Unglaubliche Schlagzeilen

  • Zitat

    Original von Hylla
    npd im "unglaubliche schlagzeilen"-thread?
    unglaublich...
    svennypennys ergüsse mit möllemann aber noch unglaublicher....


    Ich habe heute eigentlich keine Lust, mich auf persönlichen Killefitz mit Dir einzulassen, aber da Du es ja geradezu einforderst ... ich hatte nie Ergüsse mit oder wegen Möllemann. In keiner Form. Bis heute nicht.


    Es stellte sich für mich lediglich die Frage, ob hier nicht ein spektakulärer Politikersuizid geplant gewesen sein könnte ... bei einem mehrschüssigen und hinsichtlich tödlicher Munition schussfähig gemachten Revolver wären aber auch noch andere Theorien über den Grund für das Einschmuggeln dieser Waffe in den sächsischen Landtag denkbar.


    Zumal der Initiator derzeit mit dem Rücken zur Wand steht und auch in jüngster Vergangenheit gerne mal "den Führer" als Vorbild genannt hat.


    War ich jetzt zu zynisch oder nicht zynisch genug ?

  • was irgendein ex-npd-greis in irgendnem landtag treibt, ist mir völlig wurst..


    amoklauf im landtag ohne internetanmeldung? meinetwegen!

  • Siehste. Und ich nehme Aussagen des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz relativ emotionslos zur Kenntnis.


    Sollte er aber demnächst in seinem Landtag von einem NPD-Greis erschossen werden, können wir uns ja nochmal austauschen.


    Bis dahin alles Gute für Dich.

  • "Schuldig" nach 100 Jahre altem Seerecht in Alabama


    Unfall wird deutschem Kapitän zum Verhängnis


    (Von Georg Schwarte, NDR-Hörfunkstudio Washington; ARD.de 14.12.2006)



    Wolfgang Schröder fährt seit 32 Jahren zur See. Zum Helden wurde er 1987, als er Schiffbrüchige aus Seenot rettete. Jetzt sitzt er im berüchtigten Corrections-Center-Gefängnis im US-Staat Alabama. Zehn Jahre Haft drohen dem deutschen Kapitän. Zum Schwerverbrecher wurde er durch einen tödlichen Unfall.



    Im Hafen von Mobile, an den Docks des einzigen Tiefwasserhafens in Alabama, tief im Süden der USA, liegen Container soweit das Auge reicht. Millionen Tonnen Holz, Kohle und Stahl werden hier für die ganze Welt jedes Jahr umgeschlagen. Kapitän Wolfgang Schröder kennt den Hafen und kennt die Welt. 32 Jahre fährt er jetzt zur See. Am 2. März 2006 steht er auf der Brücke der "Zim Mexico III", eines Containerschiffes der Hamburger Rickmers Reederei. Beim Ablegen vom Ladedock muss der über 160 Meter lange Frachter drehen, Routine für den Kapitän.


    Aber was dann passiert, veränderte alles, erzählt Jonas Lyborg, der den Hafen von Mobile seit vielen Jahren kennt: "Während dieses Wendemanövers fiel das Bugstrahlruder aus. Die Strömung des Flusses und der Wind drückten das riesige Schiff Richtung Dock. Kapitän Schröder und der Lotse versuchten, mit dem Ruder und der Hauptmaschine gegenzusteuern. Vergeblich. Das Containerschiff rammte das Dock, ein Kran stürzte um und erschlug einen Hafenarbeiter."


    Hand- und Fußfesseln für den Kapitän


    Lyborg hat lange Zeit im Hafen von Mobile für eine schwedisches Seefahrts-Unternehmen gearbeitet. Jetzt kämpft er für den deutschen Kapitän, denn Schröder - den seine zur See fahrenden Kollegen einen erfahrenen und umsichtigen Kapitän nennen - sitzt bis heute in einem Gefängnis in Alabama, dem berüchtigen Corrections Center von Bay Minette. "Das Licht brennt 24 Stunden am Tag. Es gibt keine Möbel, keine Stühle, keinen Tisch, ein Gemeinschaftsklo für alle in der Zelle, Besuche zwei Mal die Woche maximal 30 Minuten. Schröder sitzt dann in Hand- und Fußfesseln hinter Panzerglas", berichtet Lyborg.


    Veraltete Gesetze in Alabama


    Was die Anwälte des 59-jährigen deutschen Kapitäns vor Gericht als tragischen Unfall darstellten, ausgelöst durch den Ausfall der Elektrik des Bugstrahlruders, war für die Geschworenen des US-Gerichts in Mobile, Alabama, fahrlässige Tötung. Ein kleiner, vor über einhundert Jahren entstandener Gesetzesabschnitt besagt, dass in einem Seerechts-Fall wie diesem nicht grobe, sondern schon einfache Fahrlässigkeit ausreiche, um wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und verurteilt zu werden. "Einfache Fahrlässigkeit, das war alles, was es hier brauchte", so Schröders Anwalt Irwin Schwartz. Das mache theoretisch einen Autounfall auf einem Parkplatz zu einem kriminellen Akt. Aber genau das besage das Gesetz, und das sei das Problem. Der Experte für Seerecht verzweifelt an der amerikanischen Justiz und dem Schuldspruch gegen seinen Mandanten.


    Schröder war einen Monat nach dem Unfall am Karfreitag von der amerikanischen Küstenwache verhaftet und dann in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht worden, wurde behandelt wie ein Schwerverbrecher. Schwartz sagt, er habe als Anwalt seit 30 Jahren nicht mehr erlebt, dass Mandanten in Fußfesseln zum Gespräch mit ihrem Verteidiger gebracht werden, nicht mal bei zum Tode verurteilten Mördern. Aber das sei die Art, wie sie Menschen in Alabama behandelten, erklärt er.


    Urteil der Geschworenen: Schuldig


    Die Hamburger Reederei Rickmers, Arbeitgeber des Kapitäns, stellte Kaution. Schröder gab seinen Pass ab und wurde für sechs Monate bis zum Gerichtsverfahren unter Hausarrest gestellt. Und dann saß der Kapitän vor den Geschworenen. "Der Staatswanwalt zeigte als allerletztes Beweisstück das Foto des toten Hafenarbeiters, einen vom gerammten Kran zerschmetterten Körper. Und mit diesem Eindruck ging die Jury in die Beratungen", berichtet der amerikanische Anwalt von der Verhandlung. Sieben Stunden saßen die Geschworenen zusammen, dann der Schuldspruch: Schuldig wegen fahrlässiger Tötung. Für Wolfgang Schröder brach eine Welt zusammen: "Was sollte ich da machen. Zwei Federal-Marshalls haben mir Handschellen angelegt, mir alles abgenommen, was man nicht haben darf: Gürtel, Kreditkarte und meine Uhr."


    Zu erreichen ist der Kapitän per Telefon. Das Gespräch läuft aber über das Büro vom Gefängnis-Sheriff, der hört zu, die Leitungsqualität ist schlecht. Kapitän Schröder, der norddeutsche Seemann, der 32 Jahre auf hoher See zubrachte, der seine Frau seit April des Jahres nicht mehr gesehen hat, sitzt jetzt in einer Gefängniszelle in Alabama und wartet auf das Strafmaß. Er lebe von einem Tag zum nächsten, sagt er. Anders sei das alles nicht zu ertragen.


    Als Held geehrt


    1987, als die Fähre "Herald of Free Enterprise" im britischen Kanal unterging, ertranken 193 Menschen. Damals war es Kapitän Wolfgang Schröder, der mit seinem Schiff als einer der ersten an der havarierten Fähre war. Er half Menschen zu retten, erhielt daraufhin Dankesschreiben der britischen Premierministerin Margaret Thatcher und einen Orden vom belgischen König. Heute sitzt der Held von einst als Häftling im Gefängnis und wartet auf das Strafmaß. "Ein Unding", sagt der Schwede Lyborg, der Schröder zweimal die Woche besucht. Für ihn sei es wichtig, dass die Welt, dass Europa mitbekomme, dass hier einem professionellen Seefahrer, einem Mann, den sie einst als Held bezeichnet haben, Unrecht geschehe.


    Bis zu zehn Jahre Haft kann die Richterin verhängen. Schröder nimmt es norddeutsch gelassen: "Wenn das dann so kommt und es eine längere Haftstrafe wird, dann bleib´ ich eben hier in Alabama. Da kann man ja nichts machen." Nein, sagt er ins rauschende Telefon, viel könne man jetzt wohl nicht für ihn tun. Er hoffe, dass die Richterin den Schuldspruch aufhebt, sonst wolle er in die Berufung gehen, so Schröder, als eine Computerstimme das Telefongespräch unterbricht. "Noch fünfzig Sekunden bis das Telefonat automatisch unterbrochen wird", lautet die Ansage.


    Strafmaß wird erst im Februar verkündet


    "Und grüßen Sie mir Norddeutschland", ruft Schröder in den Hörer. Ein letzter Gruß an die Heimat, dann geht es für ihn zurück in die Zelle. Anfang Februar, so hat die Richterin mitgeteilt, wird sie das Strafmaß verkünden. Solange bleibt der deutsche Kapitän auf jeden Fall in dem amerikanischen Gefängnis. Und es bleiben die Handfesseln und die Fußfesseln für einen Kapitän, dessen tragischer Unfall einfach am falschen Ort passierte. Sein amerikanischer Anwalt jedenfalls bittet öffentlich um Entschuldigung für das US-Justizsystem: "Es ist mir peinlich zugeben zu müssen, dass unsere Gesetze veraltet sind und dass wir unsere Häftlinge unmenschlich behandeln. Alles was wir jetzt tun können, ist, Wolfgang Schröder freizubekommen."

    Einmal editiert, zuletzt von Red Storm ()

  • Ach ja, die Staaten und ihre Gesetze... :nein:



    Für Aufregung in Belgien hat jetzt ein belgischer Fernsehsender gesorgt:


    Wenn ich mir vorstelle, was hier los wäre, wenn das Erste hier etwas ähnliches mit Bayern durchziehen würde - dieser Kater bei den bayerischen Separatisten, sobald sie mitbekämen, dass das ein Fake war..

    2 Mal editiert, zuletzt von WILL(y) ()

  • Wieso müssen eigentlich immer die Bayern als Seperatistem herahlten? Der Fall Belgien ist in Nichts mit Bayern zu vergleichen. Auch wenn jetzt irgendeine ebenso vorhersehbare anderslautende Antwort kommt: Bayrisch ist nur ein Dialekt, während sich die Existenz Belgiens eigentlich nur auf den gemeinsamen Katholizismus gründet, der dank des Willens Großbritanniens den Weg aus den "Vereinigten Niederlanden" geebnet hatte. Bayern fordert bestenfalls mehr Föderalismus, und die Bayernpartei als einzige wirkliche seperatistische Kraft ist nicht der Rede wert.

  • finde die situation in belgien zwar auch nicht wirklich mit verhältnis bayern/restbundesrepublik vergleichbar, aber wer sollte auf deutsche verhältnisse übertragen besser taugen für den vergleich? die friesen und dänen im meerumschlungenen schleswig-holstein oder die sorben in der lausitz etwa?

  • der drang ausländisches mit deutschem zu vergleichen führt halt nur ganz folkloristisch in diesem fall zu den bayern. aber wie gesagt, passt natürlich keineswegs zur belgischen situation.

  • Natürlich ist der Vergleich Bayern/Flandern unangemessen wie nur nix.
    Und die Situation in Belgien, wo manchmal die Frage berechtigt scheint, ob es noch einen funktionierenden Nationalstaat gibt, ist sicher nicht auf Deutschland übertragbar.


    Aber WENN man trotzdem ums Verrecken ein unpassendes Beispiel aus Deutschland sucht, dann ist das beste von ihnen wohl noch die Bayernpartei.
    Ich habe selten einen schlechten Scherz erklären müssen...

    2 Mal editiert, zuletzt von WILL(y) ()

  • Is klar Will(y) - hab ich Dir auch nicht zugetraut. Mein Einwand folgte eher dem Motto: "Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich hab´s zwar verstanden - aber können sie das nochmal für die anderen erklären?"

  • Jugendkriminalität


    Die Nachwuchs-Terroristen


    Von Regina Mönch; 16. Dezember 2006


    Zwei Jungen geraten vor einem Schultor in Berlin-Neukölln aneinander. So jedenfalls sieht es aus. Doch der eine, ein Deutscher und damit in der Schule wie im Viertel Angehöriger einer Minderheit, wehrt sich nur. Er will sein Handy nicht hergeben. Der andere, ein arabischer Junge, „zieht ihn ab“. Das ist der niedliche Ausdruck für Raub unter Schülern. Mit dem Gerät erbeutet der Räuber auch den Schülerausweis seines Opfers und damit dessen Adresse. Der Räuber, dessen intensive kriminelle Karriere in Kindertagen begann, fliegt schließlich zu Hause raus.


    Die Eltern werden mit ihm nicht mehr fertig. Die Verwandten auch nicht. Deren Erziehungsmethoden sind zudem nicht gerade das, was Sozialtherapeuten und liberale Pädagogen empfehlen. Und so steht der kleine Räuber eines Abends vor der Wohnungstür des Opfers und verlangt Obdach, denn sie, die Familie des „abgezogenen“ Jungen, habe ihm den Ärger eingebrockt. Die Opferfamilie sucht wieder Hilfe, stößt auf viel Verständnis und Mitgefühl, doch wirklich helfen kann niemand, und so lebt sie fortan in Angst. Mitten in Berlin.


    Handschellen, Protokoll, Schulhof


    Der Räuber mißhandelt seinen Mitschüler weiter, erpreßt ihn sogar. Das Opfer vertraut sich seinen Lehrern an. Die Polizei wird wieder eingeschaltet. Es kommt bei der Übergabe des erpreßten Geldes zur Verhaftung. Die Handschellen schnappen zu. Zwei Stunden später steht der Übeltäter wieder auf dem Schulhof. Ein Held, der damit prahlt, daß er jeden fertigmachen könne, weil er ja nicht einmal vierzehn sei. Vor Lehrern und Schülern warnt er sein Opfer: Nächste Woche seien dann hundert Euro fällig. Der erpreßte, mißhandelte, verängstigte Schüler ist auch erst vierzehn Jahre alt. Er besucht seitdem nicht mehr die Schule, die ihm keinen Schutz bieten kann, obwohl die Polizei den Täter wieder und wieder verhaftet, immer mit dem gleichen Ergebnis; Handschellen, Protokoll, Schulhof. Die Mutter dieses Opfers kapituliert, sie wird mit ihrem Sohn das Viertel verlassen, denn sie werden auch auf der Straße angepöbelt und verfolgt.


    Das Kollegium der Schule ist empört, aber ratlos. Verzweiflung könne man sich nicht leisten, sagt ein Lehrer, schließlich sei die Mehrzahl der Schüler stinknormal, mit vielleicht ein paar mehr Lebensnöten beladen als Gleichaltrige in anderen Berliner Vierteln. Warum gibt es an der Schule keine Solidarität, die Opfer schützen würde? „Du Opfer!“ sagt der Schulleiter bitter, das sei so ziemlich das schlimmste Etikett für einen Heranwachsenden in manchen Vierteln. Und nur, weil es auch auf Schulhöfen gebraucht wird, wissen wir davon. Wer als Opfer stigmatisiert ist, hat dort verloren, wo es um physische Stärke, um vermeintliche Ehre und die Zugehörigkeit zu einem Clan, einer Kraftprotzclique oder einer bestimmten Ethnie geht.


    Auch Antisemitismus spielt eine Rolle


    Für das, was wir im umgekehrten Falle rassistische Diskriminierung nennen würden, gibt es keine Rubrik in den unzähligen Statistiken, die Gewaltausbrüche von Jugendlichen hochdifferenziert erfassen. Zwei Berliner Jugendrichter machten unlängst auf dieses neuere Phänomen - „eine unverblümte Deutschenfeindlichkeit“ - in einem Gespräch mit dem „Tagesspiegel“ aufmerksam.


    Antisemitismus kommt noch hinzu. Nun lernen Schüler jüdischen Glaubens eher selten an Schulen, deren Schüler überwiegend aus arabischen oder türkischen Familien stammen. Doch wechselten gerade zwei Kreuzberger Mädchen an ein Gymnasium in Mitte, weil sie den Terror auf dem Schulweg in Kreuzberg - bespuckt, verprügelt, gejagt und beschimpft zu werden - nicht mehr ertrugen. In der Schule hatten die Lehrer diese Ungeheuerlichkeit mit Erfolg bekämpfen können. Doch nicht einmal Polizeischutz konnte dem jüdischen Mädchen helfen. Und so floh es, gemeinsam mit einer Freundin, die nur zum „Opfer“ wurde, weil sie zu ihr hielt, an das Jüdische Gymnasium. Sie sind dort nicht die einzigen mit solchen Erfahrungen.


    Unterentwickeltes Bewußtsein für Unrecht


    Viele dieser Jungen sind seit ein paar Jahren in einer speziellen Kartei erfaßt: Es sind junge Intensivtäter, deren Roheitsdelikte sich nicht nur atemraubend häufen, sondern bereits im Kindesalter beginnen und sich durch besondere Brutalität auszeichnen. Ein Staatsanwalt arbeitet in diesen Fällen eng mit Polizei und Jugendamt zusammen. Nicht allen, die um einen politisch möglichst korrekten Frieden auf Berlins Straßen bemüht sind, gefallen die Erkenntnisse des Oberstaatsanwalts Reusch. Achtzig Prozent der Intensivtäter, die Mehrzahl davon im Jugendalter, kommen aus Migrantenfamilien.


    Arabische, kurdische oder vermeintlich libanesische Jungen sind die auffälligste Gruppe, nicht nur wegen ihrer überdurchschnittlich großen Zahl - gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung. Sie kommen oft aus Familien, Clans mit bis zu zweihundert Mitgliedern, deren Jungenerziehung wir Kindesmißhandlung nennen. Nur sieht man es dort als althergebrachte Erziehungsmethode, mit der sich Väter und große Brüder oder Cousins Respekt verschaffen. Die Jungen reichen diese Erfahrung auf der Straße weiter, ihr Bewußtsein für Unrecht ist so unterentwickelt wie ihre Gewißheit groß ist, daß ihnen keiner etwas anhaben kann.

  • Beschränkte Möglichkeiten für die Schulen


    Und die Lehrer? Sie erfahren oft nur zufällig, was einige ihrer Schüler auf dem Kerbholz haben. Eher wird bekannt, daß ein Opfer wieder einmal im Krankenhaus gelandet ist. Der Täter aber genießt Datenschutz, und den Schulen wird unterstellt, Schläger und Dealer stigmatisieren zu wollen. Die Opfer, so eine Polizeisprecherin, müßten auch lernen, sich zu wehren. „Täterschutz vor Opferschutz“ ist die Formel, die der Rektor einer Neuköllner Hauptschule gebraucht. Er arbeitet wie viele seiner Kollegen eng mit der Polizei zusammen. Doch es gibt seiner Meinung nach zu hohe bürokratische Hürden, die Pädagogen behindern, die sich als Schutzmacht all ihrer Schüler verstehen. Gewalttätig sind nur wenige, doch gefährden sie viele und können schon zu zweit oder zu dritt (dazu natürlich die Freizeitgang, die Verwandten) das Klima an einer Schule vergiften.


    Die Möglichkeiten der Schulen, auf brutale Zwischenfälle mit Sanktionen zu reagieren, sind äußerst beschränkt: Briefe an die Eltern, sofern sie lesen können. Wenn nicht, bleibt noch, einen Dolmetscher für sie zu bezahlen (im Schuletat eigentlich nicht vorgesehen) und Einbestellung zum vertrauensvollen Gespräch. Hilft selten. Dann bleibt noch die Suspendierung vom Unterricht. Sie beeindruckt niemanden, dessen Schlachtfeld die Straße ist. Zu guter Letzt bleibt der Schulverweis. Sind die Übeltäter schulpflichtig, wandern sie unter Umständen von Schule zu Schule, was auch selten hilft, die intensive Gewaltkarriere zu bremsen, trotz Sozialtherapeuten, Jugendpsychologen und verpflichtendem Anti-Gewalt-Training.


    Wie soll es weitergehen?


    Die Lehrer wissen das. Das Milieu, in dem diese Jungen - Mädchen tauchen da nur ausnahmsweise auf - kriminell wurden, bleibt. Es ist fast immer eine parallele Welt, in der ein sogenannter Friedensrichter mehr zu sagen hat als Polizei, Jugendamt und Lehrer zusammen. Ein Friedensrichter aus dem wichtigsten Clan des Viertels, der zur Not auch mit Geld oder Drohungen die Zeugen einschüchtert. Damit alles in der Familie bleibt.


    Vom Weiterreichen von Schule zu Schule haben sich Neuköllner Schulleiter jetzt verabschiedet. Doch wie soll es weitergehen? Noch ein Netzwerk, noch eine Statistik, noch mehr ungehörte Briefe um Hilfe an Behörden, die nur eines zu wissen scheinen: Datenschutz ist wichtig, Elternrechte gehen über alles, und runde Tische besänftigen zwar nicht die Presse, aber die Gutmenschen im Kiez. Die Polizei, die zuweilen in bestimmten Vierteln auf der Verliererseite zu stehen scheint, wird jetzt nach neuen Leitlinien, wie es heißt, „verbal sensibilisiert“. Anlaß waren Krawalle in Kreuzberg, die eskalierten, als die Polizei dreiste junge Diebe aufs Revier bringen und die Nachbarschaft ihre Jungs nicht hergeben wollte. Sie waren doch noch so jung.


    Schadensbegrenzung für den guten Ruf


    Man müsse dies differenziert sehen, heißt es beim Berliner Polizeipräsidenten. Statistisch sei nachgewiesen, daß die Jugendgewalt zurückgehe. Doch die Berliner Kartei junger Intensivtäter wächst, trotz gewisser Korrekturen, die den Täterkreis einschränken sollten. Und der Hinweis, es gebe nicht nur in bestimmten Vierteln diese Jungen mit der atemraubenden kriminellen Karriere, sondern überall in der Stadt, klingt nach Schadensbegrenzung für den guten Ruf.


    Denn ein Blick auf die Diagramme der Staatsanwaltschaft müßte ernüchtern. Etwa die Hälfte der 459 Intensivtäter hat einen deutschen Paß; als was sie sich begreifen, steht auf einem anderen Papier, und wie sie Deutsche wurden, auf einem weiteren. Nur einer lebt im bürgerlichen Lankwitz, drei im noch bürgerlicheren Zehlendorf, drei kommen aus Friedrichshain, weitere drei aus Köpenick, vier aus dem schicken Mitte. Doch im Wedding leben 65, in Tiergarten 44, im kleinen Kreuzberg 46 und 99 im großen Neukölln. Vier Säulen, die die sozialen Brennpunkte der Stadt deutlich markieren.


    Stacheldraht, Blechnapf und Karzer?


    Darüber, meinen Lehrer, sei nun endlich nicht mehr nur zu reden. Es sind zu viele Kinder darunter, die man vor sich selbst, vor allem aber vor ihrem Clan und sinistren Kriminellen schützen muß, die die Strafunmündigen für ihre Zwecke einsetzen. Die neue Berliner Justizsenatorin aber war gerade ernannt, da gab sie bereits bekannt, daß es mit ihr weder härtere Strafen geben wird für diese vom Wege abgekommenen Jungen noch geschlossene Heime. Das Jugendstrafrecht reiche aus. Das wirkliche Leben straft sie Lügen, aber der Reflex ist vertraut. Was stellen sich besorgte oder ahnungslose Politiker und Multikultiveteranen eigentlich unter einem „geschlossenen Heim“ vor? Stacheldraht vor dem Fenster und Blechnapf und Karzer?


    Annette Schavan hat es einmal mit dem Begriff „Internate“ versucht, stand trotzdem sofort am Pranger als grausame Ewiggestrige. Diese Intensivtäter, besonders gefährdet und gefährlich, sind mit selbstbestimmter Jugendhilfe, die auf Freiwilligkeit basiert, und Strafarbeit zu wohltätigen Zwecken kaum zu beeindrucken. Und ihre Kindheit ist mitnichten das, was man einem Kind wünschen sollte. Wenn die Gesellschaft keine rettende Lösung für sie findet jenseits der gescheiterten althergebrachten Besserungsbemühungen, werden wir zumindest geschützte Häuser für die Opfer brauchen.


    Text: F.A.Z., 16.12.2006, Nr. 293 / Seite 35

  • Zitat

    Original von Silesiosaurus
    Mein Einwand folgte eher dem Motto: "Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich hab´s zwar verstanden - aber können sie das nochmal für die anderen erklären?"


    Solltest Du jemals Deine Memoiren schreiben, gehört dieser Satz auf den Umschlagtext!!!


  • [url=http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,455101,00.html]Mehr bei Spiegel.de[/url]


    Offenbar passen die Jobangebote nicht in seine Freizeit... :kopf:

    Einmal editiert, zuletzt von Discostu ()