn man genau diesen Verdacht einfach mal komplett begründungslos dazusetzt?

  • Heute erster Impftermin für die alten Herrschaften (nachdem die Warteliste ja anscheinend eher eine Dauerwarteschleife ist, habe ich letzte Woche auf anderem Wege Termine bekommen).

    Wenn ihr jemanden ins Impfzentrum Hannover begleitet - bitte, nehmt den Hinweis an Station eins ernst, dass der Zettelstapel bitte GENAU SO durch das gesamte Haus laufen soll (ich meine er muss 8x gezeigt/abgegeben werden).


    Es nervt ALLE wenn die Zettel an jeder Station neu zusammensortiert werden und es auch mal heißt "Fehlt ein Blatt? Huch, wo ist das denn hingekommen...". Danke.

  • (...) dass der Zettelstapel bitte GENAU SO durch das gesamte Haus laufen soll (ich meine er muss 8x gezeigt/abgegeben werden).

    Nun sei doch nicht gleich so kritisch. Das ist immerhin der visionäre Vorläufer zur bevorstehenden Digitalisierung!

  • Das ist nicht kritisch gemeint. Da funktionierte alles reibungslos. Freunde in Frankreich würden vielleicht anmerken, dass der Gesamtablauf mit neun Stationen von Anmeldung bis zum Verlassen des Gebäudes schon sehr deutsch ist.;)


    Terminbestätigung, Aufklärungsbogen, Anamnese, Einwilligung, Impfpass - da kommt schon Papier zusammen. Einfach in der Sortierung vom Anfang lassen und alles läuft rund. Auch für die, die hinter einem warten.

    Einmal editiert, zuletzt von WILL(y) ()

  • Nächste Woche erste Covid-Impfe mit Biontech/Pfizer für mich, es geht voran. Hätte auch in den Lächeln-aufs-Gesicht-zaubern-Thread gepasst, aber da steht ja schon das Wetter :)

  • Hm, den dritten Tag in Folge liegt die Zahl der Neuinfektionen über der der Vorwoche*. So langsam macht das doch Sorgen. :(


    Gestern erst gute Nachrichten bzgl verfügbarer Schnelltests, inzwischen wird diesbezüglich vor überzogenen Erwartungen gewarnt. :(


    Und die Maßnahmen in Flensburg halte ich auch größtenteils für ein sinnfreies Zeichen von Hilflosigkeit. :(


    *bei Worldometer, beim RKI sieht es besser aus. Immerhin.

    Einmal editiert, zuletzt von Rick Linger ()

  • Und genau wegen solcher Entwicklungen bin ich von dem permanenten Teilen von Berichten, wie es in anderen Ländern läuft, die unterstreichen sollen, dass hier nur absolute Unterdrückung des Volkes durch die Maßnahmen erfolgt, die nicht nötig wäre so genervt.


    Ich sehe es durchaus auch so, dass hier politisch schlecht gearbeitet wird. Das sehe ich aber schon seit vielen Jahren so. Zu Corona ist das nur eine Fortschreibung.


    Diese Fixierung auf Corona ist für mich einfach ganz großer Selbstbetrug. Besonders, weil keiner! von uns die Gefahren realistisch einschätzen kann. Das braucht eben Zeit.


    Das beste, das mir meine deutsche Sozialisation beigebracht hat ist tatsächlich "Gut Ding will Weile haben."

    Und das habe ich tatsächlich durch meine Erfahrung mit Afrika gelernt. Da gehen manche Dinge sehr schnell, unbürokratisch. Will man es aber wirklich gut also nachhaltig gut, z.B. rechtssicher, ist auch dort der langsame, bürokratische Weg der, den man wählen sollte.

  • Und genau wegen solcher Entwicklungen bin ich von dem permanenten Teilen von Berichten, wie es in anderen Ländern läuft, die unterstreichen sollen, dass hier nur absolute Unterdrückung des Volkes durch die Maßnahmen erfolgt, die nicht nötig wäre so genervt.

    Du sagst ja viel richtiges, aber das ist ja wohl in dieser Generalisierung schon ziemlicher Quatsch. Selten betrifft einen das schlechte politische Handeln so offensichtlich und mittelbar ... Und dass das einige Menschen in der derzeitigen Situation wegen Ihrer ganz persönlichen Lebensumstände gelassener sehen (können) als andere liegt irgendwie in der Natur der Sache.

  • Ich kenne nicht wenige Menschen, die hat das schon lange vor Corona immer wieder betroffen.


    Nur, weil du das vielleicht nicht derartige Erfahrungen miterlebt hast, heißt das nicht, dass die nicht gemacht werden.


    Nun betrifft es eben auch mal die Mehrheitsgesellschaft.

  • Hallo Rick Linger,

    da nutzen wir wohl dieselben Quellen... Ich habe das heute auch schon gedacht.

    Meine undifferenzierte und rein intuitive Einschätzung ist, dass wir momentan ggf. gegen die ansteckendere Variante ankämpfen müssen, also „eigentlich“ der Trend nach unten da ist, der aber durch die höhere Infektiösität neutralisiert wird.

    Wäre das so, hielten wir uns - statistisch - nicht einmal schlecht.

    Die Fragen für mich wären, ob es einzelne Spots sind, die die Zahlen ansteigen lassen, und welche Perspektive wir gegen die ansteckenderen Varianten haben.