Champions League 2020/21

  • Nächste Woche u. a.


    KF Tirana vs. FK Crvena zvezda

    PAOK vs. Besiktas


    Letzteres ist ja quasi ein Stadtderby eines Clubs aus Beyoğlu gegen einen aus Beşiktaş. Beide Stadtteile grenzen direkt aneinander und beide Clubs haben schwarz und weiß als Vereinsfarben. Beide haben außerdem einen schwarzen Adler als Wappentier (einer offiziell, einer glaube ich nur inoffiziell). Außerdem ist schwarz bei beiden Clubs aus Trauer als Vereinsfarbe gewählt worden. Die einen trauern über die verlorenen Balkankriege von 1912/13 und die anderen über die Vertreibung aus Konstantinopel bzw. ganz Kleinasien 1923.

    Einmal editiert, zuletzt von Schneppe ()

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    KF Tirana vs. FK Crvena zvezda

    PAOK vs. Besiktas


    Letzteres ist ja quasi ein Stadtderby eines Clubs aus Beyoğlu gegen einen aus Beşiktaş. Beide Stadtteile grenzen direkt aneinander und beide Clubs haben schwarz und weiß als Vereinsfarben. Beide haben außerdem einen schwarzen Adler als Wappentier (einer offiziell, einer glaube ich nur inoffiziell). Außerdem ist schwarz bei beiden Clubs aus Trauer als Vereinsfarbe gewählt worden. Die einen trauern über die verlorenen Balkankriege von 1912/13 und die anderen über die Vertreibung aus Konstantinopel bzw. ganz Kleinasien 1923.

    Ich dachte PAOK ist Saloniki.

    Wie kann das ein Stadtderby sein, mit angrenzenden Stadtteilen:grübel:

  • Kurzform: Gegründet in Istanbul, dann nach der Vertreibung in Saloniki heimisch geworden. Die Langform kann Schneppe sicherlich viel besser.

  • Sind Spiele von albanischen gegen serbische Vereine nicht verboten gewesen nach dem letzten Spiel der beiden Nationalmannschaften gegeneinander?

  • 1453 wurde Konstantinopel bekanntermaßen von den islamischen Türken erobert und als Istanbul zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches.

    Fortan war die Stadt multireligiös geprägt, mit einem hohen Anteil an orthodoxen Christen, die wir nach heutigem Nationalverständnis als Griechen bezeichnen können.


    Pera (heute Beyoglu) blieb zum Beispiel ein mehrheitlich christlicher Stadtteil Istanbuls. Neben Griechen lebten dort auch viele andere Christen (u. a. Italiener, Franzosen, Armenier).


    Im 19.Jahrhundert war Pera (Beyoglu) der europäischste Stadtteil Istanbuls. Mit westlicher Architektur und Lebensart und vor allem elektrifiziert. So gab es dort ab 1875 sogar eine U-Bahn (die zweitälteste der Welt). Im gleichen Jahr gründeten sportbegeisterte Griechen in Pera den Clio Sportclub, der ab 1884 als Hermes Club und schließlich ab 1914 als Pera Club firmierte.


    Nach dem Ersten Weltkrieg (1914 - 1918), bei dem das Osmanische Reich zu den Verlierermächten gehörte, kam es zu einem Folgekrieg zwischen Griechenland (erst seit 1830 unabhängig vom Osmanischen Reich) und den Resten des Osmanischen Reiches. Die Griechen träumten davon das mittelalterliche byzantinisch-griechische Reich zu restaurieren und entsprechend die Küste Kleinasiens, sowie Kostantinopel als neue alte Hauptstadt zu erobern.


    Im Griechisch-Türkischen Krieg (1919 – 1922) erzielten die Griechen zunächst große Erfolge, doch 1921 kam der Vormarsch der Griechen in Anatolien zum Erliegen und die Jungtürken unter Mustafa Kemal („Atatürk“) gingen zur Gegenoffensive über. Sie verdrängten zunächst die griechischen Truppen wieder aus Kleinasien und vertrieben danach die alteingesessenen griechische Bevölkerung der Region.


    So eroberte Mustafa Kemal 1922 auch die wichtige Hafenstadt Smyrna (türkisch Izmir) zurück und im Anschluss begann die systematische Ermordung aller Nichttürken in der Stadt. Rund 40.000 Christen (vorwiegend Griechen, aber auch Armenier und weitere Christen anderer Nation) fielen dem Genozid zum Opfer. Aus ganz Kleinasien flohen die Griechen nun vor türkischer Verfolgung nach Griechenland. Im Vertrag von Lausanne beschlossen beide Regierungen schließlich ihre jeweiligen Minderheiten auszutauschen. Ungefähr 1,25 Millionen Griechen verloren ihre Heimat in Kleinasien und rund eine halbe Million Türken musste das griechische Hoheitsgebiet verlassen (bekannt als die “Kleinasiatische Katastrophe”).


    Es verblieb allerdings immer noch eine kleine griechische Minderheit in Istanbul und ihr Pera Club wurde aus politischen Gründen 1923 in Beyoglu SK umbenannt. Dieser Club ist bis heute aktiv und gilt als ältester Sportverein der Türkei.


    Doch auch die vertriebenen Mitglieder gründeten in Athen und Thessaloniki neue Sportvereine, die das Erbe des Pera Clubs für sich reklamieren. In Athen AEK (Athlitiki Enosi Konstantinoupoleos) und in Thessaloniki PAOK (Panthessalonikeios Athlitikos Omilos Konstantinoupoliton). Beide Vereine entschieden sich für den byzantinischen Doppeladler als Wappentier, wobei er bei PAOK aus Trauer über die Vertreibung seine Flügel am Corpus anliegend hat. Auch PAOKs Clubfarbe schwarz wurde wegen der Trauer gewählt, während weiß die Hoffnung auf bessere Zeiten symbolisiert. Bei AEK ist dagegen das alte byzantinische Banner (schwarzer Doppeladler auf goldenem Grund) für die Clubfarben verantwortlich.


    Während die griechischen Nachfolgeclubs AEK und PAOK in den kommenden Jahrzehnten nationale und internationale Meriten erwarben, spielt Beyoglu SK seit 1987 nur noch auf Amateurniveau. Es gelang den griechischen Clubeignern zwar zunächst eine wettbewerbsfähige Fussballmannschaft aufzubauen, in deren Reihen sich Griechen und Türken mischten, genau wie sie es auch in der Anhängerschaft taten. Doch nach dem Pogrom von 1955 flüchteten fast alle verbliebenen Griechen aus Istanbul, was das Überleben des Clubs massiv gefährdete. Vor allem bei Geldgebern und Fanbasis machte sich der Exodus bemerkbar. Für die 1959 eingeführte Süper Lig konnte man sich entsprechend nicht qualifizieren. Der Club fing sich nach ein paar Jahren allerdings und spielte immerhin von 1962 bis 1964 erstklassig (ehe ein steter sportlicher Abstieg einsetzte und in der jüngeren Vergangenheit aus Kostengründen sogar zeitweilig auf ein Herrenfussballteam verzichtet wurde).


    PAOKs kommender Gegner in der CL-Quali, der Sportverein Besiktas JK, wurde 1903 im Istanbuler Stadtteil Besiktas von patriotischen Türken gegründet und 1910 legalisiert. Bis dahin war den türkischen Untertanen die Gründung von Sportvereinen untersagt, weil der Sultan dort revolutionäre Umtriebe befürchtete (Besiktas war allerdings bereits seit Gründung mit einer Sondergenehmigung ausgestattet und somit schon vor 1910 gedultet). Der Stadtteil Besiktas grenzt gleich an Beyoglu und früher spielten sowohl Besiktas, als auch der Pera Club bzw. der Beyoglu SK im Taksim Stadion in Beyoglu.


    Besiktas hat wie PAOK die Vereinsfarben schwarz und weiß und ihr Motiv für die Farbwahl ist ebenfalls Trauer. Allerdings über die verlorenen Balkankriege 1912 und 1913*, als das Osmanische Reich bereits vor dem Ersten Weltkrieg große Territorien auf dem europäischen Kontinent an Serbien, Montenegro, Bulgarien und Griechenland abgeben musste.


    Der Club war vor allem in den 1940er und 1950er Jahren dominant im türkischen Fußball und bekam damals den ehrenvollen Beinamen „Schwarze Adler“ (weshalb der Adler inoffizielles Wappentier ist). 1952 ehrte der Fußballverband den Verein Besiktas sogar damit, dass sein komplettes Team am 16.Mai gegen Griechenland als türkische Nationalmannschaft auflaufen durfte (0:1 verlor man allerdings in Istanbul). Deshalb hat man bis heute auch Stern und Halbmond im Vereinswappen integriert.


    So ein Duell PAOK vs. Besiktas ist dementsprechend ist ein historisch aufgeladenes und brisantes Duell. Gut, dass zur Zeit keine Zuschauer zugelassen sind.


    *1913 eroberte man zu Lasten Bulgariens allerdings wieder Gebiete in Ostthrakien zurück, die bis heute türkisch sind. Insgesamt waren die Balkankriege aus türkischer allerdings ein Desaster.

  • Wow. Tatsächlich, nie von alledem gehört.

    Vielen Dank für den gesichtlichen Exkurs.

    :anbeten:

  • Wird die CL-Quali jetzt eigentlich auch nur in einem Spiel pro Runde gespielt? Werde aus der Spielliste beim kicker leider nicht schlau. Zwei Spiele pro Runde sind nicht gelistet, aber das Weiterkommen ist auch nur bei einem Team markiert. :grübel:


    Roter Stern gewinnt auswärts jedenfalls. Schneppe dürfte das freuen. Und die Exil-Istanbuler besiegen die Ex-Nationalmannschaft. :grübel:

  • :erstaunt: Mal im Ernst... wieviel davon hast du aus dem Ärmel geschüttelt und wieviel musstest du recherchieren?

  • Wie es mit Beyoglu SK sportlich weiter ging und wo die aktuell spielen, musste ich recherchieren. Ebenso wieso Besiktas auch einen Adler hat.

    Athlitiki Enosi Konstantinoupoleos und Panthessalonikeios Athlitikos Omilos Konstantinoupoliton waren außerdem Copy & Paste. Ich weiß zwar, was AEK und PAOK abkürzen, könnte das aber bestimmt nicht fehlerfrei aufschreiben.


    Den Rest konnte ich zum Glück aus dem Ärmel schütteln und kam somit mit 30 Minuten Mittagspause am letzten Donnerstag aus. Da ich bereits in Istanbul war (dort sogar Beyoglu als Basis hatte) und ebenso in Thessaloniki (und Athen) war und PAOK und Besiktas (und AEK) schon gesehen habe, war das jetzt kein Hexenwerk. Musste ich ja alles schon mal für Schneppe Tours recherchieren ;)


    Bei so schnell zusammengeschusterten Texten ärgere ich mich dann im Nachhinein, dass ich nicht noch eingeschoben habe, dass Atatürk in Thessaloniki geboren wurde und vor allem, dass Thessaloniki ausgerechnet erst in den Balkankriegen (1912) vom Osmanischen Reich an Griechenland fiel und Besiktas genau wegen dieser Kriegsniederlage später schwarz als Vereinsfarbe wählte.

    Einmal editiert, zuletzt von Schneppe ()

  • Danke!
    Falls ich irgendwann mal Patient bei dir bin und merke, dass du in Studium und Berufspraxis angeeignetes Wissen ad hoc abrufen kannst, werde ich dir natürlich auch Respekt zollen ;)