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"Am Hintern und im Gesicht wächst alles wieder zusammen"
In der Welt der Verbindungsstudenten werden noch echte Zweikämpfe mit scharfen Waffen ausgetragen, bis deutsches Blut spritzt. Nach der Mensur preist man den "Kick" und vergleicht stolz die Schmisse, besingt schwarzbraune Haselnüsse und trinkt viel Bier. Sehr viel Bier. Eine Reportage von Max Schulz
Schneidig hallt das Kommando durch den Saal einer alten Villa im Kieler Nobelstadtteil Düsternbrook. "Silentium! Ich bitte Türen und Fenster zu schließen und das Reden und Rauchen einzustellen!", brüllt der Mann mit einer bunten Mütze auf dem Kopf und einem dreifarbigen Brustband. Filmen und Fotografieren ist streng verboten, Frauen, Hunden und Pennälern der Besuch der Veranstaltung untersagt - so schreibt es die Fechtordnung vor.
Zwei Studenten in Kettenhemden und mit martialischen Schutzbrillen aus Blech werden von ihren Sekundanten zur Mensur geleitet. Zu einem Wettstreit mit scharfen Hiebwaffen. "Ich bitte um Silentium für eine tiefe Partie Schläger zwischen meinem Bundesbruder und dem Herrn X von einem wohllöblichen Corps Y über 30 Gänge à fünf Hiebe, wovon der erste und der letzte Gang Ehrengänge sind", grölt der eine Sekundant dem Unparteiischen zu, der zuvor die rund 50 schwatzenden und Bier trinkenden Verbindungsstudenten zur Ruhe ermahnte.
"Wir führen auf Schmiss ab"
"Hoch bitte, Mensur!" Die beiden Paukanten, junge Studenten im Kampfdress, erheben sich von ihren Stühlen und recken mit dem rechten Arm eine etwa 80 Zentimeter lange Hiebwaffe hoch. "Fertig", hallt es von einem der beiden Sekundanten. Sie sind Studenten älteren Semesters mit Schutzhelmen und Lederschürzen. Jeder Sekundant kniet neben seinem Paukanten und soll eingreifen, wenn der Gegner gegen die Fechtregeln verstößt.
"Los!" Die Klingen der Paukanten verbinden sich für einen Moment hoch über ihren Köpfen wie auf dem Logo eins Rasierklingenherstellers. Dann saust die Klinge des einen auf den Armstulp des anderen; die beide scharfen Klingen treffen metallisch scheppernd aufeinander. Fliegen da Haare vom Kopf des einen Studenten? "Halt!" Die Sekundanten springen dazwischen.
Der erste Gang ist vorüber. Während der Sekundant prüft, ob sein Schützling einen Kopftreffer erhalten hat, biegen Erstsemester - so genannte Füchse - die Klingen gerade und desinfizieren sie. Sagrotangeruch vermischt sich mit dem Mief von kaltem Rauch, Rasierwasser und frisch gezapftem Bier zum speziell männlichen Duftbouquet eines Paukbodens.
Renommierschmiss schmückte einst Akademiker
"Hoch bitte, Mensur!" Der zweite scharfe Gang mit der Gelegenheit, dem Gegenüber eine Schnittwunde zu verpassen und am Weiterfechten zu hindern. Stichverletzungen wie beim Degenfechten sind durch die abgerundeten Klingen und vorgeschriebenen Bewegungen ausgeschlossen. "Fertig!" "Los!" Wieder dreschen die Paukanten, die sich vorher nicht kannten, aufeinander ein.
Ein Hieb, ein aufgeregtes "Halt" vom Sekundanten: Aus einer fünf Zentimeter langen Wunde, knapp unter der rechten Geheimratsecke des einen Studenten, spritzt dunkelrot Blut im Sekundentakt auf den Boden. "Wir führen auf Schmiss ab, danke für gehabte Partie", lässt der Sekundant den Unparteischen wissen. Ein Student feixt seinem Corpsbruder angesichts der Stirnwunde zu: "Am Hintern und im Gesicht wächst alles wieder zusammen!"
In der Pubertät wird Jugendlichen weisgemacht, es gebe kaum etwas Wichtigeres, als sich um seine Haut zu kümmern - Clearasilstift, Hautwasser, Cremes als tägliche Begleiter. Was bringt die Mitglieder von schlagenden Verbindungen dazu, einander wenige Jahre später die Gesichtshaut aufzuschlitzen?
Bei den Studenten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die auf vergilbten Schwarzweiß-Porträts an den Wänden des Kneipsaals stolz ihre schmissbesetzten Wangen präsentieren, war das leichter zu erklären: Fast jeder Student gehörte einer Verbindung an - von Heinrich Heine bis Herrmann Löns, von Max Weber bis Wilhelm II. von Preußen. Der Renommierschmiss auf der Wange galt zudem als Symbol des Akademikerstatus. Damals diente die Schläger-Mensur auch dazu, Streitigkeiten unter Studenten zu schlichten. Das war der Gesundheit weit weniger abträglich als ein Pistolenduell oder ein Zweikampf mit Säbeln.
"Heute ist es eher so ein Kick wie bei anderen Extremsportarten", behauptet Ole, 24, Fechtwart eines Berliner Corps. "Niemand ist scharf darauf, einen Schmiss einzufangen, aber wenn man sich zur Mensur stellt, geht man das Risiko ein - das ist ein Gefühl wie beim Fallschirmspringen", sagt der Maschinenbaustudent, der zusätzlich zu den drei Pflichtpartien seiner Verbindung noch zwei Mal mehr gefochten hat. "Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass studentisches Fechten eine Sportart ist, die nicht jeder betreiben kann", so Ole weiter.
Um Mitglied in einer schlagenden Verbindung zu werden, muss man männlich und an einer Hochschule in Deutschland. Österreich oder der Schweiz eingeschrieben sein. Für die Korporationen des sehr rechten Dachverbandes Deutsche Burschenschaft - mehrere Verbindungen werden vom Verfassungsschutz beobachtet - ist es obendrein wichtig, dass bei den Mensuren deutsches Blut fließt: Ausländer (ausgenommen so genannte Volksdeutsche) und Kriegsdienstverweigerer müssen draußen bleiben.
Ausländer müssen draußen bleiben
Die meisten anderen Verbände nehmen jeden auf, der auf diesem atavistischen Wege seine Männlichkeit beweisen will. Besonders unter Studenten aus Skandinavien und den USA sind deutsche Verbindungen populär - wohl auch wegen des exzessiven Biergenusses.
Klischees über Verbindungsstudenten gibt es viele: zum Beispiel, dass der Durchschnitts-Korporierte so aussieht wie einer, der mit 20 seine erste Tanzstunde hat. Manchmal stimmt die Beschreibung. Einige Studenten, die sich jetzt an diesem Abend zur Kneipe in der Gründerzeitvilla eingefunden haben, wirken in ihren ältlich geschnittenen Anzügen wie Versicherungsvertreter auf Reisen. Andere tragen Designerklamotte von Ralph Lauren oder auch modische Anzüge und Krawatten von H&M und Esprit - wie es Mittzwanziger so tun, wenn sie sich schick machen wollen.
Wieder brüllt ein Student durch den Kneipsaal, in dem inzwischen Stühle und Tische stehen: "Silentium!" Das heißt so viel wie Ruhe, und für mehr Nachdruck schlägt der junge Mann an der Kopfseite des Saales mit einem stumpfen Fecht-Schläger auf den Tisch. Eben noch, auf der Fahrt zum Verbindungshaus, hörten sie Eminem oder The Rasmus im MP3-Walkman. Nun knödeln 20-jährige Studenten zusammen mit 80-jährigen Alten Herren deutsche Volkslieder wie "Dort Saaleck, hier die Rudelsburg". "Es ist natürlich schräg, so alten Kram hier zu singen, aber spätestens nach dem dritten Bier bringt es echt Spaß", sagt der Daniel, 21, dessen zweifarbiges Band ihn als Fuchs, als Verbindungsneuling, ausweist.
Hups, da hat sich ein Bierskandal zugetragen
Der Männerchor schmettert weiter nationales Liedgut, in dem die Schönheit der Jugend besungen wird, der Klang der Waffen, schwarzbraune Haselnüsse oder die Verbundenheit mit dem Vaterlande. In den Einband der Gesangsbücher eingeschlagene Biernägel verhindern, dass die Texte nass werden. Drei Bier sind schnell erreicht, denn zu jeder Gelegenheit wird zugeprostet und der Rest, den der Zufall im Glas gelassen hat, auf das Wohl von irgendwem geleert. "Wenn einer kein Bier mag oder keinen Alkohol trinkt, kann er sich beim Präsidenten der Kneipe bierkrank melden und muss nicht mitsaufen", erklärt der Fuchs Daniel.
"Silentium im kleinen Kreise", wünscht sich schreiend ein Tischnachbar. "Es hat sich ein Bierskandal zugetragen zwischen meinem lieben Bundesbruder Daniel und Herrn Müller von einer verehrlichen Landsmannschaft Y. Sind die Gemäße präpariert?" Vor den beiden Studenten steht jeweils ein volles Bierglas für einen so genannten Bierjungen oder die Biermensur, das ritualisierte Wettsaufen. "Ja", brüllt der eine Student schneidig. "Jawoll", versucht der Fuchs ihn in Sachen korporierter, übertrieben männlicher Tonalität noch zu übertreffen. "Das erste Kommando zieht scharf", proklamiert der Unparteiische. "Vom Boden an den Hoden! Vom Nabel an den Schnabel! Prost sagen in der Mitte erwünscht! Sauft's!"
Als hätte der liebe Gott vergessen, bei den Rivalen als Serienausstattung im Rachen ein Zäpfchen einzupassen, läuft das kühle Nass die Kehle herunter. "Fertig", schreit der Fuchs, eine Millisekunde vor seinem Kontrahenten. Das war ein einfacher Bierjunge. In manchen Corps ist es durchaus üblich, vier- oder achtfache Bierjungen zu trinken. Das bedeutet: 1,5 bis 3 Liter Bier auf Ex.
Wer solche Mengen vertilgt, muss sich während des Trinkens öfter mal erbrechen. Dieser Anblick bleibt den Burschenschaftern heute erspart.
Entschuldigt meine Ausdrucksweise, aber dieser Text aus Spiegel.de unterstreicht genau diejenige Meinung, die ich seit Jahren über Burschenschaften habe:
Die haben doch durch die Bank einen Arsch offen, oder?
Frauenfeindlich, überheblich, nicht-im-Leben-stehend, häufig ausländerfeindlich, übertriebener Alkoholkonsum, Kotzbecken im Keller, Spießer, usw. usf.
Findet Ihr das normal?