Unglaubliche Schlagzeilen

  • Noch ein Wort zum Verhältnis von freier Meinungsäußerung und Cancel Culture.


    Personen, die sich auf Cancel Culture berufen, nehmen das Recht für sich in Anspruch, zu jeder Zeit und an jedem Ort alles sagen zu dürfen, was ihnen in den Kopf kommt. Wohlgemerkt ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen und mit dem Selbstverständnis nicht kritisiert zu werden. Mit diesem modernen Anglizismus und auf pseudointellektuelle Art möchten sie sich der Verantwortung ihres Gesagten entziehen.


    Ein interessanter Kommentar hierzu vom Philosophen David Lauer:


    https://www.deutschlandfunkkul…ture-debatte-vom-100.html

  • Personen, die sich auf Cancel Culture berufen, nehmen das Recht für sich in Anspruch, zu jeder Zeit und an jedem Ort alles sagen zu dürfen, was ihnen in den Kopf kommt. Wohlgemerkt ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen und mit dem Selbstverständnis nicht kritisiert zu werden.

    Ich nicht, es geht mir um grundsätzliches, ein Dozent der nicht lehren darf weil er früher mal was gemacht hat was sich heute durch andere negativ entwickelt hat, ein anderer der keinen Vortrag halten darf weil er die "falsche" Hautfarbe hat.


    Es geht auch eher darum vorurteilsfrei, faktenbasiert, offen und wissenschaftlich Themen zu diskutieren, nicht um urplötzlich Parolen rauszuhauen. Und klar darf man dafür kritisiert werden aber man wird ja zensiert.

    Zitat

    Auf einer Party im Kreise von Ihresgleichen äußert ein Gast plötzlich weltanschauliche Auffassungen, die Sie und Ihresgleichen falsch und abstoßend finden. Wie reagieren Sie?

    (a) Sie erklären und begründen unmissverständlich ihren Widerspruch und fordern Ihr Gegenüber auf, sich zu Ihren Argumenten zu verhalten.

    (b) Sie haben keine Lust, einen abtörnenden Streit auf sich zu nehmen, und verlassen deshalb die Party.

    (c) Sie haben keine Lust, einen abtörnenden Streit auf sich zu nehmen, und verlangen deshalb von der Gastgeberin, dass der andere Gast die Party verlassen oder zumindest schweigen solle.

    d) man ignoriert es.

    e) man führt eine sachliche Diskussion darüber und widerlegt seine/ihre Auffassungen mit Argumenten. Mit oder ohne Hilfe von anderen.


    Vor allem weiß man gar nicht was diese Auffassungen sind, nachher sind die einfach nur nicht woke genug und man selber spielt die Opferkarte, die Mehrheit würde vielleicht nicht so reagieren. Das wird in dem Kommentar aber gar nicht in Erwägung gezogen. Natürlich kann man beleidigt oder betroffen sein und derjenige sollte sich dann entschuldigen, nur canceln ist die schlechteste Option.

  • Ich beziehe mich mal auf den folgenden Passus von dir Dvdscot:


    „Es geht auch eher darum vorurteilsfrei, faktenbasiert, offen und wissenschaftlich Themen zu diskutieren, nicht um urplötzlich Parolen rauszuhauen. Und klar darf man dafür kritisiert werden aber man wird ja zensiert.“


    Dazu als konkretes Beispiel der Fall Lucke.


    Lucke hat seine Tätigkeit als Professor ruhen lassen, um eine rechtspopulistische Partei zu gründen. Damit hat er rechtsradikalen Figuren, wie Höcke, eine Plattform geschaffen und sie salonfähig gemacht. Zu Beginn seiner politischen Karriere hatte er kein Problem, rechte Positionen zu vertreten und mit Rechtsradikalen Seite an Seite zu gehen.


    Mit zugespitzten Thesen zur Bevölkerungs-, Ausländer- und Bildungspolitik will die Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland für sich werben. Parteichef Bernd Lucke und die drei Spitzenkandidaten aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg stellten am Mittwoch in Berlin ihre Kernthesen für die Wahlen vor. Darin fordern sie unter anderem eine "aktive Bevölkerungspolitik", die den Rückgang der Einwohnerzahl stoppen soll.

    Der Inklusionspolitik, die auf den gemeinsamen Schulbesuch behinderter und nicht-behinderter Kinder abzielt, erteilten die AfD-Spitzenpolitiker eine Absage. Das Schengen-Abkommen wollen sie aussetzen, um mutmaßlich kriminelle Ausländer fernzuhalten.“


    https://www.augsburger-allgeme…-Club-id30851992-amp.html


    Als sein Projekt aus dem Ruder lief, wollte er, als sei nichts geschehen, wieder an die Uni zurück.


    Hatte er das Recht dazu? Selbstverständlich.

    Durfte er massiven Gegenwind erfahren? Selbstverständlich.


    In solchen Situationen gibt es kein „vorurteilsfrei“, dafür hat er schon selbst gesorgt. Lucke hat sich politisch positioniert und muss nun auch den Gegenwind aushalten bzw. die Konsequenzen für sein Handeln tragen. Das Wappenschild Cancel Culture dient hier nur dazu, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

  • Meines Erachtens war die AFD bei Gründung der Partei nicht rechtspopulistisch. Wikipedia nennt es auch EU- kritisch und rechtsliberal. Später hat sicherlich auch Lucke rechtspopulistische Positionen bezogen. Aber darauf will ich gar nicht hinaus. Du schreibst, dass Lucke das Recht dazu hat, seinen Beruf an der Uni wieder auszuüben. Was ist denn für dich legitimierter massiver Gegenwind? Für mich jedenfalls nicht das, was dann in den ersten Wochen passierte. Das war nämlich eine Verhinderung seiner Berufsausübung.

  • Zitat

    Hatte er das Recht dazu? Selbstverständlich.

    Durfte er massiven Gegenwind erfahren? Selbstverständlich.


    Zitat

    Er wurde mit Papierkugeln beworfen, ein junger Mann rempelte ihn an und eine Frau versuchte mehrmals seinen Laptop zuzuklappen: Am Mittwoch hatten mehrere hundert Demonstranten an der Universität Hamburg die erste Vorlesung von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke nach dessen Rückkehr an die Hochschule verhindert.


    https://www.tagesspiegel.de/wi…e-schutz-zu/25125924.html


    Für mich ist das jetzt nicht konkret Bestandteil von Cancel Culture, aber auch nicht "Gegenwind aushalten" oder "Konsequenzen tragen" im Rahmen demokratischer Auseinandersetzung.

  • Ok, halten wir fest, dass ein Politiker und Professor der keine Probleme hatte, Höcke und Kalbitz auf das Schild zu heben, mit Papierkügelchen beworfen wurde. Er wurde angerempelt und eine Frau versuchte, sein Laptop zuzuklappen.


    Die Verhinderung einer Vorlesung als Antwort darauf, dass er Nazis unterstützt hat. Ich finde, dass Lucke noch gut weggekommen ist. Für mich läuft das unter wehrhafte Demokratie.

  • Ok, halten wir fest, dass ein Politiker und Professor der keine Probleme hatte, Höcke und Kalbitz auf das Schild zu heben, mit Papierkügelchen beworfen wurde. Er wurde angerempelt und eine Frau versuchte, sein Laptop zuzuklappen.


    Die Verhinderung einer Vorlesung als Antwort darauf, dass er Nazis unterstützt hat. Ich finde, dass Lucke noch gut weggekommen ist. Für mich läuft das unter wehrhafte Demokratie.

    Mein alter Mathe-Lehrer wäre glücklich gewesen, hätte er "nur" Papierkügelchen abbekommen und hätten wir "nur" versucht seinen Laptop zu zu machen.

    Der hatte das volle Programm des jugendlichen Ungehorsams von uns bekommen, incl. verschwundener / eingeseifter Kreide, umgedrehte Mülleimer auf seinem Tisch, etc. War n armer Mann, der Herr Krabel. Papierkügelchen wenn er sich zur Tafel umgedreht hatte, gehörten selbstredend auch dazu. Das war Ehrensache..

  • Die Verhinderung einer Vorlesung als Antwort darauf, dass er Nazis unterstützt hat. Ich finde, dass Lucke noch gut weggekommen ist. Für mich läuft das unter wehrhafte Demokratie.

    :nein: Blödsinn! Faxen machen und rumtröten im Hörsaal wegen einer Ecomonics Vorlesung ist bescheuert. Wehrhafte Demokratie ist für mich Aufklärung und verhindern von Cancel Culture.


    Hook1896 Was hat dein Mathelehrer angestellt?

  • Nur für mich nochmal für die Akten: Jetzt hast du aber schon den Begriff "Cancel Culture" ganz eigenständig benutzt, korrekt?

  • Ok, halten wir fest, dass ein Politiker und Professor der keine Probleme hatte, Höcke und Kalbitz auf das Schild zu heben, mit Papierkügelchen beworfen wurde. Er wurde angerempelt und eine Frau versuchte, sein Laptop zuzuklappen.


    Die Verhinderung einer Vorlesung als Antwort darauf, dass er Nazis unterstützt hat. Ich finde, dass Lucke noch gut weggekommen ist. Für mich läuft das unter wehrhafte Demokratie.

    Für mich waren die Slogans der ASTA "Lucke lahm legen, keine Lehre am rechten Rand" dann schon eher der Wunsch ihm ein Lehr- und damit Berufsverbot auszusprechen. Es war auch nicht nur eine Vorlesung. Es kam nicht wie gewünscht, aber deine Verniedlichungen sind dann vielleicht auch kein Ansatz zu einer Diskussion.

    Interessant aber die Zusammensetzung seines aktuellen Lehrstuhls, wenn man an seine unsägliche "Bodensatz" Aussage denkt. Ich möchte Lucke hier nicht relativieren, aber selbst gestandenen Nazis werden zu Recht Exit-Programme angeboten.

  • Wenn du wie üblich erzählst, dass du nur andere zitierst, weil du mal hören wolltest, was hier die Leute so dazu sagen.

    Eben waren "Cancel Culture" deine eigenen Worte.

  • Ach so, ja, das waren meine eigenen Worte. Ist doch bekannt, nicht wirklich neu, früher gab es nen anderen Begriff dafür. In der langen Zeit der Menschheit gab es schon viele Phasen in denen Sachen passiert sind denen man Namen gegeben hat. Jetzt haben wir halt Cancel Culture. Nicht so stark dass es überall gleichermaßen ankommt aber für bestimmte Betroffene ist das natürlich eklatant. Ich hoffe das geht vorbei, vieles negatives (und auch positives) ist vorbei gegangen, manches aber auch nicht.

  • Für mich waren die Slogans der ASTA "Lucke lahm legen, keine Lehre am rechten Rand" dann schon eher der Wunsch ihm ein Lehr- und damit Berufsverbot auszusprechen. Es war auch nicht nur eine Vorlesung. Es kam nicht wie gewünscht, aber deine Verniedlichungen sind dann vielleicht auch kein Ansatz zu einer Diskussion.

    Interessant aber die Zusammensetzung seines aktuellen Lehrstuhls, wenn man an seine unsägliche "Bodensatz" Aussage denkt. Ich möchte Lucke hier nicht relativieren, aber selbst gestandenen Nazis werden zu Recht Exit-Programme angeboten.

    Hat sich Lucke denn von seinen rechtspopulistischen/-radikalen Äußerungen distanziert?