Russlands Angriff auf die Ukraine

  • Eigentlich wollte ich ja zu den Eulenspiegeleien unseres ungewĂ€hlten Volkstribuns nicht mehr Ă€ussern, aber zu dem Vorwurf "NS-Wochenschau-Sprech" in Verbindung mit dem dort natĂŒrlich ohne Herkunft eingeflochtenen Zitat erlaube ich mir zwei kleine Anmerkungen:


    Es handelt sich dabei um einen teilweisen Auszug aus der Mitteilung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 03.02.1943 ĂŒber die Kapitulation der 6. deutschen Armee bei/in Stalingrad. Es ist also die Aussage derjenigen, die auf Befehl des Nazidiktators in einen souverĂ€nen Staat einfielen, dort massenweise Kriesgsverbrechen begingen und unter Anderem die Großstadt Stalingrad niederbrannten und dadurch nicht nur den Tod sehr vieler Soldaten auf beiden Seiten verursachten, sondern auch nahezu unermesslich viele zivile Todesopfer absichtlich herbeifĂŒhrten. Diese dortigen Aggressoren und Kriegsverbrecher wurden von der Armee des ĂŒberfallenen Landes, dessen SouverĂ€nitĂ€t und IntegritĂ€t zerstört werden sollte und an dessen Bevölkerung Völkermord geĂŒbt wurde, in/bei Stalingrad vernichtend geschlagen und zur Kapitulation gezwungen.


    https://www.deutschlandfunk.de
%20Kapitulation%20der%206.


    Im Gegensatz dazu dĂŒrfte es sich bei der ukrainischen Armee sowie der ukrainischen Nationalgarde - und damit auch bei denjenigen, die sich derzeit in Mariupol zur Wehr setzen -, zunĂ€chst einmal um die regulĂ€ren Truppen desjenigen Landes handeln, welches durch Aggressoren und Kriegsverbrecher angegriffen wurde und welches dort seine territoriale IntegritĂ€t, seine politische SouverĂ€nitĂ€t, seine demokratische Ordnung und das Recht der dort lebenden Menschen, so zu leben wie wir im Rest Europas, verteidigen. Und tatsĂ€chlich kĂ€mpfen sie dort auch fĂŒr meine Art zu leben, nĂ€mlich in einem Europa mit freiheitlich-demokratischen Strukturen. Und Ja, wer die Bilder aus dem Untergrund des Stahlwerks gesehen, hat, der sieht, wie sie dort dafĂŒr bezahlen. Und es sind keine Maulhelden, deswegen haben ich grossen Respekt vor ihnen.

  • Man merkt diesem Beitrag Deinen Beruf an. ;)


    Geht das nicht einfacher? Jemand - ich weiß gerade nichtmal, um wen es geht - aus einer Nation mit Nazi-Vergangenheit, deren Nazis Europa mit einem genozidalen Vernichtungskrieg mit Abermillionen von Toten und industrieller Vernichtung von Menschen ĂŒberzogen, wirf einer Nation, die ein Hauptopfer dieser faschistischen Aggression war, vor, Nazi zu sein und schiebt ihnen die Worte der echten Nazis unter.


    Wenn jemand hier nicht geeignet ist, Nazi-JĂ€ger zu spielen, und zwar aus einer ganzen Reihe von GrĂŒnden, ist das Deutschland. Das ist hochnotpeinlich und extrem unangebracht. Meine Meinung.


    In Mariupol stehen:


    36. Marineinfantriebrigade

    Nationalgardeneinheit Asow-Battalion

    KĂŒstenwache- und Polizeieinheiten.


    Poltische AktivitÀt ist den Soldaten der Ukraine gesetzlich verboten.


    WĂ€hrend Russland einen genozidalen Krieg fĂŒhrt, ein Begriff, der ĂŒbrigens geschaffen wurde, um den deutschen Vernichtungskrieg prĂ€ziser zu benennen, wird hier einer abstrakten Person vorgeworfen, Nazi zu sein wegen Nazi-Sprech. Noch dazu von - wenn ich mich nicht tĂ€usche - einem Deutschen.

  • Dummerweise bist Du auch Deutscher und somit ist Dein Recht, moralische Urteile zu fĂ€llen, per Geburt erloschen. Dass Du lange nach dem Nationalsozialismus geboren bist, interessiert nach Deiner Definition ja einen Fick.

  • Danke fĂŒr diesen profunden Beitrag.


    NatĂŒrlich habe ich ein Recht, moralische Urteile zu fĂ€llen. Nach Kant sogar die Pflicht. Aber Nazi-Verunglimpfung von Ukrainern im Sinne russischer Völkermörder halte ich in der Tat fĂŒr einen Deutschen noch unangebrachter als von jemand anderem.


    Es mag ja sein, dass diese Art von Sprachkritik, die Menschen wegen z.B. Heldenverehrung zu Nazis erklĂ€rt, in Deutschland Sinn ergibt, also auf die deutsche Gesellschaft selber bezogen. Klar, die Sprache ist das Problem, nicht, dass in Deutschland ĂŒber Jahrzehnte Nazis in Spitzenposten aller Sparten waren.


    Auf andere aber, die sich tatsĂ€chlich in einem heroischen Kampf befinden, diese verkorksten Sprachregelungen und -maßstĂ€be anzuwenden, diese mit tatsĂ€chlichen Nazi-Zitaten (s.o.) in Verbindung zu bringen, weil sie wĂ€hrend eines Verteidungskrieges von "Helden" sprechen, das finde ich wieder komplett "out of line".


    In Asovstal kĂ€mpfen ĂŒbrigens auch rund 40 Juden. (Quelle, englisch.)

  • Wenn Menschen Menschen töten, ist dies niemals heroisch.


    Es ist manchmal notwendig und legitim. Aber niemals heldenhaft.


    Und das ist einer der GrĂŒnde, warum es in Kriegen nur Verlierer gibt.

  • Ah, da sind wir inzwischen angelangt. Hauptsache Gift und Geie speien, never mind the Kontext.


    Dieses kategorische Urteil, dass das Heroische komplett und undifferenziert zu verbannen ist, ja, eventuell sogar zum Nazi-Sein qualifiziert, ist meiner Meinung nach einfach falsch.


    Oben hatte ich schon Zizek zitiert, der begrĂŒndet, warum wir unser VerhĂ€ltnis zum Heroismus ĂŒberdenken sollten. Denn ohne heroische Taten kommen wir auch nicht mehr aus der Klimakatastrophe, z.B.


    Aber im Kern geht es hier darum, wer wen worĂŒber zu belehren hat und wie sich das in den Diskurs um den Krieg einfĂŒhrt, d.h. welche Funktion es hat.

  • Ich glaube mittlerweile, ihr zwei trĂ€umt euch gerade wirklich in einen Bunker hinein, umzingelt von einer Übermacht von Feinden, deren die Wehrkraft der Ukraine zersetzenden BeitrĂ€ge ihr heldenhaft, bis zur letzten verbalen Munition, bekĂ€mpft. Wobei vernichten statt bekĂ€mpfen vielleicht besser zu eurem bellizistischen Duktus passen wĂŒrde.


    Mitnichten will ich Scherer oder irgendwem anders hier unterstellen Nazi zu sein und ich glaube mindestens 96 % haben das da auch nicht rausgelesen. Aber fĂŒr die anderen 0,96 bis 4 %: Es geht einfach darum verbal mal wieder abzurĂŒsten. Denn wie geschrieben kann ich mit Kriegsheldenmythen persönlich nichts anfangen und halte sie seit jeher fĂŒr gefĂ€hrlich. Diesmal mögen die richtigen gerade den angeblichen Heldentod fĂŒr die gerechte Sache oder mutmaßlich unsere Werte sterben, doch schon morgen kann mit dem Narrativ fĂŒr die falsche Sache mobilisiert werden. Siehe die Nazis. Oder siehe gerade Putin & Co, die Heldenmythen aus dem Großen VaterlĂ€ndischen Krieg missbrauchen, um fĂŒr ihren verbrecherischen Angriffskrieg und Raubzug zu mobilisieren und ihn zu rechtfertigen.


    Und wo wir gerade beim Thema sind; ich habe hier schon Monate nicht mehr den Verdacht gehabt, dass hier irgendjemand auf der falschen Seite der Geschichte steht oder Russlands Kriegsschuld und Verbrechen infrage stellt oder irgendwie relativieren will. Ich schon mal gar nicht. Ist auch schon ein paar Jahre her, dass ich Russlands geopolitische und territoriale Ambitionen und das ideologische Fundament dessen realisiert habe und mich zugleich davon verabschiedet habe, dass eine Eskalation diplomatisch oder wirtschaftlich (Ă  la Wandel durch Handel) zu verhindern sein wird. Und vor allem auch die Propagandastrategie des Kreml realisiert habe und darauf schon in den ZusammenhĂ€ngen AfD, FlĂŒchtlingskrise, Trump, Corona-Pandemie usw. hingewiesen habe und zu Jahresbeginn den RT-Deutsch-Jockels volle Breitseite gegeben habe, als du wahrscheinlich noch zu sehr beschĂ€ftigt warst deinen Twitter-Feed zu selektieren.

  • Ich bin nach wie vor kein Bellizist.


    stscherer hattest Du nicht konkret genannt. Ich werde doch nicht ewig rumgrĂŒbeln, wen Du meinst, Dich aus irgendwelchen GrĂŒnden um klare Aussagen drĂŒcken zu mĂŒssen.


    Wenn Du hier Sprachkritik betreiben willst, wĂŒrde ich empfehlen, am konkreten Text zu arbeiten. Ich habe mich nirgendwo bellizistisch ausgedrĂŒckt.


    Ich sehe hier durchaus einige auf der falschen Seite der Geschichte.

    Einmal editiert, zuletzt von ExilRoter ()

  • Ach, biste mausgerutscht oder hast den Beitrag gar nicht gelesen (oder vielleicht nur die ersten 280 Zeichen?). Sorry, mein Fehler. Und ich dachte schon, du hĂ€ttest da noch etwas richtig zu stellen, bevor du die Seiten falsch und richtig der Geschichte absteckst.

    • Offizieller Beitrag

    Krieg ist immer scheiße.
    Und blutig und grausam.

    Und es gibt immer "diese eine gerechte Sache"


    In Zeiten, in denen einer wie Anton Hofreiter ĂŒber SchĂŒtzenpanzer doziert und in denen ehemalige Wehrdienstverweigerer so klingen, als fĂ€nden sie Gefallen am Gefecht - in solchen Zeiten ist es nicht illegitim, das befremdlich zu finden. Selbst dann, wenn man klar auf der ukrainischen Seite steht.


    Deswegen sind weder Anton Hofreiter noch andere Wehrdienstverweigerer Kriegstreiber. Aber sie mĂŒssen aufpassen, nicht vom Strudel der Gefechtsdynamik begeistert mitgerissen zu werden. Na ja... "mĂŒssen".


    Auch in klug und geschickt vernichteten russischen Panzern stecken Söhne und Töchter.
    Das darf nie vergessen werden. Und... ich sage es mal so: Wenn nicht "Ihr" es seid, die laufend daran gemahnen, wer sollte es denn sonst tun?

    Es irritiert mindestens, wie die Rollen getauscht sind.

  • Aber Nazi-Verunglimpfung von Ukrainern im Sinne russischer Völkermörder halte ich in der Tat fĂŒr einen Deutschen noch unangebrachter als von jemand anderem.

    Allerdings ist das keine Nazi-Verunglimpfung im Sinne russischer Völkermörder, sondern nur Nazi-Verunglimpfung. Gleich neben der Verunglimpfung russischer Völkermörder. Was Du und der Anwalt dummerweise einfach nicht raffen wollen, ganz egal wie oft es hier geschrieben wird.

  • Endlich mal wieder ein sachlicher Beitrag.


    Ich sehe das anders mit a) Verweis auf stscherers Argumentation, der ukrainische Fachwissenschaftler heranzieht und b) mit dem allgemeinen Hinweis, dass das - entsprechend meiner Argumentation oben - unter den UmstĂ€nden völlig unangebracht ist und die Ukraine sich um ihr Nazi-Problem selber kĂŒmmern muss. (Wenn sie dann nach Hilfe anfragen, okay, aber das wird aufgrund der Geschehnisse wohl nicht passieren, die werden sich deutsche RatschlĂ€ge lĂ€nger verbitten.)


    Und in der Tat sehe ich keinen anderen Grund, der diese komische Diskussion erklÀren könnte, als dass die russische Nazi-Verunglimpfung aufgenommen wird. Sicher in vielen FÀllen mit guten Absichten. Aber das finde ich sehr einfÀltig. Es geht darum, welche Funktion diese Argumentation im Gesamtdiskurs hat.


    Hat die Ukraine im Augenblick ein Problem mit rechter Gewalt? Ja, durch die Russen und momentan ausschließlich damit. Das sagen in jedem Fall die Ukrainer, die ich lese. Wissenschaftler, Journalisten, Aktivisten, Juden, etc. Etwas differenzierter sieht es bei tatsĂ€chlichen Antifaschisten aus, aber auch die erwarten eher nach dem Krieg Probleme damit. Ich hab' da aber noch keinen gegen die Verteidiger von Mariupol Stimmung machen sehen. Insofern ich solche Leute im Feed habe, stehen die hinter diesen Verteidigern.

  • Also man ist einfĂ€ltig, wenn man etwas sucht und findet, dass es rechte Tendenzen in dieser Gruppierung gegeben hat am Anfang und wird mit Russland auf eine Stufe gestellt, weil es einigen Leuten (zwei) hier nicht passt. Das ist ja dann wirklich sachlich und solide, so funktioniert Demokratie und ein Forum. Danke fĂŒr die weisen Worte.

  • Ich habe den Eindruck, seit Donnerstag ist das Diskussionsniveau hier ziemlich gefallen. Irgendwann wurde da persönliche Giftigkeit wieder hoffĂ€hig gemacht.


    Ich finde ja, das tut der Diskussion nicht gut, aber das ist natĂŒrlich nur meine Meinung.

  • Nein, denn das ist keine persönliche Giftigkeit, weil ich Deine Motivation schĂ€tze und ĂŒberhaupt nicht anzweifele, dass Du es gut meinst, sondern Dich nur darauf hinweisen will, dass es mit Deinem VerstĂ€ndnis der BeitrĂ€ge quasi aller anderen Diskussionsteilnehmer nicht zum besten steht.

  • Ich habe nicht Deinen Beitrag gemeint sondern 5396.


    Danke fĂŒr den Hinweis. Ich sehe tatsĂ€chlich eher eine große inhaltliche Distanz meinerseits zu den meisten Diskussionsteilnehmern hier. Mein VerstĂ€ndnis zu beurteilen, ĂŒberlasse ich natĂŒrlich Euch.

  • Es geht ja auch auch darum, dass man andere Meinungen akzeptiert, wenn sie nicht zu extrem kontrĂ€r zur eigenen Meinung stehen. Da sehe ich das grĂ¶ĂŸte Problem aktuell: es wird hier nicht akzeptiert.


    Entweder man ist fĂŒr die Ukraine und alle ihre Soldaten oder man ist ein einfĂ€ltiger Putinversteher. Das ist doch die eigentliche krux an der Sache fĂŒr mich aktuell.