Nunja. Ich könnte jetzt auch versuchen, die Punkteteilung gegen Bielefeld schönzureden. Das gelingt mir mit praktisch jedem Spiel, das ist eine ziemlich leichte Disziplin. Einzelne Spiele sind Momentaufnahmen, in denen alles passieren kann.
Aber ich will nicht.
Ich möchte jetzt nach 17 Spielen erstmal für mich ein großes Hinrundenfazit ziehen. Da ist von der zweiten Spielminute auf Schalke an vieles falsch gelaufen. Einiges aus meinem noch nicht vorhandenen Fazit kann ich schon vorweg nehmen: Es werden meine Evergreens auftauchen: Überzogene Erwartungen, aufgerüstete Konkurrenz, finanzielle Wettbewerbsfähigkeit, Verletzungen, flöten gegangenes Selbstvertrauen. Und da mir die vielen kümmerlichen Auftritte, die nur zu 17 Punkten gereicht haben, wie ein Stein im Magen liegen, werden auch sportliche Leitung und einzelne Spieler ihr Fett abkriegen.
An der Trainerschelte mag ich mich immer noch nicht beteiligen. Die Diskussion um 4-4-2 oder nicht war augenscheinlich nicht der Schlüssel. Erbhöfe vergibt er ebenso wenig, auch nicht an seine ehemaligen Schützlinge aus Aachen. Er hat sich lange vor die Mannschaft gestellt, doch er läßt sich nicht alles gefallen. Und er hat Gelegenheiten genutzt, Konkurrenzkampf zu entfachen. Viele Gelegenheiten hatte er dazu freilich nicht. Wir hatten seit September praktisch durchgehend 8-14 Ausfälle. Manche können diese "Ausrede" nicht mehr hören. Aber: Das kann kein Verein unbeschadet verkraften. Wer Pech hat, geht daran zugrunde und steigt ab. Wir haben immerhin noch eine Rückrunde, in der wir das verhindern können.
Falls ich als Seelentröster jemandem helfen kann: 96 ist ein kleiner Verein, der in die Top-10 stoßen möchte. Sportlich, strukturell, finanziell. Der Verein hat sich in den letzten Jahren gut geschlagen und sogar ein Mal Platz acht geschafft. Jetzt gibt es unübersehbar ein sportlich schlechteres Jahr. Auch in der finanziellen Entwicklung sind laut Kind Grenzen erreicht. Den Angriff auf Platz 5 können wir uns so in absehbarer Zeit abschminken. Trotzdem haben wir unseren Platz in der Liga. Unser Potential reicht immer noch für Platz 7-12, so wie im letzten Sommer auch. Platz 7-10 wenn es gut läuft und Platz 10-12 wenn es nicht so gut läuft. In den Abstiegsstrudel geraten wir nur dann, wenn die Mannschaft nicht wieder zusammenfindet. Sie wurde auseinander gerissen durch Verletzungen, Formkrisen, Undiszipliniertheiten und fehlende Hierarchie. Sollte das anhalten, kommen wir in Not. Sollte sich das bessern, fangen wir uns wieder.
Im Moment glaube ich zum Thema Trainerwechsel immer noch: Es ist möglich, daß ein neuer Besen kurzzeitig neuen Schwung reinbringt. Möglich, aber nicht zwangsläufig. Es ist aber ausgeschlossen, daß sich was an der grundsätzlichen Perspektive Platz 7-12 ändert. Und hätte Hecking mit dem kompletten Kader nur diese 17 Punkte erreicht und die mehrfachen trostlosen Pleiten eingefahren, dann wäre ich schon vor Wochen auf den Zug der Trainerkritiker aufgesprungen. Dann hätten nicht nur die Erfolgserlebnisse gefehlt, sondern es hätte auch mehr Aufstellungsdiskussionen gegeben. Warum spielt schon wieder x statt y? Warum sind die nicht eingespielt/fit? Warum bleiben die sechs/sieben Führungsspieler in spe immer blaß?
Die Fragen haben sich allerdings nur selten gestellt. Eben auch wegen der "Ausrede". Nicht nur. Aber zum Teil. Ich glaube, zum größeren Teil. Wenn Enke & Co im Januar (besser: ab Januar) wieder dabei sind, wird nicht automatisch und sofort alles wieder gut werden. Aber es ist unabdingbar für eine bessere Rückrunde. Da kann Trainer sein wer will.