w&v= Werben&Verkaufen (Marketing-/Werbemagazin)
Flimmern und Rauschen
Wie Sauer Bier bieten die Fußballrechtevermarkter Infront und Team den Free-TV-Sendern ihre Ware Bundesliga und Champions League an. Die Fernsehmanager pokern, um die Preise zu drücken. Gelingt das, bekommen die Rechtehändler Probleme: Sie bleiben auf Millionenverlusten sitzen. Infront soll eine Ausstiegsoption ausgehandelt haben: Findet der Vermarkter keine Abnehmer, kann er die Bundesliga-Rechte zurückgeben.
Oscar Frei wählt in diesen Tagen diplomatische Formulierungen, wenn es um den Verhandlungsstand in Sachen
Bundesliga-TV-Rechte geht. Im Interview mit w&v erklärt der Chef des Sportrechtevermarkters Infront mit Sitz im schweizerischen Zug: "Selbstverständlich halten wir uns trotz der schwierigen Situation an alle vertraglichen Verpflichtungen, die wir eingegangen sind." Er sei überzeugt, "dass wir zu einem Kompromiss kommen, der für alle tragfähig ist". Das klingt nach Verhandlungen in alle Richtungen.
Nach der Absage der ProSiebenSat.l Media AG, für 80 Millionen Euro die Free-TV-Übertragungsrechte für die Bundesliga-Saison 2003/ 2004 zu kaufen, steckt der Infront-Manager in der Klemme. Denn bisher haben alle Free-TVSender abgewinkt. Kein werbefinanzierter TVSender will und kann in Zeiten der Werbekrise und des strikten Kostenmanagements noch einen strategischen Preis für die Erste und Zweite Bundesliga zahlen. Alle Hoffnungen der Vereine auf das Füllhorn von ARD und ZDF oder auf den Münchner Filmhändler Herbert Kloiber waren - bisher - vergeblich.
Eine gigantische Pokerpartie nimmt ihren Lauf. Bleibt es bei der harten Haltung der Sender -und dafür spricht einiges - müssen Infront und sein prominenter Executive Director Günter Netzer einen Preisnachlass gewähren. Das würde ein tiefes Loch in die Kasse der Schweizer reißen. Denn das Unternehmen ist an die Verträge mit der Bundesliga gebunden. Und in denen sind die Entgelte für die Liga bereits vertraglich festgeschrieben: Rund 300 Millionen Euro pro Saison zahlt der Vermarkter für die gesamte TV-Vermarktung bis 2006. So sieht DFLGeschäftsführer Michael Pfad die Bundesliga Vereine auch auf der sicheren Seite: "Wir sind in der günstigen Situation, dass die Zahlungen an die Vereine per Vertrag bis 2004 gesichert sind."
Geht die Bundesliga ins Pay-TV?
Infront soll für den Notfall eine Ausstiegsoption ausgehandelt haben - deren Existenz Oscar Frei im Gespräch nicht ausdrücklich dementiert. Falls es zu keiner Einigung kommt, könnten die Eidgenossen auch aus dem Vertrag zum Kauf der Bundesliga-Rechte mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) aussteigen. Dann würden alle Rechte wieder an Kirchs Gläubigerbanken zurückfallen, die wiederum einen neuen Käufer suchen müssten.
Ein Verzicht der Infront-Manager brächte die DFL in eine missliche Situation: Für den Saisonstart am 2. August hätte der Bundesliga-Fußball erstmals keine Free-TV Plattform, sondern wäre nur für die Abonnenten des Pay-TV-Senders Premiere empfangbar. Viel schlimmer noch für die DFL - so gäbe es nicht die dringend benötigten Einnahmen aus den Fernsehverwertungsrechten. Das wiederum brächte fast alle Bundesliga Vereine ins Trudeln.
Oscar Frei weist jedoch Ausstiegsüberlegungen weit von sich. Auch in Analystenkreisen gilt diese Variante als unwahrscheinlich. Medienanalyst Erik Heinrich, WGZ-Bank: "Falls Infront diese Option ziehen sollte, wäre das ein kapitaler Fehlstart für den Rechtevermarkter. Damit stellt sich für das junge Unternehmen eigentlich schon die Existenzfrage." Viel wahrscheinlicher sei es, dass die Schweizer in den ersten Jahren Verluste in Kauf nehmen. Frei hofft auf eine mittelfristige Wende: "Der hohe Preis, der zuletzt für die Fußballrechte in Frankreich bezahlt wurde, macht uns zuversichtlich." Spätestens im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 könnte es-angefacht durch eine neue deutsche Fußball Euphorie - zu einer veritablen Wende kommen.
Zudem entsteht in den nächsten Jahren neuer Rechtebedarf durch den Mobilfunk. Die großen Telekommunikationsunternehmen Vodafone und T-Mobile wollen im Herbst mit dem umstrittenen UMTS-Angebot an den Start gehen. Bewegte Bilder von Deutschlands höchster Fußball-Spielklasse sollen von Anfang an zum Angebot gehören. Verhandlungen über BundesligaBewegtbildrechte für UMTS sollen mit Infront bereits laufen.
Doch das hilft Frei im Poker um die nächste Saison nicht weiter. Vieles spricht dafür, dass es
erst nach dem Ende dieser Spielzeit am 24. Mai zu einer Entscheidung kommt. Ein (möglicherweise) stabilerer Werbemarkt in einem solideren politischen Umfeld könnte im Juni die Entscheidungsfreude auf allen Seiten verbessern. Bis dahin dürften auch die Gesellschafterverhältnisse bei ProSiebenSat.l geregelt sein. Konzernchef Urs Rohner (oder ein möglicher Nachfolger) wäre dann in der Lage, in Sachen Bundesliga strategische und längerfristige Entscheidungen zu treffen.
Kaum Gebote für Champions League
In einer ähnlich schwierigen Lage wie Infront steckt auch die Rechteagentur Team, die weltweit und exklusiv die Rechte an der UEFA Champions League vermarktet. Nach der Absage des bisherigen Inhabers RTL bewerben sich für die Free-TV-Rechte offiziell lediglich kleinere Sender. Das Deutsche Sport Fernsehen (DSF) und Tele 5 haben für die Edel-Liga Angebote eingereicht, die finanziell schwach sind. Dem Vernehmen nach soll jetzt noch der Abo-Sender' Premiere bei den Free-TV Rechten mitbieten. Während Premiere alle Spiele zeigt, würden dann nur noch einzelne Partien an RTL weiterverkauft werden.
RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler, der für die Champions League bisher 50 bis 60 Millionen Euro pro Saison zahlt, schlug in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung dicke Pflöcke für weitere Verhandlungen ein: "Wir haben in den vergangenen Jahren ein Preisniveau erreicht, das mindestens um die Hälfte, wenn nicht noch deutlicher sinken muss", so Zeiler. "Wir können mit dem Fußball nicht auf Dauer Verlust machen."
Auch Helmut Thoma teilt Zeilers Meinung: "Fußball ist in allen europäischen Ländern viel zu teuer geworden. Die Verluste sind zweistellig, in dieser Form ist das nicht mehr zu tragen", so der frühere RTL-Geschäftsführer beim 7. Ispo-SportSponsoring-Kongress.
So spricht einiges dafür, dass der Druck auf die TV-Einnahmen der Bundesliga auch nach der Kirch-Krise nicht nachlässt - obwohl die Verantwortlichen gebetsmühlenartig die "Werthaltigkeit" des Produkts Bundesliga beschwören. Die Vereine müssen rigide Sparmaßnahmen ergreifen. "Bereits heute sind unter den Erstliga-Klubs einige echte Restrukturierungsfälle nicht nur der 1. FC Kaiserslautern", warnt Unternehmensberater Björn Bloching.
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