Geschehnisse in Hannover Teil 3
Die Bullen hatte den Haufen zufällig abgefangen. Später kam raus, dass man ihnen gesagt hätte, die RBH ist mit der Antifa unterwegs. Jemand hätte das vor dem Spiel gesehen und direkt gemeldet. Was das für ein unfassbarer Mist ist, brauch man gar nicht erwähnen. Aber das Argument zündet natürlich und Emotionen trüben nun leider auch das Entscheidungsvermögen. Insofern gab es auch niemanden, der mal nachgefragt hat, ob das stimmt.
Man merkte aber, die Zeit von Hannover geht langsam zu Ende.
Unterdessen machten sich “echten Fans“ in Hamburg vor dem Auswärtsspiel auch ein paar Feinde. Auf einem Mobfoto tauchte „urplötzlich“ eine Reichskriegsflagge auf. Dass das Teile der Hamburger Fußballszene natürlich wenig lustig fanden, dürfte klar sein. Insofern gab man West Hannover dann mit auf den Weg, dass sie ab jetzt erst einmal nicht gerne gesehen sind. Das Thema fand im Nachhinein in Hannover wenig Beachtung, weil es natürlich nicht die “Linken“ waren, die mal wieder für “Ärger“ sorgten. Außerdem hat eine Einzelperson die Fahne nur kurz rausgeholt, ohne das es jemand mitbekommen hat. Dass das Foto dennoch verschickt wurde, zeigt aber ganz gut, wie man mit so Nazischeiße umgeht.
In der Zwischenzeit wechselten die Namen auf der schwarzen Liste wieder kräftig durch. Niemand wusste mehr so wirklich, wer denn nun eigentlich noch erwünscht ist und wer nicht. Der eine war frech!, der andere organisiert den „Widerstand“. Irgendwann kamen die Szeneverbotler gegen diese gewaltigen Lügen auch nicht mehr an. Auf dem Zeitstrahl etwas zurück, traf man sich am Wochenende vor dem Spiel bei Werder am Sonntag, Freitag und Samstag in der eigenen Stadt. Ein Treffpunkt mit durchschnittlicher Besucherzahl. Dass kein RBH-Mitglied vor Ort war, hatte natürlich seinen Grund. Weil die RBH gesinnungstechnisch auf einer Wellenlänge mit den Bremern ist. Und niemand kann seinem gleichgesinnten Gegenüber ins Maul hauen. So einfach ist das. Abartige Phantasie. Dass die Jungs teilweise sonst dabei waren, spielte auch hier keine Rolle. Sympathisanten der Szeneverbotler mussten ihre Gruppe verlassen, weil sie sich nicht am Gruppentreffpunkt aufhielten. Für das Warum kein Verständnis. Das JE warf zwei Leute raus. Die stiften aufgrund ihrer Abstellgleisstellung nur Unruhe. Deswegen ist es das Einfachste, sie rauszuwerfen. Rückendeckung Fehlanzeige. Ziemlich zu Beginn wurden die Jüngeren auch bereits davor gewarnt, sich mit Mitgliedern der RBH zu zeigen. Nur um zu verhindern, dass man ebenfalls als Unterstützer gilt. Es war bzw. wurde recht bunt.
Man muss sicherlich noch erwähnen, dass es kurz vor Ende nochmal einen Stammtisch gab. Teile der “echten“ Fans auf der einen Seite. Sprecher für die Sympathisanten auf der anderen Seite. Wieso die eigentlichen Widerstandskämpfer nicht selbst eingeladen wurden, bleibt ein Geheimnis. Und man war sich sogar recht einig, dass man es trotz allem noch einmal probieren will. Jeder darf kommen und es gibt nichts zu erwarten. Aber nein, die eine Person konnte nicht damit leben. Also alles wie gehabt.
Ein paar Tage vor dem nächsten Heimspiel sickerte bereits durch, dass der finale Dolchstoß kommen soll. Beide Haufen trafen sich wie üblich in ihren Kneipen. Unter der Ankündigung zum Stadion zu gehen, setzten sich die “echten“ Fans in Bewegung. Schließlich sollte es so aussehen, als sei es ein großer Mob, der dem ganzen Treiben endgültig ein Ende setzen will. Aber 96% der Leute wussten mit Sicherheit nicht, was sich vor der anderen Kneipe abspielen soll bzw. was überhaupt Phase ist. Während der Großteil fragend vor der Kneipe stehen blieb, betrat eine handvoll Gestalten die Kneipe. Inhaltlich hatte sich wenig geändert. Ihr scheiß Zecken. Ihr erzählt nur lügen. Habt zig Chancen gehabt. Letzte mal heute hier Treffpunkt sonst Schnauze dick. Bitteschön. Es darf jeder gerne zum anderen Treffpunkt kommen, nur die Leute nicht, die für das hier verantwortlich sind. Namen wurden nicht genannt. Es weiß schon jeder selber und es gibt Beweise. Die bis heute allerdings keiner Verteidigung vorgelegt werden konnten. Und da wurde ungefähr jedem klar, dass die Typen bis dato den Kern des Problems einfach nicht erfasst hatten. Schließlich war genau dieser Umgang mit Leuten, also sie auszusperren, überhaupt erst der Auslöser des Problems. Und nun so ein Auftritt. Was für eine Bankrotterklärung. Direkt danach verließen sie den Laden und zogen ab.
Für viele war es dann in der Tat endgültig. Die Jungs von UH trafen sich in der Folge, nicht um weiterhin zu versuchen irgendwas zu retten, sondern um ihren persönlichen Schlussstrich zu ziehen. Mehr als die Hälfte kündigte ihre Arbeit für die Gruppe und für die Ultraszene auf. Darunter auch die Gründer und Anführer der Gruppe/ Szene. Die Frage nach einer Auflösung stand im Raum. Es wurde auch darüber abgestimmt. Mit einer Mehrheit für die Auflösung. Allerdings war diese Entscheidung für ein paar Leute ziemlich unwichtig, weil sie sowieso unter Ultras Hannover weitermachen werden. Egal was gesagt wird. Bedankt man, dass man den Vereinspräsidenten von Hannover 96 für genau das gleiche Verhalten gerne zum Teufel jagen würde, ist ein derartiger Umgang ziemlich fragwürdig. Die RBH macht bei diesem Unsinn natürlich auch nicht mehr mit und sonst haben sich viele von dieser Szene losgesagt. 96 ist natürlich noch Thema und einige schauen es auch zusammen. Im Stadion oder vor dem Fernseher. Aber Arbeit direkt für die Ultraszene investiert auf jeden Fall fast niemand mehr.
Eine Aktion darf zum Schluss aber nicht unerwähnt bleiben. Mehr als ein halbes Jahr später. Große Demo in Hannover. Es geht um das neue Polizeiaufgabengesetz in Niedersachsen. Und da war wirklich alles anwesend, was für eine neue riesige Welle von Fußballverboten sprach. Alles, um zum Verräter zu werden, zum Spalter. Antifa aus aller Herren Bundesländer, darunter natürlich auch die Antifa aus Hannover. Fußballfans aus Braunschweig, Osnabrück, Meppen. Alles war angerichtet. Und wer turnte in den ersten Reihen des 96 Blocks herum? Genau die Leute, die noch ein paar Monate vorher andere Leute an den Pranger stellten, sie angriffen, bedrohten, weil sie eben genau das gemacht haben. Eine Demo gemeinsam mit dem Feind. Hätte ich es selber nicht gesehen, würde ich es nicht glauben. Unfassbar. Nur was sollte dann diese ganze (Ego)-Show? Wieso nimmt man nun selbst an so etwas teil? Wo ist die ganz Wut plötzlich hin? Offensichtlich konnten die Leute ihren Müll selbst nicht (mehr) glauben. Es ist einfach nur traurig, wie leichtfertig diese Szene zerstört wurde. Nur weil ein kleiner Haufen, getrieben von mächtig Narzissmus und Egoismus, nicht in der Lage war, aus Stolz vor der dem eigenen Ich, etwas zurückzurudern. Dabei wäre es so einfach gewesen.
Aber, diese von außen betrachtete Wendung, bestärkt natürlich jeden, der in dieser schwierigen Zeit zu seinen Freunden gehalten hat. Sie nicht hat fallen lassen, nur weil sich jemand gegenüber viel lauter auf seine Brust trommelt und dabei mit der Faust droht. Es ist es doch genau diese ungebrochene Solidarität, die man in dieser Subkultur braucht. Und diese nicht nur seinen Freunden zuspricht, sondern einfach jedem, der dazu gehört. Auch wenn man selbst nicht besonders dicke miteinander ist. Diese Jungs haben schließlich niemanden verraten. Sie sind nicht zu den Bullen übergelaufen. Haben sich nicht mit der Presse getroffen oder ein Szenemitglied vor Gericht in die Pfanne gehauen. Sie haben einfach nur wo teilgenommen. An einer Sache, die es aus ihrer Sicht lohnt zu unterstützen. Genau so wie die Leute bei der Demo gegen das Polizeigesetz. Und das haben sie bis zum Ende einfach nur vermitteln wollen.
Dass sich eine Menge Leute von dem ganzen Ultrazirkus nun verabschiedet haben, ist nur allzu logisch. Abgesehen davon, dass es natürlich unter diesen Umständen recht uncool ist, ein Teil dieser Szene zu sein, eine UH Fahne hochzuhalten oder allgemein sich den Ausdruck mit dem “U“ irgendwo drauzukritzeln, hat man doch fast keine andere Wahl. Oder wie hätte das laufen sollen?! Soll man sich gemeinsam wieder hinter einer“Stadionverbote abschaffen“-Fahne einfinden, weil man so doll gegen Verbote ist? Soll man sich auf einer Soli-Party solidarisch zeigen und einen 5er pro Bier geben, damit jemand seine Strafen zahlen kann, weil er zu unrecht verurteilt wurde? Oder gemeinsam gegen Martin Kind demonstrieren, wenn er Abstimmungen, die gegen sein Vorhaben laufen, wiederholt nur als Hinweis sieht? Das wäre doch für Leute, die die Werte dieser Subkultur ernsthaft verinnerlicht haben, nicht machbar. Für den Erhalt des modernen Fußballs sind solche Attrappen in der Kurve natürlich extrem wichtig, aber der Grundgedanke und das damit verbundene Ausleben dieser Kultur ist natürlich absolut ein anderer.
Es ist schade, dass sich ein ganz großer Teil einfach nur wegduckte, nicht seine Meinung gesagt hat, nur zuschaute und die Sache so hat Enden lassen. Nur weil man Angst hatte selbst in das Fadenkreuz zu geraten oder seinen Namen zu “beschmutzen“. Schreit man doch selbst immer direkt laut los und pocht auf sein Recht, wenn man sich von außerhalb durch Bullen, Verband oder Verein ungerecht behandelt fühlt. Nur scheint sich diese Sicht bei vielen zu ändern, wenn der Gegenüber nicht nur schriftlich mit Strafen droht.
Friede, Freude, Eierkuchen. Hannover ab 2018.
Nordstadtbräute. Widerstand Westtribüne.