Ich kenne all die Argumente, die ganz allgemein gegen Trainerwechsel sprechen. Genauso kenne ich die Statistiken, die belegen, dass Trainerwechsel nicht wirklich etwas, zumindest dauerhaft etwas bringen. Ich kenne die Trainerhistorie von 96, die bestätigt, dass Trainerwechsel auch bei uns kein Erfolgsgarant waren - auch wenn über dem "alten" Trainer häufig gesagt wurde, dass es schlimmer ja nicht mehr werden könne.
Diese Argumente und meine natürlich angestiegene Lebenserfahrung haben mich irgendwann mal zu dem Punkt gebracht, dass ich vorsichtig geworden bin und mir Forderungen nach Trainerentlassungen nicht mehr so schnell über die Lippen gekommen sind. Das waren sozusagen "gute Vorsätze", an die ich mich gehalten habe und auch die Akzeptanz der Argumente gegen Trainerentlassungen, die ich nicht wirklich widerlegen konnte.
Nach dem heutigen "Spiel" (kann man das so nennen, was 96 da heute vorgeführt hat?) verfalle ich trotz meiner guten Vorsätze wieder in alte Reflexe. Ich bin der Meinung, dass Leitl zu entlassen ist. Und zwar am besten morgen.
Mich triebt dazu nicht die Derbyniederlage. Die ist natürlich sehr schlimm, keine Frage. Nein, es geht vielmehr darum, wie die Mannschaft seit Monaten auftritt und mit welchen Erfolg die Arbeit des Trainers auf dem Platz hat. Und es geht darum, wie bzw. in welche Richtung sich 96 entwickelt. Schließlich geht es auch ein Stück auch darum, wie Leitl mit den Niederlagen und den Mißerfolgen in der Öffentlichkeit umgeht.
96 zeigt unabhängig davon, welche Spieler auf dem Platz stehen ( Wechsel Börner/Kranjnc oder Weydandt/Teuchert oder Dehm/Muroya oder Ernst/Kunze usw.) nur noch Anti-Fußball, bei dem die grundlegendsten Dinge fehlen. Die Spieler treten so auf, als ob sie vorher noch nie eine Ballsportart betrieben hätten (wir wissen aber, dass das nicht stimmt und wir wissen auch, dass ausnahmslos alle Spieler in der Vergangenheit schon viel, viel bessere Leistungen gezeigt haben). Das, was sie seit Ende 2022 zusammengespielt haben, war so fehlerbehaftet, dass es mir teilweise schon körperlich weh tut. Und heute haben sie den Offenbarungseid geleistet.
Verantwortlich für diese Mannschaft und für die Art und Weise, wie sie sich präsentiert, ist der Trainer. Das ist sein Job und er wird dafür bezahlt. Jeder weiß, dass man gerade bei 96 und in der zweiten Liga keinen Gourmet-Fußball erwarten darf und das tut auch keiner, der noch bei Verstand ist. Aber man darf schon erwarten, dass die Spieler in der Lage sind, zu erkennen, wo ihre Mitspieler sind und die Abspiele/Päße größtenteils ankommen. Fehlpässe gibt es immer, genauso wie Mißverständnisse. Natürlich gibt es auch noch den Gegner. Dennoch: Selten (ich würde fast sagen: noch nie) eine Mannschaft gesehen, wo die Spieler so wenig Ballgefühl und sowenig Verständnis für einen angemessenen Spielfluss haben.
Einsatz, Wille und Laufbereitschaft sollten selbstverständlich sein, wenn man nicht gerade Messi ist. Heute sind mit in einigen Situationen Neumann und Köhn aufgefallen, die offenbar meinten, dass locker traben auch ausreicht. Ich möchte das aber nicht auf diese beiden Spieler reduzieren und nicht nur auf das heutige. Wie kann es sein, dass ein Profi wie Schaub so eine Ecke schießt? Oder letzte Woche der Kerk in einer aussichtsreichen Freistoßposition den einzigen Mauerspieler trifft, der da mehr oder weniger alibimäßig rumstand? Wie gesagt: Das Dilemma läßt sich nicht nur an einzelnen Spielern ablesen und auch nicht an einzelnen Spielen. Es zieht sich durch bei allen Spielern und allen Spielen. Der einzige, den ich von der Kritik ausnehme, ist Zieler. Ohne ihn wäre wir schon in der Hinrunde in erste Gefahr geraten und heute wären wir von den BSlern abgeschlachtet worden. Unfaßbar.
Wird es mit einem neuen Trainer besser? Wer käme denn im Falle eines Falles infrage und würde den Job auch machen bzw. wäre frei und bezahlbar? Die erste Frage kann ich natürlich nicht beantworten. Ich hoffe es inständig. Die zweite Frage kann ich auch nicht beantworten. Sollte Breitenreiter eine zweite Chance bekommen? Oder Slomka eine dritte? Oder wäre so einer wie Gisdol eine Lösung? Welcher Name auch immer genannt wird: es wird immer eine genügende Zahl von Leuten geben, die antworten "Bloß nicht der". Das macht die Sache auch für Mann nicht einfacher.
Was ich aber mit Bestimmtheit weiß: Ich halte die derzeitige Lage und den Zustand des Kaders für völlig inakzeptabel. Ich bin wütend, sauer, enttäuscht und frustriert. All das sind Gefühle, die für mich als langjähriger Fan von 96 zwar nicht neu sind, die ich aber niemals dauerhaft Woche für Woche und inzwischen Monat für Monat haben möchte.
Leitl möge sich bitte seiner Verantwortung stellen, die persönlichen Konsequenzen aus dem Scheitern ziehen und um sofortige Vertragsauflösung hinwirken. Ohne Abfindung oder Lohnfortzahlung. (ja, ich weiß: unrealistisch).