Gestorbene Berühmtheiten

  • Kenne den nicht. War wohl vor meiner Zeit? Besser als Maradona? Besser als Messi?

    Es existiert leider nur eine Filmaufnahme von seinem Können, weshalb sich der Mythos hauptsächlich auf Zeitungsartikel und mündliche Überlieferungen von Zeitzeugen stützt.


    Carlovich kam 20.April 1949 in Rosario (zweitgrößte Stadt Argentiniens) als Sohn kroatischer Einwanderer zur Welt. Wie alle argentinischen Jungs, kickte er von kleinauf in den Straßen und Bolzplätzen seines Viertels und zeigte dabei ein herausragendes Ballgefühl.


    In Rosario blieb sein Talent natürlich nicht den Scouts des Topclubs Rosario Central verborgen. So spielte er dort als Teenager in der Jugend und kam später auch zu seinem Profidebüt. Mit Miguel Ignomiriello stieß er dabei auf einen Trainer, der viel Wert auf Disziplin und Fitness legte. Mit beidem konnte "El Trinche" (die Gabel), wie Carlovich seit Kindesbeinen genannt wurde, nicht glänzen. Er erschien nur sporadisch zum Training und sah Fußball als Vergnügen und nicht als Pflicht an. Überhaupt machte Carlovich im Leben nur das, was ihn vergnügte.


    Letztlich kam er lediglich auf zwei Erstligaeinsätze bei Rosario Central und fand nach kurzen Gastspielen bei CSD Flandria und Independiente Rivadavia sein Glück bei Central Córdoba. Das war fußballerisch die dritte Kraft in Rosario, hinter den Erstligisten Rosario Central und Newell's Old Boys. Allerdings pilgerten Fans beider Topteams fortan zum örtlichen Zweitligisten, um "El Trinche" zaubern zu sehen. Auch die Trainerlegende Marcelo Bielsa soll nahezu jedes Spiel von Carlovich vor Ort verfolgt haben und von ihm maßgeblich in seiner Spielphilosophie geprägt worden sein.


    Höhepunkte der El-Trinche-Mania in Rosario war ein Testspiel der argentinischen Nationalmannschaft 1974. Zur Vorbereitung auf die WM in Deutschland gastierte man in Rosario und kickte gegen eine Stadtauswahl. Je fünf Stars von Rosario Central und Newell's Old Boys + "El Trinche" liefen auf. Letztgenannter spielte die Albiceleste in den ersten 45 Minuten schwindelig, so dass es zur Pause 3:0 für die Stadtauswahl stand.

    Nationaltrainer Vladislao Cap soll gebeten haben Carlovich zur Halbzeit auszuwechseln, da er eine riesige Blamage befürchtete. Aber Luft für 90 Minuten auf diesem Niveau hatte "El Trinche" wahrscheinlich eh nicht und verließ in der 65.Minute unter den Ovationen der Zuschauer das Spielfeld (Endstand übrigens 3:1). Nach dem Spiel gab es für den Ausnahmefussballer seiner Generation u. a. Angebote von Cosmos New York. Allerdings hing Carlovich zu sehr an seinem Viertel und seiner Stammkneipe in Rosario.


    Auch der AC Milan machte bereits wenige Jahre zuvor Bekanntschaft mit "El Trinche". Zu seiner Zeit bei Rivadavia bat man ihn Teil einer Stadtauswahl Mendozas zu sein, die gegen die Mailänder antreten durfte. Er führte die Stars aus Europa 90 Minuten vor und feierte mit seinen Teamkameraden einen 4:1 Erfolg.

    Bei Rivadavia hatte Carlovich übrigens zunächst den Spitznamen "El Gitano" (der Zigeuner), weil er angeblich auf dem Boden seiner Behausung schlief und sich morgens in einem Bach wusch. Nach den ersten Darbietungen auf dem Fußballplatz änderte sich das aber schnell zu "El Rey" (der König).


    Der Lieblingstrick von Carlovich war der "caño de ida y vuelta". Ein "caño" ist ein Tunnel und beim "caño de ida y vuelta" wird der Gegner getunnelt und danach, nach dessen Drehung, sofort wieder getunnelt. Angeblich soll ihm bei Central Córdoba für jeden Tunnel eine kleine Prämie gezahlt worden sein. Da war es natürlich sinnvoll jeden Gegenspieler gleich doppelt zu tunneln.


    Cesar Luis Menotti, nach der WM 1974 Nachfolger von Vladislao Cap als Nationaltrainer, lud Carlovich auch einmal zur Nationalmannschaft ein. Das war natürlich ungewöhnlich, dass ein Zweitligaspieler in die Albiceleste berufen wurde. Aber jeder Fachmann wusste, dass Carlovich nur nicht in der 1.Liga spielte, weil er es so wollte. Nationalspieler wollte er aber anscheinend auch nicht werden und blieb der Einladung fern.


    Als Ende der 1970er Jahre der Stern von Diego Maradona aufging, wurden die beiden oft verglichen und Carlovich wurde zumindest außerhalb seiner Heimatstadt gerne als der Maradona Rosarios bezeichnet. Diego stellte da aber später was klar. Als Maradona 1993 als Neuzugang bei Newell’s Old Boys vorgestellt wurde und ein Journalist ihm erzählte wie stolz man doch sei, den besten Fußballspieler aller Zeiten in Rosario empfangen zu dürfen, antwortete Maradona: "Der Beste der Welt hat bereits in Rosario gespielt. Es war ein Mann mit dem Namen Carlovich."


    Btw; wenn man einen Fan von Rosario Central fragt, wer der grösste Fußballer ist, den Central je vorgebracht hat, käme aus Gründen zu allererst immer Aldo Poy, dann garantiert Carlovich und danach vielleicht Messi.

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  • Da es ja einige Leute hier in diesem Forum gibt, die sich gut auskennen und ein Wissen haben, welches man nicht im Internet finden kann, hier eine Frage:

    Sonny Costa hat 1964 ja den "96 Twist" gesungen. Weil ich den in meiner nächsten Sendung spielen wollte, habe ich mich ein bisschen näher informieren wollen und war ziemlich erstaunt, dass Costa eher in der 1969 gerade erst legalisierten Schwulenszene aktiv war und mit Fussball nichts über ihn zu finden ist. Es gibt bzw gab den 96 Twist scheinbar auch nicht auf Vinyl, als Einziges ist die 7" Homo Joe zu finden, die damals dem Magazin für Schwule "Him" beigelegt war. Meine Fragen: Was hatte Sonny Costa mit 96 zu tun? (Ich habe nur gefunden, dass er mal (?) in Berlin gelebt hatte?)

    Was ist aus ihm geworden? Lebt er gar noch?

    Edit: Ich habe den 96 Twist damals als File vom Gruppe Pressler Frank bekommen. Kann mir jemand per PN seine Telefonnummer geben?

    Einmal editiert, zuletzt von erdinger ()

  • :(


    Rock den Himmel, Richard.


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  • In dem Video irritiert mich, dass die Künstler inklusive Tänzern allesamt schwarz sind, die Zuhörer weiß.

  • Fiel mir vorhin bei dem Video von Tutti Frutti (auf yt auch ohne Long Tall Sally davor) auch auf; irritierend ist das richtige Wort. Immerhin ist das heute anders. Eigentlich auch schon in den 60ern anders gewesen, wenn man zB ein Video von den Supremes anschaut.

  • In dem Video irritiert mich, dass die Künstler inklusive Tänzern allesamt schwarz sind, die Zuhörer weiß.

    Irritierend? Wirklich?

    Hat Euch in erster Linie überrascht, dass das (Film-)Publikum (in “Don’t knock the Rock”, diesem, zweiten, “Aufklärungsfilm” über Rock n Roll für beunruhigte Eltern, von 1956) nicht “divers” war oder gemischt oder, dass da “Weiße” eine “schwarze” Band hörten?


    Wir reden beim Phänomen Little Richard und den Geburtswehen des Rock ‘n’ Roll immerhin von der direkten Nachkriegszeit und von den 50ern.

    (Da hieß das auch bei uns übrigens noch “Negermusik” oder war gar nicht erst bekannt.)


    Wir reden hier im Übrigen von Georgia und damit vom Süden der USA.

    Die letzte große Welle der “Great Migration” in den Norden (nach WK II) flaute gerade ab, die mit den “Jim Crow Laws” - direkt im Anschluss an die Abschaffung der Sklaverei (durch den 13. Verfassungszusatz) - zementierte “Segregation”, mit ihren “Black Codes”, bestimmte das Leben.

    (Richard schlief bei Auftritten unterwegs So oft in YMCA-(=CVJM)-Heimen, weil ihm die Hotels kein Zimmer geben wollten.)


    Das eigentlich Besondere war doch, dass Little Richard - als einer von ganz ganz Wenigen damals - überhaupt vor ”weißem” Publikum spielen konnte, ja dass es überhaupt “Weiße” gab, die ihn kannten.

    Die haben damals für ihn einfach zu unterschiedlichen Tageszeiten “schwarze”und “weiße” Vorstellungen im selben Club oder Theater veranstaltet. Das war unerhört, wenn nicht illegal (weil es die Trennung in “schwarze” und “weiße” Orte unterlief) und riskant.


    Dazu, dass er bzw. seine Musik (!) überhaupt einem weißen Publikum bekannt gewandt worden war, haben im Übrigen insbesondere die (textlich nochmals entschärften) “weißen” Cover-Versionen von Pat Boone (1956) beigetragen. Richard wurde später bei seinen eigenen Auftritten deshalb auch zunächst als “The Original ‘Tutti Frutti’ Man” angekündigt.


    “Schwarze” Musik gab es damals nämlich eigentlich nur für Schwarze und außerdem nur selten auf Platten - und wenn, wurden diese “Race Records” wiederum - generell - nur von Schwarzen gehört.

    (Als sich das später änderte, wurde aus Race Records einfach RnB.)


    Little Richard war - gerade in dieser Zeit - und auch in den typischen “schwarzen” Milieus des Südens, aber noch in anderer Hinsicht ein besonderes Phänomen:

    Bei ihm hätte es nämlich damals, schrieb in einem Nachruf einer, gleich aus zwei Gründen für’s Lynchen reichen können:


    Er war schwarz und schwul. (Heute würde man vielleicht eher “queer” sagen, vielleicht war er auch bi.)
    Seine sexuelle Orientierung - bzw. die teuflische Sodomie, um zur Verdeutlichung einmal im im Kontext der Zeit zu formulieren - war Anlass genug für seinen Vater, den 14jährigen vor die Tür zu setzen.

    Der heuerte daraufhin als Spüler im lokalen Greyhound-Busdepot an, wo neben der Arbeit, Tutti Frutti, Good Golly Miss Molly und Long Tall Sally entstanden sein sollen.


    Die Texte seiner Songs waren (da kaum codiert) damals aber, selbst für “schwarze” Ohren derart sexuell explizit und drastisch formuliert (nochmal verstärkt angesichts seiner, für viele wahrnehmbaren Orientierung), dass sie entschärft werden mussten, bevor man an eine Aufnahme auf Vinyl denken konnte.

    Aus Tutti Frutti, Good Booty wurde so, mit Hilfe einer Songschreiberin, noch im Studio, “Tutti Frutti, aw Rudi” und es verschwanden die auf den weggefallenen Teil des Titels bezogenen praktischen Erkenntnisse des Sängers, wie “If it’s tight, it’s right. If it’s greasy, it makes it easy.


    Zwei Interessante
    Nachrufe (NYTimes / AV-Club)


    ——-

    Kleiner Fun-Fact am Rande:

    In dem ebenfalls 1956 gedrehten Film (Remake) “High-Society”, (dessen Handlung von Philadelphia nach Newport - zum Jazz-Festival verlegt worden war, wo Schwarz und Weiß immerhin schon fast vereint musizieren konnten) singt Bing Crosby (mit Louis Armstrongs Unterstützung die alte Cole Porter Nummer: Now Yo Has Jazz


    Und wer genau hinhört, hört es (ab 4:00 aufpassen) auch - es reimt sich schön auf Pole:

    From the Equator
    Up to the Pole
    Everybody winging
    Everybody singing
    That rock, rock, rock
    Rock, rock and roll.


    Die wohl erste Erwähnung des Rock n Roll.

    Einmal editiert, zuletzt von 94-95-96 ()