Russlands Angriff auf die Ukraine

  • Dass der wilde Olaf uns im Handstreich das weltweit drittgrĂ¶ĂŸte MilitĂ€rbudget beschert, hatte ich nicht auf meiner Bingoliste 2022. Ich brauche noch ein paar Tage, um dazu eine Meinung zu entwickeln.

  • Einzugestehen, dass ein Plan nicht funktioniert, ist ein Gesichtsverlust. Zudem erfordert es Selbstkritik, und das ist keine StĂ€rke militĂ€rischen Denkens. Die Russen stecken weitere Ressourcen in denselben Plan.


    Und genau das halte ich fĂŒr hochgefĂ€hrlich, Putin ein GefĂŒhl von "Gesichtsverlust" zu vermitteln.


    Wir sehen eine russische Armee, die es grandios verkackt hat. (Vgl. was ich oben verlinkt habe. Wer seine Truppen desorganisiert in den sicheren Tod schickt, verbessert nicht sein Standing mit seinen Leuten.) Dadurch wird sie nicht gefÀhrlicher, dadurch wird ihr - etwas - der Schrecken genommen. Kann sie noch viel Schaden und Leid anrichten? Ja.


    Glaubst Du, die russische Armee sei so schwach, dass sie nicht mehr weiter eskalieren kann? Wenn ja, fĂŒrchte ich etwas ganz anderes. Oder glaubst Du, dass sie nicht mehr weiter eskalieren will? Dann setzt Du entweder voraus, dass sie notfalls Putins Befehle missachtet oder aber Putin letztlich doch skrupulös oder zumindest rational handelt.


    Aber Bullys besiegt man, indem man seinen Mut zusammennimmt und sich stellt. Genau das haben die Ukrainer getan. Genau das hat zum Scheitern des russischen Plans gefĂŒhrt. Genau das wird dazu fĂŒhren, dass Putin scheitert.


    Nur, dass dieser "Bully" kein SchulhofschlÀger ist, bei dem man sich vielleicht ein paar blaue Flecken einhandeln kann, sondern einer, der buchstÀblich die Welt zerstören kann.


    Du hast Recht, Angst ist hĂ€ufig ein schlechter Ratgeber. Falscher Heldenmut aber erst recht. Wenn vor mir jemand mit ner Pistole steht und mich ausrauben möchte, dĂŒrfte ein Ă€ngstliches Nachgeben und AushĂ€ndigen des Portemonnaies in den meisten FĂ€llen sehr viel besser sein als ein Versuch, dem RĂ€uber die Pistole aus der Hand zu schlagen oder darauf zu vertrauen, sie werde schon nicht geladen sein oder er schon nicht schießen.

  • @ stscherer :


    das wird immer so behauptet , aber ich stelle die these auf, dass die mehrheit der russen dem westen, insbesondere europa, aufgeschlossen gegenĂŒbersteht. das aber nicht zum ausdruck bringen kann , weil es keine meinungsfreiheit, faire wahlen etc. gibt. putin ist eben nicht russland.

    Genau das habe ich geschrieben: das Russland von Putin!

  • Wir haben es mit einem Bully zu tun. Einem Bully muss man Grenzen setzen, man muss ihn konfrontieren. Nichts anderes hilft.

    Jemand auf r/europe schrieb dazu:


    I'm still convinced he's not a mastermind. He's an idiot with a big stick, that's it. Gets you far but won't make you king.

  • @ stscherer :


    das wird immer so behauptet , aber ich stelle die these auf, dass die mehrheit der russen dem westen, insbesondere europa, aufgeschlossen gegenĂŒbersteht. das aber nicht zum ausdruck bringen kann , weil es keine meinungsfreiheit, faire wahlen etc. gibt. putin ist eben nicht russland.

    Genau das habe ich geschrieben: das Russland von Putin!

    okay.

  • ich weiss, ich vertrete eine minderheitenposition, aber diese katastrophale entwicklung hat nicht vor jahren begonnen , sondern vor 32 Jahren. man hĂ€tte die nato niemals ĂŒber die elbe hinaus ausdehnen dĂŒrfen, man hĂ€tte alles östlich der elbe zu einer neutralen zone formen mĂŒssen, auch gegen den willen der betroffenen staaten. dass die sowjetunion der deutschen einigung zugestimmt hat , war nach dem mörderischen blutzoll, den sie im kampf gegen die nazis gezahlt haben ein geschenk gottes. fĂŒr dieses geschenk hĂ€tte man sich angemessen revanchieren mĂŒssen, anstatt sieben jahre spĂ€ter anzufangen , die nato nach osten zu erweitern. dieses vorgehen war imo katastrophal. das gleichgewicht hĂ€tte erhalten bleiben mĂŒssen.


    aber den amerikanern war der triumph von 89/90/91 halt nicht genug. aber die sind auch weit weg und haben immerhin einen ozean zwischen sich und auf der anderen seite auch, leben im grunde auf einer insel. das was wir heute erleben ist eine spĂ€tfolge dieser arroganz. was nicht heißt , dass ich putins handeln fĂŒr gerechtfertigt halte. schlau schon gar nicht. aber diese entwicklung ist nicht nur auf das handeln einer person zurĂŒckzufĂŒhren. ein blick auf den historischen kontext des 20. jahrhunderts ist unumgĂ€nglich.


    100 milliarden extra fĂŒr die bundeswehr ? ich kann mir schon vorstellen , in welchen bereichen die eingespart werden.

    Top-Kandidat fĂŒr den schwachsinnigsten Beitrag der Woche. Immerhin noch rechtzeitig.

  • @Waldumwandlung:


    - Die russische Armee kann sicher noch viel Schrecken verbreiten und viele Ukrainer töten, das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Kann sie diesen Krieg gewinnen? Ich tendiere inzwischen tatsĂ€chlich zu: Nein. Und zwar aus folgendem Grund: Sie kann die StĂ€dte nicht im Straßenkampf nehmen. Sie kann die StĂ€dte mit Artilleriebeschuß vernichten, aber das wird dazu fĂŒhren, dass Putin die Kontrolle in Russland verliert, die russische Öffentlichkeit bekommt ĂŒber's Netz, wie wir sehen, nĂ€mlich doch mit, was passiert. Und sie mögen das, was sie ĂŒber's Netz sehen können, ĂŒberhaupt gar kein bisschen.


    - Die Gefahr - und das Ziel - von Bullys ist nicht die AusĂŒbung von Gewalt, sondern die AusĂŒbung von Herrschaft ĂŒber andere. Gewalt ist nur ein Mittel. Putin setzt es die ganze Zeit ein: Er hat mit Atomwaffen gedroht und er hat klar gesagt, dass er Osteuropa als "EinflusssphĂ€re" will. Er setzt alles auf eine Karte, und das ist psychologischer Terror. Die Gewalt in der Ukraine ist tatsĂ€chlich nur Mittel zum Zweck.


    "Gesichtsverlust" spielt dann eine Rolle, wenn ein Konflikt eskaliert ist. Wenn jemand etwas gedroht hat, was er nicht durchziehen kann, wenn er sein Blatt ĂŒberreizt hat und Gewalt anwenden muss, weil er es leichtfertig angedroht hat. Dann kann man sowas berĂŒcksichtigen. Putin hat uns mit dem Krieg zu verstehen gegeben, dass er darauf scheißt, was alle, die er nicht kontrollieren kann, ĂŒber ihn denken.


    Bullying durch Terror kann man nur stoppen, indem man sich nicht einschĂŒchtern lĂ€sst. (Deswegen geht es bei der Konfrontation mit dem Schulhof-Bully auch nicht um's gewinnen, sondern nur darum, dass man sich stellt.) Ich bin absolut nicht fĂŒr ein Einsteigen in die Gewaltspirale, also fĂŒr militĂ€risches Eingreifen oder Flugverbotszonen. Aber es geht nicht anders, als dass man sich nicht beeindrucken lĂ€sst.


    Ansonsten geht die Spirale nĂ€mlich immer weiter. Weil es eben keine Eskalationsspirale ist, sondern weil man einen Bully fĂŒr seinen Terror belohnt. Das ist meiner Meinung nach die Logik, die in diesem Konflikt gilt. Bislang ist Putin fĂŒr seine Kriege belohnt worden, weil er damit durchgekommen ist, und das ist genau, warum er weitermacht.


    TatsĂ€chlich denke ich, wir haben deswegen gar keine andere Wahl, als cool zu bleiben, zivilisiert zu reagieren, zu zeigen, dass wir diesen Krieg nicht akzeptieren. Wenn Putin tatsĂ€chlich auf den Knopf drĂŒcken sollte, weil wir Sanktionen verhĂ€ngen (verkĂŒrzt gesagt), können wir das nicht Ă€ndern. Sich auf den RĂŒcken zu legen und Unterwerfungsgesten zu machen, wird aber nur dazu fĂŒhren, dass er weitermacht. Und das heißt genau dasselbe, was wir jetzt haben, nur ohne Ende: Atomare Bedrohung.

  • Wenn Putin tatsĂ€chlich auf den Knopf drĂŒcken sollte, weil wir Sanktionen verhĂ€ngen (verkĂŒrzt gesagt), können wir das nicht Ă€ndern.

    Jetzt bin ich wieder zurĂŒck in den frĂŒhen 1980er-Jahren...

  • nein. selbst der dĂŒmmste beitrag von mir ist immer noch schlauer als dein schlauester.

    :trösten: Schon gut. Ich lasse Dich mal in dem Glauben, nicht dass Du gleich wieder den AbmeldebÀr gibst. Einen gewissen Unterhaltungswert hast Du ja.

  • Jetzt bin ich wieder zurĂŒck in den frĂŒhen 1980er-Jahren...


    Da bist Du aber nicht der Schnellste...


    Das ist genau das Spiel von Putin: Die Koordinaten dieser Welt wieder einzufĂŒhren, und sein erklĂ€rtes Ziel ist, das sowjetische Reich russischer Nation, wieder aufzubauen.

    Und ich finde es sehr schmerzhaft, zu sehen, wieviele darauf instinktiv einsteigen. (Du jetzt tatsÀchlich nicht, ich wollte an Deinem Beitrag nur nochmal die Logik aufzeigen.)

  • Also, wenn das auf meinen Kommentar zu stscherer bezogen ist, möchte ich darauf hinweisen, dass das alles meinerseits "in good spirit" gemeint war. Tut mir leid, wenn das anders rĂŒberkam.

  • man hĂ€tte alles östlich der elbe zu einer neutralen zone formen mĂŒssen, auch gegen den willen der betroffenen staaten.

    Was meinst Du? WÀre Litauen nicht in der NATO - wÀre es heute noch ein souverÀner Staat? Hm?

    Ja das ist eine schwierige Frage. Vielleicht. Vielleicht nicht. Vielleicht wieder. Ein Blick in die Geschichte lehrt uns doch, dass es auf lange Zeit nahezu unmöglich ist, per Gewaltherrschaft einen Vielvölkerstaat aufrechtzuerhalten. Rom, Alexander der Große, Sowjetunion. Kann sich natĂŒrlich mit den modernen Möglichkeiten alles geĂ€ndert haben (siehe vielleicht China). Vielleicht hĂ€tte sich ohne NATO-Osterweiterung in Russland ĂŒberhaupt keine Mehrheit fĂŒr jemanden wie Putin gebildet, der alte Ost-West-Feindschaften herbeiredet. Anstatt ein MilitĂ€rbĂŒndnis zu erweitern, wĂ€re es mir allemal lieber gewesen, Russland wirtschaftlich und gesellschaftlich enger an ein einiges Europa zu binden.


    Edit: persönlich bin ich der Meinung, dass das russische Ego es hĂ€tte ertragen mĂŒssen, wenn sich ein souverĂ€ner Staat fĂŒr eine NATO-Mitgliedschaft entscheidet.

  • Nochmal eine Sache, die wir hier noch nicht richtig gewĂŒrdigt haben: Russland verliert den Informationskrieg. Die haben gestern schon Twitter in Russland vom Netz genommen.


    Damit haben sie bestimmt nicht gerechnet. Das war bislang deren StÀrke.

  • Alles gut - und tatsĂ€chlich verstehst Du mich auch noch falsch, ExilRoter: es ging mir mehr um dieses GefĂŒhl der damaligen Zeit, dass man es sowieso nicht beeinflussen kann und deswegen die Atomkriegsangst irgendwie verdrĂ€ngt hat - mehr oder weniger.


    Eben hat ein Experte in der ARD die Drohung ein bisschen eingeordnet; 2014 soll es ebenso gewesen sein, und es ist wohl "erst" die zweite von vier Eskalationsstufen bei dem Putinregime.


    TatsÀchlich scheint der Irre wohl den Umfang der Sanktionen unterschÀtzt zu haben und merkt jetzt, dass er weniger Reaktionsmöglichkeiten hat als er dachte.


    Meine Hoffnung ist, dass er doch noch zurĂŒckzieht und es dann als Erfolg verkauft: ich könnte mir eine NeutralitĂ€t der Ukraine (was das dann in der Praxis auch immer bedeuten wĂŒrde) und eine Eingliederung der besetzten Gebiete einschliesslich der Krim in sein Russland vorstellen. Einfach den Schwanz einkneifen und abhauen wird er nicht. Oder hat jemand eine bessere Idee?

  • Das wird die Ukraine nicht mitmachen. Haben sie schon gesagt. Die bestehen auf territorialer IntegritĂ€t.


    Alles andere ist auch keine Lösung, weil Bullytum nicht belohnt werden darf, siehe oben.


    Das ist Putins Ende und das beste, was man ihm anbieten kann, ist ein Ruhestand an der Sonne.