Sozialversicherung, Krankenkasse, was weiß ich..

  • Weiteres Beispiel sind "Kassensprechstunden" bei angesehen Ärzten. Die behandeln dann an 5 Tagen die Woche nur Privatpatienten und haben einmal die Woche für ein oder zwei Stunden eine offene Sprechstunde ohne Termin für Kassenpatienten. Und wenn von den zwanzig wartenden Patienten da eben nur zehn drankommen, dürfen die anderen "krank" wieder nach Hause gehen.

  • @Exil: Macht mich traurig, das zu hören. Weil es nicht sein muss. Inkompetenz ist leider systemimmanent, genauso wie Missbrauch und Vorteilnahme.


    Wenn ich von einem der vermutlich besten medizinischen Systeme im Universum spreche, dann meine ich natürlich immer den Durchschnitt. Das es zwischen beiden Enden erhebliche Spreizungen gibt ist bedauerlich und nicht gewollt, das glaube ich jetzt einfach mal.

  • Wie, Du hast jetzt erst gemerkt, dass wir in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft leben?


    Sehe ich anders. Grundsätzlich hat in diesem Land ausnahmslos jeder Mensch Zugang zu einer medizinischen Versorgung, die im gesamten Universum ziemlich führend sein dürfte. Wenn es nun privat krankenversicherte gibt, die mit ihren Beiträgen auch einen Beitrag zur Erhaltung dieses Systems leisten, warum sollen die dann nicht auch zusätzliche Leistungen in Anspruch nehmen dürfen?


    Das ist eine Diskussion, die ich einfach nicht nachvollziehen kann. Dann dürfte es auch keine unterschiedlichen Hotelklassen mehr geben, wir fahren alle einen echten Volkswagen, es gibt keine besseren Sitze in Kino, Theater oder Konzerten mehr etc. pp.



    Schwieriges Thema. Ich vertrete eher die Auffassung, dass die Privatversicherten das Gegenteil von Erhaltung beitragen. Viel mehr stützt sich das System auf die breite Masse der Pflichtversicherten. Wenn sich aber der Teil entzieht, der den größten Obulus beisteuern könnte, wird erneut alles auf die Schultern der mittleren Gehälter abgeladen. Das ist im Grunde genommen wie mit der Lohnsteuer, das Gros tragen nicht die Habenden, sondern Popelmätze wie ich. Sicherlich ist der Versorgungsrückgang in den gesetzlichen Versicherungen nicht allein darauf zurückzuführen, es ließe sich auch über Pharmakartelle, die Notwendigkeit eines Pseudowettbewerbs und den daraus resultierenden Wasserkopf usw. sprechen, letztlich können wir dem System aber derzeit gerade deshalb beim Scheitern zusehen, weil die solventen Beitragszahler fehlen.

  • Weiteres Beispiel sind "Kassensprechstunden" bei angesehen Ärzten. Die behandeln dann an 5 Tagen die Woche nur Privatpatienten und haben einmal die Woche für ein oder zwei Stunden eine offene Sprechstunde ohne Termin für Kassenpatienten. Und wenn von den zwanzig wartenden Patienten da eben nur zehn drankommen, dürfen die anderen "krank" wieder nach Hause gehen.


    In diesem Zusammenhang muss man sich aber auch mal die Entwicklung auf Patientenebene ansehen. Da ist zum Einen die immer älter werdende Bevölkerung (der Medizin sei Dank... ;) ), aber auch eine extrem zunehmende Inanspruchnahme der Ärzte im allgemeinen. Ich habe in meinem Bekanntenkreis einen Sportmediziner, einen Zahnarzt und einen Notfallchirurgen - was die so erzählen ist schon atemberaubend.


    Was ich persönlich nicht in Ordnung finde ist, wenn sich Unternehmer-Ärzte die Rosinen picken, da bin ich völlig bei Dir. Reine Privat-Praxen können aber auch nicht die Lösung sein, weil dann wiederum (regional sehr unterschiedlich ausgeprägt) die Versorgung der Allgemeinheit auf der Strecke bleibt.

  • Das Patientenverhalten ist teilweise grauenhaft, ich weiß. Wobei auch da das System sich selbst kaputt macht. Weil man bei vielen Hausärzten keine zeitnahen Termine bekommt, sitzen heutzutage Leute mit den kleinsten Zipperlein in den Notaufnahmen der Krankenhäuser und erlauben da gar keine geregelten Abläufe mehr. Klar gehen viele Leute auch einfach zu oft zum Arzt, wenn aber der Hausarzt das eher seelsorgerisch abdecken könnte (und davon auch noch leben könnte), wäre dennoch allen Seiten deutlich mehr geholfen.

  • Dann müsste aber auch die Frage gestellt werden, warum er davon nicht leben kann. Und gleichzeitig die Frage beantwortet werden, was so ein Arzt eigentlich zum Leben braucht bzw. wie viel man ihm zugestehen mag.

  • Da wären wir dann ganz flott überhaupt bei der Frage, was welchem Menschen zusteht bzw. zugestanden werden soll.
    Bis heute verstehe ich nicht wirklich tief verinnerlicht, warum z. B. ein fleißiger Malergeselle weniger verdienen soll, als ein fauler Rechtsanwalt.


    Dieses "lange Ausbildung gemacht" und "verantwortungsvolle Arbeit" etc. sind doch Scheinargumente, weil sie letztlich auf allein vom Zufall abhängigen Eigenschaften des jeweiligen Menschen beruhen. Wer kann denn was dafür, intelligent, groß, schnell, beweglich, kreativ, wohl behütet - oder eben auch nicht - zu sein?


    Vermutlich werde ich gleich wieder ob meiner Undifferenziertheit oder Oberflächlichkeit (oder meines ALters) hier in Grund und Asche geritten, aber offen gestanden komme ich von dieser Überlegung nicht weg. Habe aber vor lauter Arbeit keine Zeit, lange darüber nachzudenken.

  • Habe aber vor lauter Arbeit keine Zeit, lange darüber nachzudenken.


    Wie viele Wände musst du denn heute noch anstreichen?


    Das lag mir auch auf den Fingern....... :D Wobei der faule Rechtsanwalt auf Dauer auch nicht in Saus und Braus leben dürfte.


    Hedemann stellt aber schon die richtigen Fragen. Nur eine Antwort habe ich nicht darauf.

  • Als fauler Maler - nicht mal Geselle - stehe ich vermutlich ziemlich weit unten in der Nahrungskette.
    Sieht man mir aber gottseidank nicht an. Wer so blenden kann, muss also Jurist sein.
    Ein Paradoxon.

  • aber ich bin davon ausgegangen, dass ich mich mit eigener Geldleistung temporär in die "erste Klasse" eingekauft habe und denen gegenüber nicht weiterhin benachteiligt bin.


    Mal völlig das Thema "Zwei Klassen" und "Benachteiligung" außen vor gelassen: Bei der Krankenversicherung handelt es sich letztlich auch "nur" um eine Versicherung und es gilt das Prinzip der Unvorhersehbarkeit. Üblicherweise zahlt ein Versicherungsnehmer dafür, dass in einem zukünftigen und ungewissen Fall er Hilfe in Form von Geldleistung bekommt, wenn dieser Fall dann eintritt. Es kann also sein, dass dieser Versicherungsnehmer jahrzehntelang für einen Fall zahlt, der in diesen Jahrzehnten nie eingetreten ist, aber hätte eintreten können.


    Keiner würde einer Versicherung abschließen, wenn er wüßte, dass dieser absicherte Fall nicht eintritt. In deinem Fall ist das so, dass man dich annähernd aber so stellt, als wenn du schon vor Eintritt dieses Falles eine entsprechende Absicherung gekauft und bezahlt hättest. Gegebenenfalls auch schon jahrzehntelang. Man könnte das auch so sehen, dass man dich gegenüber denen bevorteilt, die über Jahre brav ihre Versicherungsprämien zahlen und im Falle des Falles annähernd die gleichen Leistungen (Vorzüge) erhalten wie jemand, der erst dann zahlt, wenn tatsächlich der Fall eingetreten ist.


    Du bezahlst jetzt aus eigener Tasche den Betrag, den die Private Krankenversicherung für ihren Versicherungsnehmer bezahlt hätte. Das Krankenhaus bekommt also den identischen Betrag. Die Leistung ist auch identisch, der Unterschied ist nur, dass du eventuell zurücktreten mußt, wenn ein Privatversicherter kommt. Dieser kleiner Vorteil für den schon vor Eintritt des Falles versicherten Privatpatienten honoriert seine Bereitschaft, auch dann schon für diesen Fall zu zahlen, wenn der weder eingetreten, noch sich angekündigt hat. Würde nicht so ein kleiner Vorteil da sein, würde ja keinen Sinn machen, vorher zu zahlen, sondern man würde dann clevererweise abwarten, bis es dann tatsächlich passiert ist.


    Das ist zumindest ein Erklärungsansatz, warum sich das Krankenhaus so verhält und du scheinbar benachteiligt wirst.

  • Das halte ich aber für völlig aus der Luft gegriffen, da es hier um Leistung gegen Bezahlung geht. Wer das bezahlt, sollte für den Leistungserbringer unerheblich sein.

  • Aber Nils hat ja "nur" das Zimmer bezahlt. Ein Privatpatient zahlt insgesamt mehr und das auch für die gleichen Leistungen (und ggfls ungewollte Zusatzleistungen).

  • Den Einwand verstehe ich jetzt aber auch nicht, da es ja um das Zimmer und nicht um sonstige Leistungen geht.

  • Ganz einfach: Wer für Kassenleistungen auf der Privatstation liegt, blockiert das Bett für einen echten Privatpatienten, der mehr Umsatz für medizinische Leistungen beschert.


    Klingt nach einem interessanten Vertriebsmodell. Dann dürfte man die "Privatstationszimmer" eben prinzipiell nicht Kassenpatienten anbieten. Aber eine Leistung zuerst zu verkaufen und dann zurückzuziehen ist in meinen Augen unseriös. Fliegt der Übernachtungsgast etwa aus einem Hotel, wenn das Zimmer kurzfristig für einen Halbpensionsgast benötigt wird?

  • Aber ein Privatpatient hat doch nicht automatisch gleich im stationären Bereich mehr versichert. Das kommt ja ganz auf seinen Tarif an.


    Ansonsten verdient das Krankenhaus doch nur mehr an den Zimmern und noch an den Chefarztbehandlungen. Wie viel geht davon eigentlich an Krankenhaus bzw wie viel bleibt da beim Arzt? Ansonsten wird doch alles gleich über die DRG Pauschalen abgerechnet.